Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231094/2/Gf/Mu

Linz, 12.04.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der x gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 9. Februar 2010, S-39906/09-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I.     Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und stattdessen bloß eine Ermahnung erteilt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass es in dessen Spruch anstelle von „seit 28.05.2009“ nunmehr „vom 28. Mai 2009 bis zum 18. Juni 2009“ zu heißen hat.

II.   Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 21 Abs. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 9. Februar 2010, GZ S-39906/09-2, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil sie sich als Fremde seit dem 28. Mai 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe; dadurch habe sie eine Übertretung des § 31 Abs. 1 Z. 2 bis 4 und Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I  135/2009 (im Folgenden: FPG), begangen, weshalb sie nach § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der der Beschwerdeführerin angelastete Sachverhalt auf Grund entsprechender dienstlicher Wahrnehmungen eines Beamten des fremdenpolizeilichen Referates der Bundespolizeidirektion Linz und dessen Anzeige sowie im Wege von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei ihre bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihr am 13. Februar 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 26. Februar 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin bringt die Rechtsmittelwerberin vor, dass sie schon im Juni 2009 einen Antrag auf Zuerkennung eines humanitären Bleiberechts ("Niederlassungsbewilligung – beschränkt") gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes gestellt habe, weshalb sie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. den Beschluss AW 2009/21/0149-5 vom 14. September 2009) bis zur Beendigung dieses Verfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Zu Beginn des Tatzeitraumes (27. Mai 2009) sei lediglich eine rechtskräftig negative Asylentscheidung vorgelegen; eine rechtskräftige Ausweisung existiere hingegen erst seit dem 18. Februar 2010, also nach dem Ende des Tatzeitraumes.

Deshalb wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu ein Absehen von einer Bestrafung beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu GZ S-39906/09-2; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen schon gemäß § 51e Abs. 3 Z. 4 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis auch keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

3.1.1. Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie entweder rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: NAG), zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens, einer Durchbeförderungs­erklärung oder einer Durchlieferungsbewilligung eingereist sind (Z. 5), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

3.1.2. Bis zum 31. März 2009 galt gemäß § 44 Abs. 1 NAG i.d.F. BGBl.Nr. I 4/2008, dass Drittstaatsangehörigen mit einer „Niederlassungsbewilligung – Schlüsselkraft“ quotenfrei eine „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ erteilt werden konnte, wenn sie die Voraussetzungen des Allgemeinen Teiles des NAG erfüllten und eine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorlag; nach Abs. 2 leg.cit. konnte auch anderen Drittstaatsangehörigen, denen auf Grund eines Rechtaktes der Europäischen Union die Niederlassungsfreiheit zukam, für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit eine „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des Allgemeinen Teiles erfüllten.

3.1.3. Mit Wirksamkeit vom 1. April 2009 wurde diese Bestimmung durch die Novelle BGBl.Nr. I 29/2009 in der Form ergänzt, dass u.a. ein Abs. 4 angefügt wurde, in dem festgelegt wurde, dass im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z. 3, Z. 5 oder Z. 6 NAG in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag eine quotenfreie „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ erteilt werden kann, wenn sie sich nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufgehalten haben und zudem mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig war; dabei hat die Behörde den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache zu berücksichtigen (sog. "humanitäres Bleiberecht").

3.1.4. Auf Grund einer neuerlichen Novellierung durch BGBl.Nr. I 122/2009, die erst mit 1. Jänner 2010 in Kraft getreten ist, begründen Anträge gemäß Abs. 4 NAG nunmehr explizit kein legales Aufenthalts- oder Bleiberecht (§ 44 Abs. 5 NAG); die zuständige Fremdenpolizeibehörde hat jedoch dann mit der Durchführung der eine Ausweisung umsetzenden Abschiebung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht zuzuwarten, wenn ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung erst nach einer Antragstellung i.S.d. § 44 Abs. 4 NAG eingeleitet wurde.

3.2.1. Im gegenständlichen Fall bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass ihr Asylverfahren seit dem 27. Mai 2009 als rechtskräftig beendet anzusehen ist. Wenn sie dennoch der Ansicht ist, dass sie sich seither weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, weil sie einen Antrag auf Gewährung des humanitären Bleiberechts gestellt hat, so muss dem entgegen gehalten werden, dass sie ihren Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung erst nach dem rechtskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens, nämlich am 19. Juni 2009, gestellt hat und die Einleitung des Ausweisungsverfahren bereits vor dieser Antragstellung erfolgte.

Die Rechtsmittelwerberin war daher weder unter dem Aspekt des § 31 Abs. 1 Z. 2 FPG noch – wie allseits unbestritten feststeht – gemäß § 31 Abs. 1 Z. 3, Z. 4 und Z. 6 FPG zum Aufenthalt im Bundesgebiet, weil sie weder über einen Aufenthaltstitel noch über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebewilligung oder eine Anzeigebestätigung verfügte.

Sie hat daher grundsätzlich tatbestandsmäßig i.S. des ihr angelasteten Vorwurfes gehandelt.

Allerdings ist ihr dieses mit dem bekämpften Straferkenntnis vom 9. Februar 2010 zur Last gelegte Verhalten in Teilbereichen subjektiv nicht vorwerfbar: Denn gemäß dem am 1. April 2009 in Kraft getretenen § 44 Abs. 4 NAG ist der Aufenthalt im Bundesgebiet eine unabdingbare, verpflichtende Voraussetzung dafür, dass diesem Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung ein Erfolg beschieden sein kann.

3.2.2. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall insgesamt, dass die Rechtsmittelwerberin im Ergebnis nur wegen eines rechtswidrigen Aufenthalts bis zum 19. Juni 2009 – und nicht, wie aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses i.V.m. dessen Erlassungsdatum resultiert: vom 28. Mai 2009 bis zum 9. Februar 2010 – hätte bestraft werden dürfen.

Nur insoweit hat sie nämlich zugleich tatbestandsmäßig und auch schuldhaft – nämlich, indem sie es unterließ, sich über die maßgeblichen fremdenrechtlichen Vorschriften zu informieren, zumindest fahrlässig – i.S.d. § 120 FPG i.V.m. § 31 Abs. 1 Z. 2 bis 4 und Z. 6 FPG gehandelt. In diesem Zusammenhang ist überdies auch darauf hinzuweisen, dass für den solcherart einzuschränkenden Tatzeitraum auch das Günstigkeitsprinzip § 1 Abs. 2 VStG deshalb nicht zum Tragen kommen kann, weil § 44 Abs. 5 NAG erst mit 1. Jänner 2010 und somit nach der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses in Kraft getreten ist.

3.3. Da sich davon ausgehend somit der Zeitraum des vorschriftswidrigen Verhaltens von acht Monaten auf knapp einen Monat (22 Tage) verkürzt und insoweit auch das Verschulden der Beschwerdeführerin als geringfügig anzusehen ist, weil sie angesichts der damals gerade erst in Kraft getretenen FPG-Novelle BGBl.Nr. I 29/2009 gewusst hat, dass sie jedenfalls im Bundesgebiet verbleiben muss, um ein humanitäres Bleiberecht zu erlangen, findet es der Oö. Verwaltungssenat daher als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, gemäß § 21 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen und stattdessen bloß eine Ermahnung zu erteilen.

3.4. Insoweit war der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass es in dessen Spruch anstelle von „seit 28.05.2009“ nunmehr „vom 28. Mai 2009 bis zum 18. Juni 2009“ zu heißen hat.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f


Rechtssatz:

 

VwSen-231094/2/Gf/Mu vom 12. April 2010

 

Wie VwSen-231084/2/Gf/Mu vom 4. März 2010

 

 

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