Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164510/12/Ki/Gr

Linz, 12.05.2010

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des X, X, vertreten durch X, vom 14. Oktober 2009 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. September 2009, VerkR96-33175-2009, wegen einer Übertretung des KFG 1967 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 16. Dezember 2009 zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 24, 45 Abs.1 Z.1 und 51 VStG iVm 66 Abs.4 AVG

Zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.  Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 24. September 2009, VerkR96-33175-2009, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 1. Mai 2009, 16:52 Uhr in der Gemeinde X, X, X, von der X kommend, als Lenker eines Kraftfahrzeuges (Kennzeichen: X) den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet. Dies sei bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt worden. Er habe eine Organstrafverfügung nicht bezahlt, obwohl ihm eine solche angeboten wurde. Er habe dadurch § 134 Abs.3d Z.1 iVm § 106 Abs.2 KFG verletzt.

 

Gemäß § 134 Abs.3d KFG wurde eine Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

 

1.2. Der Rechtsmittelwerber hat gegen dieses Straferkenntnis per E-Mail (nunmehr vertreten durch den Verein X) Berufung erhoben und in der Folge der Tatanlastung zur Gänze widersprochen. Es wurde beantragt den bekämpften Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der 2-wöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie zunächst Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 16. Dezember 2009. An dieser Verhandlung nahm der Berufungswerber im Beisein seines Rechtsvertreters teil, seitens der belangten Behörde ist niemand erschienen. Als Zeuge wurde der Meldungsleger, GI X, einvernommen. Über Antrag des Berufungswerbers wurde die Verhandlung vertagt und ein Gutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen zur Frage, ob dem Meldungsleger es tatsächlich möglich war festzustellen, ob der Lenker (Berufungswerber) angegurtet war oder nicht, eingeholt. In Anbetracht des vorliegenden Gutachtens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen wurde eine Wiederaufnahme der mündlichen Berufungsverhandlung als entbehrlich erachtet, zumal nunmehr aus den vorliegenden Unterlagen festzustellen ist, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

 

2.5. Aus den vorliegenden Aktenunterlagen bzw. als Resultat der mündlichen Berufungsverhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich vom 6. Mai 2009 zu Grunde. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck erließ zunächst gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung (VerkR96-33175-2009 vom 8. Mai 2009), welche von diesem beeinsprucht wurde. Nach einer Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. Juli 2009, welcher der Berufungswerber offensichtlich nicht nachgekommen ist, hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte der Meldungsleger, er habe bereits im Bereich der X im Zuge einer Nachfahrt feststellen können, dass der Lenker des in der Anzeige erwähnten Fahrzeuges nicht angegurtet war. Weiters habe er unmittelbar nachdem der Lenker im Bereich des vorgeworfenen Tatortes angehalten hat, sein Fahrzeug neben diesem angehalten und auch dabei konnte er eindeutig feststellen, dass der Lenker nicht angegurtet war.

 

Der Berufungswerber widersprach auch im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung den Angaben des Meldungslegers und es wurde als Beweis eine Stellprobe mit den beteiligten Fahrzeugen beantragt, dies zum Beweis dafür, dass es nicht möglich ist, festzustellen, aus dem fahrenden Fahrzeug dahinter, ob der Lenker des vorderen Fahrzeuges angegurtet ist oder nicht.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat zu dieser Frage einen verkehrstechnischen Amtssachverständigen des Amtes der OÖ. Landesregierung um die Erstattung eines Gutachtens ersucht.

 

Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat in die gegenständlichen Aktenunterlagen Einsicht genommen und am 3. Mai 2010 beim Wohnort des Berufungswerbers einen Lokalaugenschein durchgeführt. In seinem Gutachten vom 3. Mai 2010, Verk-210002/194-2009-2010-Hag, stellte der verkehrstechnische Amtssachverständige zusammenfassend fest, dass aus technischer Sicht festzustellen ist, dass beim gegenständlichen PKW im Zuge einer Nachfahrt nicht beurteilt werden kann, ob der Lenker den Sicherheitsgurt angelegt hat oder ihn nicht verwendet.

