Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231074/2/SR/Sta

Linz, 15.03.2010

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geboren am x, Staatangehöriger von Vietnam, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 17. Oktober 2009, GZ S-11.144/09-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Tatzeit auf den Zeitraum 2. Dezember 2008 bis 25. Mai 2009 eingeschränkt wird und die Geldstrafe mit 40 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 24 Stunden festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II.              Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu entrichten. Der Kostenbeitrag zum Verfahren vor der Behörde erster Instanz reduziert sich auf
4 Euro.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; §§ 65 f VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 17. Oktober 2009, GZ S-11.144/09-2, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 12.03.2009 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 02.12.2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind."

 

Dadurch habe der Bw eine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31/1 Z. 2-4 u. 6 FPG begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 120 Abs. 1 FPG eine Geldstrafe von 80 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, verhängt.

Begründend wurde dazu von der belangten Behörde ausgeführt, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auf Grund entsprechender dienstlicher Wahrnehmungen eines Beamten des fremdenpolizeilichen Referates der BPD Linz, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 12. März 2009, sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei als erwiesen anzusehen sei.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass der Bw Fremder im Sinne des Fremdengesetzes sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz verfüge. Weiters sei der Bw nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG. Er halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

Darüber hinaus sei vom fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz mit Bescheid vom 12. März 2009 gegen den Bw die Ausweisung angeordnet worden.

Hinsichtlich der Zulässigkeit eines Verwaltungsstrafverfahrens im Sinne der Bestimmungen des NAG sei festzustellen, dass der VwGH bereits eindeutig entschieden habe, dass der Aufenthalt eines Fremden erst mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und nicht schon nach der Stellung eines darauf abzielenden Antrages rechtmäßig sei.

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass sich der Bw tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten und somit gegen die angeführten Bestimmungen des Fremdengesetzes verstoßen habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (VwGH vom 19.02.1997, Zl. 96/21/0516, ua.).

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit gewertet worden, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien ebenfalls beachtet worden.

2. Gegen dieses dem Rechtsvertreter des Bw am 21. Oktober 2009 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 4. November 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

In der Begründung führte der Rechtsvertreter im Wesentlichen aus, dass der Bw zum Zeitpunkt der Ausweisung jedenfalls eine Beschäftigungsbewilligung (gültig bis Oktober 2009) gehabt habe. Da die belangte Behörde fälschlicherweise vom Gegenteil ausgegangen sei, liege ein gravierender Verfahrensmangel vor. Jedenfalls habe sich der Bw daher rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

Weiters habe sich die belangte Behörde nicht mit dem Vorbringen des Bw auseinander gesetzt. Hätte sie dies getan, wäre das Verfahren gemäß § 21 VStG einzustellen gewesen.

Nach umfassenden Ausführungen zur Integration und dem privaten Umfeld gelangt der Rechtsvertreter zur Ansicht, dass der Aufenthalt des Bw nicht unrechtmäßig sei, sondern im Sinne des § 5 VStG gerechtfertigt und durch entschuldigenden Notstand exkulpiert. Jedenfalls treffe den Bw kein Verschulden, eine Bestrafung sei unzulässig und nicht indiziert.

Abschließend beantragt der Bw die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens. In eventu wird die Anwendung des   § 21 VStG beantragt.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, GZ S-11.144/09-2 samt Berufungsschrift vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Vorlageakt; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und lediglich Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

3.1.1. Der Bw ist Staatsangehöriger von Vietnam und hält sich seit 2002 in Österreich auf. Am 5. März 2002 hat der Bw einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) eingebracht. Die gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes eingebrachte Berufung (in der Folge Beschwerde) wurde von Asylgerichtshof abgewiesen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27. November 2008, C9 240077-0/2008/8E, ist am 1. Dezember 2008 in Rechtskraft erwachsen.

3.1.2. Bei der Bearbeitung des Fremdenaktes des Bw stellte das fremdenpolizeiliche Referat der belangten Behörde fest, dass das Asylverfahren des Bw seit dem 1. Dezember 2008 rechtskräftig abgeschlossen ist und erstattete daraufhin Anzeige.

3.1.3. Auf Grund der Anzeige vom 12. März 2009, AZ 1032988/FRB, hat die belangte Behörde gegen den Bw die Strafverfügung vom 8. Mai 2009,
S-11.144/09-2, am 11. Mai 2009 erlassen und wegen des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet eine Geldstrafe von 80 Euro verhängt. Innerhalb offener Frist hat der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Bw einen Einspruch eingebracht.

