Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401060/2/Gf/Mu

Linz, 29.03.2010

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der beabsichtigen weiteren Anhaltung des x in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Ried zu Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass eine weitere Anhaltung des Fremden in Schubhaft über einen die Frist von sechs Monaten um wenige (neun) Tage übersteigenden Zeitraum rechtmäßig ist.

Rechtsgrundlage:

§ 80 Abs. 6 FPG; § 67c Abs. 3 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Ried vom 12. Oktober 2009, GZ Sich41-121-2009, wurde über den in der Präambel genannten Fremden, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, i.d.F. BGBl.Nr. I 29/2009 (nunmehr: BGBl.Nr. I 122/2009, im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ Wels am 13. Oktober 2009 vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Fremde im Februar 2009 ohne Dokumente in das Bundesgebiet eingereist sei und am 18. Februar 2009 einen Asylantrag eingebracht habe. In der Folge sei er in die Bundesbetreuung aufgenommen worden. Mit Urteil des LG Wien vom 26. Juni 2009, Zl. 041-Hv-58/09, sei er zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (davon 10 Monate bedingt) verurteilt worden. Sein Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Juli 2009, Zl. 0902144-BAW (rechtskräftig seit 8. Juli 2009), abgewiesen worden, wobei gleichzeitig die Zulässigkeit der Abschiebung in seinen Heimatstaat festgestellt und die Abschiebung dorthin verfügt worden sei. Mit Bescheid der BPD Wien vom 10. August 2009, Zl. III-1273989/FrB/09 (rechtskräftig seit 30. September 2009), sei gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Da er einerseits – von der Bundesbetreuungseinrichtung abgesehen – in Österreich weder einen Wohnsitz noch soziale Beziehungen habe, keiner geregelten Beschäftigung nachgehe, über keine Barmittel verfüge, ledig sei und keine Sorgepflichten habe und weder über ein Reisedokument noch einen sonstigen Identitätsnachweis verfüge, und auf der anderen Seite seine faktische Abschiebung unmittelbar bevorstehe, er offenkundig nicht gewillt sei, freiwillig in seinen Heimatstaat zurückzukehren, und auch nicht an seiner Identitätsfeststellung mitgewirkt habe, bestehe sohin Grund zur Annahme, dass er seine Außerlandesschaffung zu vereiteln versuchen werde, sodass zur Sicherung der zwangsweisen Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes im Wege der Abschiebung die Schubhaft zu verhängen gewesen sei.

1.2. Mit Schreiben vom 24. März 2010, GZ Sich41-121-2009, hat die belangte Behörde den Bezug habenden Akt vorgelegt und dazu mitgeteilt, dass der Fremde einen Folgeasylantrag eingebracht habe, weshalb sich dessen Anhaltung seit dem 21. Oktober 2009 auf § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG und seit dem 13. Jänner 2010 auf § 80 Abs. 4 Z. 1 und 2 FPG stützt.

Nunmehr sei beabsichtigt, seine Anhaltung in Schubhaft über sechs Monate hinaus weiterhin aufrecht zu erhalten, wobei der Umstand, dass die Abschiebung bisher noch nicht habe vorgenommen werden können, dem Fremden zuzurechnen sei. Denn er habe weder Nachweise für seine Identität beigeschafft noch die Abnahme seiner Fingerabdrücke oder seine Vorführung vor die nigerianische Botschaft ermöglicht. Außerdem habe er einen offenbar unzulässigen Folgeasylantrag gestellt, der am 15. Dezember 2009 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei.

Weiters wird darauf hingewiesen, dass seit dem 22. März 2010 ein nigerianisches Heimreisezertifikat vorliege. Da aber eine Abschiebung mit einem Linienflug nicht durchgeführt werden könne, sei er für die nächstmögliche Charterabschiebung am 22. April 2010 vorgemerkt worden.  

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Ried GZ Sich41-121-2009; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde u.a. dann in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um die Abschiebung zu sichern.

Nach § 80 Abs. 6 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat dann, wenn ein Fremder länger als sechs Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden soll, die Verhältnismäßigkeit einer derartigen Anhaltung nach dem Tag, an dem das sechste Monat überschritten wurde, von Amts wegen zu überprüfen.

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren u.a. dann länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die für die Ein- oder Durchreise eines anderen Staates erforderliche Bewilligung nicht vorliegt.

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde von der Verhängung der Schubhaft gegen einen Fremden dann Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck auch durch die Anordnung gelinderer Mittel – insbesondere durch die Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei einem ihm bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden (§ 77 Abs. 3 FPG) – erreicht werden kann.

4021 Linz, Fabrikstraße 32

 
3.2.1. Im gegenständlichen Fall wurde der Asylantrag des Fremden mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Juli 2009, GZ 0902144-BAW, abgewiesen; gleichzeitig wurde er gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG in seinen Heimatstaat ausgewiesen. Dieser Bescheid ist zwischenzeitlich – allseits unbestritten – in Rechtskraft erwachsen, sodass die damit verfügte Ausweisung ebenso wie jene, die im Zuge der Zurückweisung seines Folgeantrages vom 21. Oktober 2009 (rechtskräftig seit 15. Dezember 2009) angeordnet wurde, vollstreckbar ist.

Dies berechtigte die belangte Behörde zunächst dazu, die § 76 Abs. 1 sowie § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG als gesetzliche Grundlage für die Schubhaftverhängung heranzuziehen.  

3.2.2. In der Sache ist jedoch zu prüfen, ob die Anordnung dieser Maßnahme bzw. deren künftige Aufrechterhaltung auch verhältnismäßig war bzw. ist.

3.2.2.1. In diesem Zusammenhang ist zunächst vorweg darauf hinzuweisen, dass die von der belangten Behörde unter Berücksichtigung aller Begleitumstände der Sache nach gezogene Schlussfolgerung, dass es sich beim Rechtsmittelwerber primär um einen sog. "Wirtschaftsflüchtling" handelt (der sich seinen Unterhalt u.a. auch durch gelegentliche strafbare Handlungen finanziert), zumindest nicht völlig abwegig ist.

Da jedoch eine gesetzliche Regelung, die konkret jene Konstellation regelt, wie die Behörden mit bloßen Wirtschaftsflüchtlingen umzugehen haben, (zumindest bislang nach wie vor) fehlt, muss insoweit zur Lösung der damit verbundenen Rechtsprobleme auf die allgemeinen fremdenrechtlichen Grundsätze zurückgegriffen werden. Weil nun diesbezüglich nicht unterschieden wird, kann daher über Fremde, die formell – nämlich durch Stellung eines Asylantrages – (noch) als Asylwerber anzusehen sind, grundsätzlich auch dann die Schubhaft verhängt werden, wenn diese materiell betrachtet in erster Linie als Wirtschaftsflüchtlinge zu gelten haben.

Andererseits unterliegt aber eine derartige Anhaltung – wiederum mangels bestehender Sondervorschriften – denselben Regelungen, wie sie generell für fremden­polizeiliche aufenthaltsbeendende Maßnahmen gelten. Dies bedeutet zum einen, dass zunächst sämtliche formelle Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme (hier: der Schubhaftgrund des Vorliegens einer durchsetzbaren Ausweisung sowie der hinsichtlich der Folgeanträge bereits eingeleiteten Ausweisungsverfahren) vorliegen müssen (vgl. zur "finalen Determinierung" der Schubhaft z.B. VwGH vom 20. Dezember 2007, Zl. 2006/21/0359, und vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0067). Darüber hinaus darf sich die Anhaltung – was in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen ist – nicht als eine unverhältnismäßige Maßnahme erweisen und nur im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme zum Einsatz gebracht werden (vgl. VfGH v. 15. Juni 2007, B 1330/06), d.h. dass die alternative Heranziehung gelinderer Mittel nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn das Sicherungsbedürfnis anders nicht erreichbar ist (vgl. VwGH vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0370). Diesbezüglich hat der Verwaltungs­gerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Recht­sprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeenden­den Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verur­teilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vgl. VfSlg 13715/1994 und VwGH v. 22. November 2007, 2006/21/0189) und einer fehlenden Ausreise­willigkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremden­polizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattge­geben.

3.2.2.2. Insgesamt besehen bewirkt so das Fehlen gesonderter, auf Wirtschafts­flüchtlinge bezogener gesetzlicher Bestimmungen, dass diese faktisch i.d.R. nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand wieder außer Landes geschafft werden können, weil die Behörden dazu verpflichtet und gleichzeitig darauf angewiesen sind, Rechtsvorschriften anwenden zu müssen, die nicht sachadäquat sind. Denn das auf der Genfer Flüchtlingskonvention fußende Asylrecht hat nur die Regelung der Rechtsstellung von aus politischen, rassischen, religiösen o.ä. Gründen verfolgten Personen zum Gegenstand, nicht aber von solchen, die ihren Heimatstaat in der Absicht verlassen, in einem anderen Staat bessere ökonomische Bedingungen vorzufinden und zu diesem Zweck auch eine Umgehung von formellen Einreisebestimmungen, einen Missbrauch des Asylrechts u.a. in Kauf nehmen.

Mangels (bislang) anders lautender Rechtsvorschriften ist jedoch allein der Umstand, dass sich ein Fremder in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich verhält, diesem nur dann und selbst in jenem Fall nur insoweit „anlastbar“, als Derartiges entsprechend gesetzlich vorgesehen ist. So kann z.B. wegen illegaler Einreise ins Bundesgebiet eine Verwaltungsstrafe verhängt, ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, ein Asylantrag mangels Zuständigkeit eines anderen Staates zurückgewiesen, etc. werden – es vermögen also Einzelmaßnahmen gesetzt werden, die jedoch seitens der Fremdenbehörde stets nur situationsangepasst zum Einsatz gebracht werden können und damit auch keine Gewähr dafür bieten, dass sie (isoliert oder in ihrem Zusammenwirken) das beabsichtigte Ziel auch tatsächlich erreichen; insbesondere darf die Schubhaftverhängung nicht als eine "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber (vgl. VwGH vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0239) oder als eine präventive Vorbereitungshandlung zur erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (vgl. VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden.

3.2.2.3. Diese dargestellte – zudem unter der Kautel des Art. 18 Abs. 1 B-VG, wonach die Handlungen der Behörde bei sonst drohendem Grundrechtseingriff stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, stehende – Rechtslage bedingt zunächst, dass, wie sich aus den zuvor angesprochenen Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ergibt, eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig ist. So darf z.B. aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht ausschließlich „unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze“ (vgl. nochmals VwGH vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen finanziellen Mittel durch illegale Arbeit oder strafbare Handlungen beschaffen wird; und aus dem Nichtvorhandensein eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes nicht darauf, dass er sich (allein deshalb) dem behördlichen Zugriff entziehen wird; und aus einer Einreise ohne die hiefür erforderlichen Dokumente darauf, dass er eine gegenüber der Rechtsordnung des Aufnahmestaates generell ablehnende oder zumindest gleichgültige Haltung einnimmt; etc.

Vielmehr muss die Fremdenpolizeibehörde, wenn sie – wie gegenständlich – als eine von mehreren Maßnahmen zur Außerlandesschaffung eines Fremden die Schubhaft anordnet, in jedem Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen für diese gewählte aufenthaltsbeendende Maßnahme, sodann den aktuellen Sicherungsbedarf und schließlich noch konkret begründen, weshalb keine gelindere, in gleicher Weise zur Zielerreichung geeignete Maßnahme zum Tragen kommen konnte. Dabei sind beispielsweise die Fragen nach einer allfälligen beruflichen Tätigkeit und/oder einer – allenfalls auch wechselnden – Wohnmöglichkeit im Inland (bei Verwandten oder Bekannten) als Aspekte der sozialen Integration des Fremden jeweils von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150).

3.2.2.4. Davon ausgehend ist zunächst der zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung der Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung konkret erforderliche Sicherungsbedarf zu prüfen.

Ein solcher ist offenkundig generell umso größer, je weiter fortgeschritten dieses Verfahren bereits ist und dabei einem negativen Ausgang zustrebt: Ein Sicherungsbedarf wird daher regelmäßig – d.h. aber, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen (wie z.B. eine amtsbekannt langdauernde Übermittlung von Heimreisezertifikaten durch bestimmte Staaten) – dann zu bejahen sein, wenn dem Fremden ein Ausweisungsbescheid zugestellt wird, mit dem gleichzeitig die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen wurde, weil ihm dann jedenfalls klar sein muss, dass er regelmäßig in kurzer Zeit zwangsweise außer Landes geschafft werden wird, wenn er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlässt (bzw. verlassen kann). Aus dieser Zwangslage könnte er sich dann i.d.R. eben nur dadurch befreien, dass er sich dem behördlichen Zugriff faktisch zu entziehen versucht, was gerade durch die Verhängung der Schubhaft verhindert werden soll.

Umgekehrt ist aber – gleichsam das gegenüberliegende Extrem – ein derartiges Sicherungsbedürfnis beispielsweise regelmäßig dann nicht gegeben, wenn ein Aufenthalts- oder Ausweisungsverfahren noch nicht über das Stadium der persönlichen Einvernahme eines Fremden, der sich etwa bisher legal in Österreich aufgehalten und hier über einen Wohnsitz und ein regelmäßiges Einkommen verfügt hat, hinausgekommen ist. Bei einer im Lichte des Art. 5 EMRK und des PersFrSchG gebotenen verfassungskonformen Interpretation kann daher ein Bedürfnis zur „Sicherung des Verfahrens“ in § 76 Abs. 2 FPG nicht allein schon deshalb, weil ein solches Verfahren zumindest bereits formell eingeleitet worden ist, angenommen werden, sondern es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Notwendigkeit der Sicherung eines derartigen Verfahrens durch eine freiheitsentziehende Maßnahme umso größer ist, je näher sich dieses einem negativen Abschluss nähert bzw. umgekehrt aus grundrechtlicher Sicht stets umso weniger gerechtfertigt erscheint, je weiter es von einem derartigen Ergebnis noch entfernt bzw. dessen Ausgang überhaupt offen ist.

3.2.2.5. Im gegenständlichen Fall wurden gegen den Rechtsmittelwerber zwar schon geraume Zeit vor der Schubhaftverhängung aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt, nämlich ein Aufenthaltsverbot (am 8. Juli 2009) erlassen. In der Folge wurde bei der nigerianischen Botschaft auch die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt, das von dieser allerdings erst am 16. März 2010 ausgestellt wurde. Diese Verzögerungen lagen jedoch in erster Linie im Verhalten des Fremden selbst begründet, weil sich dieser einerseits geweigert hat, selbst initiativ an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und dies andererseits der Fremdenpolizeibehörde auch dadurch erschwert hat, dass er die Abnahme seiner Fingerabdrücke und die Vorführung vor die Botschaft mehrmals verzögert hat, etc.

Aufgrund des nunmehr vorliegenden Heimreisezertifikates muss derzeit aber davon ausgegangen werden und dies dem Fremden auch klar sein, dass die fremdenpolizeiliche Maßnahme der zwangsweisen Abschiebung in seinen Heimatstaat bereits unmittelbar vor ihrer tatsächlichen Umsetzung steht.

