Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420624/10/Gf/Mu VwSen-420625/10/Gf/Mu VwSen-440124/10/Gf/Mu

Linz, 01.06.2010

B E S C H L U S S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Anträge des x, des x und der x, alle vertreten durch x, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zuerkennung von Aufwandersatz beschlossen:

I. Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Landeshauptmann von Oberösterreich) hat jedem Beschwerdeführer Kosten in einer Höhe von jeweils 737,60 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 71 Abs. 1 Z. 1 AVG; § 79a AVG.

Begründung:

1. In ihren jeweils auf § 71 Abs. 1 AVG gestützten Anträgen bringen die Rechtsmittelwerber vor, dass für sie erst mit der am 25. Mai 2010 erfolgten Zustellung des h. Erkenntnisses vom 18. Mai 2010, GZ VwSen-420624/7/Gf/Mu, VwSen-420625/7/Gf/Mu und 440124/7/Gf/Mu, erkennbar gewesen sei, dass in dieser Angelegenheit (Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG) keine öffentliche Verhandlung durchgeführt werden würde; daher hätten sie auf Grund eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses bzw. infolge eines nur minderen Grades des Versehens die Frist zur Stellung eines Kostenersatzantrages versäumt.

Gleichzeitig wird jeweils ein auf § 79a AVG gestützter Antrag auf Zuerkennung eines Aufwandersatzes in Höhe von 737,60 Euro gestellt.

2.1. Gemäß § 79a Abs. 1 AVG hat die im Verfahren über eine Maßnahmenbeschwerde obsiegende Partei einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 2 AVG als obsiegende Partei anzusehen.

Gemäß § 79a AVG ist ein Aufwandersatz nur auf einen Parteienantrag hin, der bis zum Schluss der öffentlichen Verhandlung gestellt werden kann, zu leisten. Nach § 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG ist dann, wenn die Verwaltungsvorschriften – wie hier § 79a AVG – vorsehen, dass einer Partei ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, dieser Kostenersatzanspruch so zeitgerecht zu stellen, dass der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Nach herrschender Auffassung ist § 79a Abs. 6 AVG als eine lex specialis zu § 74 Abs. 2 AVG anzusehen, sodass daraus insgesamt resultiert, dass die Nichtdurchführung einer öffentlichen Verhandlung nicht dazu führt, dass in diesem Fall ein Aufwandersatz schon von vornherein nicht in Betracht käme (vgl. J. HengstschlägerD. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. 4, Wien 2009, RN 34 f zu § 79a AVG, m.w.N.).

Gemäß § 67d Abs. 2 Z. 3 AVG kann im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten eine Verhandlung u.a. dann entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist.

2.2. Im gegenständlichen Fall hat der Landeshauptmann von Oberösterreich als belangte Behörde bereits im Zuge der Erstattung seiner Gegenschrift zugestanden, dass die von den Beschwerdeführern bekämpften Zwangsakte rechtswidrig waren.

Der Oö. Verwaltungssenat hat daher mit h. Erkenntnis vom 18. Mai 2010, GZ VwSen-420624/7/Gf/Mu u.a., den dagegen erhobenen Maßnahmenbeschwerden der Rechtsmittelwerber jeweils – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung – stattgegeben und diese als rechtswidrig festgestellt. Ein Kostenausspruch hatte jedoch trotz des Umstandes, dass die Beschwerdeführer damit als obsiegende Parteien i.S.d. § 79a Abs. 2 AVG anzusehen waren, deshalb zu unterbleiben, weil es bis dahin jeweils an darauf gerichteten Parteienanträgen fehlte.

2.3. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei u.a. dann auf ihren Antrag hin die Widereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie einerseits glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie andererseits kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft; durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren nach § 72 Abs. 1 AVG in jene Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

2.3.1. Im vorliegenden Fall wurden die verfahrensgegenständlichen Wiedereinsetzungsanträge jeweils am 28. Mai 2010, also drei Tage nach der am 25. Mai 2010 erfolgten Zustellung des h. Erkenntnisses vom 18. Mai 2010, GZ VwSen-420624/7/Gf/Mu u.a., – und damit rechtzeitig – gestellt und zugleich jeweils mit der versäumten Prozesshandlung, nämlich einem Antrag auf Aufwandersatz gemäß § 79a AVG, verbunden.

