Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522566/8/Bi/Th

Linz, 20.05.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn X, vom 13. April 2010 gegen den Bescheid des Bezirkshaupt­mannes von Vöcklabruck vom 24. März 2010, VerkR21-34-2010, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, aufgrund des Ergebnisses der am 18. Mai 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsverfahren eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1, 26 Abs.2 und 7 Abs.3 Z1 FSG die von der BH Vöcklabruck am 16.6.2005, VerkR20-2150-2005/VB, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung auf die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab 28. Jänner 2010, dh bis einschließlich 28. Juli 2010, entzogen. Gemäß § 24 Abs.1 letzter Satz wurde für den gleichen Zeitraum ein Lenkverbot für vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge ausgesprochen. Gemäß § 24 Abs.3 FSG wurde die Absolvierung einer Nach­schulung bei einer vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ermächtigten Stelle sowie die Beibringung eines vom Amtsarzt der Erstinstanz erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sowie einer verkehrspsychologischen Stellungnahme auf eigene Kosten angeordnet.  

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 31. März 2010.


 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Am 18. Mai 2010 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­­­verhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters Herrn RA X, der Vertreterin der Erstinstanz Frau X sowie der Zeugen X (K), RI X (RI M) und des Meldungslegers RI X (Ml) durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe noch niemals einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, weshalb die Erstinstanz auch mit der Mindestentziehungsdauer vorgegangen sei. Er sei auch in der ggst Nacht nicht alkoholisiert gefahren, habe die Verkehrssicherheit nicht gefährdet und seine Zukunftsprognose sei uneingeschränkt positiv. Anders als bei der strafrechtlichen Beurteilung der Verweigerung der Atemluftuntersuchung sei im Führerscheinrecht das tatsächliche Lenken oder die Inbetriebnahme eines Kfz entscheidend für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache; der bloße Verdacht genüge hier nicht. Beantragt wird die Aufhebung des Bescheides und die Ausfolgung des Führerscheins – die aufschiebende Wirkung sei der Berufung zu Recht nicht aberkannt worden zumal das den nun schon drei Monate dauernden kalten Entzug zusätzlich verlängern würde.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört, die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich einvernommen und die Örtlichkeit besichtigt wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw besuchte am 5. Jänner 2010 nach Beendigung seiner Schicht um 22.30 Uhr in X das Gasthaus "X" in X, wo er um etwa 23.00 Uhr eintraf. Nach seinen Aussagen war der Parkplatz des Lokals voll besetzt und auch der Straßenrand zum Ortszentrum war bereits verparkt, weshalb er in der Verbindungsstraße zur X gegenüber dem Haus X Nr. X auf der Wiese links neben der Straße den Pkw abstellte und ins etwa 50 m entfernte Gasthaus ging. Dort traf er einen Arbeitskollegen und um 1.00 Uhr des 6. Jänner 2010 besuchte er ohne diesen die im Untergeschoß befindliche Disko­thek, wo er nach seiner Erinnerung "Bargetränke", die auch Schnaps bein­halten, konsumierte. An weitere Geschehnisse konnte er sich laut eigener Aussage in der Berufungsverhandlung nicht erinnern.

Der Zeuge X war in dieser Nacht im Rahmen seines Taxiunternehmens mit einem Taxibus unterwegs, zumal bei der Veranstaltung im Gasthaus viel los war. Um ca 4.45 Uhr fuhr er von der X auf der Verbindungsstraße in Richtung Gasthaus X. Die Auffahrt von der Verbindungsstraße auf die X ist zweigeteilt und in Form von zwei S-Kurven baulich angelegt, weil die X weiter oben verläuft und die Steigung durch die schrägen Auffahrten leichter zu bewältigen ist. Beim Herunterfahren sah der Zeuge X nach seiner Schilderung im Scheinwerferlicht am Ende der S-Kurve rechts neben der Straße eine Person liegen. Als er ausstieg, fand er den ihm unbekannten Bw, der nur mit Schuhen und einem Stringtanga bekleidet im Schnee lag und nicht ansprechbar war. Da er ihm bereits stark unterkühlt erschien, zumal es in dieser Nacht minus 9 Grad hatte, verständigte der Zeuge X einen zweiten Fahrer, der beim Gasthaus Fahrgäste abholte und Decken im Taxi hatte, und die Rettung. Der zweite Fahrer kam mit vier Fahrgästen und gemeinsam wickelten sie den etwas schweren Bw in Decken ein und legten ihn auf die Rücksitzbank des Taxibusses, den der Zeuge X über die Auffahrt auf die X fuhr, um der Rettung das Abholen zu erleichtern. Als die Rettung kam und die anwesenden Personen den Bw auf die Trage legten, kamen die beiden Polizeibeamten der PI X. Der Zeuge X schilderte kurz den Sachverhalt und übergab den Beamten einen Fahrzeugschlüssel, den er beim Bw im Schnee gefunden hatte.

 

RI X stieg zum inzwischen ansprechbaren Bw ins beheizte Rettungsfahrzeug, wobei sich herausstellte, dass dieser nicht ins Krankenhaus mitfahren sondern aussteigen wollte, was aber die Rettungsleute nicht zuließen. Der inzwischen eingetroffene Notarzt stellte beim Bw außer der Unterkühlung eine Alkoholi­sierung  fest und ordnete die Einlieferung ins Krankenhaus nach Salzburg an.

