Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231087/2/WEI/Ba

Linz, 14.04.2010

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Berufung des x, geb. x, x (eigene Angabe: "Adresse keine"), gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 16. Februar 2010, Sich 96-124-2009, wegen einer Übertretung des Meldegesetzes 1991 zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen. Aus Anlass der Berufung wird festgestellt, dass ein rechtswirksam erlassenes Straferkenntnis nicht vorliegt und das bisherige Verfahren mangels Beteiligung des bestellten Sachwalters unwirksam geblieben ist.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

 

 

B e g r ü n d u n g :

 

1.1. Mit dem gegenständlichen Straferkenntnis vom 16. Februar 2010 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben im August 2007 mit Hauptwohnsitz Unterkunft genommen und es zumindest bis zum 20. August 2009 unterlassen, sich beim Meldeamt der Gemeinde x polizeilich anzumelden, obwohl, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, sich innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden hat.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 3 Abs. 1 Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992, idF BGBl I Nr. 33/2006 (im Folgenden: MeldeG)"

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden. Gemäß § 64 VStG wurde der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von 4 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

1.2. In der Begründung des Straferkenntnisses wird zum Sachverhalt festgestellt, der Bw habe im Monat August 2007 in x, x bei seiner Lebensgefährtin x mit Hauptwohnsitz Unterkunft genommen und es zumindest bis 20. August 2009 unterlassen, sich beim Meldeamt der Gemeinde x innerhalb von drei Tagen polizeilich anzumelden. Der Bw sei nirgends in Österreich gemeldet. Seine letzte Meldeadresse lautete Gefangenenhaus x, abgemeldet am 2. August 2007. Seit dieser Zeit halte er sich bei Frau x auf.

 

In der rechtlichen Beurteilung wird nach Darstellung des § 3 Meldegesetz 1991 ausgeführt, dass sich der Bw nach der Haftentlassung bei seiner Lebensgefährtin x häuslich niedergelassen habe und auch von der Polizei dort anzutreffen gewesen sei, seinen Wohnsitz aber zumindest bis 20. August 2009 nicht gemeldet habe.

 

Laut Urkunde des Bezirksgerichts x vom 6. Mai 2009 sei dem Bw nur für die Vertretung vor Behörden, Gerichten und Sozialversicherungsträgern und nicht für alle Angelegenheiten ein Sachwalter bestellt worden. Die Erfüllung der Meldepflicht erfordere keine besonderen intellektuellen Fähigkeiten. Der Bw wäre daher allein für die Meldung verantwortlich. Es müsse diese weder der Bürgermeister, die Gemeinde, die Polizeiinspektion, noch die Lebensgefährtin übernehmen.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw persönlich durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion x am 4. März 2010 im Bereich des Hauses x, x, gegen Unterschrift übergeben wurde (vgl Polizeibericht vom 04.03.2010, Zl. E1/1718/2010-Ti), richtet sich die am 5. März 2010 um 09:32 Uhr per Telefax übersendete, als "Beschwerde" bezeichnete Eingabe, die die Aktenzahl Sich 96-124-2009 anführt. Die handschriftliche Eingabe lautet inhaltlich wie folgt:

 

"x. Beziehe mich auf das geführte

Gespräch am 4.3.2010 wegen der Zustellung des

Briefes vom Gendarmerieposten x am 4.3.2010

Da ist mir aufgefallen, dass der Briefkopf auf

x, geb. x pA x

x gerichtet ist.

 

So haben Sie Fr x u Fr Mag

x gegen das Meldegesetz 1991

19a verstossen. und nicht ich x (lege ich bei

 

Frau x hat Ihnen das am 22.12.09

Schriftlich zur Kenntnis gebracht, solange ich

x in x

Nicht polizeilich gemeldet bin, sind alle Briefe

an Fr. x zu richten und nicht

an mich x.

 

Ich werde das Schreiben vom 5.3.2010 an Sie Herr

Dr. x, den Gendarmerieposten x zur

Kenntnis bringen, denn ich möcht nicht, das Sie

Ungewollt eine strafbare Handlung wegen der

BH Schärding gegen mich x begehen.

 

Ersuche um baldige Aufklärung

Herr Dr. x

Hochachtungsvoll

x"

 

Mit dieser "Beschwerde" vom 5. März 2010 hat der Bw ein Telefaxschreiben gleichen Datums an den "Gendarmerieposten x" mit folgendem Inhalt vorgelegt:

 

"Herr x. ich bringe Ihnen das

Schreiben vom 5.3.2010 an Herr Dr. x BH-

Schärding zur Kenntnis

 

Herr x Nach meinen Ermittlungen habe

Ich herausgefunden mit den Bürgermeister x

Von x solange ich x

in x nicht

polizeilich gemeldet bin, sind alle Briefe

an Fr. x als Hausbesitzerin

zu richten und nicht an mich x,

das schreibt das Meldegesetz 1991 19a vor

 

Herr x denn ich lasse mich nicht

in irgend einer Weise in eine strafbare

Handlung von der BH Schärding von Dr. x

hineinziehen.

 

         Ersuche um baldige Aufklärung

                   Hochachtungsvoll

                       x"

 

Ferner legte der Bw eine handschriftliche Beschwerde von x vom 22. Dezember 2009 an den Bezirkshauptmann von Schärding Dr. x vor, der zu entnehmen ist, dass x keine Erlaubnis erteilt habe, den Briefkopf an Herrn x zu adressieren. Solange er nicht bei ihr polizeilich gemeldet sei, wären alle Briefe an sie zu richten. Dies schreibe das Meldegesetz vor. Ein am 21. Dezember 2009 zugestelltes Schreiben hätte angeblich ohne Briefkopf zugestellt werden müssen.

 

Beigelegt wird weiter eine Ausdruck des § 19a Meldegesetz aus dem RIS betreffend Hauptwohnsitzbestätigung bei Obdachlosen mit Kontaktstelle.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. In der Anzeige der Polizeiinspektion x vom 20. August 2009 (GENDIS-Anzeige; GZ x) wegen Übertretung des § 22 Abs 1 Z 1 iVm § 3 Abs 1 Meldegesetz 1991 wurde gegen den Bw folgender Tatvorwurf erhoben:

 

"Sie haben im Monat August 2007 in x, x mit Hauptwohnsitz Unterkunft genommen und es zumindest bis zum 20.08.2009 unterlassen, sich beim Meldeamt der(s) Gemeinde x polizeilich anzumelden, obwohl, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, sich innerhalb von 3 Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden hat."

 

Unter Beweismittel wird angeführt, dass im Zuge einer RSb-Briefzustellung bekannt geworden sei, dass sich der Bw bei seiner Lebensgefährtin x in x aufhalte. Eine Überprüfung im ZMR habe aber ergeben, dass x nirgends in Österreich gemeldet sei. Die letzte Meldeadresse lautetet Gefangenenhaus x, abgemeldet am 2.8.2007. Seit dieser Zeit dürfte sich der Bw bei x aufhalten. x sie über die gesetzlichen Bestimmungen als Vermieter in Kenntnis gesetzt worden.

Der Bw habe angegeben, dass er noch nie in Österreich gemeldet gewesen sei. Er werde sich auch nicht anmelden. Außerdem werde man noch schriftlich von ihm hören.

 

2.2. Mit Strafverfügung vom 24. August 2009, eigenhändig zugestellt am 15. Oktober 2009 durch einen Polizeibeamten, wurde dem Bw die Tat wie in der Anzeige der PI x angelastet. Daraufhin brachte der Bw mit Telefaxeingabe vom 15. Oktober 2009 unter Angabe der Aktenzahl und mit Bezugnahme auf ein Telefonat mit x (Sachbearbeiter der Strafverfügung) vom gleichen Tag vor, dass er von diesem Sachbearbeiter in Kenntnis gesetzt worden wäre, Einspruch erheben zu müssen, damit das Ermittlungsverfahren gegen die Gemeinde x eingeleitet werden könne. Er habe der Gemeinde x immer alles zur Kenntnis gebracht und alle Anträge bei der Gemeinde gestellt.

 

Auf der gleichen Eingabe schreibt dann noch x als Hausbesitzerin, dass sie dem Sachbearbeiter der belangten Behörde keine Erlaubnis gegeben habe, an Herrn x, x, x zu adressieren.

 

Der Bw hat noch weitere Schreiben vom 12. und 13. November 2009 per Telefax eingebracht, in denen er ein nicht sachbezogenes Vorbringen erstattet, das am gegenständlichen Thema vorbeigeht.

 

Die Eingabe vom 15. Oktober 2009 wertete die belangte Behörde als Einspruch gegen die Strafverfügung und meinte dazu, dass unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht worden wäre. Das Vorbringen des Bw wurde dahingehend gedeutet, dass nicht er, sondern der Bürgermeister der Gemeinde x es verabsäumt habe, ihn anzumelden (vgl Straferkenntnis, Seite 2). In weiterer Folge wurde das Straferkenntnis vom 16. Februar 2010 abgefertigt und dem Bw am 4. März 2010 von einem Polizeibeamten unter der angeführten Adresse x, x, gegen Übernahmebestätigung zugestellt.

 

2.3. Im gleichgelagerten Parallelverfahren Sich 96-144-2009 hat die belangte Behörde wegen der unterlassenen Meldung das Straferkenntnis vom 14. Dezember 2009 mit (sich überschneidender) Tatzeit bis 2. Oktober 2009 erlassen. Dieses Straferkenntnis wurde vom Oö. Verwaltungssenat mit Bescheid vom 17. März 2010, Zl. VwSen-231082/2/WEI/Ba, für unwirksam erklärt. In diesem Verfahren ist nämlich der folgende wesentliche Sachverhalt bekannt geworden:

 

2.3.1. Mit Schreiben vom 27. Jänner 2010 teilte Herrn x vom Verein VertretungsNetz - Sachwalterschaft, x, x, der belangten Behörde Folgendes mit:

 

"Sachwalterschaft x

Meldeangelegenheit

 

Sehr geehrte Frau Mag. x,

 

wie bereits mehrmals telefonisch besprochen kann ich in obiger Angelegenheit folgendes mitteilen:

Bei der Bestellung eines Sachwalters mit der zu besorgenden Angelegenheit Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden obliegt es dem Sachwalter den Betroffenen bei der zuständigen Behörde anzumelden.

 

Im speziellen Fall x ist es nun so, dass der Betroffene vehement gegen die Bestellung eines Sachwalters ist und auch jeden persönlichen Kontakt zum Sachwalter ablehnt – auch die vorgesehenen Hausbesuche.

Bei fallweise geführten Telefonaten behauptet Herr x mir gegenüber jeweils, dass er keinen ordentlichen Wohnsitz hat – zuletzt am 22.01.2010 gab Herr x an, dass er obdachlos gemeldet sei.

Der Betroffene gibt keinerlei Auskunft über den derzeitigen Aufenthaltsort bzw. über einen allfälligen Quartiergeber. Da eine Anmeldung des Betroffenen lediglich aufgrund einer Annahme wo sich der Betroffene aufhalten könnte auszuschließen ist und es nicht meine Aufgabe sein kann zu erheben wo Herr x aufhältig ist, fehlt in dieser Sache die Voraussetzung für die vorgesehene Angelegenheitsbesorgung

 

Im Fall einer Strafverfügung wäre meines Erachtens seitens der Behörde zu überprüfen, ob bei Herrn x in diesem Bereich überhaupt eine Schuldfähigkeit vorliegt (Neuropsychiatrisches Gutachten vom 09.10.205 Seite 19).

 

Mit freundlichen Grüßen

x eh."

 

2.3.2. Der Sachwalter hat seinem Schreiben die Bestellungsurkunden und die Seiten 19 und 20 eines neuropsychiatrischen Gutachtens (ohne feststellbares Datum) der Salzburger Gerichtssachverständigen x und x angeschlossen. Im Wesentlichen geht daraus schon hervor, dass der Bw im Rahmen einer querulatorischen Entwicklung an einer Störung der Realitätskontrolle leide. Er sei Argumenten Dritter nicht mehr zugängig. Daraus resultiere die Gefahr einer Selbstbeschädigung im sozioökonomischen Bereich. Der Bw sei aus alleiniger kognitiver Sicht in der Lage die Tragweite einer Vollmacht zu erfassen. Er sei jedoch auf Grund der bestehenden Störung der Realitätskontrolle nicht in der Lage, die Notwendigkeit zur Ausstellung einer Vollmacht zu erkennen, bzw sei er auch nicht in der Lage einen allfällig Bevollmächtigten entsprechend zu überprüfen. Das Resümee der Gutachter lautet:

 

"Aus nervenfachärztlicher Sicht liegen somit die Voraussetzungen zur Bestellung eines Sachwalters zur Vertretung vor Behörden und Gerichten vor. Dringend erforderlich ist aus nervenfachärztlicher Sicht eine entsprechende nervenfachärztliche Behandlung. Krankheitstypisch besteht allerdings keine Krankheitseinsicht, wodurch in allfällige therapeutische Maßnahmen nicht allzu große Hoffnungen gesetzt werden dürfen. Eine Individualprognose über den weiteren Krankheitsverlauf kann nicht abgegeben werden. Aus diesem Grund wird eine Kontrolluntersuchung je nach klinischem Erscheinungsbild empfohlen."

 

2.3.3. Die vorgelegte Urkunde "BESTELLUNG EINES SACHWALTERS (§ 268 Abs 3 Z 2 ABGB)" vom 6. Mai 2008, Zl. 3P 3/07i-129, des Bezirksgerichts x lautet:

 

"URKUNDE

 

Für x, geb. am: x, x, ist

 

VertretungsNetz Sachwalterschaft Salzburg/Oberösterreich II, x,

 

gemäß § 268 ABGB zum Sachwalter bestellt.

Der Sachwalter hat folgenden Kreis von Angelegenheiten zu besorgen (§ 268 Abs 3 Z 2 ABGB):

 

Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern;

Eröffnung eines Pensionskontos

 

 

Bezirksgericht x

Gerichtsabteilung 3

Dr. x

(RICHTER)"

 

In der weiter vorgelegten Urkunde des Vereins VertretungsNetz vom 18. August 2009, Zl. x, wird Herr x, pA VertretungsNetz – Sachwalterschaft, x, als die Person bekannt gegeben, die mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft (Vertretung vor Behörden und Gerichten) vom Vereinssachwalter betraut ist. Dabei wird einleitend darauf hingewiesen, dass Herr x mit Beschluss des Bezirksgerichts x vom 27. Dezember 2005, P246/2004f (Zustellung am 03.01.2006), zum Sachwalter des x, geb. x, bestellt worden war. Gemäß Art X § 4 Abs 1 des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006 (BGBl I Nr. 92/2006) sei die Sachwalterschaft mit 1. Juli 2007 auf den Verein Vertretungsnetz – Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung übergegangen.

 

2.4. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 5. März 2010 ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass schon aus der Aktenlage abzuleiten ist, dass die belangte Behörde das bisherige Verwaltungsstrafverfahren nicht rechtswirksam durchgeführt hat.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist.

 

Dabei gilt der Grundsatz, dass die Rechtsfähigkeit die Parteifähigkeit und die Handlungsfähigkeit die Prozessfähigkeit begründet (vgl Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 [2003], Rz 131). Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 214, Anm 3, 224 f, E 27a und E 27c zu § 9 AVG).

 

Für die Prozessfähigkeit im Verwaltungsstrafverfahren kommt es nicht darauf an, ob der Beschuldigte iSd § 3 Abs 1 VStG zurechnungsfähig ist oder nicht. Vielmehr ist im Hinblick auf § 24 VStG iVm § 9 AVG entscheidend, ob der Beschuldigte im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses in der Lage ist, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen und zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (vgl VwGH 29.3.1989, Zl. 89/02/0014).

 

Für die Beurteilung der Handlungsfähigkeit (Prozessfähigkeit) einer behinderten Person ist der Gerichtsbeschluss über die Bestellung des Sachwalters (§ 273 Abs 3 ABGB entspricht nunmehr seit der Neufassung durch das SWRÄG 2006, BGBl I Nr. 92/2006, dem § 268 Abs 3 ABGB) bedeutsam (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 254, Anm 2 zu § 11 AVG). Gemäß § 280 Abs 1 ABGB kann die behinderte Person innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten.

 

Die Sachwalterbestellung wirkt für die Zeit ab ihrer Erlassung insofern konstitutiv, als die Prozessfähigkeit und Handlungsfähigkeit in dem umschriebenen Ausmaß nicht mehr gegeben ist. Hinsichtlich des vorangegangenen Zeitraums ist zu prüfen, ob der Betroffene nicht mehr prozessfähig gewesen ist und damit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite der prozessualen Vorgänge zu erkennen und sich den diesbezüglichen Anforderungen entsprechend zu verhalten (vgl Nachw aus der Judikatur bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 223 f, E 25b, E 25g und E25h zu § 9 AVG).

 

Mangelnde Prozessfähigkeit führt zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte (vgl mwN Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 Rz 135). War eine nicht voll handlungsfähige Person in einem Verwaltungsverfahren durch ihren gesetzlichen Vertreter nicht vertreten, so kann der ergangene Bescheid dieser Person gegenüber nicht rechtswirksam werden (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 225, E 28 zu § 9 AVG).

 

4.2. Dem Bw mangelt es auf Grund der seit dem Jahr 2006 erfolgten Bestellung eines Sachwalters für die Vertretung vor Gerichten und Behörden schon jahrelang an der Handlungs- bzw Prozessfähigkeit im Verkehr mit Gerichten und Behörden. Alle nur ihm und nicht auch gegenüber seinem Sachwalter gesetzten verfahrensrechtlichen Akte sind von vornherein unwirksam. Eine Aussage über die davon zu unterscheidende Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit ist damit noch nicht getroffen. Die Schuldfähigkeit wird im Fall des gegenständlichen Meldevergehens im Hinblick auf die deutliche Störung der Realitätskontrolle beim Bw allenfalls noch gesondert mit Hilfe von geeigneten Sachverständigen zu prüfen sein. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde genügt der Hinweis auf die Nichtbestellung eines Sachwalters zur Besorgung aller Angelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 3 ABGB) noch nicht, um die Schuld- bzw Zurechnungsfähigkeit im konkreten Fall bejahen zu können.

 

Der Oö. Verwaltungssenat teilt die Ansicht des Sachwalters, dass es im gegenständlichen Fall – wegen der Handlungsunfähigkeit des Bw im Behördenverkehr - seine Aufgabe ist, die Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde vorzunehmen. Mangels Mitwirkung des Bw, der jeden persönlichen Kontakt zum Sachwalter ablehne und nicht einmal Auskunft über seinen Aufenthalt gebe, habe der Sachwalter dem bisher nicht entsprechen können. Auf Grund dieser Mitteilung des Sachwalters sowie unter Berücksichtigung des offenkundig querulatorischen, das eigentliche Thema verfehlenden Inhalts der Eingaben des Bw scheint tatsächlich auch dessen Schuldfähigkeit im Zusammenhang mit der Übertretung des Meldegesetzes fraglich zu sein. Nach dem vom Sachwalter vorgelegten Auszug aus dem neuropsychiatrischen Gutachten betreffend die Voraussetzungen für eine Sachwalterbestellung beim Bw ist dieser zwar kognitiv in der Lage, die Tragweite einer Vollmacht zu erfassen, nicht aber die Notwendigkeit zu deren Ausstellung (bzw Erteilung) zu erkennen. Insofern zeigt sich eine deutliche Parallele zum gegenständlichen Fall. Der Bw wird zwar intellektuell grundsätzlich die allgemeine Bedeutung der Meldepflicht erfassen, die Notwendigkeit der Erfüllung der Meldepflicht in seinem eigenen Fall scheint er aber wegen des eingetretenen Realitätsverlustes im Rahmen seiner querulatorischen Entwicklung zu verkennen.

 

4.3. Die belangte Behörde hat das gesamte Verwaltungsstrafverfahren nur mit dem Bw durchgeführt. Schon aus den Eingaben des Bw waren Indizien erkennbar, die gegen seine Prozessfähigkeit sprachen. Auch wenn die Eingabe vom 15. Oktober 2009 vielleicht gerade noch als Einspruch gegen die Strafverfügung angesehen werden kann, wird jedenfalls nach den weiteren Eingaben des Bw vom 12. und 13. November 2009 dessen Realitätsverlust und abwegige Einlassung in die Sache sehr deutlich. Auch das als "Beschwerde" bezeichnete Schreiben vom 5. März 2010 nach Zustellung des Straferkenntnisses am 4. März 2010 ist nur sehr schwer als Berufung zu deuten. Sinngemäß kommt aber im Ergebnis zum Ausdruck, dass der Bw offenbar in der Sache der Meinung ist, keine Unterkunft bei x in x genommen zu haben, weil er dort nicht gemeldet ist. Die Ausführungen des Bw verfehlen meist das Thema und beweisen seine abnormale Querulanz und Unbelehrbarkeit im Vergleich zu durchschnittlich Rechtsmittelwerbern.

 

Schon auf Grund der zweifelhaften Einlassung des Bw war ersichtlich, dass mit dem Bw kein normales Verfahren durchgeführt werden kann. Die belangte Behörde ist Indizien in Bezug auf die mangelnde Handlungs- und Prozessfähigkeit nicht nachgegangen. Die im Parallelverfahren Sich 96-144-2009 geführten Telefonate mit dem Sachwalter und dessen Eingabe vom 27. Jänner 2010 haben die belangte Behörde nicht zur Annahme veranlasst, dass der Bw nicht handlungs- und prozessfähig ist, obwohl ihm schon seit längerer Zeit ein Sachwalter für die Vertretung vor Behörden und Gerichten bestellt worden war.

 

Da sämtliche Prozesshandlungen des handlungsunfähigen Bw unwirksam sind, konnte gegen ihn weder eine Strafverfügung noch ein Straferkenntnis wirksam erlassen werden. Diese Bescheide sind rechtlich gar nicht existent geworden.

 

4.4. Der Vollständigkeit halber ist der Irrmeinung des Bw im Zusammenhang mit § 19a Meldegesetz 1991 entgegen zu treten. Diese Bestimmung ermöglicht eine Hauptwohnsitzbestätigung der Gemeinde für Obdachlose, die eine Kontaktstelle in der Gemeinde regelmäßig aufsuchen. Die Kontaktstelle gilt nach § 19a Abs 3 Meldegesetz 1991 (im Interesse des Obdachlosen) auch als Abgabestelle, wenn der Obdachlose die Zustimmung des Verfügungsberechtigten nachweist.

 

Für den Bw, der sich offenbar aus Gründen der Querulanz immer wieder auf die fehlende Zustimmung der x beruft, ist die Vorschrift gar nicht einschlägig. Denn nach der durch die Aktenlage gestützten Darstellung der Polizei x hat der Bw nach seiner Haftentlassung Anfang August 2007 bei seiner Lebensgefährtin x tatsächlich Unterkunft genommen und wohnt seither bei ihr. Freilich wäre es im Hinblick auf das unkooperative Verhalten des Bw für die belangte Behörde angebracht gewesen, einzelne Polizeibeamte, die mit Zustellungen betraut wurden, sowie Frau x unter Wahrheitspflicht als Zeugen zu vernehmen.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichthofs kommt es für den Be­griff Wohnung als Abgabestelle nicht auf die polizeiliche Meldung, sondern nur darauf an, dass die Wohnung tatsächlich vom Meldepflichtigen bewohnt und benützt wird (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 , 1843, Anm 3 und E 6a bis 6e zu § 4 ZustG; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] E 13 ff zu § 4 ZustG). Da der – wenn auch nicht gemeldete - Bw tatsächlich eine regelmäßig benützte Unterkunft bei Frau x hat und bei ihr auch immer angetroffen wurde, sind die rechtlichen Vorstellungen des Bw zur Frage der Abgabestelle nach § 19a Abs 3 Meldegesetz 1991 von vornherein verfehlt.

 

5. Die gegenständliche "Beschwerde", die inhaltlich gerade noch als Berufung gedeutet werden kann, war wegen fehlender Prozessvoraussetzungen als unzulässig zurückzuweisen. Es fehlt dem Bw die Prozessfähigkeit und er wendet sich gegen ein nicht dem Rechtsbestand angehörendes Straferkenntnis.

 

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Strafverfahren erster Instanz den bestellten Sachwalter als gesetzlich vorgesehenen Vertreter des behinderten Bw zu beteiligen und die Frage der Zurechnungsfähigkeit in concreto gegebenenfalls durch einen medizinischen Sachverständigen zu klären haben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

 

 

                                

 

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