Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401062/4/BP/Eg

Linz, 27.04.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, StA von Afghanistan, derzeit angehalten im PAZ X, vertreten durch Mag. Dr. X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 30. März 2010 durch den Bezirkshauptmann von Schärding, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Schärding) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 30. März 2010, GZ.: Sich41-74-2010, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit, zur Vorbereitung der Erlassung einer Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit, zur Sicherung der Abschiebung sowie zur Sicherung der Zurückschiebung die Schubhaft angeordnet und im PAZ X vollzogen.

 

Nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bf vor ca. 5 Monaten gemeinsam mit seinen Schwiegereltern, seiner Ehefrau und deren drei Schwestern in einem Pkw von Kandahar gemeinsam mit anderen Familien abgereist sei. Die Reise sei immer nur nachts durchgeführt worden; untertags hätten sich die Personen in verschiedenen Häusern versteckt. Schließlich seien der Bf und seine Angehörigen in einem Schlauchboot, welches mit ca. 35 Personen besetzt gewesen sei,  weitergereist. An Land angekommen, seien der Bf und die Mitreisenden von der Polizei festgenommen worden. Nach 10 Tagen Festhaltung sei die Reise mit einer Fähre weitergegangen. Sodann habe ein Aufenthalt in Athen unter Festhaltung durch die dortige Polizei gefolgt. Die übrigen Familienmitglieder seien mit dem Flugzeug weiter nach Frankfurt gereist. Lediglich der Schwiegervater sei in Athen zurückgeblieben. Der Bf selbst sei dann in einem Pkw eines Schleusers weiter nach Wien mitgefahren, wo er am 29. März 2010 gegen 03.00 Uhr angekommen sei. Die Fahrt habe der Bf im besagten Pkw in Richtung Bundesrepublik Deutschland fortgesetzt. Der Bf habe zu seiner Familie nach Frankfurt gelangen wollen.

 

Am 29. März 2010 gegen 07. 45 Uhr sei er als Mitfahrer in einem Pkw mit griechischer Zulassung auf der BAB AX, über den ehemaligen Grenzübergang X, in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Im Zuge einer Personenkontrolle durch die deutsche Polizei habe der Bf keine gültigen Reisedokumente in Verbindung mit einem Einreise-/Aufenthaltstitel für Deutschland oder einen anderen Schengenstaat vorweisen können. Daraufhin sei der Bf von der deutschen Polizei festgenommen worden. Anlässlich der Einvernahme durch die deutsche Polizei habe er seine Identität bekanntgegeben, den Reiseweg geschildert und weiters Frankfurt als Reiseziel angeführt. Aufgrund des nachweislichen Reisewegs von Österreich sei der Bf am 30. März 2010 nach dem österreichisch-deutschen Rückübernahmeabkommen nach Österreich rücküberstellt und der Bezirkshauptmannschaft Schärding vorgeführt worden.

 

Die Fremdenpolizeibehörde verhängte nunmehr nach Überprüfung des Sachverhaltes die Schubhaft, da im weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren gegen den Bf eine Ausweisung verhängt werden solle. Da er nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes oder einer anderen aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sei, halte er sich illegal im Bundesgebiet auf bzw. sei bereits unerlaubt in dieses eingereist. Weiters sei geplant, ihn nach Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes in das Heimatland abzuschieben.

 

Es bestehe daher ernsthaft die Gefahr, dass sich der Bf bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehen und dadurch die angeführten fremdenpolizeilichen Maßnahmen verhindern werde.

 

Im gegenständlichen Fall habe sich die Fremdenpolizeibehörde mit der Möglichkeit mit der Anwendung des gelinderen Mittels gemäß § 77 Abs. 1 FPG befasst, sei jedoch zur Auffassung gelangt, dass bei Abstandnahme der Schubhaft das im Vordergrund stehende fremdenpolizeiliche Ziel nicht erreicht werden könne, da hinsichtlich der Person des Bf die Identität nicht eindeutig feststehe bzw. im Zuge der fremdenpolizeilichen Einvernahme versucht werde, diese festzustellen, um in weiterer Folge weitere geeignete fremdenpolizeiliche Maßnahmen anordnen zu können. Da das eigentliche Reiseziel Frankfurt gewesen sei, sei von einem hohen Sicherungsbedarf auszugehen und anzunehmen, dass der Bf – auch im Hinblick auf die Nahe Grenze – neuerlich illegal nach Deutschland reisen werde, um zu seiner Familie zu gelangen.

