Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260417/25/Wim/Bu

Linz, 23.04.2010

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des X, vertreten durch  X Rechtsanwälte GmbH, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 9. September 2009, Zl. Wa96-18/15-2007/RO, wegen Übertretungen des Wasserrechtsgesetzes nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 22. Februar und 16. März 2010 zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis insofern abgeändert, als die verhängte Geldstrafe auf 800 Euro, die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 21 Stunden herabgesetzt werden.

Im ersten Spruchabsatz wird die zitierte Bescheidzahl auf "UR-303652/69-2001-Kü/Za" korrigiert.

Die verletzten Rechtsvorschriften werden ersetzt und lauten "§ 79 Abs. 2 Z 11 AWG (Abfallwirtschaftsgesetz 2002) iVm. Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6.12.2001, Zl. UR-303652/69-2001-Kü/Za und § 9 Abs. 2 VStG (Verwaltungsstrafgesetz) idgF."

Die Grundlage für den Strafausspruch wird geändert auf "§ 79 Abs. 2 Z 11 AWG."

 

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens vermindert sich auf 80 Euro. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 2.713 Euro.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

 

zu I.: § 66 Abs. 4, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 64 Abs. 1 u. 2 u. 65 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 130 Abs. 3 Z 3 iVm § 33b Abs. 3 Wasserrechtsgesetz 1959 eine Geldstrafe in der Höhe von 1000 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 27 Stunden, sowie ein 10% iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Sie sind als verantwortlicher Beauftragter der X GmbH & Co KG, X, X, verwaltungsstrafrechtlich dafür verantwortlich, dass die im Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Dezember 2001, UR-3003652/69-2001-Kü/Za, festgelegten Grenzwerte für das Maß der Wasserbenutzung in quantitativer und qualitativer Hinsicht (Spruchabschnitt II, Nebenbestimmungen, Punkt 3.1.1 und Punkt 3.1.2) für die im Betrieb der X GmbH & Co KG, X, X, Gemeinde X, anfallenden betrieblichen Abwässer der chemisch-physikalischen Behandlungsanlage (C/P-Anlage), welche über einen PVC-Rohrkanal, Durchmesser 150 mm, in den Ortskanal der Gemeinde X und in weiterer Folge in die Anlagen des Reinhalteverbandes X eingebracht werden, am 30. April 2007, wie nachstehend angeführt, überschritten wurden:

 

A) In quantitativer Hinsicht:

 

Parameter

Messwert

Grenzwert

CSB-Schmutzfracht

 

 

873,3 kg/d

 

max. 5 l/s bzw. max. 18m³/h oder 120 m³/d mit einer Schmutzfracht von max. 600 kg CSB/d bzw. 2.800 CSB/w.

 

B) In qualitativer Hinsicht:

 

Parameter

Messwert

Grenzwert

Toxizität GL

 

 

256

Toxizität GA,GL,GdGF keine Hemmung der biologischen Abbauvorgänge à Bei GL-Werten von über 128 wird die Probe als

sehr stark toxisch eingestuft.

Nitrit

5300 mg/l

Nitrit (berechnet als N): 10 mg/l

Summe der flüchtigen

aromatischen Kohlenwasserstoffe (Summe aus Benzol, Toluol.

Xylole und Ethylbenzol

0,258 mg/l

 

 

 

 

0,1 mg/l

 

 

Weiters wurde ein Ersatz für die Kosten der Analysen als Barauslage vorgeschrieben.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Zwischenfall um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe, welcher aus einer Verkettung verschiedener Einzelursachen entstanden sei und welcher aufgrund des bestehenden Kontrollsystems nicht vorhersehbar gewesen sei. Es sei auch seit diesem Vorfall in der Kläranlage des Reinhaltungsverbandes X zu keinen weiteren Zwischenfällen gekommen, die auf die Tätigkeit der Fa. X zurückzuführen gewesen seien.

 

Die Fa. X habe bereits im Juni 2006 Abwasserentsorgungsarbeiten für die X GmbH & CO KG (in weiterer Folge X) durchgeführt. Im Zuge dessen seien die Abwässer aus einer Maleinsäureanhydrid-Anlage (in weitere Folge MSA-Anlage) gereinigt und in weiterer Folge entsorgt worden, wobei hier keinerlei Probleme im Zusammenhang mit der Einleitung dieser Abwässer aufgetreten seien.

Am 27.4.2007 sei Vorwagner wiederum von der X mit der kurzfristigen Absaugung und Entsorgung von Abwässern der MSA-Anlage beauftragt worden. Diese sei auftragsgemäß durchgeführt worden, wobei davon ausgegangen worden sei, dass im betreffenden Kesselwagon der X befindliche Abwässer solche aus der Reinigung der MSA-Anlage gewesen seien, welche bei der routinemäßigen Reinigung jährlich anfallen würden und welche daher seitens X bereits im Jahr 2006 entsorgt worden seien. Im Zuge der Eingangskontrolle der zu entsorgenden Abwässer wurde ein Vergleich der diesbezüglichen Analysewerte mit den Abwässern aus dem Jahr 2006 durchgeführt und sei aufgrund dessen begründet davon auszugehen gewesen, dass es sich hier wiederum um Abwässer aus der Reinigung der MSA-Anlage handle.

In Entsprechung des Auflagenpunktes 3.4 des Bewilligungsbescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6.12.2001, Zl. UR-303652/69-2001 sei im Zuge der Eingangskontrolle auch ein Sauerstoffgehaltstest im Hinblick auf die Beeinträchtigung der biologischen Abbauvorgänge durchgeführt worden. Weiters hätte auch im Rahmen der Eigenüberwachung gemäß Auflagepunkt 3.5 des oben angeführten Bescheides keine signifikante Abweichung der am 30.4.2007 entsorgten Abwässer im Vergleich zu jenen Abwässern, welche am 27.6.2006 entsorgt wurden, festgestellt werden können.

 

Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass es sich bei den am 30.4. 2007 entsorgten Abwässern um eine Kaliumnitrat/Natriumnitrid/Natriumnitrat-Lösung gehandelt habe, über die zwischen X und Vorwagner bereits ein entsprechender E-Mail Verkehr geführt worden war, in welchem eine rechtzeitige Bekanntgabe der Entsorgung sowie die Übermittlung eines entsprechenden Sicherheitsdatenblattes zu Beschreibung der betreffenden Abwässer vereinbart worden war. Nachdem dies alles nicht erfolgt sei, sei Vorwagner zu Recht davon ausgegangen, dass es sich um die unbedenklichen Abwässer der jährlich zu entsorgenden MSA-Anlage handeln würde.

 

Vorwagner habe sämtliche Bescheidauflagen eingehalten und in keinster Weise erkennen können, dass es sich dabei nicht um die Abwässer aus der Reinigung der MSA-Anlage der X handle. In der Folge sei unter Mitwirkung von Vorwagner das innerbetriebliche Kontrollsystem optimiert worden und sei auch die Eigenüberwachung durch Anpassung des Bewilligungsbescheides um Bestimmung des Nitritgehaltes erweitert worden.

Seit dem verfahrensgegenständlichen Zwischenfall sei es zu keinem weiteren Störfall in der Kläranlage gekommen, welche auf die Tätigkeit von Vorwagner zurückzuführen gewesen sei.

 

Dem Berufungswerber könne daher aufgrund der beschriebenen Umstände und des vorliegenden Sachverhalts kein Vorwurf des Verschuldens gemacht werden, weshalb mangels Vorliegen der subjektiven Tatstandbestandselemente eine Bestrafung nicht möglich sei.

 

Darüber hinaus sei der Bescheid unzureichend begründet und habe sich die Erstbehörde nicht mit den Argumenten des Berufungswerbers auseinandergesetzt.

 

Selbst bei Annahme leichter Fahrlässigkeit wäre ein solches Verschulden nur als bloß geringfügig zu beurteilen und daher ein Absehen von der Strafe im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG geboten. Durch den lediglich einmaligen Störfall sei es weder zu einer Kontamination des Bodens noch des Grundwassers gekommen sowie auch zu keinem (nachhaltigen) Schaden an der Kläranlage und sei deren Funktionsfähigkeit lediglich für die Dauer eines Tages beeinträchtigt worden.

Die Erstbehörde habe nicht begründet, warum sie von keiner Anwendbarkeit des § 20 und 21 VStG ausgehe wobei auf deren Anwendung nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsanspruch des Beschuldigten bestehe.

Im Übrigen wäre auch die verhängte Strafe generell zu hoch, da der Berufungswerber bislang unbescholten sei. Der Berufungswerber habe sich auch ernstlich bemüht den verursachten Schaden gut zu machen sowie weitere nachteilige Folgen zu verhindern. Es sei folglich von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe im Verhältnis zu den Erschwernisgründen auszugehen, weshalb gemäß § 20 VStG auch eine außerordentliche Milderung der Strafe zu erfolgen habe.

 


3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie die Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 22. Februar und 16. März 2010 bei denen unter Beiziehung eines Amtssachverständigen aus dem Bereich Chemie neben dem Berufungswerber auch zwei Verantwortliche der X für die konkrete Abfallentsorgung sowie der Geschäftsführer der Fa. X zeugenschaftlich einver­nommen wurden.

 

3.2. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2010 wurde vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers auch noch gerügt, dass die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Chemie vom 12. Februar 2009, OGW-GS-680000/48-2009 von der Erstbehörde nicht zum Parteiengehör gebracht wurde. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 17. März 2010 brachte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers noch vor, dass ganz offensichtlich ein anderes Abwasser angeliefert worden sei, als im E-Mailverkehr erwähnt worden sei. Den Berufungswerber treffe somit kein Verschulden und wenn überhaupt ein solches denkbar wäre, dann wäre es bloß als geringfügig einzustufen. Es würden somit die Voraussetzungen des § 20 bzw. 21 VStG vorliegen.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Berufungswerber ist rechtsgültig zum verantwortlichen Beauftragten der X GmbH & Co KG bestellt worden. Diese ist gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig und schon jahrelanger Entsorgungspartner der X-Chemie für die laufend verschiedenste Abfallentsorgungsleistungen erbracht werden.

 

Bereits im Juni 2006 wurden Reinigungswässer aus der Maleinsäureanhydrid-Anlage (MSA-Anlage) von Vorwagner entsorgt, behandelt und anschließend über die öffentliche Kanalisation in die Kläranlage des Reinhaltungsverbandes X und idF. in die Traun abgeleitet, wobei es zu keinerlei Problemen kam. Die Behandlung dieser Abwässer erfolgte in einer chemisch-physikalischen Abfallbehandlungsanlage (CP-Anlage). Für diese wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Dezember 2001, UR-303652/69-2001 eine Genehmigung für die Änderung dieser Anlage und zwar zur Errichtung eines Biofilters und zur Einleitung der anfallenden Abwässer in die Kanalisation der Gemeinde X und iwF. in die Anlagen des Reinhalteverbandes X auf Basis des § 29 AWG erteilt, wobei unter Spruchabschnitt I. die grundsätzliche abfallwirtschaftliche Genehmigung erfolgt ist und unter Spruchabschnitt II. Nebenbestimmungen aus luftreinhaltetechnischer, bau- und gewerbetechnischer sowie unter Punkt 3. aus wasserwirtschaftlicher Sicht festgelegt wurden. Unter Punkt 3.1.1. u. 3.1.2. wurden unter anderem die im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführten Grenzwerte für die Einleitungen in die Kanalisation und in die Anlagen des Reinhalteverbandes festgelegt. Unter Auflagenpunkt 3.4. ist als Nachweis, dass die gegenständlichen Abwässer keine Beeinträchtigungen der biologischen Abbauvorgänge in der Anlage des Reinhalteverbandes hervorrufen, vorgesehen, dass von jeder abgeleiteten Charge ein näher beschriebener " Atmungstest" durchzuführen ist. Nach Punkt 3.5. ist im Rahmen der Eigenüberwachung täglich (sofern eine Ableitung erfolgt) eine Untersuchung des abgeleiteten Abwassers auf folgende Parameter durchzuführen: pH-Wert, Blei, Cadmium, Kupfer, Nickel, Chrom, Zink, Silber, AOX, CSB (Tagesfracht max. 600 kg), ges. Kohlenwasserstoffe, schwerflüchtige lipophile Stoffe, Barium und abfiltrierbare Stoffe.

 

Gegen Ende des Jahres 2006 wandte sich die X an X betreffend der Entsorgung einer Salzschmelze. Diese wird als Wärmeträgermedium im Reaktor der MSA-Anlage verwendet. Ursprünglich gab es Überlegungen diese Salzschmelze in konzentrierter Form zu entsorgen, was sich aber mangels Transport- und Deponierungsmöglichkeit als nicht durchführbar herausstellte.

In der Folge ersuchte die X schließlich mit E-Mail vom 14.12.2006 um ein Angebot betreffend die Entsorgung der wässrigen Salzschmelzlösung in der Form als diese Salzschmelze abgekühlt und mit Wasser soweit verdünnt werden sollte als sie gerade noch in flüssiger Form vorliegt. Im gesamten Mailverkehr wurde immer um die Entsorgung der wässrigen KNO3/NaNO2/NaNO3 Salzlösung angefragt, und die näheren Konditionen ermittelt, wobei der entsprechende Schriftverkehr zwischen Herrn X, einem Mitarbeiter der X und dem abfallrechtlichen Geschäftsführer von X Herrn Ing. X geführt wurde. Für Herrn Ing. X als ausgebildeten Chemiker war es durchaus erkennbar, dass es sich dabei um nitrithältige Abwässer handeln kann. In diesem Schriftverkehr wurde in Aussicht gestellt ein Sicherheitsdatenblatt für die wässrige Lösung zu erstellen. Der E-Mailverkehr endet mit 12. Jänner 2007, im welchem die Fa. X mitteilt, dass entsprechend den Wünschen der X entweder zwei oder vier Tankfahrzeuge bereitgestellt werden könnten. Falls vier Tankfahrzeuge benötigt werden würde eine Vorlaufzeit von ein bis zwei Wochen benötigt werden, um entsprechend disponieren zu können.

 

Schließlich erfolgte telefonisch zwischen Herrn Dr. X von der X und Herrn Ing. X am 27. April 2007 der Auftrag kurzfristig einen Kesselwagon mit Abwässern aus der MSA-Anlage abzusaugen und zu entsorgen. Dies wurde mit 30.4.2007 durchgeführt. Die Abwässer wurden ohne Beischaffung eines Sicherheitsdatenblattes von der Fa. X entsorgt und in der CP-Anlage behandelt, nachdem die Eingangskontrollen insbesondere der Atmungstest durchgeführt wurden. Gesondert auf Nitrit wurde kein Test durchgeführt. Solche Nitritbestimmungen sind grundsätzlich relativ einfach und kostengünstig durch­zu­führen.

 

Bei der anschließenden Ableitung nach der Behandlung in der CP-Anlage kam es in der Kläranlage des Reinhalteverbandes X schließlich zu einem Ausfall der Biologie, sodass die Kläranlage ca. einen Tag außer Funktion gesetzt wurde. Die Fa. X hat sich an der Sanierung bzw. Wiedergutmachung des Schadens in der Kläranlage beteiligt und hat Klärschlamm aus der Kläranlage Ager-West zur Kläranlage X transportiert. Überdies wurde in Kooperation und Abstimmung mit der Abfallbehörde die innerbetriebliche Eigenüberwachung angepasst und um die Vorschreibung eines Nitritbestimmungstests erweitert.

 

3.4. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrens­akt sowie aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen und des Berufungswerbers. Er wurde im Rahmen der gemachten Feststellungen auch nicht bestritten.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. § 79 Abs. 2 Z 11 AWG lautet:

Wer die gemäß § 43 Abs. 4, § 44, § 54 Abs. 2 oder § 58 Abs. 2 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen, oder Befristungen oder die Auflagen, Bedingungen oder Befristungen der gemäß § 77 übergeleiteten Bescheide oder die gemäß § 48 Abs. 1 vorgeschriebenen Befristungen nicht einhält, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 360 Euro bis 7.270 Euro; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 1.800 Euro bedroht.

 

Unter der Überschrift "Übergangsbestimmungen betreffend das Außer-Kraft-Treten des AWG 1990" regelt § 77 Abs. 2 AWG, dass Behandlungsanlagen, die gemäß § 37 genehmigungspflichtig sind, keiner Genehmigung bedürfen nach diesem Bundesgesetz, wenn ein nach der vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetztes geltenden Rechtslage erforderliches Genehmigungs-, Bewilligungs- oder Anzeigeverfahren anhängig oder rechtskräftig abgeschlossen ist.

 

Bei der angeführten Genehmigung vom 6. Dezember 2001 handelt es sich um eine abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung aufgrund der Rechtsgrundlage des § 29 u. 29a des AWG 1990, die unter diese Übergangsbestimmung fällt.

Unter Spruchabschnitt II. wurden Nebenbestimmungen zu dieser abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung aus verschiedenen Gesichtspunkten unter anderem auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht festgelegt. Dies bedeutet, dass eine Übertretung von Bescheidauflagen als Übertretung des Abfallwirtschaftgesetzes zu ahnden ist und nicht auf der Basis des Wasserrechtsgesetzes.

Es war daher grundsätzlich die Strafbarkeit auf die einschlägigen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes iVm. dem Bescheid, der die übertretenden Auflagen enthält, umzustellen. Dies war ohne weiteres zulässig, da sich am faktischen Tatvorwurf nichts ändert und dem Berufungswerber es möglich war entsprechendes zweckdienliches Vorbringen zu Wahrung seiner Rechte im Rahmen des Parteiengehörs zu erstatten. Gleiches gilt auch für die geringfügige Korrektur der im Spruch angeführten Bescheidzahl.

 

4.2. Dass die Grenzwertüberschreitungen erfolgt sind, wird auch vom Berufungswerber nicht in Abrede gestellt und ist aufgrund der Messergebnisse eindeutig erwiesen. Der objektive Tatbestand der Nichteinhaltung der angeführten Bescheidauflagen ist somit erfüllt.

 

Die vorgeworfenen möglichen Verfahrensmängel der Erstinstanz sind durch das umfassende Ermittlungsverfahren des Unabhängigen Verwaltungssenates auf jeden Fall geheilt.

 

4.3. Zum Verschulden ist grundsätzlich auszuführen, dass es sich bei der angeführten Übertretung um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 VStG handelt, bei dem Fahrlässigkeit dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Um ein Verschulden auszuschließen muss der Berufungswerber ein entsprechend wirksames Kontrollsystem eingerichtet haben. Dazu hat er initiativ darzulegen, dass er alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grunde erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, sondern entscheidend ist deren wirksame Kontrolle.

 

Grundsätzlich hat der Berufungswerber bzw. das von ihm vertretene Unternehmen die Vorschriften des geltenden Genehmigungsbescheides hinsichtlich der Überwachungspflichten im Wesentlichen eingehalten. So wurde der Atmungstest durchgeführt und hat dieser offensichtlich keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Ableitung der Abwässer geführt. Grundsätzlich scheinen auch die sonstigen Maßnahmen der Eigenüberwachung durchgeführt zu worden sein, wobei hinsichtlich der Überschreitung des Parameters Fracht von CSB doch anzumerken ist, dass schon aufgrund dieser Eigenüberwachung dies dem Berufungswerber hätte auffallen müssen, da hier eine tägliche Kontrolle der CSB Frachten im Bescheid vorgesehen ist.

 

Grundsätzlich handelt es sich beim Unternehmen X um einen Spezialisten auf dem Bereich der Abfallentsorgung und einen konzessionierten Abfallsammler und -behandler. Für diesen ist hinsichtlich der Sorgfaltsverpflichtungen ein entsprechend strenger Maßstab aufgrund der Fachkunde und der ausgeübten Tätigkeit anzunehmen. Dazu ist auszuführen, dass nach Auffassung des Unabhängige Verwaltungssenates von einem ordnungsgemäßen und sorgfältigen Abfallentsorger sehr wohl hätte erwartet werden können, dass wenn in etwa vier Monate vor der gegenständlichen Entsorgung über die Entsorgung von eindeutig nitrithältigen Abwässern mit der Fa. X korrespondiert wurde noch dazu von der selben MSA-Anlage und plötzlich ein kurzfristiger telefonischer Auftrag zur Entsorgung von Abwässern aus dieser MSA-Anlage erfolgt, hier die Möglichkeit von nitrithältigen Abwässern bedacht hätte werden müssen und daher auf ein Sicherheitsdatenblatt hätte bestanden werden müssen bzw. eine entsprechende genauere Untersuchung der Abwässer, die über den rein bescheidmäßig vorgesehenen Umfang hinausgehen, durchgeführt werden müssen, noch dazu als diese Untersuchungen auch nach den unbestrittenen Ausführungen des Amtssachverständigen für Chemie weder mit besonderem Aufwand oder besonderen Kosten verbunden sind. Auch eine Rückfrage bei der X wäre ohne weiteres zumutbar gewesen ob es sich dabei um die bereits schon einmal entsorgten Reinigungswässer oder um andere Abwässer nämlich solche aus der Salzschmelze oder sonstige handelt.

Auch die Durchführung der bescheidmäßig vorgeschriebenen Eingangsuntersuchungen und Eigenüberwachungen entlastet hier den Berufungswerber nicht soweit, als von einem bloß geringfügigen Verschulden in Form eines bloßen Versehens, dass jedem sorgfältigem Abfallentsorger passieren könnte, gesprochen werden könnte. Gerade auch der Umstand, dass die Entsorgung unter großem Zeitdruck erfolgen musste, hätte den Berufungswerber umso mehr zur Vorsicht anhalten müssen, da erfahrungsgemäß gerade bei überstürzten Entsorgungen die Gefahr von Fehlern und damit Störfällen steigt. Der Berufungswerber hat daher die Übertretung auch in subjektiver Hinsicht in Form der Fahrlässigkeit zu verantworten.

 

4.4. Zur Strafbemessung ist grundsätzlich auszuführen, dass durch die Umstellung auf die Strafbestimmung des AWG der Berufungswerber als gewerbliches Entsorgungsunternehmen grundsätzlich einer Mindeststrafe von 1.800 Euro unterliegen würde. Gemäß § 51 Abs. 6 VStG darf jedoch aufgrund einer vom Beschuldigten oder aufgrund einer zu seinen Gunsten behobenen Berufung in einer Berufungsentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid. Dieses Privileg kommt auch dem Berufungswerber im gegenständlichen Fall zu Gute und darf daher der Unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich nur die behördlich verhängte Strafe in Hinblick auf die Rechtmäßigkeit im Zusammenhang mit den Strafbemessungsbestimmungen des § 19 VStG überprüfen. Dazu ist festzustellen, dass die verhängte Strafe unter den von der Erstbehörde angenommenen Prämissen grundsätzlich durchaus als angemessen anzusehen ist auch unter den gegebenen persönlichen Verhältnissen. Dem Berufungswerber ist Fahrlässigkeit hinsichtlich der Grenzwertüberschreitungen anzulasten. Weiters ist durch die Übertretung sehr wohl ein Schaden eingetreten, da nämlich die Grenzwertbestimmungen auch dem Schutz der Kläranlage und deren Reinigungsleistung dienen. So hat gerade die Einleitung der extrem überhöhten Nitritwerte die Biologie der Kläranlage für einen Tag außer Funktion gesetzt, wodurch keine adäquate Reinigung des eingeleiteten Abwassers mehr möglich war. Lediglich der Verdünnungswirkung im Vorfluter ist es zu verdanken, dass hieraus keine messbaren Schädigungen im Gewässer entstanden sind.

 

Als mildernd nicht angerechnet wurden jedoch von der Erstbehörde, dass aktive Mitwirken des Unternehmens des Berufungswerbers an der Schadenswiedergutmachung in Form des Herantransportes von entsprechendem aktiven Klärschlamm aus der Nachbarkläranlage. Überdies ist dem Beschuldigten auch die lange Verfahrensdauer als strafmildernd im Sinne der herrschenden Judikatur anzurechnen. Darüberhinaus wurde als strafmildernd nur der Umstand gewertet, dass der Beschuldigte wegen eines ähnlichen Deliktes bzw. einer Übertretung des AWG bisher noch nicht bestraft wurde. Aus einem eingeholten Verwaltungsvorstrafenauszug ergibt sich jedoch, dass er bisher völlig unbescholten war. Es war dies daher auch entsprechend zu berücksichtigen. All dies ergibt die vorgenommene Strafreduktion und damit auch die Reduzierung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten. Für das Berufungsverfahren fallen gemäß § 65 VStG keine weiteren Verfahrenskosten an.

 

Bei der nach der ursprünglichen Strafbestimmung verhängten Strafe gibt es keine Mindeststrafe, sodass naturgemäß der § 20 VStG nicht zur Anwendung kommen konnte. Im Zuge der nunmehrigen Umstellung der Strafbestimmung ist jedoch festzustellen, dass ein beträchtliches Überwiegen von Milderungsgründen bei der gegebenen Konstellation nicht erkannt werden kann, sodass hier keine außerordentliche Milderung der Strafe formal in Betracht kommt, während jedoch inhaltlich durch die nunmehr verhängte Strafe dies faktisch dennoch erfolgt ist. Ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG scheitert schon am fehlenden geringfügigen Verschulden und auch daran, dass die Folgen der Übertretung nicht als unbedeutet anzusehen sind. Wie bereits ausgeführt dient die Übertretung auch dem Schutz der Kläranlage und zur Sicherung deren Funktionsfähigkeit, die massiv durch die Einleitung der nitrithältigen Abwässer gestört und beeinträchtigt wurde.

 


Da somit grundsätzlich die Strafbarkeit zu bestätigen war, bleibt auch die Vorschreibung der Analysekosten als Barauslagen im gegenständlichen Verfahren auf der Grundlage des § 64 Abs. 3 VStG aufrecht. Der Berufungswerber hat dazu auch keinerlei Einwendungen erhoben.

 

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden: 

 

 

 Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Leopold Wimmer

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 28.02.2013, Zl.: 2010/07/0082-5

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