Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231082/2/WEI/Ba

Linz, 17.03.2010

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Berufung des x, geb. x, x, x (eigene Angabe: "Adresse keine"), gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmann­schaft Schärding vom 14. Dezember 2009, Sich 96-144-2009, wegen einer Übertretung des Meldegesetzes zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen. Aus Anlass der Berufung wird festgestellt, dass ein rechtswirksam erlassenes Straferkenntnis nicht vorliegt und das bisherige Verfahren mangels Beteiligung des bestellten Sachwalters unwirksam geblieben ist.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

 

 

B e g r ü n d u n g :

 

1.1. Mit dem gegenständlichen Straferkenntnis vom 14. Dezember 2009 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 02.10.2009 um 14.45 Uhr in x im August 2007 mit Hauptwohnsitz Unterkunft genommen und es zumindest bis zum 02.10.2009 unterlassen, sich beim Meldeamt der Gemeinde x polizeilich anzumelden, obwohl, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, sich innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden hat.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 22 Abs. 1 Z 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Meldegesetz 1991"

 

Wegen der so (in Bezug auf Tatzeit teilweise widersprüchlich) angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden. Gemäß § 64 VStG wurde der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von 4 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

1.2. In der Begründung des Straferkenntnisses wird zum Sachverhalt festgestellt, der Bw habe im Monat August 2007 in x bei seiner Lebensgefährtin x mit Hauptwohnsitz Unterkunft genommen und es zumindest bis 2. Oktober 2009 unterlassen, sich beim Meldeamt der Gemeinde x innerhalb von drei Tagen polizeilich anzumelden. Der Bw sei nirgends in Österreich gemeldet. Seine letzte Meldeadresse lautete x, abgemeldet am 2. August 2007. Seit dieser Zeit halte er sich bei Frau x auf.

 

In der rechtlichen Beurteilung wird nach Darstellung des § 3 Meldegesetz 1991 ausgeführt, dass sich der Bw nach der Haftentlassung bei seiner Lebensgefährtin x häuslich niedergelassen habe und auch von der Polizei dort anzutreffen gewesen sei, seinen Wohnsitz aber zumindest bis 2. Oktober 2009 nicht gemeldet habe. Der Bw wäre allein für die Meldung verantwortlich. Es müsse diese weder der Bürgermeister, die Gemeinde, die Polizeiinspektion, noch die Lebensgefährtin übernehmen.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw persönlich durch Polizeibeamte des PI x am 21. Dezember 2009 um 14:05 Uhr im Eingangsbereich des Hauses x gegen Unterschrift übergeben wurde (vgl Polizeibericht vom 22.12.2009, Zl. x), richtet sich die am 21. Dezember 2009 um 15:50 Uhr per Telefax übersendete, als "Beschwerde" bezeichnete Eingabe, die die Aktenzahl Sich 96-144-2009 anführt und mit Telefax vom 22. Dezember 2009 berichtigt wurde. Die Eingabe lautet inhaltlich wie folgt:

 

"Berichtigung am 22.12.09

Ich x habe nicht am 2.8.07 bei

x in x

Unterkunft genommen, sondern

am 20.5.07. Herr x, Sie

Sollten keine Unwahrheiten bei einen Beschluss

anführen, denn Sie Herr x

machen sich sonst gegen mich x

strafbar. Hat Ihnen Herr x,

Bürgermeister von x meine Eingaben

vom 27.10.09 bei der Gem. x nicht

zur Kenntnis gebracht. x hat die Mitwerkung zur

Aufklärung des Sachverhaltes verpflichtet,

damit ich keinen weiteren Schaden erleide

und nebenbei habe ich noch eine Übergabe -

Bestätigung vom Gendarmerieposten x,

dass ich am 17.6.07 schon aufhältig war.

Zeugin x

 

Herr x, Sie sind verpflichtet

gegen den Gendarmerieinspektor x Anzeige zu

erstatten. den er hatte Kenntnis dass am

17.6.07 in x

Aufgehalten habe und nicht polizeilich gemeldet

War, so hätte Herr x die Anzeige

gegen mich x am 17.6.07 bei der

Bezirkshauptmannschaft erstatten müssen

 

Wie es aussieht Herr x vom Posten x

der einzige, der die Österreichischen Gesetze

kennt und beachtet daran sollten sich

die Sachbearbeiter von der BH – Schärding

ein Beispiel nehmen.

 

 

Zur Aufklärung bei der Gem x

lege ich die Schreiben vom 27.10.09

bei

 

                   Hochachtungsvoll

                       x"

 

1.4. Dem angeschlossenen Schreiben des Bw vom 27. Oktober 2009 an die Gemeinde x bzw den Bürgermeister x ist zu entnehmen, dass nach Ansicht des Bw "für die Festnahme am 17.6.2007" nicht der Posten x, sondern nach seinem Aufenthalt in x der Posten x zuständig gewesen wäre. Der Bürgermeister hätte Anzeige erstatten müssen, um den Bw zu unterstützen. Seit 20. Mai 2007 sei er x bei x in x. Der Bürgermeister hätte als Meldebehörde Anzeige gegen den Bw erstatten müssen. Zum Beweis der Richtigkeit legt er eine Übergabe – Bestätigung des GrInsp x vom 17. Juni 2007 an Frau x vor. Aus dieser gefaxten Bestätigung ergibt sich, dass Gegenstände (Rucksack samt Inhalt und diverse Schriftstücke) auf Wunsch des Bw von GrInsp x von der PI x der x übergeben wurden.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. In der Anzeige der PI x vom 2. Oktober 2009 (GENDIS-Anzeige; GZ x) wegen Übertretung des § 22 Abs 1 Z 1 iVm § 3 Abs 1 Meldegesetz 1991 wurde gegen den Bw folgender Tatvorwurf erhoben:

 

"Sie haben im Monat August 2007 in x mit Hauptwohnsitz Unterkunft genommen und es zumindest bis zum 02.10.2009 unterlassen, sich beim Meldeamt der(s) Gemeinde x polizeilich anzumelden, obwohl, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, sich innerhalb von 3 Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden hat."

 

Unter Beweismittel verweist die Anzeige darauf, dass der Bw bereits unter GZ x wegen der Meldeübertretung angezeigt worden sei. Trotz der Aufforderung vom 20. August 2009 habe er sich bisher nicht angemeldet. Die Unterkunftnahme werde weder vom Bw, noch von dessen Lebensgefährtin x bestritten. Diese habe ausgesagt, dass x ihr Lebensgefährte sei und seit der Entlassung aus dem Gefängnis bei ihr wohne. Er sei aber nicht bereit sich anzumelden und sie könne ihn dazu nicht zwingen.

 

Der Bw habe angegeben, dass er sich laut Aussage von Staatsanwalt x aus x in Österreich nicht anmelden dürfe. Er werde sich auch hinkünftig nicht anmelden, obwohl er bei seiner Lebensgefährtin wohnhaft sei.

 

2.2. Mit Strafverfügung vom 7. Oktober 2009, eigenhändig zugestellt am 7. Dezember 2009 durch einen Polizeibeamten, wurde dem Bw die Tat wie in der Anzeige der PI x angelastet. Daraufhin brachte der Bw mit Telefaxeingabe vom 7. Dezember 2009 unter Angabe der Aktenzahl und mit Bezugnahme auf ein Telefonat mit x (Sachbearbeiter der Strafverfügung) vom gleichen Tag vor, dass er gegen den Gendarmerieposten x Anzeige wegen Gebietsverletzung am 17. Juni 2007 erstatten wolle, da er keine Wohnanschrift in Oberösterreich gehabt hätte und der nach seinem Aufenthalt bestimmte Posten zuständig gewesen wäre. Dies wäre der Posten x und nicht x gewesen, der Kenntnis hatte, dass er bei x in x aufhältig war. Herr x habe seine Sachen am 17. Juni 2007 Frau x gebracht, die er als Vertrauensperson angegeben hätte (Übergabe – Bestätigung vom 17.06.2007 abermals beigelegt). Abschließend heißt es wörtlich:

 

"Herr x wenn Sie dies alles

Aufklären wollen, dann fangen Sie Bitte gleich

mit der Aufklärung bei der Gendarmerieposten

x an, damit das Vaterland Öst. auf

Sie stolz sein kann

 

Ersuche um baldige Aufklärung Herr x

Schreiben am 7.10.09 an den Bürgermeister x lege ich bei

         Hochachtungsvoll

            x"

 

Diese Eingabe wertete die belangte Behörde als Einspruch gegen die Strafverfügung und meinte dazu, dass unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht worden wäre (vgl Straferkenntnis, Seite 2). In weiterer Folge wurde das Straferkenntnis vom 14. Dezember 2009 abgefertigt und dem Bw am 21. Dezember 2009 von Polizeibeamten zugestellt.

 

2.3. Mit Schreiben vom 27. Jänner 2010 teilte Herrn x vom Verein VertreungsNetz - Sachwalterschaft, x , der belangten Behörde Folgendes mit:

 

"Sachwalterschaft x

Meldeangelegenheit

 

Sehr geehrte Frau Mag. x,

 

wie bereits mehrmals telefonisch besprochen kann ich in obiger Angelegenheit folgendes mitteilen:

Bei der Bestellung eines Sachwalters mit der zu besorgenden Angelegenheit Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden obliegt es dem Sachwalter den Betroffenen bei der zuständigen Behörde anzumelden.

 

Im speziellen Fall x ist es nun so, dass der Betroffene vehement gegen die Bestellung eines Sachwalters ist und auch jeden persönlichen Kontakt zum Sachwalter ablehnt – auch die vorgesehenen Hausbesuche.

Bei fallweise geführten Telefonaten behauptet Herr x mir gegenüber jeweils, dass er keinen ordentlichen Wohnsitz hat – zuletzt am 22.01.2010 gab Herr x an, dass er obdachlos gemeldet sei.

Der Betroffene gibt keinerlei Auskunft über den derzeitigen Aufenthaltsort bzw. über einen allfälligen Quartiergeber. Da eine Anmeldung des Betroffenen lediglich aufgrund einer Annahme wo sich der Betroffene aufhalten könnte auszuschließen ist und es nicht meine Aufgabe sein kann zu erheben wo Herr x aufhältig ist, fehlt in dieser Sache die Voraussetzung für die vorgesehene Angelegenheitsbesorgung

 

Im Fall einer Strafverfügung wäre meines Erachtens seitens der Behörde zu überprüfen, ob bei Herrn x in diesem Bereich überhaupt eine Schuldfähigkeit vorliegt (Neuropsychiatrisches Gutachten vom 09.10.205 Seite 19).

 

Mit freundlichen Grüßen

x eh."

 

2.4. Der Sachwalter hat seinem Schreiben die Bestellungsurkunden und die Seiten 19 und 20 eines neuropsychiatrischen Gutachtens (ohne feststellbares Datum) der Salzburger Gerichtssachverständigen Ass. Prof. Dr. x und o. Univ.-Prof. Dr. x angeschlossen. Im Wesentlichen geht daraus schon hervor, dass der Bw im Rahmen einer querulatorischen Entwicklung an einer Störung der Realitätskontrolle leide. Er sei Argumenten Dritter nicht mehr zugängig. Daraus resultiere die Gefahr einer Selbstbeschädigung im sozioökonomischen Bereich. Der Bw sei aus alleiniger kognitiver Sicht in der Lage die Tragweite einer Vollmacht zu erfassen. Er sei jedoch auf Grund der bestehenden Störung der Realitätskontrolle nicht in der Lage, die Notwendigkeit zur Ausstellung einer Vollmacht zu erkennen, bzw sei er auch nicht in der Lage einen allfällig Bevollmächtigten entsprechend zu überprüfen. Das Resümee der Gutachter lautet:

 

"Aus nervenfachärztlicher Sicht liegen somit die Voraussetzungen zur Bestellung eines Sachwalters zur Vertretung vor Behörden und Gerichten vor. Dringend erforderlich ist aus nervenfachärztlicher Sicht eine entsprechende nervenfachärztliche Behandlung. Krankheitstypisch besteht allerdings keine Krankheitseinsicht, wodurch in allfällige therapeutische Maßnahmen nicht allzu große Hoffnungen gesetzt werden dürfen. Eine Individualprognose über den weiteren Krankheitsverlauf kann nicht abgegeben werden. Aus diesem Grund wird eine Kontrolluntersuchung je nach klinischem Erscheinungsbild empfohlen."

 

2.5. Die vorgelegte Urkunde "BESTELLUNG EINES SACHWALTERS (§ 268 Abs 3 Z 2 ABGB)" vom 6. Mai 2008, Zl. 3P 3/07i-129, des Bezirksgerichts x lautet:

 

"URKUNDE

 

Für x, geb. am: x, x, x, ist

 

VertretungsNetz Sachwalterschaft x, x, x,

 

gemäß § 268 ABGB zum Sachwalter bestellt.

Der Sachwalter hat folgenden Kreis von Angelegenheiten zu besorgen (§ 268 Abs 3 Z 2 ABGB):

 

Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern;

Eröffnung eines Pensionskontos

 

 

Bezirksgericht x

Gerichtsabteilung x

x

(RICHTER)"

 

In der weiter vorgelegten Urkunde des Vereins VertretungsNetz vom 18. August 2009, Zl. x, wird Herr x, pA VertretungsNetz – Sachwalterschaft, x, x, als die Person bekannt gegeben, die mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft (Vertretung vor Behörden und Gerichten) vom Vereinssachwalter betraut ist. Dabei wird einleitend darauf hingewiesen, dass Herr x mit Beschluss des Bezirksgerichts x vom 27. Dezember 2005, x (Zustellung am 03.01.2006), zum Sachwalter des x, geb. x, bestellt worden war. Gemäß Art X § 4 Abs 1 des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006 (BGBl I Nr. 92/2006) sei die Sachwalterschaft mit 1. Juli 2007 auf den Verein Vertretungsnetz – Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung übergegangen.

 

2.6. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 1. Februar 2010 ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt und auf einen Aktenvermerk vom gleichen Tag verwiesen. In diesem Aktenvermerk wird die Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, dass die Erfüllung der Meldepflicht keine besondere Anforderungen an die intellektuelle Leistungsfähigkeit stelle, weshalb auch der Bw trotz seiner Behinderung der Meldepflicht nachzukommen und die Verwaltungsübertretung begangen habe, zumal ihm kein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt worden sei.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, das schon aus der Aktenlage abzuleiten ist, dass die belangte Behörde das bisherige Verwaltungsstrafverfahren nicht rechtswirksam durchgeführt hat.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist.

 

Dabei gilt der Grundsatz, dass die Rechtsfähigkeit die Parteifähigkeit und die Handlungsfähigkeit die Prozessfähigkeit begründet (vgl Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 [2003], Rz 131). Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 214, Anm 3, 224 f, E 27a und E 27c zu § 9 AVG).

 

Für die Prozessfähigkeit im Verwaltungsstrafverfahren kommt es nicht darauf an, ob der Beschuldigte iSd § 3 Abs 1 VStG zurechnungsfähig ist oder nicht. Vielmehr ist im Hinblick auf § 24 VStG iVm § 9 AVG entscheidend, ob der Beschuldigte im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses in der Lage ist, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen und zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (vgl VwGH 29.3.1989, Zl. 89/02/0014).

 

Für die Beurteilung der Handlungsfähigkeit (Prozessfähigkeit) einer behinderten Person ist der Gerichtsbeschluss über die Bestellung des Sachwalters (§ 273 Abs 3 ABGB entspricht nunmehr seit der Neufassung durch das SWRÄG 2006, BGBl I Nr. 92/2006, dem § 268 Abs 3 ABGB) bedeutsam (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 254, Anm 2 zu § 11 AVG). Gemäß § 280 Abs 1 ABGB kann die behinderte Person innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten.

 

Die Sachwalterbestellung wirkt für die Zeit ab ihrer Erlassung insofern konstitutiv, als die Prozessfähigkeit und Handlungsfähigkeit in dem umschriebenen Ausmaß nicht mehr gegeben ist. Hinsichtlich des vorangegangenen Zeitraums ist zu prüfen, ob der Betroffene nicht mehr prozessfähig gewesen ist und damit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite der prozessualen Vorgänge zu erkennen und sich den diesbezüglichen Anforderungen entsprechend zu verhalten (vgl Nachw aus der Judikatur bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 223 f, E 25b, E 25g und E25h zu § 9 AVG).

 

Mangelnde Prozessfähigkeit führt zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte (vgl mwN Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 Rz 135). War eine nicht voll handlungsfähige Person in einem Verwaltungsverfahren durch ihren gesetzlichen Vertreter nicht vertreten, so kann der ergangene Bescheid dieser Person gegenüber nicht rechtswirksam werden (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 225, E 28 zu § 9 AVG).

 

4.2. Dem Bw mangelt es auf Grund der seit dem Jahr 2006 erfolgten Bestellung eines Sachwalters für die Vertretung vor Gerichten und Behörden schon jahrelang an der Handlungs- bzw Prozessfähigkeit im Verkehr mit Gerichten und Behörden. Alle nur ihm und nicht auch gegenüber seinem Sachwalter gesetzten verfahrensrechtlichen Akte sind von vornherein unwirksam. Eine Aussage über die davon zu unterscheidende Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit ist damit noch nicht getroffen. Dies verkennt die belangte Behörde offenbar in ihrem Aktenvermerk vom 1. Februar 2010. Die Schuldfähigkeit wird im Fall des gegenständlichen Meldevergehens im Hinblick auf die deutliche Störung der Realitätskontrolle beim Bw allenfalls noch gesondert mit Hilfe von geeigneten Sachverständigen zu prüfen sein. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde (vgl Aktenvermerk vom 01.02.2010) genügt der Hinweis auf die Nichtbestellung eines Sachwalters zur Besorgung aller Angelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 3 ABGB) noch nicht, um die Schuld- bzw Zurechnungsfähigkeit im konkreten Fall bejahen zu können.

 

Der Oö. Verwaltungssenat teilt die Ansicht des Sachwalters, dass es im gegenständlichen Fall – wegen der Handlungsunfähigkeit des Bw im Behördenverkehr - seine Aufgabe ist, die Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde vorzunehmen. Mangels Mitwirkung des Bw, der jeden persönlichen Kontakt zum Sachwalter ablehne und nicht einmal Auskunft über seinen Aufenthalt gebe, habe der Sachwalter dem bisher nicht entsprechen können. Auf Grund dieser Mitteilung des Sachwalters sowie unter Berücksichtigung des offenkundig querulatorischen, das eigentliche Thema verfehlenden Inhalts der Eingaben des Bw scheint tatsächlich auch dessen Schuldfähigkeit im Zusammenhang mit der Übertretung des Meldegesetzes fraglich zu sein. Nach dem vom Sachwalter vorgelegten Auszug aus dem neuropsychiatrischen Gutachten betreffend die Voraussetzungen für eine Sachwalterbestellung beim Bw ist dieser zwar kognitiv in der Lage, die Tragweite einer Vollmacht zu erfassen, nicht aber die Notwendigkeit zu deren Ausstellung (bzw Erteilung) zu erkennen. Insofern zeigt sich eine deutliche Parallele zum gegenständlichen Fall. Der Bw wird zwar intellektuell grundsätzlich die allgemeine Bedeutung der Meldepflicht erfassen, die Notwendigkeit der Erfüllung der Meldepflicht in seinem eigenen Fall scheint er aber wegen des eingetretenen Realitätsverlustes im Rahmen seiner querulatorischen Entwicklung zu verkennen.

 

4.3. Die belangte Behörde hat das gesamte Verwaltungsstrafverfahren nur mit dem Bw durchgeführt. Schon aus den Eingaben des Bw waren Indizien erkennbar, die gegen seine Prozessfähigkeit sprachen. So kann die Eingabe vom 7. Dezember 2009 nicht einmal als Einspruch gegen die (ohnehin nicht wirksam erlassene) Strafverfügung angesehen werden. Der Bw wollte inhaltlich offenbar nur eine "Anzeige bei der BH Schärding gegen den Gendarmerieposten x wegen Gebietsverletzung am 17.6.07 ... " erstatten und keinen Einspruch gegen die Strafverfügung erheben. Diese bekämpft der Bw nämlich weder formell unter ausdrücklicher Bezeichnung, noch geht er inhaltlich auf den darin erhobenen Tatvorwurf ein. Er ersucht lediglich unter Bezugnahme auf ein Telefonat mit dem Sachbearbeiter der belangten Behörde um "Aufklärung" zum Vorgehen des Gendarmeriepostens x. Wie die belangte Behörde diese Eingabe als Einspruch wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung in der Strafverfügung deuten konnte, ist für den unabhängigen Verwaltungssenat schwer nachvollziehbar.

 

Die nach Zustellung des Straferkenntnisses noch am 21. Dezember 2009 eingebrachte "Beschwerde" kann schon eher als Berufung gedeutet werden, weil der Bw immerhin in der Sache anführt, am 20. Mai 2007 und nicht am 2. August 2007 Unterkunft bei x in x genommen zu haben. Die weiteren Ausführungen verfehlen allerdings abermals das Thema weitgehend und zeigen, dass das Vorbringen des Bw nicht im Normbereich von Rechtsmittelwerbern liegt.

 

Schon auf Grund der zweifelhaften Einlassung des Bw war ersichtlich, dass mit dem Bw kein normales Verfahren durchgeführt werden kann. Die belangte Behörde ist Indizien in Bezug auf die mangelnde Handlungs- und Prozessfähigkeit nicht nachgegangen. Nicht einmal Telefonate mit dem Sachwalter und dessen Eingabe vom 27. Jänner 2010 haben die belangte Behörde zur Annahme veranlasst, dass der Bw nicht handlungs- und prozessfähig ist, zumal ihm schon seit längerer Zeit ein Sachwalter für die Vertretung vor Behörden und Gerichten bestellt worden war.

 

Da sämtliche Prozesshandlungen des handlungsunfähigen Bw unwirksam sind, konnte gegen ihn weder eine Strafverfügung noch ein Straferkenntnis wirksam erlassen werden. Diese Bescheide sind rechtlich gar nicht existent geworden.

 

5. Die gegenständliche "Beschwerde", die inhaltlich gerade noch als Berufung gedeutet werden kann, war wegen fehlender Prozessvoraussetzungen als unzulässig zurückzuweisen. Es fehlt dem Bw die Prozessfähigkeit und er wendet sich gegen ein nicht dem Rechtsbestand angehörendes Straferkenntnis.

 

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Strafverfahren erster Instanz den bestellten Sachwalter als gesetzlich vorgesehenen Vertreter des behinderten Bw zu beteiligen und die Frage der Zurechnungsfähigkeit in concreto gegebenenfalls durch einen medizinischen Sachverständigen zu klären haben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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