 

Weiters sei anzuführen, dass der Bf im Inland weder beruflich noch in irgendeiner Weise sozial verankert sei.

 

Die belangte Behörde sieht auch die Verhältnismäßigkeit als gegeben an.

 

Ausdrücklich werde festgehalten, dass der Bf bisher keinen Asylantrag in Österreich gestellt habe.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 22. April 2010 Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat.

 

Begründend wird in dieser Beschwerde ua. ausgeführt, dass der Bf in Österreich einen Asylantrag gestellt habe und ein Dublin-Verfahren bezüglich Familienzusammenführung mit seinen Angehörigen in Deutschland anhängig sei. Der Bf werde entweder im Rahmen dieses Verfahrens nach Deutschland oder gemeinsam mit seinen Familienangehörigen nach Griechenland überstellt werden.

 

Er habe keine Handlungen gesetzt, die die Annahme rechtfertigen würden, dass bei ihm akute Fluchtgefahr bestünde. Die Annahme, der Bf werde sich aufgrund der Grenznähe Schärdings nach Deutschland absetzen, sei nicht angebracht. Der Bf werde in Österreich solange verbleiben, bis sein Asylverfahren rechtskräftig sei. Die Gründe zur Verhängung der Schubhaft lägen beim Bf sohin nicht vor.

 

Abschließend wird der Antrag gestellt:

"Der Unabhängige Verwaltungssenat möge aussprechen, dass die Anhaltung der Bf in Schubhaft seit dem 10. April 2010 rechtswidrig ist.

Der Unabhängige Verwaltungssenat möge aussprechen, dass die Anhaltung der Bf in Schubhaft rechtswidrig ist."

Ebenfalls wird Kostenersatz gefordert.

 

 

2. Mit Schreiben vom 23. April 2010 (eingelangt am 26. April 2010) übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat. Mit E-Mail vom 23. April übermittelte sie vorab eine Gegenschrift.

 

2.1. In dieser Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, dass die Schubhaft nach wie vor aufrecht sei. Es sei geplant, den Fremden im Dublin-Verfahren (Familienzusammenführung) nach Deutschland rückzuüberstellen. Der Bf habe am 30. März 2010 im PAZ X einen Asylantrag gestellt. Vom BAA sei ein Dublin-Verfahren mit Griechenland eingeleitet. Der Verein Menschenrechte habe Daten der Ehefrau in Erfahrung bringen können. Von der belangten Behörde sei über die Bundespolizeiinspektion X, die Ehefrau des Bf in Deutschland ausfindig gemacht worden. Am 20. April 2010 sei das Dublin-Verfahren (Familienzusammenführung) eingeleitet worden.

 

Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der in Rede stehenden Beschwerde beantragt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1., 1.2. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

Zusätzlich ist dem Akt zu entnehmen, dass der völlig mittellose Bf seinen Asylantrag am 31. März 2010 im PAZ X stellte. Am 8. April 2010 wurde der Konsultationsmechanismus gemäß der Dublin-Verordnung mit Griechenland eingeleitet und dem Bf darüber eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 FPG per Fax am selben Tag zugestellt.

Weiters wurde am 20. April 2010 der Konsultationsmechanismus mit der Bundesrepublik Deutschland wegen Familienzusammenführung mit der in X aufhältigen (vom Diakonischen Werk betreuten) Ehegattin des Bf  ausgelöst und dem Bf gemäß § 29 FPG Abs. 3 eine dementsprechende Mitteilung übermittelt.

 

Bis dato liegt weder von Griechenland noch von Deutschland eine Zustimmung zur Übernahme des Bf vor.

 

In der Niederschrift, die mit dem Bf am 1. April 2010 im PAZ aufgenommen wurde, gab dieser an, dass er beim Versuch (offensichtlich) von Athen aus gemeinsam mit seiner Ehegattin und dessen Schwestern nach Deutschland per Flugzeug zu reisen, von der griechischen Polizei aufgegriffen und festgehalten wurde. Er habe diesen Versuch mehrfach wiederholt, sei aber jedes Mal von der Polizei angehalten worden.  

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 30. März 2010, GZ.: Sich41-74-2010, seit 30. März 2010 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3.1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

3.3.2. Zum Zeitpunkt der In-Schubhaftnahme am 30. März 2010 war der Bf nicht Asylwerber, weshalb grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt von der belangten Behörde zu Recht § 76 Abs. 1 FPG herangezogen wurde.

