Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522546/2/Fra/Ka

Linz, 13.04.2010

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Dr. Johann Fragner                                                                                            3B07, Tel. Kl. 15692

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn x, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 17.3.2010, GZ: 2-VA-5700-04/2010, betreffend Anordnung einer Nachschulung, Verlängerung der Probezeit und Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und

der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 4 Abs.3,  4 Abs.6 Z2 lit.a  und  19 Abs.9 FSG,

      BGBl.I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der nunmehrige Berufungswerber (Bw) wurde am 17.5.1990 geboren.

 

Die belangte Behörde hat am 15.6.2007 dem Bw die – vorgezogene ( § 19 FSG) – Lenkberechtigung für die Klasse B erteilt.

 

Der Bw lenkte am 03.01.2010 um 16.25 Uhr einen dem Kennzeichen näher bestimmten PKW auf einer näher bezeichneten Straße mit öffentlichem Verkehr im Ortsgebiet Wels.

An einer näher bezeichneten Straßenstelle hat er die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten, weil die Fahrgeschwindigkeit 90 km/h betragen hat, wobei die Überschreitung mit einem Messgerät –
Laser-Messgerät, Gerätetype LTI 20.20 TS/KM-E – festgestellt wurde.

 

Die belangte Behörde hat über den Bw mit Strafverfügung vom 20.1.2010,
AZ: S 0001601/WE/10 01 wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.2d StVO eine Geldstrafe verhängt.

 

Diese Strafverfügung ist – mangels Anfechtung – in Rechtskraft erwachsen.

 

Die belangte Behörde hat daraufhin mit dem in der Präambel zitierten Bescheid den Bw gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG verpflichtet,

-          innerhalb von vier Monaten eine Nachschulung zu absolvieren und

-          innerhalb von zwei Wochen den Führerschein zwecks Eintragung der Probezeitverlängerung bei der belangten Behörde abzuliefern.

 

Gegen diesen Bescheid hat – zugestellt am 18.3.2010 – der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 31.3.2010 erhoben und vorgebracht, er sei seit 15.6.2007 im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klasse B, sodass im Zeitpunkt der Tat die zwei Jahresfrist – gemeint offenbar: nach § 4 Abs.1 FSG – bereits abgelaufen war.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Gemäß § 67d Abs.1 und §  67d Abs.3 erster Satz AVG ist die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung nicht erforderlich, da der – durch einen Rechtsanwalt vertretene – Bw diese in der Berufung nicht beantragt hat;

VwGH vom 28.4.2004, 2003/03/0017.

 

Betreffend die Probezeit ist auszuführen:

 

Wird einem/einer 18-jährigen oder älteren Person erstmals die Lenkberechtigung für die Klasse B erteilt, so unterliegt diese gemäß § 4 Abs.1 FSG einer Probezeit von zwei Jahren.

 

Wird jemand die vorgezogene Lenkberechtigung für die Klasse B (= sog. "L17") erteilt, so unterliegt diese gemäß § 19 Abs.9 FSG einer Probezeit jedenfalls bis zum vollendeten 20 Lebensjahr.

 

Ergebnis:

Der/die Besitzer/in einer Lenkberechtigung für Klasse B, welche/r das
20. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, befindet sich in jedem Fall innerhalb
der Probezeit.

 

Anders ausgedrückt:

Es ist rechtlich ausgeschlossen, dass der/die Besitzer/in einer Lenkberechtigung für die Klasse B, welche/r das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sich bereits außerhalb der Probezeit befindet!

 

Der Bw wurde – wie eingangs dargelegt – am 17.5.1990 geboren und befand sich daher im Zeitpunkt der Tat (= 03.01.2010) gemäß § 19 Abs.9 FSG noch innerhalb der Probezeit.

 

Der Bw hat – ebenfalls wie dargelegt – am 03.01.2010 als Lenker eines PKW
die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten,
da die Fahrgeschwindigkeit 90 km/h betragen hat.

 

Das Ausmaß dieser Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Bw in der Berufung nicht bestritten.

 

Ungeachtet dessen ist auszuführen:

Wird jemand wegen einer Verwaltungsübertretung nach der StVO –
mittels Strafverfügung, Straferkenntnis oder Berufungsentscheidung – rechtskräftig bestraft, so besteht in Angelegenheiten der Lenkberechtigung
eine   Bindungswirkung  an  diesen  Strafbescheid;

VwGH vom 20.9.2001, 2001/11/0237; vom 23.4.2002, 2002/11/0063; vom 8.8.2002, 2001/11/0210; vom 26.11.2002, 2002/11/0083; vom 25.2.2003, 2003/11/0029; vom 25.11.2003, 2003/11/0200; vom 6.7.2004, 2004/11/0046.

 

Zur  Bindungswirkung  ist  im  Einzelnen  auszuführen:

 

1. Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO:

Das Ausmaß der Alkoholisierung ist kein Tatbestandsmerkmal, welches im Spruch  des  Straferkenntnisses  aufzuscheinen  hat;

VwGH  vom 12.10.2007, 2007/02/0263; vom 16.12.2005, 2005/02/0236;

       vom 29.5.1998, 98/02/0179 mit Vorjudikatur.

 

Betreffend den Alkoholisierungsgrad besteht jedoch Bindungswirkung an die angewendete  Strafnorm:

 

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.a iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend, dass  der  Alkoholisierungsgrad  0,8 mg/l  oder  mehr  betragen  hat:

VwGH vom 22.1.2002, 2001/11/0408; vom 24.4.2001, 2001/11/0101;

            vom 23.10.2001, 2001/11/0295

 

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1a iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend,            dass der Alkoholisierungsgrad mind. 0,60 mg/l und höchstens 0,79 mg/l betragen hat;  VwGH vom 13.12.2001, 2001/11/0298 mit Vorjudikatur

 

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1b iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend,           dass der Alkoholisierungsgrad mind. 0,40 mg/l und höchstens 0,59 mg/l betragen hat; VwGH vom 30.5.2001, 99/11/0159;  vgl.  auch  VwGH vom 24.6.2003, 2003/11/0132  und  vom 28.6.2001, 99/11/0265

 

2. Verweigerung des Alkotests oder der Blutabnahme:

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO besteht dahingehend, dass  die  Vornahme  des  Alkotests  verweigert  wurde;

VwGH vom 6.7.2004, 2004/11/0046;  vom 25.11.2003, 2003/11/0200 ua.

 

Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.c iVm § 5 Abs.6 StVO besteht dahingehend, dass  die  Blutabnahme  verweigert  wurde:

VwGH vom  7.10.1997, 97/11/0264  mit  Vorjudikatur

 

3. Sonstige Übertretungen nach der StVO:

Bindungswirkung nach § 99 Abs.2 lit.c (iVm z.B. § 18 Abs.1 oder § 16 Abs.2 lit.a) StVO besteht  dahingehend,  dass  eine  Übertretung  nach  der StVO,  z.B.

-  Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes    oder

- Überholmanöver, obwohl andere Straßenbenützer hätten gefährdet werden können

unter "besonders gefährlichen Verhältnissen" begangen wurde;

VwGH vom 24.5.2005, 2005/11/0092 ("Ablehnungsbeschluss"); vom 23.4.2002, 2000/11/0091; vom 27.5.1999 ; 99/11/0035; vom 10.5.1998; 96/11/0209;
vom 15.12.1992, 92/11/0145;  insbes. vom 23.4.2002, 2002/11/0063 – 

siehe den ausdrücklichen Wortlaut:

"Bindungswirkung  einer  rechtskräftigen  Bestrafung  nach  § 99 Abs.2 lit. c  StVO"

 

4. Zwischenergebnis:

Aus den zitierten VwGH-Erkenntnissen geht eindeutig hervor, dass die Bindungs-wirkung sich  auf  die  angewendete  Strafnorm  (§ 99  Abs. ....  lit. .....  StVO )  bezieht.

 

5. Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit:

Bei Überschreitung der jeweils geltenden Höchstgeschwindigkeit § 99 Abs.3 lit.a  iVm  § 20 Abs.2  oder  § 52 lit.a Z10a  oder  § 52 lit.a Z11a StVO besteht an
das im Strafbescheid enthaltene Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung grundsätzlich keine Bindungswirkung;  VwGH vom 27.1.2005, 2003/11/0169; vom 20.2.2001, 98/11/0306; vom 12.4.1999,  98/11/0272; vom 28.6.2001, 99/11/0155; vom 18.12.1997, 96/11/0080 ua.

Diese Judikatur ist mittlerweile insofern überholt, da der Gesetzgeber in
§ 99 Abs.2d StVO idF BGBl. I Nr. 93/2009 betreffend Geschwindigkeits-überschreitungen folgende neue bzw. zusätzliche Strafnorm erlassen hat:

"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 70 Euro
bis 2.180 Euro – im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden
bis sechs Wochen – zu bestrafen, wer die zulässige  Höchstgeschwindigkeit
um  mehr  als  30  km/h  überschreitet."

 

6. Ergebnis:

Erfolgt eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach                    § 99 Abs.2d (iVm § 20 Abs.2 oder § 52 lit.a Z10a  oder § 52 lit.a Z11a) StVO,                        steht bindend fest, dass der Betreffende die zulässige Höchstgeschwindigkeit
um mehr als 30 km/h überschritten hat.  

 

§ 4 Abs.3 FSG lautet auszugsweise:

"Begeht der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs. 6), so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängert sich die Probezeit jeweils um ein weiteres Jahr.

Der Besitzer des Probeführerscheines hat diesen bei der Behörde abzuliefern.

 

Gemäß § 4 Abs.6 Z2 lita. FSG gilt als schwerer Verstoß gemäß Abs.3 leg.cit.
mit technischen Hilfsmitteln festgestellte Überschreitungen einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet.

 

Aufgrund der Rechtskraft der Strafverfügung steht bindend fest, dass der Bw am 3.1.2010 um 16.25 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW

-          die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit um mehr als 20 km/h
sogar um mehr als 30 km/h – überschritten  und dadurch

-          den in § 4 Abs.6 Z2 lit.a FSG beschriebenen schweren Verstoß verwirklicht hat.

 

Die belangte Behörde hat somit völlig zu Recht den Bw verpflichtet,

-          innerhalb einer näher bezeichneten Frist eine Nachschulung zu absolvieren und

-          den Führerschein – zwecks Eintragung der Probezeit – innerhalb einer näher bezeichneten Frist bei der belangten Behörde abzuliefern.

 

Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen -
jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

 

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