Die Prozessvoraussetzungen des § 71 Abs. 2 und 3 AVG sind daher erfüllt.

2.3.2. Es ist sohin zunächst zu untersuchen, ob die Nichtdurchführung der öffentlichen Verhandlung im gegenständlichen Fall für die Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes Ereignis i.S.d. § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG bedeutete, wobei in diesem Zusammenhang nicht auf objektive Kriterien, sondern auf den subjektiv-konkreten Erkenntnishorizont der rechtsmittelwerbenden Partei abzustellen ist (vgl. J. HengstschlägerD. Leeb, a.a.O., RN 38 zu § 71 AVG).

In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass in den sog. "Maßnahmenbeschwerdeverfahren" nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a  Z. 2 AVG die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gleichsam den Regelfall bildet. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die Beschwerde letztlich deshalb (mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes) zurückzuweisen ist, weil ein Organhandeln, das als Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt zu qualifizieren ist, im Ergebnis nicht vorliegt. Denn aufgrund ihrer Natur als bloß "faktische", oft spontan gesetzte Amtshandlungen geht diesen – anders als in sonstigen Verwaltungsverfahren, die mit der Regelform des Bescheides abzuschließen sind – kein eigenständiges Ermittlungsverfahren voran, sodass der Unabhängige Verwaltungssenat nach der Einbringung einer derartigen Beschwerde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt selbst zu klären hat, wozu es in aller Regel einer öffentlichen Verhandlung bedarf.

Vor diesem Hintergrund stellte daher die Nichtdurchführung einer öffentlichen Verhandlung – insbesondere aus dem Grund, weil die belangte Behörde die Rechtswidrigkeit der Handlungen ihrer Organe von vornherein nicht bestritten hat – im vorliegenden Fall für die Beschwerdeführer tatsächlich ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Denn sie konnten vielmehr – wie es in derartigen Verfahren geradezu üblich ist – davon ausgehen, dass die belangte Behörde zumindest eine Gegenschrift erstatten wird, mit der sie die Rechtmäßigkeit des Organhandelns zu begründen versucht.

2.3.3. Hinsichtlich der in § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG darüber hinaus festgelegten Voraussetzung eines fehlenden Verschuldens oder zumindest eines bloß minderen Grad des Versehens ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH eine bloß leichte Fahrlässigkeit, d.h. ein Fehler zu verstehen, den gelegentlich auch ein sorgfältiger, d.h. nicht auffallend sorglos handelnder Mensch begeht (vgl. die umfangreichen Judikaturnachweise bei J. Hengstschläger – D. Leeb, a.a.O., RN 40 ff zu § 71 AVG).

Dass die Rechtsmittelwerber hier – obwohl anwaltlich vertreten – ihren Antrag auf Kostenersatz gemäß § 79a AVG nicht schon aus rein prozessualer Vorsicht bereits in ihrem Beschwerdeschriftsatz gestellt haben, kann nicht als eine auffallende Sorglosigkeit gewertet werden. Denn ein (allenfalls auch nur vorläufiges) Unterlassen eines Kostenbegehrens kann gerade im Zusammenhang mit einer Maßnahmenbeschwerde vor allem auch prozesstaktische Gründe haben: So kann beispielsweise die Überlegung, sich mit der belangten Behörde auch für künftig erforderliche Sachentscheidungen ein benevolentes Verhältnis zu bewahren, dafür sprechen, von einem Kostenersatzantrag vorerst einmal abzusehen und die allfällige spätere Anbringung desselben vom weiteren Verhalten der Behörde v.a. auch im gerade anhängigen Maßnahmenbeschwerdeverfahren abhängig zu machen; oder – weil die Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG lediglich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des behördlichen Aktes gerichtet ist – dass ursprünglich intendiert war, zunächst ausschließlich die Problematik der Widerrechtlichkeit der Amtshandlung (vom Unabhängigen Verwaltungssenat) klären zu lassen und daran anschließend die finanzielle Frage des (Schadens‑)Ersatzanspruches dem nachfolgenden Amtshaftungsverfahren vorzubehalten, dann aber diese Absicht insbesondere angesichts der notorischen Langwierigkeit derartiger Amtshaftungsverfahren dahin geändert wird, auf gesonderte Schadenersatzansprüche zu verzichten und stattdessen im Wege eines Kostenersatzanspruches gemäß § 79a AVG einen ersatzweisen finanziellen Ausgleich zu erreichen, etc.

