Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100423/19/Fra/Ka

Linz, 14.07.1992

VwSen - 100423/19/Fra/Ka Linz, am 14. Juli 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des J H, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. M L und DDr. K R H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 18. Dezember 1991, VerkR-96/3536/1991/Ga, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und der Eisenbahnkreuzungsverordnung, nach der am 29. Juni 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, daß der Schuldspruch zu lauten hat: "Sie lenkten am 28. Juli 1991 gegen 4.45 Uhr den PKW auf der B Bundesstraße 147 durch das Stadtgebiet M in Richtung U.

1. Sie haben die im Ortsgebiet von M und S zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zwischen Strkm 17,8 und 19,0 der B 147 überschritten.

2. Sie haben die nach dem Ortsgebiet von S durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h zwischen Straßenkilometer 19,0 und 19,3 überschritten.

3. Sie haben die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zwischen Strkm. 19,3 und 20,4 der B 147 überschritten.

4. Sie haben die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchtgeschwindigkeit von 60 km/h auf Höhe der Ortschaft F zwischen Strkm. 20,4 und 20,8 der B 147 überschritten.

5. Sie haben die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zwischen Strkm. 20,8 und 22,8 überschritten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 20 Abs.2 StVO 1960. 2. § 52 lit.a Z.10a StVO 1960. 3. § 20 Abs.2 StVO 1960. 4. § 52 lit.a Z.10a StVO 1960. 5. § 20 Abs.2 StVO 1960.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie jeweils gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 folgende Strafen verhängt:

Geldstrafe in Höhe von Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1.) 600 S 1.) 12 Stunden 2.) 600 S 2.) 12 Stunden 3.) 600 S 3.) 12 Stunden 4.) 600 S 4.) 12 Stunden 5.) 600 S 5.) 12 Stunden Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 19, 24, 51 und 51e Abs.1 VStG.

II. Der Kostenbeitrag für das Strafverfahren 1. Instanz ermäßigt sich auf 300 S. Für das Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages.

Rechtsgrundlage: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 18. Dezember 1991, VerkR96/3563/1991/Ga, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1. § 20 Abs.2 StVO 1960, 2. § 52 lit.a Z.10a StVO 1960, 3. § 20 Abs.2 StVO 1960, 4. § 52 lit.a Z.10a StVO 1960, 5. § 20 Abs.2 StVO 1960 und 6. § 16 Abs.1 Eisenbahnkreuzungsverordnungen zu 1. bis 5. jeweils gemäß § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 und zu 6. gemäß § 56 Abs.3 Eisenbahngesetz, Geldstrafen und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Ferner wurde der Beschuldigte gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Rechtsinstitut der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da jeweils 10.000 S übersteigende Geldstrafen nicht verhängt wurden, durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 29. Juni 1992 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Bei dieser Verhandlung haben sowohl der Beschuldigte als auch sein Vertreter sowie die geladenen Zeugen teilgenommen. Weiters wurde ein Amtssachverständiger für Verkehrstechnik beigezogen.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Aufgrund des Ergebnisses der vom unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführten Verfahren (Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt, ergänzende Erhebungen sowie Verhandlung) konnte das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitungen, wie es im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommt sowie das Vorliegen der besonders gefährlichen Verhältnisse und das Faktum 6 (§ 16 Abs.1 Eisenbahnkreuzungsverordnung) nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. Allerdings werden die Geschwindigkeitsüberschreitungen, wie sie im neuformulierten Schuldspruch zum Ausdruck kommen, eindeutig als erwiesen angenommen.

