Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164823/7/Br/Th

Linz, 18.03.2010

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 01.02.2010, Zl. VerkR96-944-2010/U, nach der am 17.03.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.     Die  Berufung wird im Schuldspruch als unbegründet abgewiesen. Im Strafausspruch wird der Berufung jedoch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 20 VStG die Geldstrafe auf 800 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Tage ermäßigt wird.

 

II.   Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 80 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 20/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 20, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 20/2009 – VStG.

Zu II. § 65 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.600 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von vierzehn Tagen verhängt, weil er am 29.12.2009 um 01.10 Uhr im Stadtgebiet von Linz auf der Weissenwolffstraße bis auf Höhe Nr. 15 das KFZ mit dem polizeilichen Kennzeichen X gelenkt habe, wobei er sich vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und entgegen der von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Straßenaufsichtsorgan an ihn gerichteten Aufforderung am 29.12.2009 um 01.43 Uhr in Linz, Nietzschestraße 35, eine Untersuchung der Atemluft auf Alkohol verweigert habe.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:

Aufgrund einer Anzeige des Stadtpolizeikommandos Linz, PI. Nietzschestraße, wird Ihnen die umseits genannte Verwaltungsübertretung zur Last gelegt

Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 26.01.2009 bei der Behörde gaben Sie an, dass Sie den Alkotest nicht absichtlich verweigert, sondern nur Angst vor der Polizei gehabt hätten. Sie seien Asylant und der Führerschein wäre deshalb so wichtig für Sie, weil er einerseits Ihr einziger Lichtbildausweis ist und Sie ihn andererseits benötigen, um etwas zusätzliches Einkommen erwirtschaften zu können.

Dazu wird seitens der Behörde - wie auch bereits anlässlich der persönlichen Vorsprache -nochmals auf die gesetzliche Bestimmung des § 5 Abs. 2 StVO verwiesen. Demnach ist ein Lenker eines Fahrzeuges grundsätzlich so lange verpflichtet, sich der Atemluftuntersuchung zu unterziehen, als noch kein gültiges Messergebnis zustande gekommen ist oder als noch nicht mit Sicherheit feststeht, dass mit dem verwendeten Gerät kein verlässliches Messergebnis erzielt werden kann (sh. auch VwGH 15.12.1999, 99/03/0323). Aus dem im Akt einliegenden Messstreifen ist ersichtlich, dass Sie insgesamt 6 Fehlversuche vorgenommen haben, wobei entweder das Blasvolumen zu klein oder die Atmung unkorrekt war. Entsprechend der ständigen Judikatur der Höchstgerichte können bereits weniger als vier Fehlversuche als Verweigerung gewertet werden, wenn diese zu ungültigen Messergebnissen geführt haben (vgl. VwGH 11.10.2002, 2001/02/0220, 26.4.2002, 99/02/0212 uvm.).

Aus vorstehenden Gründen war daher wie eingangs im Spruch angeführt zu entscheiden.

Auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (Asylant, keine Sorgepflichten) wurde Bedacht genommen werden; dennoch rechtfertigt Ihre finanzielle Situation alleine noch nicht die Anwendung des § 20 VStG. Die außerordentliche Strafmilderung nämlich wäre nur dann zulässig, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen würden oder Sie Jugendlicher wären. Im ggst. Fall kann kein Strafmilderungsgrund, aber auch kein Straferschwerungsgrund festgestellt werden, weshalb nach Ansicht der hsg. Behörde den angeführten gesetzlichen Kriterien betreffend die Strafbemessung durch die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe jedenfalls entsprochen wird.

Gemäß § 99 Abs.1 lit b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 2 bis 6 Wochen zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.“

 

 

2. Dem tritt der Berufungswerber mit der fristgerecht erhobenen Berufung entgegen. Darin vermeint er gegen den Entzug des Führerscheines sowie gegen die verhängte Geldstrafe Berufung einlegen zu wollen.