Sich angesichts derartiger, durchaus im Rahmen des Gesetzes gelegener prozesstaktischer Möglichkeiten nicht schon a priori darauf festgelegt zu haben, bereits im Beschwerdeschriftsatz einen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 79a AVG zu stellen, kann daher den Beschwerdeführern nicht als eine auffallende Sorglosigkeit i.S.d. § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG angelastet werden.

2.3.4. Damit sind aber im Ergebnis sämtliche Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt, sodass der Oö. Verwaltungssenat – weil § 71 Abs. 1 AVG eine Rechts- und nicht eine Ermessensentscheidung statuiert – den Anträgen der Beschwerdeführer stattzugeben hatte.     

4. Davon ausgehend war der Bund (Verfahrenspartei: Landeshauptmann von Oberösterreich) gemäß § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, dazu zu verpflichten, den Beschwerdeführern binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution jeweils Kosten in einer Höhe von 737,60 Euro (Schriftsatzaufwand) zu ersetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.



Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von je 13,20 Euro (Eingabengebühr pro Beschwerdeführer) entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt jeweils bei.

 

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

 

VwSen-420624/10/Gf/Mu vom 1. Juni 2010

 

§ 71 Abs. 1 AVG; § 79a AVG

 

Hinsichtlich der Frage, ob die Nichtdurchführung der öffentlichen Verhandlung ein unvorhergesehenes Ereignis i.S.d. § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG bedeutete, ist davon auszugehen, dass in den sog. Maßnahmenbeschwerdeverfahren nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a  Z. 2 AVG die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gleichsam den Regelfall bildet. Denn aufgrund ihrer Natur als bloß "faktische", oft spontan gesetzte Amtshandlungen geht diesen – anders als in sonstigen Verwaltungsverfahren, die mit der Regelform des Bescheides abzuschließen sind – kein eigenständiges Ermittlungsverfahren voran, sodass der Unabhängige Verwaltungssenat nach der Erhebung einer derartigen Beschwerde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt selbst zu klären hat, wozu es in aller Regel einer öffentlichen Verhandlung bedarf. Vor diesem Hintergrund stellte daher die Nichtdurchführung einer öffentlichen Verhandlung – insbesondere aus dem Grund, weil die belangte Behörde die Rechtswidrigkeit der Handlungen ihrer Organe von vornherein nicht bestritten hat – tatsächlich ein für die Beschwerdeführer unvorhergesehenes Ereignis dar; denn sie konnten grundsätzlich vielmehr – wie es in derartigen Verfahren üblich ist – davon ausgehen, dass die belangte Behörde zumindest eine Gegenschrift erstatten wird, mit der sie die Rechtmäßigkeit des Organhandelns zu begründen versucht.

 

Hinsichtlich der in § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG darüber hinaus festgelegten Voraussetzung eines fehlenden gravierenden Verschuldens kann der Umstand, dass die Rechtsmittelwerber – obwohl anwaltlich vertreten – ihren Antrag auf Kostenersatz gemäß § 79a AVG nicht schon aus prozessualer Vorsicht in ihrem Beschwerdeschriftsatz gestellt haben, nicht als eine auffallende Sorglosigkeit gewertet werden. Denn ein allenfalls auch nur vorläufiges Unterlassen eines Kostenbegehrens kann gerade im Zusammenhang mit einer Maßnahmenbeschwerde vor allem auch (rechtlich zulässige) prozesstaktische Gründe haben.

 

 

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