Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-330021/2/BP/Ga

Linz, 26.03.2010

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                     4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des x, vertreten durch x,  gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 9. März 2010,  GZ. Agrar-67/08, wegen einer Übertretung des  Artenhandelsgesetzes, zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Strafausmaß auf eine Geldstrafe von 910 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) und der Beitrag zu den Verfahrenskosten I. Instanz auf 91 Euro herabgesetzt werden; im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. 

 

II.              Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allge­meines Ver­wal­tungs­verfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 65 VStG.


 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 9. März 2010, GZ.: Argrar-67/08, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 1.820 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 96 Stunden) verhängt, weil er es zu vertreten habe, dass er am 11. Juni 2008 mittels Postversand aus den USA über das Post-Auslandszentrum in 1230 Wien, Kurzstraße 5, 120 Stück (Pillen) "Apple Patch Diet", die Teile der Pflanze "Hoodia gordoni" enthalten hätten, nach Österreich eingeführt habe, ohne die hiezu erforderliche Einfuhrbewilligung zu besitzen. Diese Art unterliege dem Geltungsbereich des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 und sei in deren Anhang B angeführt. Da zur Einfuhr nach Österreich von Exemplaren (und auch Teilen) von Arten, die in den Geltungsbereich des Art. 3 der oa. Verordnung fallen würden, eine Einfuhrgenehmigung erforderlich sei, stelle die Einfuhr von ggst. Exemplaren (120 Stück/Pillen) von "Hoodia gordoni" eine Übertretung der oa. Verordnung und des Artenhandelsgesetzes dar.

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 9 Abs. 1 Z. 1 Artenhandelsgesetz, BGBl. I Nr. 33/98 iVm. Art. 2 lit t), Art. 3 Abs. 2 und Anhang A der Verordnung (EG) 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 idgF. genannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass der vom Zollamt Wien angezeigte Sachverhalt vom Bw in objektiver Hinsicht nicht bestritten worden sei. Er habe diese Extrakte im Internet bestellt ohne über den Artenschutz Bescheid zu wissen und um Verhängung einer möglichst geringen Strafe ersucht.

 

Die belangte Behörde sah sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben an und brachte offensichtlich § 20 VStG in Anwendung. 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche – rechtzeitige – Berufung vom 18. März 2010.

 

Der Bw führt durch seine rechtsfreundlichen Vertreter u.a. aus, dass er mangels Fahrlässigkeit das Delikt nicht begangen habe, zumal es bei der Bestellung im Internet keine Hinweise auf artengeschützte Extrakte bei den Diätpillen gegeben habe und er daher auch keinen diesbezüglichen Hinweis gehabt habe. Es habe sich um eine normale Internetbestellung gehandelt.

 

Abschließend stellt der Bw den Antrag, es möge der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 19. März 2010 legte die belangte Behörde den bezug­habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat vor.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Da aufgrund der Aktenlage der maßgebliche Sachverhalt bereits fest steht, im Verfahren lediglich die Klärung einer Rechtsfrage vorzunehmen war und keine Partei die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragte, konnte von deren Durchführung gemäß
§ 51e Abs. 3 VStG abgesehen werden.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses angeführten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Straferkenntnis im Einzelnen keine 2.000 Euro übersteigende Geld­strafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 des Artenhandelsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/1998, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 49/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein Exemplar einer dem Geltungsbereich des Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 unterliegenden Art entgegen diesem Bundesgesetz oder den Art. 4, 5, 7 oder 11 der Verordnung (EG) 338/97 ausführt, wiederausführt, einführt oder durchführt und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 3.630 Euro bis 36.340 Euro zu bestrafen, sofern ein Exemplar einer dem Geltungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) 338/97 unterliegenden Art betroffen ist.

