Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720257/6/BMa/Sta

Linz, 22.03.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X, geb.

X, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Ried im Innkreis vom 15. September 2009, Sich40-15996, wegen der Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und das Aufenthaltsverbot auf die Dauer von 7 Jahren befristet. Das Mehrbegehren wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid insofern bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 9 Abs.1, 60 ff und 86 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 1995 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 135/2009)


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der am X in X geborene X Beschwerdeführer (im Folgenden: Bw) ist - wie sich dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt entnehmen lässt – im Jahre 1999 gemeinsam mit seiner Mutter und weiteren 3 Geschwistern im Rahmen der Familienzusammenführung nach Österreich eingereist. Am 26. April 1999 hat er sich an der gleichen Adresse wie sein Vater, der zur Zeit seiner Einreise nach Österreich bereits rund 10 Jahre in Österreich als Hilfsarbeiter beschäftigt war, in X polizeilich gemeldet. Die Aufenthaltsbewilligung wurde ihm zunächst bis 18. August 2001 erteilt. Am 4. Jänner 2007 wurde ihm der unbefristete Daueraufenthalt erteilt. In der X hat der Beschwerdeführer 5 Jahre lang die Volksschule besucht. In Österreich hat der Bw 3 Jahre lang die Hauptschule in X und anschließend 1 Jahr den polytechnischen Lehrgang in X absolviert. Anschließend war er bei verschiedenen Firmen in Österreich als Hilfsarbeiter beschäftigt.

 

1.2. Im gegenständlichen Fall geht bereits ausführlich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides hervor, dass der Rechtsmittelwerber wegen mehrerer Übertretungen rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, und zwar insbesondere

 

• mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 29. Juni 2006, Zl. 15 Hv 58/07 h, wegen des Vergehens des teilweise versuchten, teilweise vollendeten Diebstahls und des Vergehens der Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 3 Euro (Probezeit 3 Jahre), rechtskräftig seit 29. Juni 2007;

 

• mit Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 5. September 2007, Zl. 2U 68/07 f-19, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung und des Vergehens des Diebstahls zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen á 4 Euro, rechtskräftig seit 11. September 2007;

 

•mit Urteilt des Landesgerichtes Wels vom 12. September 2008, Zl. 11 Hv 134/08 g, wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen zu einer bedingten Freiheitsstrafen von 8 Monaten (Probezeit 3 Jahre, mit Urteil des Oberlandesgerichts vom 21. April 2009 wurde die Probezeit auf 5 Jahre verlängert und vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht im oben genannten Urteil des Landesgerichts Ried i.I. abgesehen).

 

• mit Urteil des Landesgerichts Ried i.I. vom 7. Jänner 2009, Zl. 20 Hv 66/08 a, wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Anlässlich der dagegen eingebrachten Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 21. April 2009, Zl. 8 Bs 84/09 y, die verhängte Freiheitsstrafe auf eineinhalb Jahre herabgesetzt.

 

·                     Zudem wurden gegen den Beschwerdeführer 10 verwaltungsbehördliche Bescheide bzw. Straferkenntnisse wegen Übertretungen des KFG und der StVO erlassen.

 

1.3. Mit dem bekämpften Bescheid wurde daher gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Dazu wurde im Wesentlichen begründend ausgeführt, dem Beschwerdeführer komme die Rechtsstellung gemäß Artikel 7 des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1990 zu. Demnach sei auch § 86 Abs.1 FPG auf ihn anzuwenden. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei somit nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei. Das persönliche Verhalten müsse  dabei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Strafrechtliche Verurteilungen allein könnten nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen wurde festgestellt, dass sich der Bw seit 1999 durchgehend legal mit Hauptwohnsitz in Österreich befinde, er hier viele Familienangehörige und zahlreiche Verwandte habe und in Österreich nach dem Schulbesuch größtenteils unselbstständig erwerbstätig gewesen sei.

Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde sich in Österreich und das Aufenthaltsverbot greife daher ohne Zweifel in sein Privat- und Familienleben ein. Seine Frau lebe in der X, alle Verwandten würden sich aber in Österreich bzw. in Deutschland befinden. Seine Familie besitze auch ein Haus in der X, sodass sein Fortkommen in seiner X Heimat durchaus gesichert sei. Weil seine Familienangehörigen relativ häufig Urlaube in der X machen würden und seine Familie dort ein Haus besitze, könne auch der Kontakt mit der in Österreich lebenden Familie über Urlaubsaufenthalte in der X aufrecht erhalten werden, sodass sich durch das Aufenthaltsverbot der entgegenstehende Einschnitt in sein Privatleben durchaus in Grenzen halten würde.

