Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100429/18/Sch/Rd

Linz, 15.06.1992

VwSen - 100429/18/Sch/Rd Linz, am 15. Juni 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Gustav Schön über die Berufung des A W vom 12. Februar 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 18. Dezember 1991, VerkR96/192/1991/Win/Wb, zu Recht:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die hinsichtlich Faktum 1.) verhängte Geldstrafe auf 2.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage sowie die hinsichtlich Faktum 2.) verhängte Geldstrafe auf 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag herabgesetzt werden. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich daher auf insgesamt 300 S. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 19 VStG. Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit Straferkenntnis vom 18. Dezember 1991, VerkR/192/1991/Win/Wb, über Herrn A W, wegen den Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 4 Abs.1 lit.a und 2) § 4 Abs.5 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 3.000 S und 2) 3.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 180 Stunden und 2) 180 Stunden verhängt, weil er 1) am 9. Dezember 1990 um ca. 22.15 Uhr auf der S-Bezirksstraße den PKW von K in Richtung M gelenkt und nach einem Verkehrsunfall bei Str.km. 0,300, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, das Fahrzeug nicht angehalten hat. 2) Hat er es des weiteren unterlassen, nach dem obgenannten Verkehrsunfall die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist.

Überdies wurde er zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 600 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Mitglied zu entscheiden. Am 24. April 1992 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgeführt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat folgendes erwogen:

Im Rahmen des Berufungsverfahrens war im wesentlichen die Behauptung des Berufungswerbers zu würdigen, er habe an die Vorgänge nach dem Verkehrsunfall keine Erinnerung mehr. Begründet wird dies einerseits damit, daß der Berufungswerber im Zuge des Verkehrsunfalles mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geprallt sei und sich eine Verletzung zugezogen habe, und zum anderen, daß es durchaus der Lebenserfahrung entspreche, wenn sich jemand an einen Unfallhergang nicht erinnern könne.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß - der Berufungswerber nach dem Verkehrsunfall angegeben hat, einen "Tuscher" wahrgenommen zu haben, - das Erinnerungsvermögen an den Zeitraum unmittelbar vor dem Unfall nicht ernsthaft bestritten werden konnte und das Abkommen von der Fahrbahn in Verbindung mit der Erinnerung an den "Tuscher" bei ihm im Nachhinein zumindest die Möglichkeit eines Unfalles bewußt hätte werden lassen müssen, - er zielgerichtet nach dem Unfall sein Fahrzeug entgegen seiner bisherigen Fahrtrichtung zu seinem Wohnhaus gelenkt hat, - er im Zuge dieser Fahrt eine etwa einen Kilometer lange Fahrtstrecke zurücklegen mußte, die nach den glaubwürdigen und unbestrittenen Angaben des Zeugen Rev.Insp. F N durch das Ortsgebiet von K und in der Folge über die K Bezirksstraße und die Böhmerwaldbundesstraße führt und ein kurvenreiches Straßenstück darstellt, - das Fahrzeug des Berufungswerbers unübersehbare Schäden aufgewiesen hat, - beim Berufungswerber nach dem Verkehrsunfall keine (sichtbaren) Kopfverletzungen festgestellt wurden, - er sich nicht in ärztliche Behandlung zu begeben brauchte, - er sich am nächsten Tag wieder an seiner Arbeitsstelle einfinden konnte und - ein Schockzustand im medizinischen Sinne nach dem Verkehrsunfall nicht vorlag.

Des weiteren ist auf das schlüssige Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen vom 27. April 1992, San-223.286/2-1992-Ka, zu verweisen. Diese kommt in dem Gutachten zu dem Schluß, daß beim Berufungswerber möglicherweise eine Erinnerungslücke bzw. eine Bewußtseinsstörung infolge des Anpralles mit dem Kopf an der Windschutzscheibe vorgelegen sein konnte, die aber keine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende tiefgreifende Bewußtseinsstörung zur Folge hatte.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich schließt sich im Hinblick auf das Ergebnis des Beweisverfahrens diesem schlüssigen und dezidierten Gutachten an. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann des Öfteren davon ausgegangen werden, daß sich ein Unfallbeteiligter nach einem Verkehrsunfall in einem gewissen Erregungszustand befindet bzw. zur Verdrängung des Erlebten neigt. Dies vermag ihn jedoch nicht von seinen Unfallpflichten zu exkulpieren.

Es kann daher zusammenfassend festgestellt werden, daß nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht davon ausgegangen werden kann, der Berufungswerber wäre nach dem Verkehrsunfall aufgrund einer Bewußtseinsstörung oder eines ähnlichen Defektes nicht in der Lage gewesen, pflichtgemäß zu handeln.

Zur Strafzumessung ist folgendes zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Übertretungen des § 4 StVO 1960, also die sogenannten "Fahrerfluchtdelikte", gehören zu den gravierendsten Verstößen gegen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften und sind daher mit entsprechenden Geldstrafen zu ahnden.

Im konkreten Fall haftet dem angefochtenen Straferkenntnis im Hinblick auf die Strafzumessung jedoch deshalb eine Rechtswidrigkeit an, als die Erstbehörde jegliche Begründung dafür unterlassen hat, warum für beide Delikte trotz unterschiedlicher Strafrahmen gleich hohe Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden. Der Gesetzgeber hat durch verschieden hohe Strafrahmen zum Ausdruck gebracht, daß der Unrechtsgehalt der entsprechenden Übertretungen gleichfalls als verschieden hoch zu qualifizieren ist. Wenn eine Behörde dennoch zwei unter verschiedene Strafrahmen fallende Delikte mit gleich hohen Strafen ahndet, so hat sie dies ausdrücklich zu begründen. Da eine solche Begründung im konkreten Fall nicht vorliegt und auch für die Berufungsinstanz kein Umstand ersichtlich ist, der eine derartige Vorgangsweise rechtfertigt, war mit der Herabsetzung der im Hinblick auf Faktum 1.) verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe vorzugehen. Bezüglich beider Strafen hatte des weiteren die Herabsetzung auch noch deshalb zu erfolgen, da die Erstbehörde von einer einschlägigen Verwaltungsstrafvormerkung ausgegangen ist, diese jedoch zwischenzeitig als im Sinne des § 55 Abs.1 VStG getilgt anzusehen ist. Erschwerungsgründe lagen nicht vor, aber auch Milderungsgründe, wie etwa jener der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit, waren nicht gegeben.

Dem Berufungswerber muß die Bezahlung der nunmehr festgesetzten Geldstrafen bei Bedachtnahme auf seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliches Nettoeinkommen ca. 10.000 S, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) zugemutet werden.

Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. S c h ö n

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