 

Gemäß Art. 2 lit t) der unmittelbar anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 38/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 ist unter „Exemplar“ jedes lebende oder tote Tier oder jede lebende oder tote Pflanze, ihre Teile oder aus ihnen gewonnene Erzeugnisse einer in den Anhängen A bis D aufgeführten Art, unabhängig davon, ob es in einer anderen Ware enthalten ist oder nicht, sowie sämtliche Waren, wenn aus einem Begleitdokument, aus der Verpackung, aus einem Warenzeichen oder aus sonstigen Umständen hervorgeht, daß sie Teile oder Erzeugnisse aus Tieren oder Pflanzen dieser Art sind oder solche enthalten, sofern diese Teile oder Erzeugnisse nicht ausdrücklich von den Vorschriften dieser Verordnung oder den Vorschriften betreffend den Anhang, in dem die Art verzeichnet ist, aufgrund einer diesbezüglichen Angabe in dem betreffenden Anhang ausgenommen sind, zu verstehen. Ein Exemplar wird als Exemplar einer in den Anhängen A bis D aufgeführten Art betrachtet, wenn es sich um ein Tier oder eine Pflanze, ihre Teile oder aus ihnen gewonnene Erzeugnisse davon handelt, von der zumindest ein „Elternteil“ einer der aufgeführten Arten angehört. In Fällen, in denen die „Elternteile“ eines solchen Tieres oder einer solchen Pflanze Arten angehören, die in verschiedenen Anhängen aufgeführt sind, oder Arten angehören, von denen nur eine aufgeführt ist, gelten die Vorschriften des einschränkenderen Anhangs. Im Fall von Exemplaren von Hybridpflanzen, bei denen ein „Elternteil“ einer Art in Anhang A angehört, gelten die Vorschriften des einschränkenderen Anhangs nur, wenn diese Art im Anhang einen diesbezüglichen Hinweis enthält.

 

Gemäß Art. 3 Abs. 2 leg. cit. enthält Anhang B:

a) die in Anhang II des Übereinkommens aufgeführten Arten, die nicht in Anhang A enthalten sind und zu denen die Mitgliedstaaten keinen Vorbehalt angemeldet haben;

b) die in Anhang I des Übereinkommens aufgeführten Arten, zu denen ein Vorbehalt angemeldet wurde;

c) alle sonstigen, nicht in den Anhängen I oder II des Übereinkommens aufgeführten Arten,

         i) die international in Mengen gehandelt werden,

                   — die das Überleben der Art oder von Populationen in bestimmten                   Ländern gefährden können,

                   — die die Erhaltung der Gesamtpopulation auf einem Niveau                            beeinträchtigen können, das der Rolle der Art in ihrem

                   Ökosystem entspricht, oder

         ii) deren Aufnahme in den Anhang aus Gründen der Ähnlichkeit mit                                anderen   Arten in den Anhängen A oder B wesentlich ist, um eine                      wirksame Kontrolle des Handels mit Exemplaren dieser Arten zu                         gewährleisten;

d) Arten, bei denen erwiesen ist, daß das Einbringen lebender Exemplare in den natürlichen Lebensraum der Gemeinschaft eine ökologische Gefahr für die einheimischen wildlebenden Tier- und Pflanzenarten der Gemeinschaft darstellt.

 

Gemäß Anhang B der oa. Verordnung in der Fassung vom 22. August 2005 fällt "Hoodia gordoni" unter deren Anwendungsbereich.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch vom Bw das Vorliegen des objektiven Tatbestandes unbestritten, weshalb eine weitergehende Prüfung unterbleiben kann. Die Einfuhr der dem Verbot des Artenhandelsgesetzes unterliegenden Diätpillen mit Extrakten von "Hoodia gordoni", die der Bw mittels Internetbestellung vornahm und die auf seine Verantwortung hin am 11. Juni 2008 über das Post-Auslandszentrum in Wien durchgeführt wurde, hat er zu vertreten.

 

Die objektive Tatseite liegt somit vor.

 

3.3. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite bestreitet der Bw jedoch schuldhaft gehandelt zu haben.

 

Das Artenhandelsgesetz sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahr­läs­siges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Es ist nun zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaub­haft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Der Bw vermeint aus der Tatsache, dass auf der die Diätpillen bewerbenden Internet-Seite – wie er glaubhaft schildert – keinerlei Hinweise auf Bestandteile bzw. Rezeptur der "Apple Patch Diet" angeführt gewesen seien, nicht über den Umstand informiert gewesen sei und auch nicht habe sein müssen, dass hierin Extrakte der in Rede stehenden Art enthalten sind.

