Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252399/2/BP/Mu/Ga

Linz, 20.04.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 10. Kammer (Vorsitzender: Mag. Christian Stierschneider, Berichter Mag. Dr. Bernhard Pree, Beisitzer: Mag. Dr. Johannes Fischer) über die Berufung des X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 3. Dezember 2009, GZ 0042856/2009, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Verwaltungsstrafsache an den Bezirkshauptmann von Gmunden weitergeleitet wird.

 

II.   Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – 1991 – AVG i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG;

zu II: § 66 VStG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 3. Dezember 2009, GZ 0042856/2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 2.180 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Tage) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen vertretungsbefugtes Organ der X mit dem Sitz in X, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen verantwortlichen Beauftragten bestellt habe, folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten habe:

 

Die oa. Firma habe als Dienstgeber am 20. August 2009 zumindest bis zum Kontrollzeitpunkt gegen 22.55 Uhr Frau X, geb. X, als Aushilfe im Schankbereich des Lokales „X“ und somit als Dienstnehmerin in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (laut Kollektivvertrag) entgegen den Bestimmungen des § 33 Abs. 1 ASVG beschäftigt.

 

Obwohl diese Dienstnehmerin von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Unfallversicherung teilversichert sei, sei hierüber keine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung beim zuständigen Sozialversicherungsträger (Oö. Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4020 Linz) rechzeitig vor Aufnahme der Tätigkeit erstattet worden.

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 33 Abs. 2 iVm. § 111 ASVG genannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen aus, dass sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite im vorliegenden Fall gegeben sei.

 

Zur Strafhöhe sei festzustellen, dass bereits eine einschlägige Verwaltungsübertretung vorliege und somit die belangte Behörde von einem Wiederholungsfall ausgegangen sei. Als strafmildernd oder straferschwerend sei kein Umstand gewertet worden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Rechtsmittelwerbers seien infolge unterlassener Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses dem Bw zugestellten Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 14. Jänner 2010 zur Post gegebene Berufung, mit der die unrichtige rechtliche Beurteilung namhaft gemacht wurde.

Darin führt der Bw aus, dass zwischen ihm und der genannten Beschäftigten eine Lebensgemeinschaft bestehe und seine Lebensgefährtin nur kurz kurzfristig und nur ausnahmsweise kurzfristig in seinem Betrieb ausgeholfen habe, weil er das Lokal aufgrund beruflicher Gründe verlassen habe müssen. Zur Rechtsansicht der belangten Behörde betreffend der Lebensgemeinschaft, wird weiters vorgebracht, dass nach ständiger Judikatur eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft vom gemeinsamen Wohnen nicht abhängig sei. Auch bei getrennten Wohnsitzen von Paaren könne eine Lebensgemeinschaft vorliegen. Seinen Wohnsitz habe er nur aufgrund beruflicher Gründe nicht am Wohnort seiner Lebensgefährtin. Hinsichtlich der zuvor geschilderten Rechtssprechung sei sehr wohl von einer Lebensgemeinschaft auszugehen.

 

Abschließend stellt der Bw den Antrag die Behörde möge das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

2.1. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Bezirksverwaltungsamt, hat mit Vorlageschreiben vom 25. Februar 2010 die Berufung des Bw dem Unabhängigen Verwaltungssenat unter Anschluss eines vollständigen Ausdruckes ihres elektronisch geführten Aktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz zu GZ 0042856/2009; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.3. Da im vorliegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden war, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer berufen (§ 51c VStG).

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 111 Abs. 2 ASVG mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der als Dienstgeber eine pflichtversicherte Person nicht vor deren Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet.

 

Nach § 111 Abs. 5 ASVG gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel jener Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Sitz des Betriebes des Dienstgebers liegt.

3.1.1. Grundsätzliches zur Zuständigkeit im Verwaltungsstrafverfahren:

 

3.1.1.1. § 111 Abs. 5 ASVG wurde als Teil einer mit BGBl.Nr. I 150/2009 erlassenen Sammelnovelle, die am 30. Dezember 2009 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, in das ASVG eingefügt. Während darin hinsichtlich der Novellierungen der übrigen Gesetzeskomplexe (nämlich: des Arbeitsinspektionsgesetzes, des Arbeitsvertragsrechts‑Anpassungsgesetzes und des Bundesgesetzes über die Verkehrs‑Arbeitsinspektion) jeweils im Wege einer expliziten Inkrafttretensbestimmung der 1. Jänner 2010 als Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginnes angeordnet wird (vgl. Art. 1 Z. 7, Art. 2 Z. 2 und Art. 4 Z. 2 BGBl.Nr. I 150/2009), findet sich dem gegenüber für das ASVG nichts Vergleichbares. Daraus folgt wiederum, dass § 111 Abs. 5 ASVG nach der allgemeinen Anordnung des Art. 49 Abs. 1 B‑VG bereits einen Tag früher, nämlich am 31. Dezember 2009, in Kraft getreten ist.

 

3.1.1.2. Weiters fehlt es sämtlichen Novellierungen an entsprechenden Übergangsvorschriften, sodass diese Neuregelungen grundsätzlich – soweit (explizit oder stillschweigend) abweichende gesetzliche Anordnungen nicht konstatierbar sind – auch für alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits anhängigen, d.h. entweder von der I. Instanz oder von einer Rechtsmittelbehörde noch nicht entschiedenen Verfahren maßgeblich sind, weil jede Behörde ganz allgemein jene Rechtslage anzuwenden hat, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung in Geltung steht.

 

3.1.1.2.1. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gilt allerdings in diesem Zusammenhang hinsichtlich Zuständigkeitsvorschriften jedenfalls im Administrativverfahren Besonderes: Für die unter dem Aspekt des (verfassungs-)gesetzlich gewährleisteten Rechts auf den gesetzlichen Richter maßgebliche und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Frage der gesetzlichen Zuständigkeit einer Behörde zur Erlassung eines Bescheides ist zwar auch – wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist – jene Rechtslage maßgebend, die zu diesem Zeitpunkt in Geltung steht (bzw. stand; vgl. die Nachweise bei W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Wien 2004, S. 94, Nr. 13a).

 

Wenn jedoch eine ursprünglich in gesetzmäßiger Weise wahrgenommene Zuständigkeit der Erstbehörde nachträglich, nämlich nach der Erlassung ihres Bescheides, aber noch vor der Entscheidung der Berufungsbehörde wegfällt (z.B. infolge Überantwortung einer Angelegenheit vom übertragenen in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde; gesetzliche Auflassung einer Bundesstraße und deren Übergang auf die Länder), so steht der Verwaltungsgerichtshof in Fällen einer derartigen Rückwirkung auf dem Standpunkt, dass die Berufungsbehörde in einem derartigen Fall zwecks Wahrnehmung der nunmehr ex post eingetretenen Unzuständigkeit – und abweichend vom sonst maßgeblichen Grundsatz, dass diese nach § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst entscheiden muss – ausnahmsweise den Bescheid lediglich ersatzlos aufzuheben (bloße Kassation) und die Sache gemäß §  6 Abs. 1 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten hat (vgl. z.B. VwGH vom 22. April 1999, Zl. 98/06/0166, und vom 26. September 2002, Zl. 2002/06/0066, sowie die in diesen Entscheidungen angeführten weiteren Nachweise [denen allerdings nur Fälle einer funktionellen, nicht aber auch einer örtlichen Zuständigkeitsänderung zu Grunde liegen, was jedoch nach ho. Ansicht keinen systematischen Unterschied bedeutet]; s.a. J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. I, Wien 2004, RN 9 zu § 6 AVG).

 

3.1.1.2.2. Soweit ersichtlich, fehlen allerdings bislang vergleichbare Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

Da aber gemäß § 24 VStG die Anordnung des § 6 Abs. 1 AVG (im Gegensatz zu den §§ 2 bis 4 AVG) auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist die zum Administrativverfahren entwickelte Judikatur auch auf das Verwaltungsstrafverfahren zu übertragen.

 

3.2. Zu § 111 Abs. 5 ASVG im Besonderen:

 

3.2.1. Nach den Materialien zu dieser Bestimmung (vgl. 490 BlgNR, 24. GP, S. 4) werden "auch einschlägige Sachverhalte, die bereits vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung verwirklicht wurden, vom Anwendungsbereich des § 111 Abs. 5 ASVG erfasst. Die neue Bestimmung gilt somit auch für alle zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens schon anhängigen (offenen) Verfahren". Vom Effekt her besehen kommt ihr damit in einem gewissen Umfang ein auch rückwirkender Charakter zu. Insgesamt wird auf diese Weise gleichsam in Kurzform der Grundgedanke zum Ausdruck gebracht, dass der Materiengesetzgeber die zuvor dargestellte allgemein maßgebliche Lösungsvariante auch im hier vorliegenden Fall angewendet wissen will: Denn (1.) aus den Äußerungen des Materiengesetzgebers im Normtext selbst und i.V.m. den Materialien sowie (2.) aus dem Umstand, dass diese Novelle keine gesonderten - gegenteiligen - Übergangsvorschriften enthält, folgt sohin konkret, dass Berufungsverfahren, die am 31. Dezember 2009 bereits in der Form anhängig waren, dass an diesem Tag (oder danach) eine Berufung gegen ein auf Grund von § 111 ASVG ergangenes Straferkenntnis schon eingebracht war, vom UVS in vollem Umfang nach der neuen Rechtslage zu beurteilen sind.

 

3.2.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies daher, dass seit dem 31. Dezember 2009 zur Verfolgung jener dem Bw angelasteten Übertretung eben nicht mehr der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz, sondern vielmehr der Bezirkshauptmann von Gmunden örtlich zuständig war.

 

Da der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz das angefochtene Straferkenntnis jedoch bereits am 3. Dezember 2009 erlassen hat, stammte es nach der damals maßgeblichen Rechtslage zwar noch von der zuständigen Behörde; weil aber deren örtlicher Wirkungsbereich auf Grund der ASVG-Novelle BGBl.Nr. I 150/2009 rückwirkend weggefallen bzw. auf den Bezirkshauptmann von Gmunden übergegangen ist, obliegt es dem Oö. Verwaltungssenat, diesen Umstand gemäß § 24 VStG i.V.m. § 6 Abs. 1 erster Satzteil AVG von Amts wegen aufzugreifen, d.h.: das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Angelegenheit an den Bezirkshauptmann von Gmunden weiterzuleiten; Letzterer hat das Verfahren – allenfalls unter Verwertung der bereits vorliegenden Ermittlungsergebnisse – weiterzuführen und abzuschließen.

  

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher insoweit gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG in diesem Umfang stattzugeben.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.




Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Christian Stierschneider

 

 

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-252399/2/BP/Mu/Ga vom 20. April 2010:

wie VwSen-252390/4/Gf/Mu vom 23. März 2010

 

 

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