Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401054/4/SR/Ba

Linz, 17.03.2010

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des x, geboren am x in Zenata-Mohammedia (Marokko), Staatsangehöriger von Marokko, alias x, geboren am x in Gaza, staatenlos, derzeit Polizeianhaltezentrum Steyr (PAZ), vertreten durch Rechtsanwalt x, x, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck seit dem 24. Februar 2010 im PAZ Steyr zu Recht erkannt:

 

 

I.       Die Beschwerde wird, soweit sie die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung behauptet, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

          Die Anträge auf Aufhebung bzw. Abänderung des Bescheides und Entlassung des Beschwerdeführers aus der Schubhaft werden als unzulässig zurückgewiesen.

II.     Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) Kosten in der Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage und der Gegenschrift in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde von folgendem Sachverhalt aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) ist erstmals am 17. Juni 2004 illegal in Österreich eingereist und hat unter dem Namen x, geboren am x in Gaza, ledig, Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe, staatenlos, beim Bundesasylamt EAST Ost, einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) gestellt.

 

1.2. Am 19. Jänner 2005 wurde das Asylverfahren gemäß § 30 AsylG eingestellt, da sich der Bf sowohl dem Asylverfahren als auch dem fremdenpolizeilichen Verfahren entzogen hatte. Zuvor hatte sich der Bf bereits am 23. Juni 2004 und am 17. August 2004 ungerechtfertigt aus der EAST-Ost entfernt.

 

1.3. Im ZMR scheinen folgende Wohnsitze des Bf (als Obdachloser) auf:

10. September 2004 bis 24. Jänner 2005: x

                                                                  x

8. März 2006 bis 26. April 2006:                 x

18. Mai 2006 bis 21. Juli 2006:                            x

                                                                  x 

 

1.4 Über Antrag stellte die marokkanische Botschaft in Wien dem Bf den nationalen Reisepass mit der Nr. x am 1. Dezember 2009 aus.

 

1.5. Im Jänner 2010 (nach Neujahr) reiste der Bf in Begleitung seiner Freundin x, wohnhaft in x, illegal nach Tschechien.

Die tschechischen Behörden stellten dem Bf in der Folge das Visum AKT0165743, gültig vom 25. Jänner bis zum 23. Februar 2010, aus. Aus der im vorliegenden Fremdenakt einliegenden Kopie des Reisepasses ist erkennbar, dass das Visum ungültig gestempelt worden ist.

Bei einer Kontrolle in der Wohnung der Freundin des Bf wurde der Bf am 2. Februar 2010 festgenommen und in ein Fremdenheim in Prag überstellt. 

 

1.6. Nach erfolgter Dublinkonsultation und der Zustimmung der österreichischen Behörden wurde der Bf nach Österreich abgeschoben und an der Grenzübergangsstelle Wullowitz von österreichischen Beamten übernommen.

 

1.7. Bei den Beamten der Polizeiinspektion Leopoldschlag stellte der Bf am 23. Februar 2010 einen Asylantrag.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung nach dem AsylG durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Bf am 23. Februar 2010 vor, dass er x heiße, am 24. Juni 1961 in Marokko geboren, Staatsangehöriger von Marokko und bei x in x, wohnhaft sei. Im Jahr 2003 habe er sich bei der französischen Botschaft in Fes ein Schengenvisum besorgt und sei legal mit dem Schiff von Tanger nach Spanien gereist. Mit dem Bus sei er anschließend über Frankreich nach Italien (Neapel) gefahren. In Neapel habe er den Zug bestiegen und sei über Budapest nach Wien gelangt.

 

Nach der niederschriftlichen Befragung wurde der Bf in die EAST-West verlegt.

 

1.8. Am 23. Februar 2010 um 19.05 Uhr wurde dem Bf die Verfahrensordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 5 AsylG ausgehändigt und ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, das Asylverfahren AZ 10 01.67 abzuweisen. Im Anschluss daran übermittelte das Bundesasylamt der belangten Behörde eine Kopie der Verfahrensordnung. Aus dem Zusatz für die Fremdenpolizei ist zu ersehen, dass die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 oder 5 AsylG auch als eingeleitetes Asylverfahren gilt. Laut Angaben der belangten Behörde wurde ihr auf diesem Weg auch mitgeteilt, dass dem zu erlassenden Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 38 AsylG aberkannt werde.