 

Er verkennt dabei aber, dass ein Mindestmaß an Sorgfalt gebietet – auch gerade bei Internetbestellungen – zuvor entsprechende Erkundigungen über die Zusammensetzung und die Zulässigkeit von Produkten einzuholen. Auch, wenn der Bw anführt, es habe sich um einen normalen Internetkauf gehandelt, ist festzuhalten, dass ein solcher nicht jegliche unreflektierte Bestellung rechtfertigt und allfällige Rechtswidrigkeiten nicht allein in den Verantwortungsbereich der Produktanbieter verlagert. Im Verabsäumen der gebotenen proaktiven Informationseinholung ist durchaus ein fahrlässiges Verhalten zu erkennen, wenn auch zugebilligt wird, dass aufgrund der Komplexität der Thematik der geschützten Arten und des im in Rede stehenden Fall erforderlichen Fachwissens über "Hoodia gordoni" diese proaktive Informationspflicht nicht allzu weit auszudehnen sein wird. Im vorliegenden Fall hätte jedoch genügt vor der Einfuhr der Pillen beim Zoll-Auslandszentrum vorab hinsichtlich die Zulässigkeit der Einfuhr nachzufragen.

 

Es ist somit auch vom Vorliegen der subjektiven Tatseite in Form von Fahrlässigkeit auszugehen.

 

3.4. Eine Anwendung des § 21 VStG und damit verbunden das Absehen von der Strafe scheidet allein schon mangels unbedeutender Folgen der Tat aus. In Anbetracht der tatsächlich die Erschwerungsgründe weit überwiegenden Milderungsgründe brachte die belangte Behörde folgerichtig § 20 VStG und damit die Halbierung der gesetzlichen Mindeststrafe in Anwendung.

 

3.5. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine überlange Verfahrensdauer als besonderer Milderungsgrund zu werten (vgl zB. VfGH-Erk vom 9. Juni 2006, Zl. B 3585/05).

 

Das Strafverfahren dauert mittlerweile nunmehr schon knapp zwei Jahre und damit vor dem Hintergrund des Art 6 EMRK zu lange, weil weder der von der belangten Behörde betriebene Verfahrensaufwand, noch besondere rechtliche Schwierigkeiten eine solche Dauer rechtfertigen. Von 8. September 2008 bis zur Bescheiderlassung am 9. März 2010 (18 Monate) sind dem Akt keine Verfahrensschritte von Seiten der belangten Behörde zu entnehmen.

 

Fraglich ist jedoch, ob die Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer eine über § 20 VStG hinausgehende Reduktion der vorgesehenen Mindeststrafe bewirken kann. Würde man die eine überlange Verfahrensdauer als reinen Strafmilderungsgrund im Sinne des § 19 VStG verstehen, wäre dies ausgeschlossen, da derartige Milderungsgründe des § 19 VStG kein Unterschreiten des Schwellenwerts des § 20 bewirken können.

 

Die Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer bei der Strafbemessung gründet auf Art. 6 EMRK und der darauf basierenden Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Unbestrittener Weise legt dieser seinen Entscheidungen hinsichtlich der Begriffsbestimmung des Milderungsgrundes nicht  die §§ 19 und 20 VStG zugrunde, sondern sieht die überlange Verfahrensdauer generell als Strafmäßigungsgrund. 

 

Für eine differenzierte Betrachtungsweise spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass es sich bei den Strafmilderungs- bzw. –erschwerungsgründen nach § 19 VStG um solche handelt die in der Sphäre des Beschuldigten liegen. Der Umstand einer überlangen Verfahrensdauer fällt jedoch allein in die Sphäre der Behörde und stellt eine Verletzung von Art. 6 EMRK dar. Eine Einschränkung dieses verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrechts durch die einfachgesetzliche Bestimmung des § 20 VStG widerspräche nicht nur der zitierten Verfassungsbestimmung, sondern auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Der besondere Milderungsgrund der überlangen Verfahrensdauer ist somit auch dann zu berücksichtigen, wenn von der belangten Behörde bereits § 20 VStG angewendet wurde. 

 

Deshalb war die überlange Verfahrensdauer hier besonders mildernd im vorgenommenen Ausmaß zu berücksichtigen und die Strafe dementsprechend herabzusetzen.

 

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gem. § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Bernhard Pree

 

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