Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-100468/9/Weg/Ri

Linz, 22.04.1992

VwSen - 100468/9/Weg/Ri Linz, am 22.April 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Alfred Grof und den Berichter Dr. Kurt Wegschaider sowie den Beisitzer Dr. Gustav Schön über die Berufung des G O vom 27. Februar 1992 gegen das Faktum 7 des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 17. Februar 1992, St.-7.925/91-In, auf Grund des Ergebnisses der am 22. April 1992 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 24, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis unter Punkt 7 über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.b i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 12.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt, weil dieser am 29. Juli 1991 um 8.44 Uhr in L auf dem Bahnhofplatz nächst dem Hause X trotz begründeter Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung (deutlicher Geruch der Atemluft nach Alkohol, schwankender Gang, deutliche Rötung der Augenbindehäute) und trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomat verweigert hat. Außerdem wurde er hinsichtlich dieses Deliktes zum Ersatz des Strafkostenbeitrages in der Höhe von 1.200 S verpflichtet.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber sinngemäß ein, er habe den Alkotest nicht verweigert. Es sei an ihn überhaupt keine Aufforderung, sich einem Alkotest zu unterziehen, gestellt worden. Er sei als rumänischer Staatsbürger, der sich erst seit ca. 2 Jahren in Österreich befinde, der deutschen Sprache nur bedingt mächtig. Als Beweis dafür, daß er nicht zum Alkotest aufgefordert wurde, beantragt er auch die Vernehmung seiner Tochter A, die zum Tatzeitpunkt Mitfahrerin in seinem Kraftfahrzeug gewesen sei.

3. Strittig war in der gegenständlichen Angelegenheit letztlich, ob der der deutschen Sprache kaum mächtige Berufungswerber die Aufforderung, sich einer Untersuchung der Atemluft mittels eines Atemluftmeßgerätes zu unterziehen, als solche verstanden hat. Nur eine als solche verstandene Aufforderung kann nämlich verweigert werden.

4. Unstrittig ist, daß der Berufungswerber ca. 3 Stunden nach der Aufforderung zum Alkotest sein Blut auf Alkoholgehalt untersuchen ließ und der chemische Befund der Bundesstaatlichen - Bakteriologisch - Serologischen Untersuchungsanstalt Linz so gut wie keine Alkoholbeeinträchtigung ergeben hat. Nach der gaschromatographischen Untersuchung ergab sich bei zwei Parallelbestimmungen als geringerer Wert ein Blutakoholgehalt von 0,04 Promille, nach der Methode Widmark ergab sich bei drei Parallelbestimmungen ein Wert von 0,09 Promille Blutalkoholgehalt. Im Blutalkoholgutachten ist festgehalten, daß eine Rückrechnung wegen des zu geringen Blutalkoholwertes auf die Tatzeit nicht erfolgen kann.

5. Anläßlich der am 22. April 1992 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden zum Beweisthema "Aufforderungen zum Alkotest mit anschließender Verweigerung" einerseits der Beschuldigte, andererseits die Zeugen A O (Tochter) sowie der Meldungsleger Insp. R Sch vernommen. Der Zeuge und Meldungsleger Sch führte aus, daß er deutliche Alkoholsymptome (deuticher Geruch der Atemluft nach Alkohol, schwankender Gang, erregte unhöfliche und renitente Verhaltensweise) festgestellt habe und ihn diese Feststellung zur Alkotestaufforderung veranlaßt habe. Zu den festgestellten Symptomen wird bemerkt, daß hier eine Fehleinschätzung oder eine sprachliche Übertreibung vorliegen dürfte, weil drei Stunden später durch eine Blutalkoholanalyse dem Grunde nach Nüchternheit festgestellt wurde. Trotzdem erscheint die Aufforderung zum Alkotest gerechtfertigt gewesen zu sein, da nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des O.ö. Verwaltungssenates auch geringfügige Alkoholsymptome ausreichen, um die Aufforderung rechtmäßig erscheinen zu lassen. Diese geringfügigen Symptome werden als gegeben angenommen, weil ca. 3 Stunden später noch ein - wenn auch äußerst geringer - Alkoholgehalt im Blut feststellbar war.

Hinsichtlich der Wortwahl bei der Aufforderung zum Alkotest brachte der Meldungsleger vor, daß er den Beschuldigten etwa mit folgenden Worten aufgefordert hätte: "Ich fordere Sie zur Untersuchung Ihrer Atemluft mittels eines Alkoholmeßgerätes auf". Möglicherweise sei auch das Wort "Alkomat" verwendet worden. Widersprüche gab es hinsichtlich der stattgefundenen Amtshandlung insofern, als der Zeuge zuerst ausführte, daß der Beschuldigte nicht in das Wachzimmer mitgekommen sei, über Vorhalt der Bescheinigung betreffend die vorläufige Abnahme des Führerscheines er jedoch konzedierte, daß der Beschuldigte doch in das Wachzimmer mitgegangen sein mußte.

Der Berufungswerber, der ebenfalls einen glaubwürdigen Eindruck machte, brachte in ziemlich schlechtem und kaum verständlichen Deutsch vor, er habe den Alkotest nicht verweigert, weil an ihn die Aufforderung zum Alkotest nie gerichtet worden sei. Zumindest habe er eine derartige Aufforderung nicht als solche verstanden. Hätte das Straßenaufsichtsorgan das Wort "Alkotest" verwendet, so hätte er dies - weil dieser Begriff international sei auch verstanden und hätte sich dem Alkotest natürlich unterzogen, zumal er ja - wie durch die Analyse seines Blutes festgestellt wurde - nicht alkoholisiert gewesen sei.

Die 17-jährige, etwas besser deutsch sprechende Tochter des Berufungswerbers bestätigte im wesentlichen die Aussagen ihres Vaters in sehr glaubwürdiger Form und erklärte, daß ihr Vater niemals in einer für ihn oder auch für sie verständlichen Form zu einem Alkotest aufgefordert worden sei. Es sei nur davon gesprochen worden, daß er etwas getrunken habe. Ihr Vater habe darauf geantwortet, daß er nichts getrunken habe.

Der unabhängige Verwaltungssenat sieht es bei der Gegenüberstellung und Wertung der zum Teil widersprüchlichen Aussagen nicht als erwiesen an, daß an den Berufungswerber die Aufforderung, sich einer Untersuchung seiner Atemluft zu unterziehen, in einer für ihn verständlichen Form gestellt wurde.

6. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 99 Abs. 1 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 8.000 S bis 50.000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich einem Arzt vorführen zu lassen oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

Gemäß § 5 Abs.2 leg. cit. sind die von der Behörde hiezu ermächtigten Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.

Zur Verwirklichung des Tatbildelementes "Weigerung":

Von einer - vorsätzlichen oder auch bloß fahrlässigen Weigerung kann begrifflich nur dann gesprochen werden, wenn dem sich Weigernden der Weigerungsgegenstand bekannt war. Nachdem als erwiesen angenommen wurde, daß die Aufforderung zum Alkotest nicht in einer für den Beschuldigten verständlichen Form gestellt wurde, ist der Schluß zulässig und fast zwingend, daß dem Beschuldigten die objektive und subjektive Verwirklichung des Tatbildelementes "Weigerung" nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit unterstellt werden kann.

Bei der Beurteilung des gegenständlichen Falles ist mit zu berücksichtigen, daß die Menschenrechtskonvention nicht sprachkundige Personen im Verwaltungsstrafverfahren dadurch schützt, daß ein Dolmetscher beizuziehen ist. Der Schutz sprachunkundiger Personen vor staatlicher Verfolgung ist - wenn die Sprachunkundigkeit mit derartigen Konsequenzen wie im gegenständlichen Fall verbunden ist - auch auf das Vorverfahren zumindest dergestalt auszudehnen, daß sich die staatlichen Organe einer Verständigung zu bedienen haben, die es dem Sprachunkundigen ermöglicht, diese wie ein der deutschen Sprache Mächtiger zu begreifen. Nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates wurde dem Berufungswerber diese Chance etwa durch eine bildhafte Sprache nicht eingeräumt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Vorsitzender: Dr. G r o f Berichter: Beisitzer: Dr. Wegschaider Dr. S c h ö n 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum