Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-110954/2/Kl/Pe

Linz, 02.03.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 30.12.2009, VerkGe96-175-1-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 30.12.2009, VerkGe96-175-1-2008, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) eine Geldstrafe von 1.320,91 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 15 Abs.1 iVm § 11 Abs.3 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 verhängt. Folgende Tat wurde ihm vorgeworfen:

„Tatort:       x in x, Tschechien

Tatzeit:        19.09.2008, 07.35 Uhr (Zeitpunkt der Kontrolle in Linz, Goethestraße 86)

Fahrzeug:    Spezialkraftfahrzeug Avia, blau, Kennzeichen: x (CZ)

Übertretung:

Sie haben als Verantwortlicher eines ausländischen Unternehmens, das Zulassungsbesitzer eines ausländischen Kraftfahrzeuges ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen durchgeführt und nicht dafür gesorgt, dass der Fahrer ein Fahrtenblatt gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 684/92 bei der Personenbeförderung über die Grenze während der ganzen Fahrt mitgeführt bzw. dem Organ der Straßenaufsicht bei der Kontrolle vorgezeigt hat, obwohl sich das Original des Fahrtenblattes während der gesamten Dauer der Fahrt, für die es ausgestellt wurde, in diesem Fahrzeug befinden muss. Der Personentransport wurde von x nach Buchkirchen bei Wels durchgeführt.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Verfahrenseinstellung beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits im Verfahren erster Instanz ein Nachweis erbracht hätte werden können durch Einvernahme der beantragten Zeugen, dass er seiner Anordnungs- und Organisationspflicht nachgekommen sei und ein wirksames Kontrollsystem in seinem Unternehmen eingerichtet habe. Da der Bw am Vorfallstag, dem 19.9.2008 sich nicht in der Firma in x aufgehalten habe, sei die Einvernahme der namhaft gemachten Zeugen erforderlich. Die Behörde habe sich über dieses Vorbringen hinweggesetzt. Die Angaben des Bw seien unwiderlegt und es müsse daher das Verfahren eingestellt werden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4.1. Im Grunde der Aktenlage, insbesondere der Anzeige vom 19.9.2008, und des Umstandes, dass der Sachverhalt nicht vom Bw bestritten wurde, steht fest, dass am 19.9.2008 um 7.35 Uhr mit einem näher bezeichneten Fahrzeug, dessen Zulassungsbesitzer der Bw ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Personen von x nach Buchkirchen bei Wels durchgeführt wurde, ohne dass der Fahrer bei der Kontrolle in Linz, Goethestraße 86, ein Fahrtenblatt gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 684/92 bei der Personenbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt mitgeführt und dem Organ auf Verlangen bei der Kontrolle vorgezeigt wurde. Der Bw als Verantwortlicher der Firma x mit Sitz in Tschechien, x, hat nicht Sorge getragen, dass der Fahrer ein Fahrtenblatt mitführt.

 

Gleichzeitig wurde anlässlich der Kontrolle eine Sicherheitsleistung in der Höhe von 1.453 Euro eingehoben.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 15 Abs.1 Z6 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelVerkG, BGBl. Nr. 112/1996 idF BGBl. I Nr. 24/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 684/92 oder der Verordnung (EG) Nr. 12/98 erforderliche beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz oder das Fahrtenblatt mitgeführt wird.

 

Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z6 hat die Geldstrafe mindestens 363 Euro zu betragen (§ 15 Abs.2 GelverkG).

 

Gemäß § 15 Abs.4 GelVerkG ist strafbar nach Abs.1 Z6 ein Unternehmer auch dann, wenn er die Verpflichtungen im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgte.

 

5.2. Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 und 3) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate (§ 31 Abs.2 VStG).

