Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-200385/2/BP/Eg

Linz, 28.05.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, vertreten durch Rechtsanwalt X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 22. April 2010, AZ. Agrar96-15-2008/Pl, zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straf­erkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 44a, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Ver­waltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 65f VStG

 

 

 

 


 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom
22. April 2010, GZ.: Agrar96-15-2008/Pl, wurde über X eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe:
12 Stunden) verhängt, weil er als zur Vertretung nach Außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der X X und somit als Verantwortlicher gemäß
§ 9 VStG zu vertreten habe, dass die ggst. Firma zumindest vom 26. Jänner 2007 bis zum 16. Mai 2008 ihrer Meldepflicht als Zulassungsinhaber gemäß § 25 Abs. 1 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 nicht nachgekommen sei, da sie dem Bundesamt für Ernährungssicherheit nicht unverzüglich schriftlich gemeldet habe, dass die Zulassung des niederländischen Pflanzenschutzmittels X mit 26. Jänner 2007 ausgelaufen sei, obwohl die ggst. Firma als Zulassungsinhaber dem Bundesamt für Ernährungssicherheit unverzüglich schriftlich alle ihr nachträglich bekanntgewordenen Beobachtungen und Daten, die mit den Zulassungsvoraussetzungen nicht im Einklang stehen, zu melden habe.

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 25 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 1 Z. 2 lit. b Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, BGBl. I Nr. 60/1997 idF BGBl. I Nr. 55/2007 genannt.

 

 

Der Bw habe ferner gemäß § 64 VStG zu zahlen:

20 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens

213,19 Euro für anfallende Gebühren gemäß § 32 PMG iVm § 6 Abs.6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes

 

Begründend geht die belangte Behörde nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen sowohl vom Vorliegen der objektiven als auch der subjektiven Tatseite aus. Es finden sich aber keinerlei Hinweise darauf, ob und wann dem Bw das Auslaufen der Zulassung des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels  bekannt wurde.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 26. April 2010 zu Handen seines Rechtsvertreters zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende rechtzeitige Berufung vom 10. Mai 2010. In dieser stellt er einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nebst dem Antrag der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend verweist der Bw u.a. darauf, dass das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel keiner Zulassung in Österreich bedürfe, weshalb es keine Beobachtungen und Daten geben könne, die mit den Zulassungsvoraussetzungen im Zusammenhang stünden. In Bezug auf die nach § 12 Abs. 10 PMG als zugelassen geltenden Pflanzenschutzmittel wären lediglich personenbezogene Daten – und auch diese nur insoweit, als sie dem Zulassungsinhaber bzw. dem Meldepflichtigen bekannt geworden seien, zu melden. Der Ablauf der niederländischen Registrierung des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels gehöre zweifelsohne nicht zu den personenbezogenen Daten. Der vorzeitige Ablauf der niederländischen Registrierung sei dem Bw auch nicht bekannt gewesen. Bei Auslaufen der niederländischen Zulassung sei die einzige Rechtsfolge, dass dieses Pflanzenschutzmittel auch in Österreich nicht mehr unter Berufung auf eine niederländische Zulassung in Verkehr gebracht werden könne. Dieses Pflanzenschutzmittel sei im angeblichen Tatzeitraum von der Firma des Bw jedoch ohnehin nicht in Verkehr gebracht worden, sodass für den Beschuldigten keinerlei Veranlassung bestanden habe, die aufrechte niederländische Zulassung zu kontrollieren.

 

2. Mit Schreiben vom 17. Mai 2010 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Nachdem auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung bekämpfte Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 entfallen.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

2.3. Da im angefochtenen Straferkenntnis im Einzelnen keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 25 Abs 1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 60/1997 in der im Vorfallszeitraum geltenden Fassung BGBl. I Nr. 55/2007 (im Folgenden: PMG) haben die Antragsteller und die Zulassungsinhaber dem Bundesamt für Ernährungssicherheit unverzüglich schriftlich zu melden:

1. alle ihnen nachträglich bekannt gewordenen Beobachtungen und Daten, die mit den Zulassungsvoraussetzungen nicht im Einklang stehen, insbesondere sämtliche neuen Angaben über die potentiell gefährlichen Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels oder deren Rückstände auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser oder über potentiell gefährliche Einflüsse auf die Umwelt,

2. die nachträgliche Veröffentlichung von Informationen, die zuvor als vertraulich bezeichnet wurden, und

3. personenbezogene Daten, im Falle einer Zulassung nach § 12 Abs. 10, soweit ihnen bekannt geworden – wie insbesondere den Wechsel des Herstellers eines Wirkstoffes oder der Zubereitung und die Aufgabe des festen Sitzes oder Wohnsitzes in der Europäischen Gemeinschaft.