In Österreich besitze er kein Vermögen, aber Schulden in Höhe von ca. 3.000 Euro, er sei vor seiner Verhaftung arbeitslos gewesen. Die in Österreich bestehende Integration werde durch die Vielzahl der von ihm begangenen Diebstahlsdelikte und den Umstand, dass er vor seiner Inhaftierung keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei, wobei er das letzte bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund eines längeren Urlaubsaufenthaltes in der X von sich aus beendet habe, erheblich geschmälert.

Die Rechtfertigung der begangenen Taten durch die von einem Sachverständigen festgestellte kombinierte Persönlichkeitsstörung und der damit verbundenen geringfügigen Beeinträchtigung seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit gehe angesichts der rechtskräftigen Schuldfeststellung durch ein staatliches Gericht ins Leere.

 

Nach Ansicht der belangten Behörde lasse das in Österreich an den Tag gelegte Fehlverhalten des Beschwerdeführers nur eine für ihn negative Zukunftsprognose zu. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie des in Artikel 8 Abs.2 EMRK genannten Zieles, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer dringend geboten.

Die Hintanhaltung von Eigentumsdelikten berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei zur konkreten Abwehr einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr, somit aus spezialpräventiven Gründen dringend geboten. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer innerhalb von 24 Stunden nach einer Gerichtsverurteilung erneut einschlägig rückfällig geworden sei, sei auch bei Berücksichtigung seiner prekären finanziellen Situation eine außerordentlich hohe Wiederholungs- und Rückfallsgefahr gegeben.

 

1.4. Gegen diesen ihm am 16. September 2009 persönlich zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 29. September 2009 persönlich bei der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. abgegebene und damit rechtzeitige Berufung.

 

Darin verweist der Berufungswerber zunächst auf die richtigen Feststellungen der Erstbehörde zu seinen Privat- und Familienverhältnissen und gibt dem widersprechend an, dass diese Umstände sich aus dem Akteninhalt ergeben und auch ausdrücklich von der Erstbehörde hätten festgestellt werden müssen.

Auch hinsichtlich seiner Stellung nach dem Artikel 7, 2. Unterabsatz des Assoziationsbeschlusses (ARB) 1/1980, wonach für ihn ein freier Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bestehe und zuletzt für ihn auch vom AMS ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei – was sich aus dem Akteninhalt

ergebe -, wären von der belangten Behörde Feststellungen zu treffen gewesen.

Die Verhängung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn sei im Lichte der Rechtsprechung des EuGH unzulässig. So setze der EuGH regelmäßig eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren müsse, als Grund für eine Aufenthaltsbeendigung voraus.

Die gegenwärtige und konkrete Gefährdung müsse zu dem Zeitpunkt gegeben sein, zu dem die Aufenthaltsbeendigung erfolge, sodass die während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung auftretende positive Entwicklung des Betroffenen berücksichtigt werden müsse. Infolge Erstvollzugs einer Strafhaft sei davon auszugehen, dass auch ein entsprechender Resozialisierungserfolg durch diese entstehe. In diesem Zusammenhang werde auch auf den positiven Bericht von X laut Schreiben vom 20. Juli 2009 verwiesen.

Auch nach Entlassung aus der Justizanstalt werde er seine psychotherapeutische Behandlung fortsetzen und auch die weiterlaufende Bewährungshilfe ermögliche eine günstige Zukunftsprognose. Dies hätte die belangte Behörde feststellen müssen.

 

Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei unzulässig, so sei der Rechtsmittelwerber von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen gewesen. Er sei auch nur zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden, somit sei die Verhängung des Aufenthaltsverbotes unter Verweis auf § 61 Z4 FPG unzulässig.

 

Durch das Aufenthaltsverbot werde massiv in seine gemäß Artikel 8 Abs.2 MRK verfassungsrechtlich geschützten Familien- und Persönlichkeitsrechte eingegriffen.

 

Es sei auch gutachtlich festgestellt worden, dass er zu den Tatzeitpunkten durch Symptome der kombinierten Persönlichkeitsstörung, eine psychosoziale Konfliktsituation und übermäßigen Alkoholkonsum beeinträchtigt gewesen sei.

