Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164745/5/Bi/Th

Linz, 15.03.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau X, vertreten durch Frau Mag. X, pA X, vom 25. Jänner 2010 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 18. Jänner 2010, VerkR96-2441-2009-Hof, wegen Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 2.Alt. und 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 102 Abs.1 iVm 4 Abs.2 und 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 80 Euro (33 Stunden EFS) verhängt, weil sie sich am 1. Oktober 2009 um 14.04 Uhr in der Gemeinde Arnreit, Ortsumfahrung Rohrbacher Straße B127 bei Strkm 40.400, als Lenkerin der Pkw X, obwohl es ihr zumutbar gewesen sei, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt habe, dass das von ihr verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt worden sei, dass für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung maßgebende Teile nicht diesen Vorschriften entsprochen hätten, obwohl Kraftfahrzeuge so gebaut und ausgerüstet sein müssten, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge noch Beschädigungen der Straße entstehen. Es sei festgestellt worden, dass die Windschutzscheibe im rechten Sichtbereich mehrfach gesprungen gewesen sei.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 8 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie habe unmittelbar nachdem Steinschlag Vorkehrungen getroffen zur Behebung des Mangels, indem sie einen Termin bei der Werkstätte vereinbart habe. Die Verkehrssicherheit sei durch die Weiterfahrt mit dem schweren Mangel offensichtlich nicht gefährdet und bis zum Werkstättentermin demnach gestattet gewesen. Sie habe in Kenntnis des Defekts – der Überzeugungspflicht sei sie ja nachgekommen – in angemessener Vorsicht eine geringere Geschwindigkeit eingehalten. Die Behörde sei auf ihre Stellungnahme von 29.12.2009 – mit inhaltsgleicher Aussage – nicht eingegangen. Beantragt wird Verfahrenseinstellung, in eventu gemäß § 21 VStG von der Strafe abzusehen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass die Bw als Lenkerin eines Pkw am 1. Oktober 2009, 14.04 Uhr, auf der B127 bei km 40.400 von GI X, PI Ulrichsberg, bean­standet wurde, weil beim Fahrzeug die Windschutzscheibe erkennbar mehrfach gesprungen gewesen sei und massive Rostschäden festgestellt wurden. Sie gab an, die Windschutzscheibe sei am Tag vorher beschädigt worden und sie habe bereits einen Werkstättentermin. Laut Teilegutachten gemäß § 58 KFG 1967 war ua die Scheibe erkennbar für den Lenker mehrfach gesprungen, was einen schweren Mangel darstelle.

Die Strafverfügung der Erstinstanz vom 20.10.2009 wurde fristgerecht beeinsprucht. Der Meldungsleger hat in seiner Zeugenaussage vom 14.12.2009 die Anzeige sinngemäß wiedergegeben. Nach Wahrung de Parteiengehörs erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

 

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates wurde eine Stellungnahme des technischen Amtssachverständigen Ing. X eingeholt, der bei der Begutachtung gemäß § 58 KFG am 1.10.2009 ebenfalls anwesend gewesen war. Dieser übermittelte ein Foto von der Windschutzscheibe und führte aus, dass deutlich erkennbar sei, dass diese durch Fremdeinwirkung in Form einer starken Deformierung der A-Säule rechts stark beschädigt worden sei, wobei im Sinne der Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung ein Windschutzscheibenriss wie im ggst Fall – der auf dem Foto ersichtliche Riss gehe von der A-Säule aus und erstrecke sich bis ca in die Mitte der Windschutzscheibe, nämlich den Sichtbereich A – als schwerer Mangel zu qualifizieren sei. Schwere Mängel seien sichtbehindernde Beschädigungen mit Rissen oder Fischaugen, unfertige Risse oder durchgehende Risse über 150 mm und starke optische Fehler (wie zB Verzerrungen auch ohne konkrete Beschädigungen). "Zweifellos" führten derartige Risse in den Sichtbereichen B und A zu einer Sichtbeeinträchtigung des Lenkers.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist aus dem Foto nicht nur einwandfrei zu erkennen, dass es sich nicht um einen Steinschlag gehandelt haben kann, weil die A-Säule eine linienförmige Querbeschädigung aufweist, die sich in einem punktförmigen Schaden am rechten Außenrand der Windschutzscheibe fortsetzt, dh ganz auf der Beifahrerseite.