Begründend brachte der Rechtsvertreter vor, dass der Bw aufgrund der Neufassung der Bestimmungen des NAG (§§ 43 f) die Möglichkeit habe, einen befristeten bzw. unbefristeten Aufenthaltstitel in Österreich zu erlangen. Der entsprechende Antrag sei "am 25.05.2009 bei der Fremdenpolizei des Magistrates Linz" gestellt worden. Eine Bestrafung wegen einer Übertretung des FPG könne "daher grundsätzlich nur dann indiziert sein, wenn der Aufenthalt gänzlich unzulässig" sei und keine Möglichkeit bestehe, den Aufenthalt zu legalisieren. Dies liege hier nicht vor, da der Bw seinen Aufenthalt gerade legalisiere.

3.1.4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. März 2009,
AZ 1032988/FRB, wurde der Bw aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Innerhalb offener Frist hat der Bw dagegen Berufung erhobenen.

 

3.1.5. Im Anschluss an das Parteiengehör teilte der Bw mit, dass er eine schriftliche Stellungnahme innerhalb von vier Wochen einbringen werde.

 

Mit Schriftsatz vom 3. August 2009 brachte der Bw eine ergänzende Stellungnahme ein. Einleitend wies der Rechtsvertreter darauf hin, dass erst seit dem 1. April 2009 die Möglichkeit der Antragstellung auf Erhalt eines Aufenthaltstitels außerhalb des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens bestehe. Der Bw habe daher "sofort nach Abschluss des Verfahrens und nach Inkrafttreten vorbezeichneter Bestimmungen diesen Antrag gestellt." Nach Ausführungen zu den  §§ 43 f NAG und den Folgen einer Ausweisung sah der Bw kein Verschulden in seiner Handlung und sein Verhalten als gerechtfertigt an.

 

Ohne weitere Ermittlungen hat die belangte Behörde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

3.2. Abgesehen davon, dass der Bw laut den Berufungsangaben über eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verfügen soll, ist unstrittig, dass er den Aufenthalt im Bundesgebiet auf keinen der im
§ 31 Abs. 1 FPG genannten Gründe stützen kann.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

 

Nach § 31 Abs. 1 leg. cit. halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 48 Abs. 1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 ARHG eingereist sind;

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

4.2.1. Entgegen der Ansicht des Rechtsvertreters verfügt der Bw nicht über "eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten".

 

Auf Grund der Angaben des Rechtsvertreters ist davon auszugehen, dass der Bw über eine Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG verfügt hat.

Nach der angesprochenen Norm darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn der "Ausländer einen Asylantrag eingebracht hat, über den seit drei Monaten nicht rechtskräftig abgesprochen und das Verfahren nicht eingestellt" worden ist. Die Geltungsdauer dieser Beschäftigungsbewilligung richtet sich nach § 7 AuslBG und wird jeweils längstens für die Dauer eines Jahres erteilt.

Damit steht fest, dass es sich bei der vom Bw angesprochenen Beschäftigungsbewilligung nicht um eine solche handelt, die der Gesetzgeber im § 31 Abs. 1 Z. 6 FPG angesprochen hat.

 

Der Aufenthalt des Bw lässt sich auch auf keine sonstige Bestimmung des § 31 Abs. 1 FPG stützen.

 

4.2.2. Auf Grund des festgestellten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass der Bw tatbestandsmäßig gehandelt hat.

 

4.2.3. Das Fremdenpolizeigesetz enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht.

 

Die Behörde erster Instanz hatte daher nicht den Beweis des Verschuldens des Bw zu führen. Vielmehr wäre es an ihm gelegen gewesen, die gemäß § 5 Abs. 2 VStG bestehende Rechtsvermutung seines Verschuldens zu entkräften.

 

4.2.3.1. Für den Zeitraum 2. Dezember 2008 bis zum 25. Mai 2009 ist es dem Bw jedoch weder vor der belangten Behörde noch vor dem Oö. Verwaltungssenat gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Dies hat auch für die Behauptung – Exkulpierung durch entschuldigenden Notstand – zu gelten. Der Bw hat sich nämlich der von ihm behaupteten Gefahr ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund aus nicht vertretbaren Motiven (Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung durch Antragstellung nach dem AsylG) bewusst ausgesetzt. Für derartige Fälle gilt, dass eine selbst verschuldete Notlange niemals die Voraussetzungen für eine Notstandshandlung begründen kann.

 

Bezogen auf den genannten Zeitraum hat der Bw jedenfalls fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt. Seine Strafbarkeit ist somit gegeben.

 

4.2.3.2. Ab dem 25.Mai 2009 kann dem Bw ein schuldhaftes Handeln nicht mehr vorgeworfen werden.

 

Am 25. Mai 2009 hat der Bw einen Antrag gemäß § 44 NAG gestellt.

 

Bereits im Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass eine Abschiebung während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs. 4 NAG nicht in Betracht kommt. Im Folgenden hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:

"§ 44 Abs. 4 NAG sieht die quotenfreie Erteilung einer `Niederlassungsbewilligung – beschränkt´ unter den in dieser Bestimmung genannten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass ihnen einerseits die Befugnis zur Inlandsantragstellung zukommt und dass sie andererseits – wenn ihr Antrag nicht zurückzuweisen ist – aber auch die Entscheidung über ihren Antrag im Inland abwarten dürfen, würde doch ein Verlassen des Bundesgebietes, sei es auch in Befolgung einer Rechtspflicht, als Konsequenz stets die Abweisung eines Antrags nach § 44 Abs. 4 NAG zur Folge haben. Damit wäre indes die durch die genannte Bestimmung bezweckte Regelung für `Altfälle´ - auch wenn gemäß den Kriterien des § 11 Abs. 3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre (siehe dazu die ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 11) – völlig `ausgehebelt´, was dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. § 44b Abs. 3 NAG, wonach Anträge – u.a. – nach § 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen und woraus sich ergibt, dass gegen Antragsteller nach dieser Bestimmung eine Ausweisung zulässig ist, kann demnach nicht in dem Sinn verstanden werden, dass ein Drittstaatsangehöriger während eines anhängigen Verfahrens nach
§ 44 Abs. 4 NAG zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet wäre oder – bei Bestehen einer Ausweisung – abgeschoben werden könnte."

 

Dieser Rechtsansicht folgend hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293, ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten ist, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen. Der Antragsteller darf daher während dieses Verfahrens grundsätzlich nicht abgeschoben werden. Dem "Bleiberecht nach dem NAG" kommt ein über den bloßen Abschiebeschutz hinausgehender Inhalt zu.

 

Da der Bw im vorliegenden Fall ab dem 25. Mai 2009 berechtigt war, die Entscheidung über den Antrag gemäß § 44 NAG im Inland abwarten zu dürfen, kann ihm ab dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Vorwurf der Schuld gemacht werden.

 

Wie bereits unter Punkt 4.2.3.1 dargelegt, war dem Bw nur für den Zeitraum vom 2. Dezember 2008 bis zum 25. Mai 2009 ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen.

 

4.2.4. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Hinsichtlich der verhängten Strafe ist der Bw darauf hinzuweisen, dass deren höhenmäßige Festsetzung eine Ermessensentscheidung der Strafbehörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die objektiven und subjektiven Straf­bemessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat. Die Begründung der belangten Behörde in Bezug auf das von ihr festgesetzte Strafausmaß erweist sich grundsätzlich als nachvollziehbar und mit den Strafzumessungskriterien des § 19 VStG im Einklang stehend.

 

Sowohl aus Gründen der Generalprävention als auch der Spezialprävention bedürfte es einer Bestrafung, um Übertretungen in vergleichbaren Fällen hintan zuhalten.

 

Trotz Kenntnis der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages und des damit verbundenen Wegfalls der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung hat der Bw bewusst den rechtswidrigen Zustand aufrecht erhalten. Das Gesamtverhalten des Bw lässt daher nicht den Schluss zu, dass ihn an der Verwaltungsübertretung ein geringfügiges Verschulden trifft. Das Verschulden wäre nur dann als geringfügig anzusehen, wenn – unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) – das tatbildmäßige Verhalten des Bw hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Im Hinblick auf den langen Tatzeitraum und in Kenntnis der Verbotsnorm kann ein geringfügiges Verschulden nicht erkannt werden.

Die Anwendung des § 21 VStG setzt voraus, dass das Verschulden des Bw geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

 

Abgesehen davon, dass die Folgen der dem Bw angelasteten Verwaltungsübertretung nicht unbedeutend sind, konnte das Verschulden nicht als geringfügig eingestuft werden.

 

Die von der belangten Behörde verhängte Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe wäre grundsätzlich als angemessen zu betrachten, um den Bw in Hinkunft von einer gleichgelagerten Verwaltungsübertretung abzuhalten. Zu Recht hat die belangte Behörde von der Anwendung des § 21 VStG Abstand genommen.

 

Da dem Bw aber nicht für die von der belangten Behörde vorgeworfene Dauer des rechtswidrigen Aufenthaltes ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen war, war der Unabhängige Verwaltungssenat gehalten, die verhängte Strafe herabzusetzen. 

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Bw gemäß § 64 VStG einen Beitrag zu den Kosten Verfahrens vor der belangten Behörde von 4 Euro zu leisten. Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben. 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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