 

Abschließend wurden die Anträge auf Aufhebung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15.9.2009, Sich40-15996, hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung an die Erstinstanz und auf Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbots gestellt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. zu Sich40-15996; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben und fremdenpolizeiliche Angelegenheiten nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Artikel 6 Abs.1 EMRK fallen, konnte gemäß § 67d Abs.4 AVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs.1 Z1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 (im Folgenden: FPG), entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen, die auf Grund des FPG ergangen sind, die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern; derartige Entscheidungen sind gemäß § 67a Abs.1 AVG durch ein Einzelmitglied zu treffen.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt, der vom Bw nicht bestritten wird, wird auch diesem Erkenntnis zu Grunde gelegt.

 

Ergänzend dazu wird festgehalten:

Der am X in der X geborene Beschwerdeführer ist im Alter von 12 Jahren nach Österreich eingereist und war zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbots am 15. September 2009 zweiundzwanzig Jahre alt.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2009 hat die Bewährungshelferin des Bw eine Stellungnahme abgegeben, in der sie u.a. dargelegt hat, dass der Bw sämtliche Termine und Vereinbarungen eingehalten hat und um eine konstruktive Zusammenarbeit bemüht war.

Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft ist der Rechtsmittelwerber seit

8. Februar 2010 als Geflügelhofarbeiter im Betrieb der Firma X beschäftigt.

 

3.2. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt:

 

3.2.1. Gemäß § 86 Abs.1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige dann zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltes die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit 10 Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

 

§ 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung betreffend freizügigkeitsberechtige EWG-Bürger. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 durfte gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot nämlich nur erlassen werden, wenn die Voraussetzung des § 36 Abs.1 Z1 FrG erfüllt waren. Dabei war § 36 Abs.2 FrG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 13. Oktober 2000, 2000/18/0013).

 

Demgemäß ist auch § 60 ff FPG als bloßer Orientierungsmaßstab für § 86 FPG anzusehen. Die belangte Behörde hat sich bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes an § 60 Abs.1 und Abs.2 FPG orientiert.

 

Gemäß § 60 Abs.1 Z1 des FPG kann gegen einen Fremden dann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Als in diesem Sinne "bestimmte Tatsache" gilt nach § 60 Abs.2 Z1 FPG u.a., wenn der Fremde von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten oder zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe bzw. zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Ein Aufenthaltsverbot kann im Fall des § 60 Abs.2 Z1 FPG unbefristet, sonst für die Dauer von höchstens 10 Jahren erlassen werden (§ 63 Abs.1 FPG).

 

Gemäß § 60 Abs.6 FPG iVm § 66 Abs.1 leg.cit. ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, durch das in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird,  nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs.2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist, wobei in diesem Zusammenhang die in § 66 Abs.2 FPG normierten Kriterien gegeneinander abzuwägen sind.

 

Nach § 60 Abs.6 FPG iVm § 66 Abs.2 leg.cit. darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

 

Gemäß § 66 Abs.2 leg.cit. sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

 

1.     die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2.     das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.     die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.     der Grad der Integration;

5.     die Bindung zum Heimatstaat des Fremden;

6.     die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.     Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei - und Einwanderungsrechts;

8.     die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Nach § 56 Abs.1 FPG dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder "Daueraufenthalt – Familienangehöriger" verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Gemäß § 56 Abs.2 leg.cit. hat als schwere Gefahr im Sinne des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht

1.     wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder gemäß der §§ 27 Abs.2, 28 Abs.1 und 32 Abs.1 SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder

2.     wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neidung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihm begangene strafbarer Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten

rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

In diesem Zusammenhang ist auf § 55 Abs. 4 und 5 Bedacht zu nehmen (§ 55 Abs.3 FPG).

 

Nach der Spezialbestimmung des § 55 Abs.4 FPG dürfen Fremde unbeschadet des § 61 Z4 FPG nicht ausgewiesen werden, die von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sind.

Fremde sind jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn sie die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sind.

Würde nach § 60 Abs.6 iVm § 66 Abs.1 FPG durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs.2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und  Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Z4 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu einer mehr als zweijährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden und er hätte einen der in § 60 Abs.2 Z12 bis 14 FPG bezeichneten Tatbestände verwirklicht.

 

3.2.2. Aus den jüngsten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (11. Mai 2009, 2007/18/0038 und 4. Juni 2009, 2006/18/0233) ist abzuleiten, dass auf türkische Staatsangehörige, die Rechte nach Art. 7 ARB 1/80 geltend machen können, die Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung

(§ 86 FPG) maßgeblich sind.