 

In der Begründung verweist er auf den durchgeführten Augenschein und hält fest, dass beim gegenständlichen PKW es sich um einen Mercedes X handelt. Dieser 2-türig ausgeführte PKW hat keine B-Säule, an der sich üblicherweise der obere Befestigungspunkt für den Sicherheitsgurt befindet. Der gegenständliche PKW hat eine spezielle Gurtbefestigung und Gurtführung. Diese konstruktive Besonderheit ist auf die fehlende B-Säule des PKW zurückzuführen. Der wird in einem Tunnel geführt, der sich knapp oberhalb der unteren Fensterlinie befindet.

 

Beim Lokalaugenschein saß der Berufungswerber im PKW. Aus einer Entfernung von ca. 3m konnte man hinter dem Auto stehend den angelegten Sicherheitsgurt oder seine Gurtführung nicht erkennen. Aus der Position die einem nachfahrenden Lenker entspricht, Augenposition ca. 110 cm über der Fahrbahn, war der angelegte Gurt augenscheinlich ebenfalls nicht erkennbar.

 

Im Hinblick auf die Nachstellung mit dem Original-Pkw und dem Berufungswerber als Lenker des Mercedes, ist festzustellen, dass es augenscheinlich auch einem nachfahrenden PKW (-Lenker) nicht möglich ist zu erkennen, ob der Lenker (des voranfahrenden Fahrzeuges) den Sicherheitsgurt angelegt hat oder nicht angelegt hat. Auf Grund der konstruktiven Besonderheit der Gurtführung sind optisch keine Hinweise erkennbar, die darauf schließen lassen, ob der Gurt angelegt ist oder nicht.

 

Bei einer Entfernung von ca. 3 m war augenscheinlich nicht erkennbar, dass der Gurt des Lenkers angelegt war. Bei größeren Entfernungen sind daher die Möglichkeiten der Erkennbarkeit noch schlechter.

 

Legt man eine Fahrgeschwindigkeit von 50 – 80 km/h zu Grunde, beträgt der Nachfahrabstand bei Einhaltung eines Sekundenabstandes ca. 13 -22 m. Aus diesen Entfernungen ist nicht erkennbar, ob der Gurt verwendet wurde oder nicht verwendet wurde. Bei Befestigung des Gurtes über die B-Säule ist beim Nachfahren der angelegte Gurt zwischen Fenster und Schulter des Lenkers erkennbar. Da diese Möglichkeit im gegenständlich Fall auf Grund der konstruktiven Besonderheit nicht vorliegt, wurde möglicherweise aus dem Nichterkennen des Gurtverlaufes der Schluss gezogen, dass der Gurt nicht angelegt war.

 

Die einzige Möglichkeit sicher zu erkennen, ob der Lenker den Gurt verwendet oder nicht, wäre ihn zu überholen. Wenn sich der Beobachter aus Sicht des Berufungswerbers links neben dem Lenker des Mercedes befindet, hat er eine gute Sichte auf die Gurtführung.

 

2.6. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt aufliegenden oben dargelegten Unterlagen, als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung sowie unter Berücksichtigung des zitierten Gutachtens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung.

 

In freier Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass das Gutachten als schlüssig und nicht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen widersprechend zu beurteilen ist. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass der Meldungsleger in Anbetracht der Besonderheit der Führung des Sicherheitsgurtes im verfahrensgegenständlichen Fahrzeug tatsächlich der Eindruck haben konnte, dass der Lenker nicht angegurtet war, letztlich war jedoch im Zuge der Nachfahrt eine entsprechende Feststellung konkret nicht möglich. Der Umstand, dass der Lenker, nachdem er das Fahrzeug im Bereich des vorgeworfenen Tatortes angehalten hat, nicht angegurtet war, besagt nicht, dass er zunächst während der Fahrt noch angegurtet gewesen sein könnte.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erachtet daher, dass im vorliegenden Falle die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht als erwiesen angesehen werden kann.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Dazu wird zunächst festgestellt, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist. Dann, wenn die Übertretung dem Beschuldigten trotz Aufnahme aller Beweise nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann, ist von der Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens Anstand zu nehmen.

 

Da in Anbetracht der oben dargelegten Umstände dem Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung im konkreten Falle nicht nachgewiesen werden kann, konnte der Berufung unter gleichzeitiger Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens Folge gegeben werden und es war wie im Spruch zu entscheiden.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.


 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

 

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