I.3.2. Hinsichtlich des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung wird auf die anläßlich des durchgeführten Ortsaugenscheines durchgeführte Testfahrt verwiesen. Diese Testfahrt erfolgte mit dem Privat-PKW des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik, Fabrikat: Audi 90 Quattro, Leistung: 100 kw. Am Fahrzeug des Sachverständigen war der Geschwindigkeitssensor Correvit-L mit dem Auswertegerät Datron EEP 3 montiert. Das Gerät war auf kontinuierlichen Datenausdruck geschaltet, sodaß jeweils in Abständen von 0,5 Sekunden Geschwindigkeit, Zeit und Wegstrecke ausgedruckt wurden. Der Meldungsleger hatte den Auftrag, an bestimmten Beobachtungspunkten durch Nachfahren die Geschwindigkeit des voranfahrenden Fahrzeuges festzustellen. Aufgrund des zum Zeitpunkt der durchgeführten Testfahrt starken Verkehrsaufkommens konnte allerdings nicht mit der Geschwindigkeit gefahren werden, welche der Meldungsleger zum Zeitpunkt des relevanten Vorfalles mit seinem Dienstkraftwagen gefahren ist. Nichtsdestotrotz ist der Amtssachverständige in seinem Resümee schlüssig zum Ergebnis gekommen, daß das Ausmaß der dem Beschuldigten zur Last gelegten Geschwindigkeitsübertretungen mit der erforderlichen Sicherheit nicht nachzuweisen ist. Da an der Tauglichkeit der vom Amtssachverständigen angewendeten Methode bezüglich der Simulierung des Nachfahrvorganges keine Zweifel bestehen und diesbezüglich allfällige Bedenken auch weder seitens des Beschuldigten noch von seinem Vertreter vorgebracht wurden, bestand für den unabhängigen Verwaltungssenat auch kein Anlaß, die Beurteilung des Amtssachverständigen diesem Erkenntnis zugrundezulegen.

I.3.3. Hinsichtlich der Annahme des Vorliegens besonders gefährlicher Verhältnisse wird vorerst auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Danach müssen zusätzliche gravierende Gefahrenmomente gegeben sein, um die besonders gefährlichen Verhältnisse zu rechtfertigen. Derartige Elemente können aufgrund des Verhandlungsergebnisses im vorliegenden Fall nicht als erwiesen angenommen werden. Zweifellos ist es zwar richtig, daß die vom Beschuldigten befahrene Strecke Kreuzungen sowie Haus- und Grundstücksausfahrten aufweist. Diesem Umstand ist jedoch entgegenzuhalten, daß zum Zeitpunkt des Vorfalles praktisch kein Verkehrsaufkommen herrschte sowie die Fahrbahnbeschaffenheit günstig war. Entgegen der Annahme der Erstbehörde war es nicht mehr dunkel, sondern aufgrund der Verhandlungsergebnisse herrschte bereits (beginnendes) Tageslicht. Zudem ist zu berücksichtigen, daß aufgrund der durchgeführten Lenker- und Fahrzeugkontrolle einerseits am Fahrzeug keinerlei Mängel festgestellt werden konnten und andererseits der Beschuldigte fahrtauglich war (der durchgeführte Alkotest erbrachte ein Ergebnis von 0,0 mg/l AAK).

I.3.4. Zweifellos wird jedoch als erwiesen angenommen, daß der Beschuldigte die im Spruch zum Ausdruck kommenden Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen und zu verantworten hat. Der unabhängige Verwaltungssenat stützt sich hiebei auf die Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos M vom 30. Juli 1991 und auf die zeugenschaftlichen Aussagen des Meldungslegers anläßlich der mündlichen Verhandlung sowie auch auf die Rechtfertigung des Beschuldigten. Hinsichtlich der Tauglichkeit und Zulässigkeit des Beweismittels durch Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug und Ablesen des Tachometers wird auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwGH vom 28.3.1990, 89/03/0261) verwiesen. Danach stellen das Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug und das Ablesen des Tachometers (bei gleichbleibendem Abstand) ein taugliches Beweismittel für die Feststellung der eingehaltenen Geschwindigkeit dar und zwar auch mit ungeeichtem Tachometer, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitungen 20 bis 40 km/h betragen, weil auch bei Einrechnung einer allgemein üblichen Toleranz für ungeeichte Tachometer dennoch Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gegeben sind. Im gegenständlichen Fall ist der Meldungsleger rund 5 km hinter dem Beschuldigten nachgefahren, wobei sich der Abstand zwischen dem Dienstkraftwagen und dem Beschuldigten-PKW vergrößert hat. Weiters wurde der Tachometer des Funkpatrouillenwagens schon mehrmals bei verschiedenen Geschwindigkeiten mit Radar gemessen und verglichen, wobei die Abweichung (10 km/h) bei den in der Anzeige angeführten Geschwindigkeiten in Abzug gebracht wurden. Der Beschuldigte gibt zudem selbst zu, "nie schneller als 120 km/h gefahren zu sein".