 

3.3.3. Der Bf war illegal zunächst nach Griechenland, dann über den Landweg nach Österreich und in der Folge am 29. März 2010 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo er aufgegriffen und am 30. März 2010 nach Österreich rücküberstellt wurde. Es steht außer Zweifel, dass der völlig mittellose Bf in Österreich keinesfalls sozial noch sonst wie integriert ist, über kein gültiges Reisedokument verfügt und eindrucksvoll durch den illegalen Grenzübertritt nach Deutschland dokumentierte, dass ihm an einem fremdenpolizeilichen Verfahren hier nicht gelegen ist. Alleiniges Ziel seiner Reisebewegungen war Frankfurt, wo er – nach seinen Angaben - seine Frau und deren Schwestern wusste, die (ebenfalls illegal per Flugzeug) von Griechenland aus dort hin gereist waren. Auch bei einer strengen Einzelfallprüfung – wie höchstgerichtlich gefordert – wird man hier fraglos zu dem Ergebnis kommen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders hohen Sicherungsbedarfs gegeben waren.

 

3.3.4. Damit schied aber konsequenter Weise die Anwendung eines gelinderen Mittels von vorneherein aus. Der Bf hatte keinerlei Anhaltspunkte geboten, die erwarten lassen hätten, dass er sich den fremdenpolizeilichen Verfahren zur Verfügung gehalten hätte und einer allfälligen periodischen Meldepflicht nachgekommen wäre.

 

3.3.5. Auch die Verhältnismäßigkeit der verhängten Maßnahme kann zweifelsfrei angenommen werden, zumal hier außer Streit stehen wird, dass im in Rede stehenden Fall, die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens das Interesse des Bf am Schutz der persönlichen Freiheit überwogen.

 

3.3.6. Das Ziel der Schubhaft - den illegalen Aufenthalt des Bf in Österreich nachhaltig zu beenden – war zum fraglichen Zeitpunkt klar gegeben.

 

Gleiches gilt für die Tatsache, dass das Privat- und Familienleben des Bf, der sich im Übrigen von seinen Angehörigen – nach seinen eigenen Angaben – zur Reisebewältigung getrennt hatte, durch die Verhängung der Maßnahme in Österreich nicht maßgeblich beeinträchtigt war.

 

3.3.7. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die Verhängung der Schubhaft und die damit verbundene Anhaltung am 30. März 2010 rechtskonform erfolgten.

 

3.4.1. Während seiner Anhaltung in Schubhaft stellte der Bf am 30. März 2010 einen Asylantrag.

 

3.4.2. Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Es ist also gemäß der eben dargestellten Bestimmung die in Rede stehende Schubhaft unter dem Blickwinkel des § 76 Abs. 2 FPG zu überprüfen.

 

3.4.3. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn nach Ziffer 1 im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt.

 

3.4.4. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf – gerade nach seinen eigenen Angaben - am  Landweg, von Athen kommend, nach Österreich (Wien) einreiste, wo er erst nach dem Aufgriff nach seiner Weiterreise nach Deutschland und nach seiner Rücküberführung und In-Schubhaftnahme im PAZ das Asylbegehren stellte. Er hatte sich somit unmittelbar vor seiner Einreise nach Österreich im EU- bzw. Schengen-Mitgliedstaat Griechenland aufgehalten, weshalb die Annahme, dass Griechenland zur Prüfung des Asylantrags zuständig sei, gerechtfertigt war. Aber nicht nur in dieser Hinsicht: Denn, der Bf, der ja angab zu seiner Ehefrau nach Frankfurt reisen zu wollen, intendierte offenbar mit der Antragstellung nicht – wie gesetzlich eigentlich vorgesehen – internationalen Schutz vor Verfolgung in Österreich zu erlangen, sondern einerseits ein Dublin-Verfahren betreffend Familienzusammenführung oder andererseits jedenfalls eine allfällige Verzögerung zu erzwingen, die es ihm ermöglichen würde, eine neuerliche Reisegelegenheit nach Deutschland ausfindig zu machen. Der Konsultationsmechanismus nach der Dublinverordnung mit Griechenland wurde demnach am 8. April, der wegen der Familienzusammenführung am 20. April 2010 mit Deutschland ausgelöst. Der Bf erhielt darüber mittels Verfahrensanordnungen gemäß  § 27 Abs. 1 iVm. 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG 2005 Kenntnis. Damit war aber ein Ausweisungsverfahren ex lege mit 8. April 2010 eingeleitet.

 

Es liegen somit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z. 2 und 4 FPG vor.