 

Zunächst ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 86 Abs.1 (1. bis 4. Satz) vorliegen. Danach ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Bw die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen rechtfertigt, ist auf die demonstrative Aufzählung des

§ 60 Abs.2 FPG nur als "Orientierungshilfe" zurückzugreifen. Entgegenstehende europarechtliche Vorgaben sind dabei jedenfalls zu beachten.

 

Hinsichtlich der nach FPG anzustellenden Prognosebeurteilungen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass es letztlich immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten des Fremden ankommt. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Wie nachfolgend dargelegt, legt das FPG, bezogen auf unterschiedliche Personenkreise oder nach bestimmter Aufenthaltsdauer ein unterschiedliches Maß für die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Fremden fest. So setzt § 60 Abs.1 FPG ("Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" oder "Zuwiderlaufen anderen im Art. 8 Abs.2 EMRK genannten öffentlichen Interessen") in Relation zu § 56 Abs.1 FPG (schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit) ein geringes Maß der Gefährlichkeitsprognose voraus. Hingegen verlangt § 86 Abs.1 FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) im Verhältnis zu § 56 Abs.1 FPG ein höheres Maß der Gefährdungsprognose, die sich zudem nach dem 5. Satz des § 86 Abs.1 FPG ("nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit") noch weiter steigert.

 

Der EuGH hat im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, ausgeführt, dass jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Gegen diese Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahe legt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtsstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.

 

Wie oben dargelegt, wurde über den Berufungswerber eine unbedingte Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verhängt.

 

Schon im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung zu einer eineinhalbjährigen Freiheitsstrafe liegt kein Fall des § 61 Z3 FPG vor.

Weil der Bw ist erst im Alter von 12 Jahren nach Österreich eingereist ist, ist er auch nicht von klein auf im Inland aufgewachsen. Damit kann auch nicht auf

§ 61 Z4 FPG abgestellt werden.

Denn nach der Rechtsprechung zu § 38 FrG 1997, die auf § 61 FPG anzuwenden ist, weil § 61 § 38 FrG 1997 entspricht, ist die Wendung "von klein auf" so zu verstehen, dass sie für eine Person, die erst im Alter von 4 Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann. Auch eine Person, die zwar vor Vollendung des 4. Lebensjahrs nach Österreich einreiste, sich aber kurz danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht schon im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, wird man von dieser Regelung – weil eine solche Person nicht in Österreich "aufgewachsen" ist – nicht als erfasst ansehen können (VwGH 17.9.1998, 96/18/0150). In ständiger Rechtsprechung stellt der VwGH in seinen Erkenntnissen zur Definition "von klein auf im Inland aufgewachsen" auf die Phase des Erwachsenwerdens, die Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises in der Phase der ersten Verselbstständigung, die soziale Integration und die Absolvierung der Pflichtschulzeit in Österreich ab.

 

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Voraussetzungen des § 61 Z1 und 2 FPG, die vom Bw auch gar nicht ins Treffen geführt wurden, ebenfalls nicht gegeben sind.

 

Damit aber liegen die Voraussetzungen des  § 60 Abs.2 Z1 FPG vor.

 

Nach § 63 Abs.1 FPG wäre die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig.

 

Für den Oö. Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Wie bereits dargelegt, ist eine Gefährdungsprognose zu erstellen und die Überprüfung anhand der je nach Lage des Falls einschlägigen Bestimmungen vorzunehmen.

 

Im konkreten Fall handelt es sich auch nicht um ein bloß sonstiges öffentliches Interesse, sondern tatsächlich um ein Grundinteresse der Gesellschaft, das darin gelegen ist, strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, Aggressions- und Eigentumsdelikte zu verhindern. (Die diese Interessen berührenden Straftaten des Bw wurden oben wiedergegeben.)

 

Im Sinne der wiedergegebenen Judikatur ist nicht primär maßgeblich, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Im konkreten Einzelfall ist daher zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

Der Bw ist in Österreich seit dem Jahr 2007 immer wieder straffällig geworden.

 

Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Bw lassen die Strafzumessungsgründe, die in den gerichtlichen Verurteilungen ersichtlich sind, zu:

Im Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 21. April 2009, 8 Bs 84/09 y, ist ersichtlich, dass der Bw bei Begehung seiner Taten auf Grund einer – freilich keineswegs höhergradigen – kombinierten Persönlichkeitsstörung in seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit geringfügig beeinträchtigt gewesen war. Zum Nachteil des Bw hat sich aber ausgewirkt, dass er drei der insgesamt vier der Verurteilung zugrunde liegenden Einbrüche, und damit die gewichtigeren Straftaten, just in der Nacht nach seiner Verurteilung durch das Landesgericht Wels verübt hat.