 

Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 lit. b PMG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Geldstrafe bis zu 7.270 Euro, im Wiederholungsfall bis 14.530 Euro zu bestrafen, wer als Antragsteller, Zulassungsinhaber oder gemäß § 3 Abs. 4 Meldepflichtiger den in § 25 Abs. 1 festgelegten Meldepflichten nicht nachkommt.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst wohl klar, dass hinsichtlich der im § 25 Abs. 1 PMG vorgesehenen Meldepflicht im Falle des Auslaufens einer Zulassung die Ziffern 2 und 3 dieser Bestimmung – sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrer Zielrichtung nach – nicht als einschlägig anzusehen sind. Entgegen der Ansicht des Bw ist jedoch festzuhalten, dass unter "allen Beobachtungen und Daten, die mit den Zulassungsvoraussetzungen nicht im Einklang stehen" (vgl. § 25 Abs. 1 Z. 1 PMG) fraglos auch das Auslaufen der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels subsumiert werden kann. Die in § 25 Abs. 1 Z. 1 PMG anschließende exemplarische Aufzählung wird durch das Wort "insbesondere" deutlich gemacht, weshalb von keiner taxativen, sondern von einer demonstrativen Aufzählung auszugehen sein wird.

 

Ein weiteres Tatbestandselement, das im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich der objektiven Tatseite einem Beschuldigten von Seiten der Behörde nachgewiesen werden muss, ist dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 Z. 1 PMG nach, dass den Zulassungsinhabern und Antragstellern Beobachtungen und Daten "nachträglich bekannt" geworden sind. Hiezu finden sich sowohl im Spruch als auch in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses keinerlei Hinweise. Der Bw bestreitet im Übrigen, dass ihm der Umstand des Auslaufens der Zulassung bekannt gewesen sei.

 

Da im Verwaltungsstrafverfahren – anders als bei bloßen Ordnungs­widrigkeiten im Bereich des Verschuldens – hinsichtlich des Vorliegens der objektiven Tatseite keine Beweislastumkehr besteht, war der Bw sohin auch nicht gehalten, nachzuweisen, dass ihm der Umstand des Auslaufens der Zulassung nicht bekannt gewesen sei. Vielmehr muss die Erfüllung des objektiven Tatbestandes i.S.d. § 5 Abs. 1 VStG von der Behörde nachgewiesen werden.

 

 

3.3. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungs­vorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2) zu enthalten.

 

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z. 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Beschuldigten angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestands­merkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. z.B. VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

 

3.4. Der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses bietet keinen Hinweis darauf, dass die belangte Behörde dem Bw konkret vorwerfen würde, ihm seien nachträglich Beobachtungen und Daten hinsichtlich des Pflanzenschutzmittels bekannt geworden. Dies aber stellt – wie oben dargestellt - ein wesentliches Tatbestandsmerkmal dar, bei dessen Fehlen das tatbildliche Handeln in objektiver Sicht nicht vorliegen kann. Auch ist dem Bw aufgrund des Fehlens konkreter diesbezüglicher Hinweise im Spruch jegliche Verantwortungsmöglichkeit genommen, zumal auch die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses keinerlei Aufschlüsse für die Annahme der Behörde gibt. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes reicht im hier zu beurteilenden Fall keinesfalls aus. In weiterer Folge fehlt auch eine konkrete Determinierung hinsichtlich des Tatzeitraums, da nicht aufscheint, ab wann der Bw (nach dem ihm Bekanntwerden der neuen Tatsache)  das inkriminierte Verhalten (Unterlassen) gesetzt haben soll.

 

Es liegt somit auch ein Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG vor, der vom Oö. Verwaltungssenat im Nachhinein schon mangels zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr korrigiert werden kann.

 

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der dreijährigen Strafverjährung der Beginn des Tatzeitraums im vorliegenden Fall wohl nicht mit 1. Jänner 2007 hätte angesetzt werden können.

 

3.5. Nachdem somit der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist und darüber hinaus die Tat im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses mangelhaft angelastet wurde, war der Berufung gemäß §§ 24, 44a und 51 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

 

4.1. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gem. § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

4.2. Nach § 6 Abs. 6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes, BGBl.Nr. I 63/2002, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I Nr. 49/2008 (im Folgenden: GESG), ist für Tätigkeiten des Bundesamtes für Ernährungssicherheit anlässlich der Vollziehung der in § 6 Abs. 1 GESG angeführten hoheitlichen Aufgaben – dazu gehört u.a. gemäß § 6 Abs. 1 Z. 4 GESG die Vollziehung des PMG – eine Gebühr noch Maßgabe des Tarifs zu entrichten, den das Bundesamt für Ernährungssicherheit mit Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministeriums für Finanzen kostendeckend festzusetzen hat.

 

Im Verwaltungsstrafverfahren sind diese Gebühren den Beschuldigten im Straferkenntnis zusätzlich zu einer Verwaltungsstrafe vorzuschreiben und unmittelbar an das Bundesamt für Ernährungssicherheit zu entrichten.

 

Da aber der Bw die ihm angelastete Übertretung des PMG nicht begangen hat und das Straferkenntnis aufzuheben war, hatte auch keine Kostenvorschreibung nach dem GESG zu erfolgen bzw. war die dementsprechende, durch die belangte Behörde erfolgte Vorschreibung aufzuheben.

 

 

 

 


Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Bernhard Pree

 

 

 

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