 

1.9. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 24. Februar 2010, GZ. Sich40-1396-2010, wurde über den Bf zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft gemäß §§ 6 Abs. 6, 76 Abs. 2 Z 2 iVm 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG 1991 verhängt.

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und einer ausführlichen und umfassenden Darstellung des relevanten Sachverhaltes nahm die belangte Behörde Bezug auf die der Schubhaftverhängung unmittelbar vorangehende Asylantragstellung.

 

Abstellend auf die ex-lege-Einleitung des Ausweisungsverfahrens nach § 27 Abs. 1 Zif. 1 AsylG erachtete die belangte Behörde die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 76 Abs. 2 Zif. 2 FPG als gegeben an.

 

Anschließend legte die belangte Behörde schlüssig und nachvollziehbar den konkreten Sicherungsbedarf dar, zeigte auf, warum weder von einer entscheidungsrelevanten beruflichen noch sozialen Verankerung auszugehen sei, die den Zweck der Schubhaft auch durch die Anwendung eines gelinderen Mittels erreichen ließe und kam schlussendlich nach erfolgter Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis, dass das öffentliche Interesse überwiege. 

 

Der Schubhaftbescheid wurde dem Bf am 24. Februar 2010 ausgefolgt und die Übernahme von ihm bestätigt. Im Anschluss daran wurde der Bf ins Polizeianhaltezentrum Steyr eingeliefert.

 

1.10. Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2010 teilte der nunmehrige Rechtsvertreter mit, dass der Bf in Wien über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfüge und in x wohnhaft sein werde. Da sich der Bf in Schubhaft befinde, könne eine Anmeldung nicht vorgenommen und eine Meldebestätigung nicht vorgelegt werden. Im Hinblick darauf, dass der Bf über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfüge und sich dem Verfahren nicht entziehe, werde beantragt, die Schubhaft zu beenden.

 

Am 26. Februar 2010 legte der Rechtsvertreter eine Lohn- und Gehaltsabrechung von x, einer langjährigen Freundin des Bf, zum Beweis dafür vor, dass sich diese bereit erklärt habe, für den Lebensunterhalt des Bf aufzukommen. In diesem Zusammenhang wurde neuerlich beantragt, die Schubhaft zu beenden.

 

1.11. Am 2. März 2010 wurde der Bf zu seinen Fluchtgründen befragt und anschließend das angefertigte Protokoll seinem Rechtsvertreter übermittelt.

 

1.12. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. März 2010, AZ 10 01.673, wurde der Asylantrag abgewiesen, die Ausweisung verfügt und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Bescheidausfertigung wurde dem Rechtsvertreter des Bf noch am 3. März 2010 per Telefax übermittelt.

 

1.13. Am 4. März 2010 verständigte das Bundesasylamt die belangte Behörde von der Bescheiderlassung und teilte mit, dass dieser durchsetzbar ist.

 

Bis dato wurde keine Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben.

 

2. Mit Schriftsatz vom 10. März 2010, gerichtet an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, eingelangt am 15. März 2010, erhob der Bf, vertreten durch seinen Rechtsvertreter, Beschwerde gegen den "Bescheid vom 24.2.2010" und stellte den Antrag, "der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass die Schubhaft beendet und der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen wird". 

 

Aus den Beschwerdeanträgen und der Begründung ist abzuleiten, dass der Bf neben den weiteren (unzulässigen) Anträgen die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung beantragt. 

 

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen bringt der Rechtsvertreter vor, dass der Bf in Wien über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfüge und an der Adresse x, wohnhaft sein werde. Infolge der Schubhaft des Bf könne eine Meldebestätigung noch nicht vorgelegt werden. Mitgeteilt werde, dass sich der Bf dem Verfahren nicht entziehen und jederzeit für die Behörde an der genannten Adresse erreichbar sein werde. Von Frau x, einer langjährigen Freundin des Bf, werde ein Lohn- und Gehaltsabrechung für Februar 2010 zum Beweis dafür vorgelegt, dass sie für den Lebensunterhalt des Bf aufkomme und dessen Aufenthalt nicht zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen werde. Der Bf spreche gut Deutsch und sei in Österreich gesellschaftlich und sozial integriert. Durch die Verhängung der Schubhaft und der weiteren Anhaltung werde der Bf in seinen Rechten verletzt. Es sei unzumutbar, den Bf, der Hilfe und Schutz suche, für mittlerweile mehr als zwei Wochen in Schubhaft anzuhalten.