Er brauche den Führerschein unbedingt, da dieser das einzige Ausweisdokument sei, welches er besitze. Außerdem sei es ihm ohne Führerschein nicht möglich, Geld zu verdienen. Er habe für eine ganze Familie (Frau und Kind) zu sorgen und habe er außerdem nicht absichtlich den Test verweigert.

Es wäre wegen seiner Angst bzw. Nervosität nicht möglich gewesen den Test richtig zu machen und deshalb ersuche er um Aufhebung des Bescheides der BH Linz-Land.

Die Bezahlung der Geldstrafe sei ihm derzeit ohnehin nicht möglich, zumindest nicht in der der gegebenen Höhe. Abschließend bat er um Verständnis für seine derzeitige Lage.

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur  Berufungsentscheidung vorgelegt; die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates wurde damit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war zwingend erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

Da zu diesem Verfahren der Verfahrensakt gleichzeitig mit dem Führerscheinentzugsakt vorgelegte wurde, waren beide Verfahren (VwSen-522498) miteinander zu verbinden.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der erstinstanzlichen Aktenlage beider Verfahren. Die einschreitenden Polizeibeamten GrInspin X u. Insp. X wurden als Zeugen einvernommen. Der an der Berufungsverhandlung persönlich teilnehmende Berufungswerber wurde als Beschuldigter gehört. Die Behörde erster Instanz nahm entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil. Der mit seiner Familie seit vier Jahren als Asylwerber in Österreich aufhältige Berufungswerber legte über seine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland (X) binnen zwei Monaten (bis 27.3.2010) eine Bestätigung des Vereins Menschenrechte vor.

 

4. Erwiesener Sachverhalt:

Im Rahmen der Berufungsverhandlung blieb kein Zweifel daran offen, dass der Berufungswerber einerseits zu Recht zu einem Alkotest aufgefordert wurde, nachdem ein Vortest mit dem Ergebnis 0,52 mg/l verlief. Andererseits räumte der Berufungswerber gegenüber den einschreitenden Beamten, wie auch wieder anlässlich der Berufungsverhandlung letztlich selbst den Konsum von drei Flaschen Bier ein.

Glaubwürdig legte er aber im Einklang mit den Zeugenaussagen der einschreitenden Beamten klar, dass er die Fehlbeatmung des Alkomaten aus "Angst" vor einer Führerscheinabnahme ganz bewusst tätigte. Er meinte in offenbar zwischenzeitiger Kenntnis der Rechtslage, ob die Behörde nicht den sich aus dem Vortestergebnis ableitenden Alkoholsierungsgrad der rechtlichen Beurteilung zu Grunde legen könnte.

Die Zeugin GrInspin X führte diesbezüglich überzeugend aus, dass man den Berufungswerber auf die Verweigerungsfolgen durch Fehlbeatmung mehrfach hingwiesen habe. Immerhin habe man ihm über eine Zeitspanne von zehn Minuten sechs Blasversuche ermöglicht, welche jedoch alle durch „Vorbeiblasen“ am Mundstück zu keinem verwertbaren Ergebnis führten.

Obwohl hier mit hoher Wahrscheinlichkeit eine in den Rechtsfolgen deutlich geringerer Alkoholsierungsgrad zu erwarten gewesen wäre, ist für den Berufungswerber mit seinem durchaus glaubhaft vorgetragenen Motiv und seiner Beteuerungen, sich über die Rechtsfolgen offenbar nicht bewusst gewesen zu sein, nichts zu gewinnen. Das damit als Rechtsfolge die Absolvierung begleitender Maßnahmen einher geht, für deren Kosten er kaum aufzukommen in der Lage sein wird, wird nicht übersehen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund seiner freiwilligen Rückreiseverpflichtung in seine Heimat.

Die Berufungsbehörde kann dem Berufungswerber in seiner Verantwortung dahingend folgen, dass er hier die Verweigerung  keinesfalls einer Verschleierung einer höhergradigen Alkoholsierung, sondern wohl auch aus einem mit seiner Herkunft im Zusammenhang stehenden Rechtsvertsändnis resultierte.

