Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100505/2/Weg/Ri

Linz, 21.07.1992

VwSen - 100505/2/Weg/Ri Linz, am 21. Juli 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des J P vom 27. Jänner 1992 gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 29. August 1991, Cst. 1.697/91-L, zugestellt am 21. Jänner 1992, zu Recht:

I.: Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die mit Strafverfügung vom 29. April 1991 verhängte und mit Bescheid vom 29. August 1991 bestätigte Geldstrafe von 2.000 S auf 800 S herabgesetzt wird. Die Ersatzfreiheitsstrafe ermäßigt sich auf 1 Tag.

II.: Die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren entfällt sowohl für das erstinstanzliche Verfahren als auch für das Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 19, § 24, § 51, § 51e Abs.2, § 64 und § 65 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Strafverfügung vom 29. April 1991, Cst 1697/LZ/91, über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 52 Z.10a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S (im NEF 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil dieser die durch das Verbotszeichen gemäß § 52 Z.10a StVO 1960 kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten hat, da die Fahrgeschwindigkeit 120 km/h betrug.

Dagegen hat der nunmehrige Berufungswerber rechtzeitig Einspruch gegen die Strafhöhe eingebracht und auf sein nicht regelmäßiges und niedriges Einkommen hingewiesen.

Diesem Einspruch wurde mit dem nunmehr bekämpften und in der Präambel zitierten Bescheid keine Folge gegeben und die verhängte Strafe bestätigt. Außerdem wurde als Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren ein Betrag von 200 S in Vorschreibung gebracht.

I.2. Dagegen wendet der Berufungswerber sinngemäß ein, daß er derzeit arbeitslos sei und kein Anspruch auf Sozialleistungen bestehe. Es habe sich seine wirtschaftliche Lage noch verschlechtert. Das Strafausmaß sei auch deswegen ungerechtfertigt hoch, weil er sich in seiner über 20-jährigen Fahrpraxis nicht eines einzigen Verkehrsvergehens schuldig gemacht habe.

I.3. Die Berufung ist rechtzeitig. Von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist zur Sachentscheidung der unabhängige Verwaltungssenat zuständig. Da sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen, zumal dies in der Berufung nicht ausdrücklich verlangt wurde.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nachstehenden, sich aufgrund der Aktenlage ergebenden Sachverhalt zu beurteilen:

Der Berufungswerber überschritt die ziffernmäßig festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 40 km/h. Umstände, die auf eine besondere Gefährdung oder Rücksichtslosigkeit schließen ließen, sind nicht aktenkundig. Der Berufungswerber brachte glaubhaft vor, arbeitslos zu sein. Er ist verwaltungsstrafrechtlich völlig unbescholten und dies nach einer 20-jährigen Fahrpraxis.

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Rücksicht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen reicht gemäß § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 10.000 S.

Geschwindigkeitsbeschränkungen werden zum Schutze der Verkehrssicherheit, also zum Schutze auch anderer Verkehrsteilnehmer erlassen. Das Ausmaß der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, ist bei der gegenständlichen Geschwindigkeitsüberschreitung (50% der erlaubten Höchstgeschwindigkeit) als nicht geringfügig zu bezeichnen. Wenn keine mildernden Umstände vorlägen bzw. wenn der Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung vorgemerkt wäre, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruht, wäre die Festsetzung der Strafe auch in diesem Ausmaß vertretbar.

Im gegenständlichen Fall jedoch wurde der Umstand, daß keine einzige verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung aufscheint, als ein besonders ins Gewicht fallender Milderungsgrund gewertet, zumal der Berufungswerber schon über eine 20-jährige Fahrpraxis verfügt. Die Einkommensverhältnisse wurden bei der nunmehrigen Entscheidung ebenfalls zugunsten des Berufungswerbers als strafmindernd gewertet.

II. Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Betrag beträgt gemäß Abs.2 leg.cit. für das Verfahren erster Instanz 10% der verhängten Strafe.

Es ist nach der seit 1. Jänner 1991 geltenden Rechtslage zu prüfen, ob die Erstbehörde nach einem nur gegen die Strafhöhe gerichteten Einspruch, über welchen mittels Bescheid abgesprochen wird, einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vorzuschreiben hat. Nachstehende Gründe sprechen dagegen:

Die von der Erstbehörde getroffene Entscheidung ist kein Straferkenntnis und auch im Wege der Interpretation nicht als solches zu werten. Es wäre der Erstbehörde infolge der Rechtskraft des Schuldspruches versagt, im Bescheid jene Spruchelemente aufzunehmen, die gemäß § 44a VStG ein Straferkenntnis ausmachen. Schon aufgrund der grammatikalischen Interpretation des § 64 VStG und aufgrund des sich in Judikatur und Rechtslehre herausgebildeten Verbotes, pflichtenbegründende Normen extensiv auszulegen, ist eine Kostenvorschreibung, die mit keinem Straferkenntnis einhergeht, nicht gerechtfertigt.

Im Ergebnis wird diese Meinung allerdings ohne ausreichende Begründung, auch von Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 1095, vertreten.

Die gegenständliche Kostentragungsproblematik wurde durch die Änderung des § 49 Abs.2 VStG ausgelöst und es hat den Anschein, daß der Gesetzgeber diese Umstände zu wenig bedacht hat. Eine Korrektur der Wortwahl im Gesetz zu Lasten des Bestraften wäre allenfalls nur dann zulässig, wenn aus dem durch die Erläuternden Bemerkungen oder sonstigen Materialien zum Ausdruck gebrachten Willen dies der Gesetzgeber augenscheinlich beabsichtigt hätte. In den Materialien zu den §§ 64 und 65 VStG ist jedoch derartiges nicht zum Ausdruck gebracht worden.

Nach der alten Rechtslage wären, wenn die Berufungsbehörde die Strafhöhe ebenfalls reduziert hätte, zufolge des § 65 VStG keine Kosten für den Berufungswerber angefallen. In der ersten Instanz deshalb nicht, weil in der Strafverfügung kein Kostenbeitrag vorgeschrieben werden darf, im Berufungsverfahren, weil Kosten nicht aufzuerlegen waren, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde. Allein aufgrund des Umstandes, daß nunmehr ein Einspruch gegen die Strafhöhe nicht mehr als Berufung zu werten ist, womit § 65 VStG nicht zur Anwendung gelangt, ist die Kostenvorschreibung im erstinstanzlichen Verfahren nicht begründbar.

Die Verfahrenskosten gemäß § 64 VStG sind ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren und sollen den durch ein ordentliches Verfahren verursachten Aufwand zumindest teilweise abdecken. Weil hinsichtlich der Schuldfrage ein ordentliches Verfahren nicht durchzuführen ist, erscheint ein erhöhter Verwaltungsaufwand, der aus den Ermittlungen nach § 19 Abs. 2 VStG erwächst, im Regelfall nicht gegeben. Über Einsprüche gegen die Strafhöhe wird zumeist - so auch im gegenständlichen Fall - mittels eines formalisierten Bescheides abgesprochen.

Aus vorstehenden Gründen, insbesondere aufgrund der grammatikalischen Auslegung und der nicht erkennbaren Absicht des Gesetzgebers, den Berufungswerber im Falle des letztendlichen Obsiegens schlechter stellen zu wollen als nach der alten Rechtslage, war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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