 

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dergleichen), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Für die Qualifikation als Verfolgungshandlung genügt nicht das Vorliegen eines behördeninternen Vorganges, sondern es muss dieser noch innerhalb des Ablaufes der Verjährungsfrist in irgendeiner Weise nach außen in Erscheinung getreten sein. Eine Verfolgungshandlung schließt somit die Verfolgungsverjährung schon dann aus, wenn sie innerhalb der Verjährungsfrist abgefertigt (z.B. zur Post gegeben) worden ist (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1464, Anmerkung 4 mit Judikaturnachweisen). Dabei ist nicht von Bedeutung, ob die Verfolgungshandlung dem Täter zur Kenntnis gelangt ist. Die Verfolgungshandlung muss nur während der Verjährungsfrist in irgendeiner Form nach außen in Erscheinung treten.

 

Aufgrund des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes ist ersichtlich, dass als erste Verfolgungshandlung eine Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17.3.2009 ergangen ist. Diese wurde laut Poststempel des Zustellscheines am 20.3.2009 zur Post gegeben. Tatzeit ist 19.9.2008, 07.35 Uhr. Es ist daher die erste Verfolgungshandlung gegen den Bw nicht mehr innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, welche am 19.3.2009 endete, ergangen. Auf die oben stehende Judikatur wird hingewiesen. Es ist daher Verfolgungsverjährung eingetreten. Es darf daher keine Verfolgung des Bw erfolgen. Es war daher das Straferkenntnis schon aus diesem Grunde aufzuheben und gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist, einzustellen.

 

5.3. Das Verwaltungsstrafverfahren ist aber auch aus weiteren Gründen der Verfolgungsverjährung einzustellen.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Der Aufforderung zur Rechtfertigung liegt als Tatortangabe „Linz, Goethestraße Nr. 86“ zugrunde. Dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis, das außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangen ist, liegt hingegen als Tatort „x“ in Tschechien zugrunde. Dieser Tatort als wesentliches Tatbestandsmerkmal wurde daher erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen. Es ist daher auch diesbezüglich Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Hinsichtlich der Bestimmung des Tatortes wird auf die Bestimmung des § 2 VStG hingewiesen, wonach nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar sind, eine Übertretung aber im Inland begangen ist, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei gesetzlich festgelegten Handlungspflichten Tatort immer jener Ort, wo Vorsorgemaßnahmen bzw. Anweisungen hätten getroffen werden müssen. Dies ist beim Betrieb eines Unternehmens der Unternehmenssitz. Es hätte daher vom Sitz des Unternehmens in Tschechien aus gehandelt werden müssen, das heißt Sorge getragen werden müssen, dass der Fahrer das erforderliche Fahrtenblatt mitführt und den Kontrollorganen vorzeigt. Es ist daher der Tatort in Tschechien gelegen. Nach der im Akt einliegenden Aufforderung zur Rechtfertigung wurde hingegen als Tatort „Linz, Goethestraße 86“ vorgeworfen. Erst das 15 Monate nach Tatbegehung ergangene Straferkenntnis führt als Tatort x in Tschechien an. Es ist daher auch hinsichtlich des Tatortes als wesentliches Tatbestandsmerkmal der obzitierten VwGH-Judikatur verjährt. Auch diesbezüglich war daher mangels einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung das Verfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung einzustellen.

 

5.4. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird die belangte Behörde auf § 37a Abs.5 VStG betreffend die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit hingewiesen.

Gemäß § 37a Abs.5 VStG wird die Sicherheit frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist oder nicht binnen sechs Monaten der Verfall ausgesprochen wurde. Es ist daher aufgrund dieser Bestimmung unzulässig, im Straferkenntnis auf die vorläufige Sicherheit hinzuweisen und diese auf die Strafe anzurechnen, weil diese bereits mit Ablauf von sechs Monaten nach Einhebung der vorläufigen Sicherheit freigeworden ist. Diese hätte nach Ablauf der sechsmonatigen Frist rückerstattet werden müssen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Tatort, Verfolgungshandlung, vorläufige Sicherheit, Verfall

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum