Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252358/2/Sr/Mu/Sta

Linz, 26.04.2010

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 14. Dezember 2009, GZ 0031214/2009, wegen einer Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Verwaltungsstrafsache an den Bezirkshauptmann von Linz-Land weitergeleitet wird.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – 1991 – AVG i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG;

zu II: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 14. Dezember 2009, GZ 0031214/2009, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft.

 

"I. Tatbeschreibung:

 

Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen vertretungsbefugtes Organ der Firma x mit dem Sitz in x, die unbeschränkt haftender Gesellschafter der Firma x mit dem Sitz in x ist, zu verantworten, dass die Firma x als Arbeitgeber ihrer Verpflichtung, einen von Ihnen in der Krankenversicherung (Vollversicherung) pflichtversicherten, beschäftigten Dienstnehmer – vor Arbeitsantritt – beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden insofern nicht nachgekommen ist, als diese Firma als Dienstgeber am 15.04.2009 im Ausmaß von 3 Stunden, am 19.04.2009 im Ausmaß von 2 Stunden, am 28.04.2009 im Ausmaß von 2 Stunden und am 20.05.2009 im Ausmaß von 2 Stunden den Dienstnehmer Herrn x, geboren x, wohnhaft x als Arbeiter – Reinigen der Firmenautos, Baustellenreinigung, etc. – und somit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit fallweise gegen Entgelt beschäftigt hat, ohne diesen Arbeitnehmer – jeweils vor Arbeitsantritt – beim zuständigen Krankenversicherungsträger, nämlich der x mit Sitz in x angemeldet zu haben. Aufgrund des Vorliegens fallweiser Beschäftigung liegt eine Vollversicherung vor.

 

II. Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:

 

§§ 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG

 

..."

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde über den Bw eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 73 Euro (10% der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen aus, dass sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite im vorliegenden Fall gegeben sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Erschwerungsgründe hervorgekommen, während die bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd zu werten gewesen sei. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses dem Bw am 29. Dezember 2009 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 12. Jänner 2010 – und somit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird zunächst vorgebracht, dass das angefochtene Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt und Umfang nach bestritten werde. Weiters führt der Bw zum Verschulden aus, dass er mehrfach um Fristverlängerung zur Abgabe der Rechtfertigung angesucht habe. Zuletzt sei ihm allerdings keine Verlängerung mehr gewährt worden. Das vorliegende Straferkenntnis sei dann ohne vorherige Verständigung erlassen worden, weshalb somit das Prinzip des Parteiengehörs verletzt worden sei und diese Entscheidung an einer Rechtswidrigkeit zufolge Verletzung von Verfahrensvorschriften leide. Zudem könne man aufgrund der fall­weisen Beschäftigung der genannten Person nicht davon ausgehen, dass  im gegenständlichen Fall durch diese Tätigkeit eine Vollversicherung ausgelöst worden sei, weil der Bw selbst angegeben habe, dass lediglich eine Aushilfstätigkeit von ca. zwei Stunden bei einer Entlohnung in Höhe von 5 Euro vereinbart worden sei, weshalb daher keine Beschäftigung im Sinne des § 33 Abs. 1 und 1a i.V.m. § 111 ASVG vorliege. Ebenso sei weder ein Arbeitsverhältnis, ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis, ein Ausbildungsverhältnis noch eine Beschäftigung gemäß § 18 oder § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes vorgelegen. Abschließend bringt der Bw zur Strafhöhe vor, dass diese überhöht sei und die Annahme einer rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafe unberechtigt sei, weshalb bei Berücksichtigung aller Kriterien die Mindeststrafe in Höhe von 1.000 Euro dem Schuld- und dem Unrechtsgehalt einer allfälligen Übertretung angemessen gewesen wäre.

 

Daher wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der Strafhöhe beantragt.

2.1. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Bezirksverwaltungsamt, hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 13. Jänner 2010 die Berufung unter Anschluss eines vollständigen Ausdrucks des elektronischen Verfahrensaktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, GZ 0031214/2009, da sich bereits aus diesem der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.3. Nach § 51c VStG hat der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 111 Abs. 2 ASVG mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der als Dienstgeber eine pflichtversicherte Person nicht vor deren Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet.

 

Nach § 111 Abs. 5 ASVG gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel jener Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Sitz des Betriebes des Dienstgebers liegt.

 

3.1.1. Grundsätzliches zur Zuständigkeit im Verwaltungsstrafverfahren:

 

3.1.1.1. § 111 Abs. 5 ASVG wurde als Teil einer mit BGBl. Nr. I 150/2009 erlassenen Sammelnovelle, die am 30. Dezember 2009 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, in das ASVG eingefügt. Während darin hinsichtlich der Novellierungen der übrigen Gesetzeskomplexe (nämlich: des Arbeitsinspektionsgesetzes, des Arbeitsvertragsrechts‑Anpassungsgesetzes und des Bundesgesetzes über die Verkehrs‑Arbeitsinspektion) jeweils im Wege einer expliziten Inkrafttretensbestimmung der 1. Jänner 2010 als Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginnes angeordnet wird (vgl. Art. 1 Z. 7, Art. 2 Z. 2 und Art. 4 Z. 2 BGBl. Nr. I 150/2009), findet sich dem gegenüber für das ASVG nichts Vergleichbares. Daraus folgt wiederum, dass § 111 Abs. 5 ASVG nach der allgemeinen Anordnung des Art. 49 Abs. 1 B‑VG bereits einen Tag früher, nämlich am 31. Dezember 2009, in Kraft getreten ist.

 

3.1.1.2. Weiters fehlt es sämtlichen Novellierungen an entsprechenden Übergangsvorschriften, sodass diese Neuregelungen grundsätzlich – soweit (explizit oder stillschweigend) abweichende gesetzliche Anordnungen nicht konstatierbar sind – auch für alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits anhängigen, d.h. entweder von der I. Instanz oder von einer Rechtsmittelbehörde noch nicht entschiedenen Verfahren maßgeblich sind, weil jede Behörde ganz allgemein jene Rechtslage anzuwenden hat, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung in Geltung steht.

 

3.1.1.2.1. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gilt allerdings in diesem Zusammenhang hinsichtlich Zuständigkeitsvorschriften jedenfalls im Administrativverfahren Besonderes: Für die unter dem Aspekt des (verfassungs-)gesetzlich gewährleisteten Rechts auf den gesetzlichen Richter maßgebliche und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Frage der gesetzlichen Zuständigkeit einer Behörde zur Erlassung eines Bescheides ist zwar auch – wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist – jene Rechtslage maßgebend, die zu diesem Zeitpunkt in Geltung steht (bzw. stand; vgl. die Nachweise bei W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Wien 2004, S. 94, Nr. 13a).

 

Wenn jedoch eine ursprünglich in gesetzmäßiger Weise wahrgenommene Zuständigkeit der Erstbehörde nachträglich, nämlich nach der Erlassung ihres Bescheides, aber noch vor der Entscheidung der Berufungsbehörde wegfällt (z.B. infolge Überantwortung einer Angelegenheit vom übertragenen in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde; gesetzliche Auflassung einer Bundesstraße und deren Übergang auf die Länder), so steht der Verwaltungsgerichtshof in Fällen einer derartigen Rückwirkung auf dem Standpunkt, dass die Berufungsbehörde in einem derartigen Fall zwecks Wahrnehmung der nunmehr ex post eingetretenen Unzuständigkeit – und abweichend vom sonst maßgeblichen Grundsatz, dass diese nach § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst entscheiden muss – ausnahmsweise den Bescheid lediglich ersatzlos aufzuheben (bloße Kassation) und die Sache gemäß §  6 Abs. 1 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten hat (vgl. z.B. VwGH vom 22. April 1999, Zl. 98/06/0166, und vom 26. September 2002, Zl. 2002/06/0066, sowie die in diesen Entscheidungen angeführten weiteren Nachweise [denen allerdings nur Fälle einer funktionellen, nicht aber auch einer örtlichen Zuständigkeitsänderung zu Grunde liegen, was jedoch nach ho. Ansicht keinen systematischen Unterschied bedeutet]; s.a. J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. I, Wien 2004, RN 9 zu § 6 AVG).

 

3.1.1.2.2. Soweit ersichtlich, fehlen allerdings bislang vergleichbare Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

Da aber gemäß § 24 VStG die Anordnung des § 6 Abs. 1 AVG (im Gegensatz zu den §§ 2 bis 4 AVG) auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist die zum Administrativverfahren entwickelte Judikatur auch auf das Verwaltungsstrafverfahren zu übertragen.

 

3.2. Zu § 111 Abs. 5 ASVG im Besonderen:

 

3.2.1. Nach den Materialien zu dieser Bestimmung (vgl. 490 BlgNR, 24. GP, S. 4) werden "auch einschlägige Sachverhalte, die bereits vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung verwirklicht wurden, vom Anwendungsbereich des § 111 Abs. 5 ASVG erfasst. Die neue Bestimmung gilt somit auch für alle zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens schon anhängigen (offenen) Verfahren". Vom Effekt her besehen kommt ihr damit in einem gewissen Umfang ein auch rückwirkender Charakter zu. Insgesamt wird auf diese Weise gleichsam in Kurzform der Grundgedanke zum Ausdruck gebracht, dass der Materiengesetzgeber die zuvor dargestellte allgemein maßgebliche Lösungsvariante auch im hier vorliegenden Fall angewendet wissen will: Denn (1.) aus den Äußerungen des Materiengesetzgebers im Normtext selbst und i.V.m. den Materialien sowie (2.) aus dem Umstand, dass diese Novelle keine gesonderten - gegenteiligen - Übergangsvorschriften enthält, folgt sohin konkret, dass Berufungsverfahren, die am 31. Dezember 2009 bereits in der Form anhängig waren, dass an diesem Tag (oder danach) eine Berufung gegen ein auf Grund von § 111 ASVG ergangenes Straferkenntnis schon eingebracht war, vom UVS in vollem Umfang nach der neuen Rechtslage zu beurteilen sind.

 

3.2.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies daher, dass seit dem 31. Dezember 2009 zur Verfolgung jener dem Bw angelasteten Übertretung eben nicht mehr der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz, sondern vielmehr der Bezirkshauptmann von Linz-Land örtlich zuständig ist.

 

Da der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz das angefochtene Straferkenntnis jedoch bereits am 14. Dezember 2009 erlassen hat, stammte es nach der damals maßgeblichen Rechtslage zwar noch von der zuständigen Behörde; weil aber deren örtlicher Wirkungsbereich auf Grund der ASVG-Novelle BGBl. Nr. I 150/2009 rückwirkend weggefallen bzw. auf den Bezirkshauptmann von Linz-Land übergegangen ist, obliegt es dem Oö. Verwaltungssenat, diesen Umstand gemäß § 24 VStG i.V.m. § 6 Abs. 1 erster Satzteil AVG von Amts wegen aufzugreifen, d.h.: das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Angelegenheit an den Bezirkshauptmann von Linz-Land weiterzuleiten; Letzterer hat das Verfahren – allenfalls unter Verwertung der bereits vorliegenden Ermittlungsergebnisse – weiterzuführen und abzuschließen.

  

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher insoweit gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG in diesem Umfang stattzugeben.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Rechtssatz:

VwSen-252358/2/Sr/Mu/Sta vom 26. April 2009:

wie VwSen-252399/2/BP/Mu/Ga vom 20. April 2010

 

 

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