3.2.2.6. In objektiver Hinsicht wurden von der Fremdenpolizeibehörde der Sache nach weiters die Illegalität der Einreise und des Aufenthalts, die Mittellosigkeit und die fehlende Unterkunftsmöglichkeit als einen Sicherungsbedarf begründende Argumente ins Treffen geführt. Hinzu kommt, dass eine gerichtliche Verurteilung wegen eines Suchtgiftdeliktes zu einer Freiheitsstrafe in einer nicht unbeträchtlichen Höhe (15 Monate, davon 5 Monate unbedingt) vorliegt.

All dem ist der Fremde während des gesamten fremdenpolizeilichen Verfahrens auch nicht entgegen getreten.

3.2.2.7. Eine soziale Integration des Fremden in Österreich kann nach dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt ebenfalls nicht konstatiert werden.

3.2.2.8. Davon ausgehend kann es sohin grundsätzlich auch nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde im Zuge der gemäß Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung im konkret vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber den dadurch beeinträchtigten privaten Interessen des Beschwerdeführers als höher stehend bewertet hat.

3.2.2.9. Weil der Fremde mittlerweile seinen Status als Asylwerber verloren und damit auch keinen Anspruch auf Aufnahme in die Bundesbetreuung mehr hat (vgl. § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes, BGBl.Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 122/2009), kann aus all dem in Verbindung mit seiner offen deklarierten Weigerung, freiwillig in seinen Heimatstaat zurückzukehren, konkret und zugleich mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass er sich umgehend dem behörd­lichen Zugriff zu entziehen versuchen würde, wenn er aus der Schubhaft entlassen werden würde.

3.2.2.10. Dennoch bleibt zu prüfen, ob anstelle der Schubhaftverhängung nicht auch gelindere Mittel dazu hinreichen, den mit der Schubhaft verfolgten Zweck in gleicher Weise sicherzustellen. Als ein in diesem Sinne gelinderes Mittel sieht § 77 Abs. 3 FPG insbesondere vor, dem Fremden aufzutragen, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen und/oder sich in periodischen Abständen bei einem ihm bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

Im konkreten Fall verfügt der Fremde aber weder über einen festen Wohnsitz im Bundesgebiet noch über die finanziellen Mittel, sich einen solchen zu verschaffen, noch über einen Anspruch auf Bundesbetreuung noch über eine rechtsverbindliche Zusage von privater Seite, ihm eine entsprechende Unterkunft zu gewähren o. Ä..  

Somit scheidet diese Alternative zur Anhaltung in Schubhaft offenkundig ebenso aus wie die Anordnung anderer, zur Zweckerreichung in gleicher Weise geeigneter gelinderer Mittel.

3.3. Unter den Umständen des hier konkret vorliegenden Falles, wo die bisherige Nichtvornahme der Abschiebung ebenso wie der Umstand, dass diese nicht vor dem 22. April 2010 durchgeführt werden kann, offenkundig in erster Linie dem Verhalten des Fremden zuzurechnen ist (Nichtmitwirkung an der Identitätsfeststellung bzw. wiederholte Vereitelung derselben durch Verweigerung der Abnahme von Fingerabdrücken und der Vorführung vor die Botschaft, etc.), ist daher seine weitere, den Zeitraum von sechs Monaten um einige (neun) Tage übersteigende Anhaltung in Schubhaft durch § 80 Abs. 4 FPG gedeckt.

Dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 67c Abs. 3 AVG i.V.m. § 80 Abs. 6 FPG festzustellen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  G r o f

 


Rechtssatz:

 

VwSen-401060/2/Gf/Mu vom 29. März 2010

 

§ 80 Abs. 4 FPG

 

Grundsätzlich wie VwSen-401041/3/Gf/Mu vom 27. Jänner 2010, jedoch hier: Zulässigkeit der Anhaltung um wenige (neun) Tage über sechs Monate hinaus, wenn die bisherige Nichtvornahme der Abschiebung offenkundig primär dem Verhalten des Fremden zuzurechnen ist.

 

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