Zu Gute zu halten ist dem Bw auch, dass der effektive Wert des Diebsguts, den er zu verantworten hatte, die Qualifikationsgrenze von 3.000 Euro nur knapp überstiegen hat.

 

Die Betrachtung der gesamte Straftaten und Verwaltungsübertretungen zeigt die kriminelle Energie des Bw auf und lässt auch deutlich eine Steigerung dieser erkennen. In teilweise sehr kurzen zeitlichen Abständen hat er seine Vergehen und Verbrechen begangen, so folgte nach der ersten Verurteilung des Landesgerichtes Wels am 26. Juli 2007 bereits die nächste Verurteilung durch das Bezirksgericht Grieskirchen am 5. September 2007. Ein Jahr später wurde er dann vom Landesgericht Wels wieder verurteilt und nur wenige Monate danach erfolgte die Verurteilung durch das Landesgericht Ried i.I., dessen Strafe durch das Oberlandesgericht Linz herabgesetzt wurde.

Obwohl die Gerichte anfangs noch mit Geldstrafen das Auslangen finden wollten, um den Bw zu läutern, endete der Bw seine Grundhaltung nicht, sondern beging in der Folge die oben dargestellten zahlreichen Vergehen und Verbrechen. Die ständig zunehmende kriminelle Energie, die im Tatverhalten des Bw zum Ausdruck kommt, veranlasste auch die Strafgerichte im Hinblick auf die Uneinsichtigkeit, die rasche Rückfälligkeit und die beharrliche Fortsetzung der strafbaren Handlungen immer strengere Strafen zu verhängen.

 

Das Gesamtverhalten des Bw und insbesondere die in einschlägiger Weise begangenen Vergehen und Verbrechen rechtfertigen die Annahme, dass ein weiterer Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Die im Grunde des

§ 60 Abs.2 Z1 FPG getroffene Beurteilung der belangten Behörde ist daher nicht zu beanstanden.

 

Auch wenn der Bw über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" verfügt, ist die Ausweisung nach dieser Bestimmung zulässig, weil die angeführten Verurteilungen des Bw unbestritten eine schwere Gefahr im Sinne des § 56 Abs.1 FPG darstellen.

 

Es ist daher zu prüfen, ob diese schwere Gefahr auch eine "tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt" darstellt.

 

Aus dem Verhalten des Bw seit dem Jahr 2007 ist ersichtlich, dass die kriminelle Motivation nicht bloß punktuell und kurzfristig bestanden hat, sondern dass die Delikte in zahlreichen Fällen gut geplant waren. So wurden die Delikte auch in Zusammenwirken mit anderen Straftätern verübt.

 

Mit seinem Vorbringen, nunmehr durch die längere Strafhaft geläutert zu sein, sich einer Psychotherapie zu unterziehen und Bewährungshilfe in Anspruch zu nehmen, ist es dem Bw aber nicht gelungen, darzulegen, dass gegenwärtig und auch zukünftig das beschriebene Gefährdungspotential von ihm nicht mehr ausgehen werde.  

 

Weil der Bw auch Rechte nach Art. 7, 2. Unterabsatz des Assoziationsbeschlusses (ARB) 1/1980 geltend machen kann, war zu prüfen, ob von ihm darüber hinaus auch eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht.

Aufbauend darauf, dass nach Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten (gewerbsmäßige Vornahme, rasche Abfolge der einzelnen Straftaten, gewinnorientierte Vorgangsweise, Steigerung der kriminellen Energie trotz vorangegangener Verurteilungen) eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, gegeben ist, lässt sich in Zusammenschau der kriminellen Energie des Bw, die unmittelbar vor dem Strafantritt ihren Höhepunkt erreichte, eine Gefährdungsprognose ableiten, wonach das Verhalten des Bw eine "nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" darstellt.

 

Die Tathandlungen und die nachfolgende Verantwortung lassen eindeutige Rückschlüsse auf seinen besonders verwerflichen Charakter zu und zeigen auf, dass er nicht geneigt ist, die Rechtsordnung seines Gastlandes zu respektieren.

 

Derzeit lässt das Persönlichkeitsbild des Bw keinesfalls den Schluss zu, dass er nunmehr als geläutert anzusehen ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Bw nunmehr einer Psychotherapie unterzieht und Bewährungshilfe in Anspruch nimmt.

