Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420608/5/BMa/Gr

Linz, 10.03.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des X, geboren 22. X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-und Zwangsgewalt am 13. September 2009 um 14:15 Uhr durch Abnahme des Führerscheins durch ein der Bezirkshauptmannschaft Braunau zurechenbares Organ zu Recht erkannt:

 

 

 

      I.      Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Abnahme des Führerscheins am 13. September 2009 um 14:15 Uhr vor dem Haus X, als rechtswidrig festgestellt.

 

  II.      Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Braunau am Inn) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro als obsiegende Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

Art. 129 Abs.1 Z.2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm §§ 67a Z.2 u. 67c AVG 1991, BGBl. Nr.  51/1991 idF BGBl. I Nr.135/2009

§ 79a AVG iVm UVS - Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008


Entscheidungsgründe:

 

1.1 Mit am 25. September 2009 persönlich beim Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich eingebrachten Schriftsatz vom 18. September 2009 erhob der Rechtsmittelwerber X vertreten durch X, X, Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch der Bezirkshauptmannschaft Braunau zurechenbare Organe der Polizeiinspektion Palting. Er erachtete sich durch eine am 13. September 2009 um 14:15 Uhr durchgeführte faktische Amtshandlung in Form der Abnahme seines Führerscheins durch ein Organ der PI Palting in seinem Recht auf verfassungskonforme Interpretation des § 39 Abs.1 FSG verletzt.

 

1.2. Folgender Sachverhalt wurde in der Beschwerde geschildert:

 

Am 13. September 2009 hat X seinen PKW X auf der Mattseer Landesstraße L 505 in Richtung Salzburg gelenkt. Noch im Gemeindegebiet von Palting hat der Beschwerdeführer vor der 80 km/h Beschränkung einen PKW überholt, was dazu geführt hat, dass er von Beamten der PI Palting bei Straßenkilometer 11,477 im Beschränkungsbereich gelasert wurde. Gemäß der Anzeige der PI Palting betrug seine Geschwindigkeit bei Straßenkilometer 11,695 der L 505 132 km/h. Der Beschwerdeführer wurde beim Kreisverkehr in Obertrum von Beamten der PI Obertrum angehalten und einer Verkehrskontrolle sowie einem Alkotest unterzogen.

Von den dort amtshandelnden Polizisten wurde der Beschwerdeführer davon unterrichtet, dass er in der 80 km/h-Beschränkung mit 137 km/h gefahren sei, weshalb er zur Firma X, die sich kurz vor dem Ortsbeginn Palting befindet, zurückfahren solle, wo sich ein Polizeibeamter der PI Palting befinde.

Dem Beschwerdeführer wurde der Führerschein (offensichtlich nach Einsichtnahme in diesen) wieder ausgefolgt und er ist nach Palting zurückgefahren. Nach Erörterung der Übertretung mit dem dort befindlichen Polizisten hat dieser dem Beschwerdeführer mitgeteilt, er solle in seinen PKW steigen und unter Einhaltung aller Vorschriften nach Hause fahren. Der Polizist ist mit seinem Dienstauto hinter dem Beschwerdeführer nachgefahren.

Dort angekommen hat X seinen PKW abgestellt. Ihm wurde vom Polizisten vor seinem Wohnhaus unter Ausfolgung einer Bestätigung nach § 39 Abs.1 FSG der Führerschein um 14:15 Uhr vorläufig abgenommen. Als Grund hiefür wurde in der Bestätigung "Geschwindigkeitsüberschreitung" angeführt.

 

Es wurden die Anträge gestellt, die faktische Amtshandlung in Form der Abnahme seines Führerscheins am 13. September 2009 um 14:15 Uhr als rechtswidrig festzustellen und die belangte Behörde zu verpflichten, die Kosten des Verfahrens im gesetzlichen Ausmaß zu ersetzen. Es wurde auch eine Antragsstellung nach Art. 140 Abs.1 B-VG betreffend den vorletzten Satz des
§ 39 Abs.1 FSG angeregt.

 

1.3. Im Vorlageschreiben des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn wurde der vom Beschwerdeführer beschriebene Sachverhalt außer Streit gestellt, sodass auf die Erstattung einer ausführlichen Gegenschrift verzichtet wurde. Abschließend wurde für den Fall des Obsiegens der belangten Behörde Kostenersatz begehrt.