Auf dem (im März 2010 übermittelten) Foto ist erstmals erkennbar, dass von diesem punktförmigen Schaden an der Windschutzscheibe sternförmig Risse ausgehen, die fast alle an der Beifahrerseite ganz außen bleiben, lediglich ein Riss/Sprung verläuft quer über die Scheibe und hat eine Länge von laienhaft erkennbar über 150 mm, was zur Folge hat, dass die Bw nach der Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung zweifellos keine Begutachtungsplakette mehr bekommen würde. Das Foto ist mit direktem Blick auf die Beschädigung an der A-Säule aufgenommen, dh schräg auf die Windschutzscheibe; allerdings ist auch so erkennbar, dass der Riss, zumindest bei der Beanstandung, noch nicht die Mitte der Windschutzscheibe erreicht hatte, dh noch nicht den Lenker-Sichtbereich. Von einer Verzerrung der Sicht des Lenkers oder einer sonstigen Beeinträchtigung in einem Ausmaß, das eine Gefährdung anderer Straßenverkehrsteilnehmer bei der Weiterfahrt mit der beschädigten Scheibe zur Folge hätte, kann daher keine Rede sein, zumal sich der Riss im unteren Drittel der Windschutzscheibe befindet.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

­Gemäß § 102 Abs.1 KFG 1967 darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug ... den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht.

Nach der Judikatur des VwGH (vgl E 25.1.2005, 2004/02/0295) liegt dann, wenn durch den Zustand der Windschutzscheibe vom Material her das "sichere Lenken" – sei es, weil Gegenstände verzerrt erscheinen oder weil aus anderen Gründen keine ausreichende Sicht gegeben ist – unter dem Blickwinkel des Schutzzweckes des KFG, dh der Sicherheit der Teilnehmer im Straßenverkehr, nicht gewährleistet ist, eine Strafbarkeit des Lenkers nach der Bestimmung des § 102 Abs.1 iVm der Vorschrift des § 10 Abs.1 KFG 1967 vor.

Im ggst Fall wurde der Bw eine Übertretung gemäß §§ 102 Abs.1 iVm 4 Abs.2 KFG vorgeworfen, jedoch wäre angesichts der noch nicht eingetretenen Verfolgungsverjährung eine Korrektur diesbezüglich möglich.

Gemäß § 10 Abs.1 KFG 1967 müssen Windschutzscheiben und Klarsichtscheiben von Kraftfahrzeugen aus einem unveränderlichen, vollkommen durchsichtigen Stoff bestehen. Sie dürfen Gegenstände nicht verzerrt erscheinen lassen und müssen auch bei Bruch so weit Sicht lassen, dass das Fahrzeug bis zum Anhalten sicher gelenkt werden kann.

 

Gemäß § 10 Abs.2 Z3 Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung – PBStV sind als Mängelgruppe "schwere Mängel" anzusehen: Fahrzeuge mit Mängeln, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges beeinträchtigen oder Fahrzeuge, die übermäßigen Lärm, Rauch, üblen Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursachen. Diese Fahrzeuge weisen nicht die Voraussetzung zur Erlangung einer Begutachtungsplakette gemäß § 57a Abs. 5 KFG 1967 bzw. der Bestätigung gemäß § 57 Abs. 6 KFG 1967 auf. Bei Fahrzeugen mit schweren Mängeln ist der Fahrzeuglenker oder Zulassungsbesitzer darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug auf Grund des festgestellten Mangels nicht verkehrs- und betriebssicher ist und diese Mängel bei der nächsten in Betracht kommenden Werkstätte behoben werden müssen.

 

Davon unabhängig ist die Beurteilung, ob der Lenker mit einem mit einem schweren Mangel behafteten Kraftfahrzeug weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen darf oder ob er wegen des festgestellten Mangels das Lenken sofort zu unterlassen hat; in diesem Fall hätte aber das Fahrzeug wegen Gefahr im Verzug aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

Wann die Bw die Windschutzscheibe tatsächlich auswechseln hat lassen, ist in diesem Zusammenhang deshalb irrelevant, weil ihr konkret das Lenken des Fahrzeuges am 1. Oktober 2009, 14.04 Uhr, vorgeworfen wurde.

Zu diesem Zeitpunkt war, wie oben ausgeführt, der maßgebende Riss nicht derart gravierend, dass ein sofortiges Abstellen des Pkw erforderlich gewesen wäre. Es bestand zum einen von der Position und zum anderen von der Qualität des Risses keine derartige Sichtbeeinträchtigung der Lenkerin im Sinne einer Verzerrung oder sonstigen Beeinträchtigung, dass das sichere Lenken des Pkw dadurch ausge­schlossen gewesen wäre. 

Aus dieser Überlegung war spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrenskosten­beiträge fallen dabei naturgemäß nicht an.


 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Schaden an der Windschutzscheibe punkteförmig ganz auf der Beifahrerseite (A-Säule) und 1 Riss über 150 mm Länge fast bis zur Mitte im unteren 1/3 ist kein Straftatbestand des § 10 KFG -> Einstellung.

 

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