 

3. Mit Schreiben vom 16. März 2010 übermittelte die belangte Behörde per E-Mail den Fremdenakt und erstattete eine Gegenschrift. Der Vorlageakt langte am 16. März 2010 beim Oö. Verwaltungssenat ein.

 

Abstellend auf den relevanten Sachverhalt erachtete die belangte Behörde den Schubhaftbescheid und die Anhaltung entgegen der Beschwerdeausführungen für rechtmäßig. Zum Sachverhalt brachte die belangte Behörde ergänzend vor, dass der Bf beabsichtige, seine Freundin x zu ehelichen. Diese sei erst seit dem 8. März 2010 in Österreich mit Hauptwohnsitz bei x in x gemeldet. Da der Bf mit seiner Freundin im Jänner 2010 nach Prag gefahren sei, habe sich diese zuvor unangemeldet in Österreich aufgehalten. Die Freundin des Bf habe sich am 26. Jänner 2010 in Prag scheiden lassen. Eine Eheschließung sei in den jeweiligen Herkunftsstaaten der zukünftigen Ehepartner möglich und einer solchen stehe die derzeitige Schubhaft nicht entgegen. Ob der Bf und seine Freundin trotz der geplanten Eheschließung den Wohnsitz bei x begründen werden, erscheint der belangten Behörde fragwürdig. Dass die genannte Person den Unterhalt des Bf bestreiten könnte, werde nicht bezweifelt; eine beglaubigte Haftungserklärung betreffend der Kostenübernahme sei der belangten Behörde nicht vorgelegt worden. An der Adresse, die der Bf bei der Antragsstellung zur Erlangung eines marokkanischen Reisepasses angegeben habe, sei der Bf laut ZMR-Anfrage nicht wohnhaft gewesen.

Mit Bescheid vom 4. März 2010, AZ 10 01.673, habe das Bundesasylamt das neuerliche Asylbegehren vom 23. Februar 2010 gemäß den §§ 3, 8, 10 und 38 AsylG abgewiesen und die Ausweisung nach Marokko verfügt. Bei vorliegender rechtskräftiger Ausweisung nach Marokko werde die Abschiebung sofort koordiniert.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes bestand bzw. bestehe ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf infolge der überhöhten Gefahr des Abtauchens in die Anonymität. Die Anhaltung in Schubhaft entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

 

Abschließend wurde die kostenpflichtige Abweisung der Anträge in der gegenständlichen Schubhaftbeschwerde beantragt.      

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Nach § 83 Abs. 1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

4.1.2. Dem Bf wurde am 24. Februar 2010 der Schubhaftbescheid der belangten Behörde ausgefolgt, anschließend wurde er in das PAZ Steyr verbracht und seither wird er in Schubhaft angehalten.  

 

Seine Beschwerde ist teilweise zulässig, aber unbegründet.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG 2005 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

4.3. Im Hinblick auf § 83 Abs. 4 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat gehalten, eine umfassendere Beurteilung vorzunehmen.

 

4.3.1. Bei Vorliegen sämtlicher formeller Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme kann die Schubhaft jedenfalls auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützt werden.

 

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist bei Eingriffen in das Recht auf persönliche Freiheit stets das unmittelbar anwendbare Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten und die zuständige Fremdenpolizeibehörde hat in jedem Fall eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof folgert daraus, dass die die Schubhaft anordnende Behörde nachvollziehbar darzulegen hat, inwiefern die Anordnung der Schubhaft erforderlich ist, um den Sicherungszweck zu erreichen. In diesem Sinn seien auch die Überlegungen anzustellen, ob dem Sicherungszweck bereits durch die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG entsprochen werden kann (siehe VwSen-401019/5/Wei/Se mit zahlreichen Verweisen). Im Erkenntnis vom
30. August 2007 hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgeführt, dass dies im Ergebnis bedeute, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 FPG gestützt werden soll, stets nur die ultima ratio sein darf.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs. 2 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

So hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 28.6.2007, Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Rechtsprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verurteilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vgl. VfSlg 13715/1994; VwGH vom 22.11.2007, Zl. 2006/21/0189; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246) und einer fehlenden Ausreisewilligkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattgegeben. 