 

1.4. Die Juristin der Bezirkshauptmannschaft wurde von der Überschreitung und der Anhaltung des Beschwerdeführers in Obertrum in Kenntnis gesetzt und sie hat die sofortige Führerscheinabnahme verfügt.

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

2.1. Der vom Beschwerdeführer geschilderte und von der belangten Behörde außer Streit gestellte Sachverhalt wird den rechtlichten Erwägungen des Unabhängigen Verwaltungssenates zu Grunde gelegt. Dass die Anordnung der sofortigen Abnahme des Führerscheins durch die Juristin der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn anlässlich der Anhaltung des Beschwerdeführers in Obertrum erfolgte, ergibt sich aus der im Akt befindlichen Anzeige.

 

2.2.  In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

2.2.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z.2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z.2 AVG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sogenannte Maßnahmenbeschwerden), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Gemäß § 39 Abs.1 FSG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, dass er insbesondere in Folge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Weiters haben die Organe die genannten Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn ein Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde oder der Lenker eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 lit. b oder c StVO 1960 begangen hat, wenn der Lenker ein Kraftfahrzeug gelenkt hat oder in Betrieb genommen hat oder versucht hat, es ihn Betrieb zu nehmen, auch wenn anzunehmen ist, dass der Lenker in diesem Zustand kein Kraftfahrzeug mehr lenken oder in Betrieb nehmen wird.

Außerdem haben diese Organe Personen, denen die Lenkberechtigung mit Bescheid vollstreckbar entzogen wurde oder über die ein mit Bescheid vollstreckbares Lenkverbot verhängt wurde und die der Ablieferungspflicht der Dokumente nicht nachgekommen sind, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente abzunehmen. Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheins oder Mopedausweises erforderlichen Schritte enthalten sind.

 

2.2.2. In seinem Erkenntnis vom 18. Juni 2008, 2005/11/0048, hat der VwGH ausführlich die Entstehungsgeschichte und das Ziel der anzuwendenden Bestimmung des § 39 Abs.1 FSG dargelegt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dieses Erkenntnis verwiesen. Demnach steht es auf Grund der Bestimmung des § 39 Abs.1 4. Satz FSG im Ermessen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abzunehmen. Dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung der Behörde bzw. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes schrankenloses Ermessen einräumen wollte, fehlt jeder Hinweis. Vielmehr muss im Hinblick auf das Ziel der anzuwendenden Bestimmung (Sicherheitsmaßnahme im Dienste der Verkehrssicherheit) angenommen werden, das es für die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Abnahme des Führerscheins auch im Fall einer durch Entziehung zu ahndenden Geschwindigkeitsüberschreitung erforderlich ist, dass das einschreitende Organ ausgehend von dem im Zeitpunkt des Einschreitens gegebenen Sachverhalt den Eindruck haben konnte, der Betreffende werde - weiterhin - durch sein Verhalten, etwa durch abermalige Einhaltung einer massiv überhöhten Geschwindigkeit, die Verkehrssicherheit gefährden (vgl. Das Erkenntnis des VwGH vom 21. März 2006, Zl. 2006/11/0019).

Der zuletzt zitierten Entscheidung liegt der Sachverhalts zu Grunde, dass das einschreitende Organ der Straßenaufsicht auf Grund des vom Beschwerdeführer nach der Anhaltung ins Treffen geführten "dringenden Firmentermin" und des auf ihm lastenden Zeitdrucks vertretbar annehmen konnte, der Beschwerdeführer werde, sofern ihm die Weiterfahrt gestattet werde, seine Fahrt in einer die Verkehrssicherheit gefährdenden Weise fortsetzen, weshalb ihm der Führerschein vorläufig abzunehmen gewesen sei.

 

Im konkreten Fall jedoch wurde dem Beschwerdeführer der Führerschein nicht wie von der zuständigen Juristin der Bezirkshauptmannschaft Braunau angeordnet bei der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Obertrum abgenommen. Vielmehr wurde X zur Stelle, an der die Geschwindigkeitsübertretung gemessen wurde, zurückgeschickt und zum Abstellen seines Kfz vor seinem Wohnhaus geleitet.

