Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300932/2/BP/Ga

Linz, 16.02.2010

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                     4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Ried im Innkreis vom 22. Jänner 2010, GZ.: Pol96-173-2008, wegen einer Übertretung des OÖ. Veranstaltungssicherheitsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 45 und  51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 65 VStG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Ried im Innkreis vom
22. Jänner 2010, GZ.: Pol96-173-2008, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) gemäß § 8 Z. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsverordnung, LGBl. Nr. 25/2008, iVm. § 17 Abs. 1 Z. 2 Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz LGBl. Nr. 78/2007, eine Geldstrafe in Höhe von 100,00 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden verhängt, weil er am 29. November 2008, um 17:00 Uhr, beim Fußballspiel X, in X, Einlasskontrolle X, zwei sogenannte "Bengalen" und somit pyrotechnische Gegenstände der Klasse II in das Stadion mitgenommen habe, obwohl die Einbringung von pyrotechnischen Gegenständen ab Klasse II im Sinne des Pyrotechnikgesetzes in die Veranstaltungsstätte durch Veranstaltungsbesucher verboten sei.

 

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und der einschlägigen Rechtsgrundlagen, sieht die belangte Behörde die Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht als erfüllt an. Insbesondere führt sie aus, dass die vom Bw in seinem Einspruch relevierte Konkurrenz zwischen dem Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz und dem Pyrotechnikgesetz und somit dem Doppelbestrafungsverbot deshalb nicht gegeben sei, weil diesen Normen völlig unterschiedliche Tatbestände zugrunde lägen.

 

1.2. Gegen den oa. Bescheid erhob der Bw eine rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 5. Februar 2010.

 

Darin führt er aus, dass der Rechtsansicht der belangten Behörde nicht zu folgen sei, wonach die Tatbestände des Pyrotechnikgesetzes 1974 einerseits und jene des Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetzes iVm. der Oö. Veranstaltungssicherheitsverordnung andererseits "völlig unterschiedlicher Verwaltungsübertretungen zum Inhalt hätten". Indem nämlich das Pyrotechnikgesetz 1974 den Besitz und die Verwendung der hier einschlägigen pyrotechnischen Gegenstände inhaltlich und räumlich umfassend (ob bei oder außerhalb von Veranstaltungen) – sanktioniere, bleibe nicht zuletzt aufgrund der Subsidiaritätsanordnung des § 17 Abs. 1 des Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetzes, welche ja gerade eine verfassungsrechtlich verpönte Doppelbestrafung vermeiden wolle, für eine Bestrafung nach dem Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz kein Platz.

 

 

2. Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 legte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt vor.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Da sich bereits daraus ergab, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, hatte gemäß § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu entfallen.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen  Sachverhalt aus.

 

Zusätzlich ist festzustellen, dass der Bw mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 22. Jänner 2010 unter GZ.: Sich96-428-2008, rechtskräftig seit
9. Februar 2010, wegen einer Übertretung nach dem Pyrotechnikgesetz bestraft wurde.

 

2.3. Da im angefochtenen Straferkenntnis im Einzelnen keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1 Gemäß § 17 Abs. 1 Z. 2 des Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetzes, LGBl. Nr. 78/2007, begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer den in einer Verordnung nach § 4 Abs. 3 normierten Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 8 Z. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsverordnung, LGBl. Nr. 25/2008, ist die Einbringung von pyrotechnischen Gegenständen ab Klasse II im Sinn des Pyrotechnikgesetzes in die Veranstaltungsstätte durch Veranstaltungsbesucher verboten.

 

Gemäß § 4 Abs. 3 des Pyrotechnikgesetzes 1974, BGBl. Nr. 282/1974 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 98/2001 dürfen pyrotechnische Gegenstände der Klasse II Personen unter 18 Jahren nicht überlassen und von diesen weder besessen noch verwendet werden.

 

Wer gemäß § 31 Pyrotechnikgesetz 1974 gegen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder gegen Anordnungen eines auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Bescheides verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern das Verhalten keinen gerichtlich strafbaren Tatbestand darstellt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser, mit Geldstrafe bis zu
2.180 Euro oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Beide Strafen können auch nebeneinander verhängt werden.

 

3.2. Die grundsätzliche Begehung der Tat durch den Bw steht – auch von ihm nicht materiell in Abrede gestellt – außer Zweifel. Allerdings ist nun zu prüfen, ob im vorliegenden Fall neben der Bestrafung nach dem Pyrotechnikgesetz zusätzlich auch eine nach dem Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz zulässig ist.

 

3.3.1. Mit dem Vorbringen, eine weitere verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung nach § 17 Abs 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz verletze das in Art 4,
7. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (in der Folge: ZPEMRK) normierte Doppelbestrafungsverbot, ist der Bw im Recht:

 

Nach der genannten Bestimmung darf niemand "wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz oder Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden."

 

3.3.2. Im gegenständlichen Fall wesentlich ist, dass das Doppelbestrafungsverbot auch im Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafrecht sowie innerhalb des Verwaltungsstrafrechts gilt (vgl Öhlinger, Verfassungsrecht8 [2009] Rz 977). Voraussetzung für die Sperrwirkung des Art 4, 7. ZPMRK ist somit ein durch rechtskräftiges Urteil endgültig abgeschlossenes (verwaltungs)strafrechtliches Verfahren.