 

Zur fehlenden Ausreisewilligkeit eines Fremden führt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung aus, dass diese für sich allein nicht die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung rechtfertigt. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt (vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Ebenso darf die Schubhaft nicht als eine präventive Vorbereitungshandlung zu einer erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (siehe VwGH vom
26. September 2007, Zl. 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden. 

 

Darüber hinaus ist eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig. Beispielsweise darf aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon "unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze" (siehe VwGH vom 24. 10.2007, 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird.

 

4.3.2. Die belangte Behörde hat die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Zif. 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung angeordnet und verhängt.

 

Unstrittig steht fest, dass dem Bf vor der Schubhaftverhängung die Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z. 5 AsylG ausgefolgt und ihm nach den Bestimmungen des AsylG 2005 die Einleitung des Ausweisungsverfahren mitgeteilt worden ist.    

 

4.3.2.1. Die Verhängung der Schubhaft ist nach den angeführten Bestimmungen nur bei Vorliegen des Sicherungsbedarfes und der Verhältnismäßigkeit zulässig.

 

Im Erkenntnis vom 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass bei fehlenden Ausführungen zum Sicherungsbedarf und bei gänzlichem Fehlen nachvollziehbarer Begründungselemente von der Rechtswidrigkeit des angeordneten Freiheitsentzuges auszugehen sei.

 

Aus dem umfassend festgestellten Sachverhalt ist, wie nachfolgend dargestellt, das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes unabdingbar abzuleiten.

Die Planungen des Bf (Eingehen einer Ehe, beabsichtigte Unterkunftnahme in Wien) lassen eindeutig seine Ausreiseunwilligkeit erkennen.

Abgesehen davon zeigt sein gesamtes Verhalten auf, dass er nicht gewillt ist, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen und er konsequent seine ursprüngliche Absicht – ständiger Aufenthalt in Österreich – verfolgt.

Bei der Wahl der Mittel war und ist der Bf nicht wählerisch. Bereits seine erstmalige Einreise in Österreich im Jahr 2004 erfolgte unter einer falschen Identität. Damit wollte der Bf den Herkunftsstaat verschleiern und eine Abschiebung verhindern. Wie das aktenkundige Asylverfahren zeigt, war der Bf nach der Asylantragsstellung im Jahr 2004 nicht bereit, sich dem Verfahren zu unterziehen. Nachdem sich der Bf bereits zweimal unberechtigt aus der EAST-Ost entfernt hatte, entzog er sich vorläufig endgültig dem behördlichen Zugriff und lebte jahrelang unerkannt im Untergrund. Da er seiner Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren nicht einmal ansatzweise nachgekommen war, konnte sein Asylverfahren nicht abgeschlossen werden. Dieses musste eingestellt werden. Seine sporadischen polizeilichen Meldungen in Wien als Obdachloser in den Jahren 2005 und 2006 ermöglichten dem Bundesasylamt keinesfalls die Fortführung des Verfahrens. Beinahe die gesamte Zeit seines Aufenthaltes in Österreich hat sich der Bf in der Illegalität befunden und sich geschickt dem behördlichen Zugriff entzogen.

Dass der Bf nicht einmal gegenüber seiner Vertretungsbehörde wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat, ist daraus abzuleiten, dass er dieser eine Wohnadresse bekanntgeben hat, an der er nachweislich nicht polizeilich gemeldet war.

Die Beschwerdebehauptung, dass der Bf "gesellschaftlich und sozial integriert" sei, kann nicht nachvollzogen werden. Wie bereits dargelegt, hat sich der Bf beinahe während der gesamten Zeit seines Aufenthaltes in Österreich unter Verwendung einer falschen Identität im Untergrund aufgehalten und ist keiner Beschäftigung nachgegangen. Selbst an dem von ihm angestrengten Asylverfahren hat er nicht mitgewirkt und sich diesem schnellstmöglich entzogen. Aus dem Beschwerdevorbringen und den Äußerungen gegenüber den Fremden- und Asylbehörden ist lediglich zu ersehen, dass der Bf über zahlreiche Frauenbekanntschaften verfügt bzw. verfügt haben muss. Daraus kann aber keinesfalls eine gesellschaftliche und soziale Integration abgeleitet werden.

Verwunderlich ist, dass sich der Bf als Hilfe- und Schutzsuchender bezeichnet und daher die Anhaltung in Schubhaft unzumutbar und unverhältnismäßig sein soll. Die beiden "geführten" Asylverfahren zeigen, dass es dem Bf nicht um Schutz und Hilfe vor staatlicher Verfolgung sondern um Erlangung eines Aufenthaltes in Österreich gegangen ist. Wollte der Bf tatsächlich Schutz vor Verfolgung erlangen, dann wäre von ihm zu erwarten gewesen, dass er bereits im ersten Asylverfahren seinen Herkunftsstaat bezeichnet, sich seiner Identität bedient und sich dem Asylverfahren auch unterzieht. Das Verhalten des Bf vor der zweiten Asylantragsstellung lässt auch gegenteiliges vermuten. Eine Person, die in Österreich Schutz vor staatlicher Verfolgung beantragt, sucht nicht die Vertretungsbehörde seines Heimatstaates auf und lässt sich neben einem nationalen Reisepass auch noch weitere Dokumente ausstellen.

4.3.2.2. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem Bf nicht nur die erkennbare Ausreiseverweigerung vorzuhalten ist, sondern durch das von ihm über einen weiten Zeitraum gesetzte und erprobte Verhalten ein Untertauchen in die Illegalität zu befürchten war und auch ist.

Mit dem Beschwerdevorbringen kann der Bf nicht nachvollziehbar und überzeugend darlegen, dass ein konkretes Sicherheitsbedürfnis nicht bestehe. Da der Bf auch kaum über wesentliche soziale Bindungen verfügt, haben diese auch keine nennenswerte Auswirkung auf die Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfes.

Vor dem Hintergrund seines bisherigen Fehlverhaltens im Bundesgebiet und der daraus zu erschließenden Persönlichkeitsstruktur war für die belangte Behörde daher nicht zu erwarten, dass der Bf freiwillig das Land verlassen und sich den entsprechenden fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen ohne weiteres fügen werde.

Die Anhaltung des Bf war somit nicht als bloß rein präventive Vorbereitungshandlung für die bevorstehende Abschiebung anzusehen, sondern diente ausschließlich dazu, ein neuerliches Untertauchen des Bf zu verhindern. Die Schubhaftverhängung zur Sicherung der Abschiebung war daher dringend geboten.

 

Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bf ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der mit der Sicherungsmaßnahme verfolgte Zweck nicht auch durch die Anordnung gelinderer Mittel erreicht werden kann.

 

Der konkrete Sicherungsbedarf ist somit gegeben und die Anwendung gelinderer Mittel ausgeschlossen.  

 

Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft ist im konkreten Fall auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um dieses Ziel zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich. Die belangte Behörde hat das bisherige Verfahren zielstrebig und unter Bedachtnahme darauf geführt, dass die knapp über drei Wochen andauernde Schubhaft so kurz wie möglich gehalten wird.

 

Der gegenläufigen Einwendung des Bf war nicht zu folgen. Zum Entscheidungszeitpunkt liegt eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung des Bundesasylamtes vor. Da bis dato weder eine Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben worden ist und somit der Asylgerichtshof der Beschwerde auch keine aufschiebende Wirkung zuerkennen konnte, kann die Anhaltung in Schubhaft nunmehr auf § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG gestützt werden.

 

4.4.1. Im Ergebnis erweist sich daher der Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig, weshalb die vorliegende Beschwerde gemäß § 83 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig festzustellen war, dass die für die Anhaltung des Bf in Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin vorliegen.

 

4.4.2. Die weitergehenden Anträge waren spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Verfahrenspartei: Bezirkhauptmann von Vöcklabruck) nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. II 456/200, antragsgemäß ein Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (57,40 Euro für den Vorlageaufwand und 368,80 Euro für den Schriftsatzaufwand) zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 20,40 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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