Erst nach Abstellen seines Pkws vor seinem Wohnhaus wurde ihm der Führerschein vorläufig abgenommen. Das Verhalten des Beschwerdeführers, der wegen eines Überholvorgangs die erlaubte Geschwindigkeit um 57 km/h überschritten hatte, und zwar die Rückfahrt von seiner Anhaltung von Obertrum zur Landesstraße L 505 nach Palting und die Fahrt zu seinem Wohnhaus nach X, dokumentiert, dass der Beschwerdeführer sein Verhalten, nämlich die Einhaltung einer massiv überhöhten Geschwindigkeit und dadurch Gefährdung der Verkehrssicherheit, nicht fortgesetzt hat.

Es gibt daher für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr im Beschwerdefall keinen Hinweis. Vielmehr brachte der Beschwerdeführer mit seiner in der Anzeige der Polizeiinspektion Palting dokumentierten Aussage "Ich war deppert, es tut mit leid" zum Ausdruck, das er anlässlich des Überholvorgangs unüberlegt gehandelt hat.

Auf Grund der Aktenlage ist auch nicht ersichtlich, dass die amtshandelnden Organe vertretbar annehmen konnten, der Beschwerdeführer habe sich in einer Situation befunden, die jener vergleichbar ist, wie sie der erwähnten Entscheidung des VwGH zugrunde lag. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, der Beschwerdeführer habe sich  unter besonderem Zeitdruck befunden und würde nach Abstellen des Pkws vor seinem Wohnhaus seine Fahrt fortsetzen.

 

Die belangte Behörde hat daher insofern rechtswidrig gehandelt, als nicht objektiv nachvollziehbar ist, dass das einschreitende Organ deutlich erkennen konnte, dass beim Beschwerdeführer die Gefahr der abermaligen Einhaltung einer massiv überhöhten Geschwindigkeit, die die Verkehrssicherheit gefährdet, vorlag.

 

Dies hatte der OÖ. Verwaltungssenat in Stattgebung der Beschwerde gemäß
§ 67c Abs.3 AVG festzustellen.

 

2.2.3. Ein weiteres Eingehen auf die umfangreiche Beschwerde konnte, weil bereits aus den oben dargestellten Gründen dieser Erfolg beschieden ist, unterbleiben.

 

3. Gemäß § 79a Abs.1 AVG hat die im Verfahren nach 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Nach
§ 79a Abs.6 AVG nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs.4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs.1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat, vor allem durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-,- Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008, beträgt der Pauschbetrag für den Ersatz des Schriftersatzaufwandes des Bf als obsiegende Partei 737,60 Euro. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 13 Euro zu entrichten.

 

Der Bund, in dessen Wirkungsbereich die Amtshandlung stattgefunden hat, war daher auf Antrag zum Ersatz von Verfahrenskosten in Höhe von 750,60 Euro zu verpflichten.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 20,40 Euro angefallen.

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

Rechtssatz zu VwSen – 420608/5/BMa/Ga vom 10. März 2010:

 

§ 67 c Abs. 3 AVG: In seinem Erkenntnis vom 18. Juni 2008, 2005/11/0048, hat der VwGH ausführlich die Entstehungsgeschichte und das Ziel der anzuwendenden Bestimmung des § 39 Abs.1 FSG dargelegt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dieses Erkenntnis verwiesen. Demnach steht es auf Grund der Bestimmung des § 39 Abs.1 4. Satz FSG im Ermessen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abzunehmen. Dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung der Behörde bzw. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes schrankenloses Ermessen einräumen wollte, fehlt jeder Hinweis. Vielmehr muss im Hinblick auf das Ziel der anzuwendenden Bestimmung (Sicherheitsmaßnahme im Dienste der Verkehrssicherheit) angenommen werden, das es für die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Abnahme des Führerscheins auch im Fall einer durch Entziehung zu ahndenden Geschwindigkeitsüberschreitung erforderlich ist, dass das einschreitende Organ ausgehend von dem im Zeitpunkt des Einschreitens gegebenen Sachverhalt den Eindruck haben konnte, der Betreffende werde - weiterhin - durch sein Verhalten, etwa durch abermalige Einhaltung einer massiv überhöhten Geschwindigkeit, die Verkehrssicherheit gefährden (vgl. Das Erkenntnis des VwGH vom 21. März 2006, Zl. 2006/11/0019).

 

 

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