Der Berufungswerber, welcher mit Frau und einem unter zehnjärigen Kind zur Berufungsverhandlung erschien, verfügt als Asylwerber lediglich über die in diesem Rechtsstatus übliche staatliche Unterstützung. Im übrigen hinterließ der er bei der Berufungsverhandlung einen sehr korrekten und durchaus wertverbundenen Eindruck. Das er sich über die nunmehr zu tragenden Rechtsfolgen tatsächlich nicht im Klaren war wird nicht bezweifelt.

Dennoch hat der Berufungswerber die sich zwingend ergebenden Rechtsfolgen zu tragen.

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand 

1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder …..

Nach § 99 Abs.1 lit.b begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.600 bis zu 5.900 Euro (vorher, wie die Behörde erster Instanz noch irrtümlich zitierte 1.162 Euro bis 5.813 Euro), im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht, Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur Durchführung der Atemluftuntersuchung so lange bis ein verwertbares Messergebnis zu Stande gekommen ist (VwGH 24.2.1993, 91/03/0343, sowie VwGH 11.10.2002, 2001/02/0220).

Die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt betreffend die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung und deren Verweigerung auf ein "situationsbezogenen Verhalten" eines Probanden ab [gemeint einen Rückschluss auf eine Verweigerung zulassendes Verhalten] (VwGH 23.7.2004, 2004/02/0215 mit Hinweis auf VwGH 30.1.2004, 2003/02/0223).

Im Sinne der als gesichert geltenden Judikatur gilt eine gezielte Fehlbeatmung als Verweigerung der Atemluftuntersuchung.

 

6. Zur Strafzumessung:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

6.1. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, dann hat er einen Rechtsanspruch auf die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes. Die Behörde hat in diesem Falle der Strafbemessung einen Strafrahmen zu Grunde zu legen, dessen Untergrenze die Hälfte der (gesetzlichen) Mindeststrafe beträgt und ausgehend davon die Strafe innerhalb des solcherart (nach unten) geänderten Strafrahmens festzusetzen.

In der Beurteilung des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100). Als derart gewichtiger Milderungsgrund wird hier die beim Berufungswerber mit seiner Herkunft und dessen Status in Österreich begründet gewesenen Angst gesehen, wobei mit der Verweigerung der Atemluftuntersuchung nicht wirklich beabsichtigt war. Eine aus dem Jahr 2008 wegen einer Übertretung nach § 102 Abs.3 KFG erfolgte Bestrafung (offenbar wg. fehlender Kenntnis über Handhabung und Wirksamkeit der Betätigungsvorrichtung des gelenkten Kraftfahrzeuges) lässt hier in Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebotes die mildernden Umstände immer noch beträchltich überwiegen.

Aus diesem Grund ist mit Blick auf das nicht zuletzt am „Maßstab der Gerechtigkeit“ zu messenden Sachlichkeitsgebotes von einem atypischen Ergebnis auszugehen, weil wohl der mit hoher Sicherheit zu vermutende geringere Alkoholisierungsgrad zu weniger schwerwiegenden Rechtsfolgen geführt hätte.

Insbesondere unter Hiwneis auf die soziale Situation des Berufungswerbers wird die volle Ausschöpfung der im § 20 VStG Gestaltungsmöglichkeiten des Strafrahmens als sachlich gerechtfertigt gesehen. Es ist – wie in den Fällen, in denen das außerordentliche Milderungsrecht nicht zur Anwendung gelangt – in das Ermessen der Behörde gestellt, dass sie die Strafzumessung nach den Kriterien des § 19 VStG auszuüben hat (vgl. etwa die VwGH 31.1.1990, 89/03/0027, vom 21.5.1992, 92/09/0015 und vom 2.9.1992, 92/02/0150, sowie VwGH [verstSen] 25.3. 1980, Slg. Nr. 10077/A).

 

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r