Die beantragte Einvernahme seines Bruders konnte unter diesen Voraussetzungen unterbleiben, da der Sachverhalt bereits hinreichend geklärt ist.

Die Anführung des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung konnte unterbleiben, da dies keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des Schuldspruches hat, denn jede (also auch nur eine geringfügige) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit stellt einen Verstoß gegen diese Bestimmung dar, weshalb weder das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung noch der Umstand, daß sie "erheblich" war, ein wesentliches Tatbestandsmerkmal einer solche Übertretung darstellt (vgl. VwGH vom 24.5.1989, 89/02/0009 u.a). Der Rechtsansicht des Beschuldigten, wonach es sich um ein fortgesetztes Delikt handelt, welches nicht gesondert bestraft hätte werden dürfen, wird nicht beigepflichtet. Dieser Ansicht steht die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, welcher sich der unabhängige Verwaltungssenat anschließt. Danach sind Überschreitungen der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit und Überschreitungen kundgemachter Höchstgeschwindigkeiten zwei selbständige Delikte, welche getrennt zu bestrafen sind.

I.3.5. Die Übertretung des § 16 Abs.1 der Eisenbahnkreuzungsverordnung konnte aufgrund des Verhandlungsergebnisses nicht nachgewiesen werden. Nach dieser Bestimmung haben sich die Straßenbenützer bei Annäherung an Eisenbahnkreuzungen unter Beachtung der Straßenverkehrszeichen und aufgrund der vorhandenen Sichtverhältnisse so zu verhalten und insbesondere ihre Geschwindigkeit so zu wählen, daß sie erforderlichenfalls vor der Eisenbahnkreuzung anhalten können.

Das unbedenkliche Gutachten des Amtssachverständigen hat ergeben, daß selbst bei einer angenommenen Geschwindigkeit von 150 km/h bei Umschalten auf Gelblicht das Fahrzeug aus einer Strecke von 160 m angehalten werden könnte oder die Eisenbahnkreuzung während des Gelblichtes noch vor Aufleuchten des Rotsignales überfahren hätte werden können. Da - wie oben erwähnt - die Geschwindigkeit von 150 km/h nicht einwandfrei erwiesen werden konnte, muß davon ausgegangen werden, daß das Beschuldigtenfahrzeug anzuhalten gewesen wäre.

Die Neuformulierung des Schuldspruches erfolgte zum Zwecke der Anpassung an die als erwiesen angenommenen Tatbeständen im Sinne des § 44a VStG.

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Strafbemessung:

Die nunmehr verhängten Strafen liegen im untersten Bereich des gesetzlich vorgegebenen Strafrahmens und sind dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen angepaßt. Die seitens der Erstbehörde verhängten Strafen waren einerseits deshalb herabzusetzen, da die von ihr angenommenen "besonders gefährlichen Verhältnisse" nicht nachgewiesen werden konnten, weshalb nicht der Strafrahmen gemäß § 99 Abs.2 (500 S bis 30.000 S), sondern der Strafrahmen gemäß § 99 Abs.3 StVO 1960 (bis 10.000 S Geldstrafe) anzuwenden war. Weiters ist zu konstatieren, daß die seitens der Erstbehörde zu Recht als erschwerend gewertete Vormerkung gemäß § 52 lit.a Z.10a StVO 1960 bereits getilgt ist, weshalb vom unabhängigen Verwaltungssenat diese Vormerkung nicht mehr als schulderschwerend gewertet werden darf. Die nunmehr verhängten Geldstrafen erscheinen auch den vom Beschuldigten anläßlich der Verhandlung angegebenen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt.

Da - wie erwähnt - straferschwerende und strafmildernde Umstände im Verfahren nicht hervorgekommen sind, im übrigen aufgrund des Verhandlungsergebnisses eine Geschwindigkeit von 120 km/h jedenfalls als erwiesen anzusehen ist, wurde die Geldstrafe dem Satz der Anonymverfügung im Hinblick auf Geschwindigkeitsüberschreitungen von 20 km/h bis 25 km/h angeglichen.

zu II. Der Ausspruch über die Kosten ist in den im Schuldspruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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