 

Auf Grund der dargelegten Umstände, der Art und Schwere der vorliegenden Straftaten und dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild des Bw würden die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich durch den weiteren Verbleib des Bw im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet.

 

Nach Art. 8 Abs.2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist, ferner eine Maßnahme darstellt, die einem oder mehreren der in Art. 8 Abs.2 EMRK formulierten Ziele (die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, der Schutz der Gesundheit und der Moral und der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dient und hiefür in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

 

Der Eingriff verletzt den Schutzanspruch aus Art. 8 Abs.1 EMRK jedenfalls dann, wenn er zur Verfolgung der genannten Ziele in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig ist, das heißt, wenn er nicht durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und insbesondere nicht verhältnismäßig zum verfolgten legitimen Ziel ist.

 

Ein wesentliches Element für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des zu erlassenden Aufenthaltsverbotes ist die Schwere der vom Bw begangen Vergehen und Verbrechen.

 

Unstrittig ist, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes Wirkungen auf das Privatleben des Bw hat, weil er sich seit seinem 12. Lebensjahr (durchgehend seit 1999) in Österreich aufhält und ein Aufenthaltsrecht "Daueraufenthalt – EG" besitzt.

Abgesehen davon, dass sich der Großteil seiner Verwandtschaft in Österreich aufhält, lebt die Ehefrau des Bw aber noch in der Türkei.

Bezogen auf sein Alter und die damit verbundene Selbstständigkeit ist somit ein Eingriff in das Familienleben des Bw im engeren Sinne nicht gegeben. Der Bw, der keinen Beruf erlernt hat, ist immer wieder Arbeiten in Österreich nachgegangen und er ist auch derzeit, nach seiner Haftentlassung, als X in X beschäftigt. Diese Beschäftigung hat er aber erst am 8.2.2010 aufgenommen und es ist lediglich dokumentiert, dass er sich im Probemonat befindet. Im Hinblick auf seine in kurzen Abständen erfolgten Verstöße gegen die Rechtsordnung kann darin kein wesentlicher Integrationsgrad erblickt werden.

Der Verbleib in der Türkei wird dem Bw auch dadurch erleichtert, dass seine Angehörigen in der Türkei ein Haus besitzen und auch ihre Urlaube immer wieder dort verbringen. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Eingriff in das Privatleben damit nicht gravierend ist.

Dem Bw ist trotz  seines langen Aufenthalts die soziale Integration in Österreich nicht gelungen. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Bw ist so gravierend, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation im Sinne des § 66 Abs.2 FPG keineswegs schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme für das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Gewalt- und Eigentumskriminalität und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Das Aufenthaltsverbot erscheint auf Grund der Umstände des Falls zur Erreichung der angeführten Ziele im Sinne des Art. 8 Abs.2 EMRK dringend geboten.

 

Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist auch die Dauer der Befristung der verhängten Maßnahme rechtlich zu würdigen. Wie bereits dargelegt, könnte im vorliegenden Fall das Aufenthaltsverbot unbefristet verhängt werden. Aus immanent  zu berücksichtigenden gemeinschafts­rechtlichen Überlegungen ist eine Beschränkung der Grundfreiheiten von Unionsbürger oder Begünstigten aus Assoziierungsabkommen möglichst maß- und zurückhaltend vorzunehmen. In diesem Sinn erachtet das erkennende Mitglieder des Oö. Verwaltungssenates das von der belangten Behörde ausgesprochene unbefristete Aufenthaltsverbot als zu hoch bemessen und geht daher davon aus, dass mit einer Befristung auf 7 Jahre das Auslangen gefunden werden kann. Diese Frist müsste aller Voraussicht nach ausreichen, um den Bw zu läutern und die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentlichen Interessen zu beseitigen. Soweit sich der Bw während dieser Zeit in seinem Heimatland bewährt und ein rechtschaffenes Leben führt, soll er auch die Aussicht haben, nach Ablauf dieser Frist wieder nach Österreich zurückkehren zu dürfen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass nach § 65 Abs.1 FPG ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben ist, sobald die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.     Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.     Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 20,40 Euro angefallen.

Mag. Bergmayr-Mann

 

VwSen-720257/6/BMa/Sta vom 22. März 2010:

§ 86 FPG: ständige Rechtsprechung des UVS ;

Herabsetzung des unbefristeten Aufenthaltsverbots auf 7 Jahre

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 14.06.2010, Zl.: B 509/10-3

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 20. August 2013, Zl.: 2013/22/0091-17 (vormals 2012/21/0202)

 

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