 

Der Bw wurde - aufgrund des auch in diesem Fall zu beurteilenden Sachverhalts - mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 22. Jänner 2010 unter GZ.: Sich96-428-2008, seit 9. Februar 2010 rechtskräftig, auf Basis des § 4 Abs. 3 iVm. § 31 des Pyrotechnikgesetzes bestraft. Art 4, 7. ZPMRK schließt nun eine Bestrafung nicht aus, wenn dieselbe Handlung mehrere Delikte verwirklicht (siehe etwa VfSlg 15.824/2000). Die Bestimmung verbietet aber eine neuerliche Bestrafung, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt einer Handlung durch einen Deliktstypus bereits in seinen wesentlichen Aspekten erfasst ist bzw einen wesentlichen Aspekt einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet (siehe EGMR, Fischer, ÖJZ 2001, 657).

 

Zu klären gilt daher, ob § 17 Abs. 1 Z. 2 Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz iVm. § 8 Z. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsverordnung und § 31 iVm. § 4 Abs. 3 Pyrotechnikgesetz 1974 dasselbe verwaltungssstrafrechtliche Unrecht abdecken. Es kommt dabei nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur darauf an, ob die Straftatbestände in ihren "wesentlichen Elementen" identisch sind (vgl VfGH 2.7.2009, B559/08; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 381).

 

3.3.3. Der belangten Behörde folgend ist vorweg festzustellen, dass § 31 des Pyrotechnikgesetzes 1974 im Verhältnis zu § 17 Abs. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz aufgrund der in der ersteren Norm vorgesehenen primären Freiheitsstrafe als die strengere Bestimmung anzusehen ist. § 17 Abs. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz ist also subsidiär zu § 31 Pyrotechnikgesetz 1974 anzuwenden.

 

3.3.4. § 4 Abs 3 Pyrotechnikgesetz 1974 normiert ein Verbot des Besitzes und der Verwendung von – als für Jugendliche gefährlich eingestuften – Pyrotechnika. § 8 Z. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsverordnung verbietet die Einbringung von solchen Pyrotechnika in Veranstaltungsstätten durch Veranstaltungsgäste, unabhängig von deren Lebensalter. Es ist wohl unbestritten, dass eine Form der Verwendung die Einbringung in Veranstaltungsstätten bildet. Insofern eine solche Einbringung durch Jugendliche erfolgt, liegt den Tatbeständen im Wesentlichen das gleiche inkriminierte Verhalten zugrunde; § 8 Z. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsverordnung regelt lediglich einen besonderen Fall der Verwendung, der – wenn durch Personen unter 18 Jahren verübt – schon durch
§ 4 Abs. 3 Pyrotechnikgesetz 1974 konsumiert ist. 

 

3.4. Es tritt also im vorliegenden Fall die Sperrwirkung des Art 4, 7. ZPMRK ein. Dies ist unabhängig vom Ergebnis des verwaltungsstrafrechtlichen bzw. gerichtlichen Verfahrens der Fall, da Art 4, 7. ZPMRK nicht bloß ein Doppelbestrafungsverbot, sondern auch ein Doppelverfolgungsverbot enthält. Mit anderen Worten: Ist ein Verfahren rechtskräftig mit einer Verurteilung oder einem Freispruch abgeschlossen, hat der Staat sein Anklagerecht verbraucht. Eine weitere Verfolgung der Tat durch Verwaltungsbehörden und/oder Gerichte ist daher unzulässig, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und somit spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Bernhard Pree

 

 

 

Rechtssatz

 

VwSen-300932/2/BP/Ga vom 16. Februar 2010

 

Zu: § 17 Abs. 1 Oö. Sicherheitsveranstaltungsgesetz iVm. § 8 Z. 1 Oö. Sicherheitsveranstaltungsverordnung und §§ 4 Abs. 3 sowie 31 Pyrotechnikgesetz 1974.

 

§ 4 Abs 3 Pyrotechnikgesetz 1974 normiert ein Verbot des Besitzes und der Verwendung von – als für Jugendliche gefährlich eingestuften – Pyrotechnika. § 8 Z. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsverordnung verbietet die Einbringung von solchen Pyrotechnika in Veranstaltungsstätten durch Veranstaltungsgäste unabhängig von deren Lebensalter. Es ist wohl unbestritten, dass eine Form der Verwendung die Einbringung in Veranstaltungsstätten bildet. Insofern eine solche Einbringung durch Personen unter 18 Jahren erfolgt, liegt den Tatbeständen im Wesentlichen das gleiche inkriminierte Verhalten zugrunde; § 8 Z. 1 Oö. Veranstaltungssicherheitsverordnung regelt lediglich einen besonderen Fall der Verwendung, der – wenn durch Personen unter 18 Jahren verübt – schon durch § 4 Abs. 3 Pyrotechnikgesetz 1974 konsumiert ist. 

 

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