 

3.4.5. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Hinsichtlich der Begründung des Sicherungsbedarfs ist – um Wiederholungen zu vermeiden – dem Grunde nach auf die unter dem Punkt 3.3.3. dieses Erkenntnisses dargestellten Überlegungen zu verweisen und hier lediglich auf die nach Verhängung der Schubhaft auftretenden relevanten Umstände einzugehen.

 

Zum Einen ist dies die Tatsache, dass dem Bf zunächst am 8. April 2010 mitgeteilt wurde, dass der Konsultationsmechanismus gemäß der Dublin-Verordnung mit Griechenland eingeleitet wurde. Hier ist jedenfalls keinerlei Milderung der Fluchtgefahr abzuleiten, da der Bf, der sich mehrere Monate in Griechenland aufgehalten und – nach eigenen Angaben wiederholt vergeblich versucht hatte, seiner Frau folgend, diesen Staat am Luftweg zu verlassen, keinerlei Interesse zeigen dürfte dort hin verbracht zu werden, zumal er ja unbedingt und ausschließlich die Intention seiner Gattin in die Bundesrepublik Deutschland nachzureisen weiter verfolgt.

 

Zum Anderen ist hinsichtlich des Sicherungsbedarfes relevant, dass mit 20. April 2010 auch der Konsultationsmechanismus mit der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich Familienzusammenführung eingeleitet wurde, was dem Bf auch gemäß den §§ 27 und 29 AsylG bekanntgegeben wurde.

 

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass der Bf – wie in der Beschwerde behauptet – in Österreich den Gang dieses Verfahrens abwarten werde. Dem sprechen aber gleich mehrere Tatsachen entgegen. Würde der Bf darauf völlig vertrauen, dass das angestrebte Verfahren zu einem für ihn positiven Abschluss gebracht werden kann, wäre es ausreichend gewesen, in Griechenland einen Asylantrag zu stellen und in der Folge Familienzusammenführung zu erreichen. Er beschreibt selbst, dass er seine Frau in ein Flugzeug mit Zielflughafen Frankfurt habe steigen sehen. In der Folge versuchte er – mehrfach vergeblich – ihr per Flug nachzureisen. Er ließ sich dabei nicht durch die regelmäßigen den Versuchen folgenden Festnahmen durch die griechische Polizei abhalten, obwohl er wusste, dass die gescheiterten Versuche nur zu dem von ihm unerwünschten Ergebnis führen würden. Er suchte jedoch so lange nach einem anderen Fluchtweg, bis er schließlich in die Bundesrepublik Deutschland gelangte. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass er nun ein Verfahren in Österreich tatenlos abwarten würde. Sollte ihm die Möglichkeit der Familienzusammenführung und die fremdenrechtlichen Bestimmungen generell nicht bekannt gewesen sein, ist dies dennoch kein Grund, an der Disposition des Bf sein Zielland Deutschland möglichst rasch und auf welche Weise auch immer zu erreichen, zu zweifeln. Dies um so mehr, als sich sowohl das Verfahren mit Griechenland als auch das mit der Bundesrepublik Deutschland derzeit in der "Schwebe" befinden und nicht gesichert davon ausgegangen werden kann, dass die Familienzusammenführung auch tatsächlich Platz greifen wird. Der Bf wird also jedenfalls versuchen möglichst rasch auch auf illegalem Weg nach Deutschland zu gelangen.

 

Im Fall des Bf ist also auch weiterhin von einem besonders hohen und akuten Sicherungsbedarf auszugehen, zumal mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass er sich - auf freiem Fuß belassen – dem Zugriff der österreichischen Fremdenpolizeibehörden entziehen und in Richtung der Bundesrepublik Deutschland untertauchen wird.

 

3.5. Damit scheidet auch im hier beurteilten Zeitraum grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht gewährleisten können.

 

3.6. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos weiterhin verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls weiterhin nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf in Österreich keinerlei familiäre Bezugspunkte hat.

 

3.7. § 80 Abs. 2 FPG normiert, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier eine zweimonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig seit 4 Wochen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte zweimonatige Frist noch nicht ausgeschöpft ist.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung nach Griechenland bzw. in die Bundesrepublik Deutschland, ist zum Entscheidungszeitpunkt durchaus zeitnah erreichbar, da keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung des Bf sprechen und Griechenland der Rückübernahme bis 10. Mai 2010, Deutschland bis 25. Mai 2010 zustimmen  kann.

 

3.8. Derzeit sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 22. April 2010 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

Beachte:


Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 21.12.2010, Zl.: 2010/21/0217-5

 

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