 

Der Ml bestätigte, es sei zwar bei der Verständigung der Polizei die Rede von einem Verkehrsunfall gewesen, aber beim Eintreffen habe sich das nicht als Verkehrsunfall dargestellt. Ein auf den Bw zugelassener Pkw sei kalt und abgesperrt ca 40m vom Gasthaus entfernt abgestellt gewesen. Der Ml foto­gra­fierte den Pkw; die Fotos waren dem Verfahrensakt beigelegt. Darauf ist zu sehen, dass der Pkw links neben der Straße in der verschneiten Wiese stand, wobei es aufgrund der Fahrspuren und der Örtlichkeit wenig wahrscheinlich ist, dass der Pkw, laut Bw ein X mit 50 PS, ohne fremde Hilfe über die Böschung heraufgekommen wäre. Der Ml fotografierte auf der Fahrerseite ins Fahrzeug hinein, wo auf der Fußmatte Schnee und die nasse Sitzfläche zu sehen ist.

 

Der Zeuge X gab an, er sei auf seiner Fahrt noch gar nicht bis zum Fahrzeug des Bw gekommen gewesen, zumal ihm dieses auch unbekannt war und er den Bw vorher gefunden habe. Er sei erst mit dem Ml zum Fahrzeug gekommen; er habe daran jedenfalls nichts verändert.

RI X, der inzwischen den Namen des Bw erfahren hatte, fragte diesen im Rettungsfahrzeug unter Hinweis auf den auf ihn zugelassenen Pkw nach seinen Papieren, worauf ihm der Bw antwortete, er habe gar kein Auto. Er forderte den Bw daraufhin zum Alkotest auf, den dieser trotz entsprechender Belehrung  über die Konsequenzen mit der gleichen Begründung um 5.05 Uhr verweigerte. RI X gab in der Verhandlung an, der Bw sei zu dieser Zeit bereits ansprechbar gewesen und er habe den Eindruck gehabt, dass seine Antworten im Zusammen­hang gepasst hätten, dh dass dieser auch mitbe­kommen habe, worum es gegangen sei.

Zur vom Ml verfassten Anzeige gab RI X an, er habe den Bw nie zu einem Alkohol­­vortest aufgefordert, sondern aufgrund der merklichen Alkoholisierung und dem Verdacht des Lenkens eines Kraftfahrzeuges sofort zur Atemluftalkohol­untersuchung.

Laut Anzeige hat der Zeuge X den Bw "neben dem Auto gefunden". Der Zeuge X hat aber, wie auch beim Ortsaugenschein nachvollzogen, den "Fundort" in einer Entfernung von mehr als 50 m vom Pkw angegeben und betont, er habe keinerlei Verbindung des ihm unbekannten Bw zu einem ihm unbekannten Fahrzeug gehabt, auch wenn es in der Anzeige anders zum Ausdruck komme; zu einem derartigen Ansinnen der Polizisten könne er aus eigener Wahrnehmung nichts sagen. Er habe aber nie gesagt, dass er den Bw "neben dem Auto" gefunden habe.

 

Der Bw bestätigte in der Berufungsverhandlung, er habe keine Erinnerung mehr ab seinem Besuch der Diskothek und könne sich erst wieder erinnern, dass man ihm im Kranken­haus gesagt habe, er habe noch 33 Grad Körper­tem­peratur gehabt. Er könne auch nicht ausschließen, dass ihm jemand etwas in ein Getränk getan habe. Laut Verletzungsanzeige wurde bei ihm eine C2-Intoxikation festge­stellt.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung stellt sich der Vorfall so dar, dass der Bw um etwa 23.00 Uhr nach kurzer Fahrt nach X gekommen ist und seinen Pkw dort in Ermangelung eines der sonst üblichen Parkplätze links unterhalb der Verbin­dungsstraße geparkt hat, wo er vermutlich wegen der Schneelage ohne Hilfe nicht mehr herausgekommen wäre. Nach den Spuren im Schnee ist er vor- und zurückgefahren, allerdings hat es in der Nacht nicht geschneit, dh die Spuren können genauso von 23.00 Uhr stammen. Der Schnee auf der Fußmatte um 5.00 Uhr Früh ist insofern erklärbar, als ein bei der kurzen Fahrt von X nach X von den Schuhen gefallener Schnee im kalten Fahrzeug nicht schmilzt, zumal auch die Heizung nicht so schnell warm wird. In der Nacht konnte der Schnee bei minus 9 Grad nicht schmelzen, weshalb der um 5.00 Uhr früh vom Ml fotografierte Schnee auf der Fußmatte durchaus auch von 23.00 Uhr stammen kann. Dass ein nasser Fleck auf dem Fahrersitz bei dieser Temperatur nicht trocknen kann, liegt auf der Hand. Auch wenn der RI X bei seiner Befragung angegeben hat, die für ihn nicht nach Einparken aussehende Abstellposition des Pkw sei ihm so erschienen, als wäre der Bw mit dem Pkw von der Straße abgekommen und hätte alleine nicht mehr über die abschüssige Böschung hinauffahren können, besteht kein objektiver Anhaltspunkt dafür, dass der Bw nach dem Verlassen des Gasthauses – Sperrstunde ist um 4.00 Uhr – den Pkw noch gelenkt oder in Betrieb genommen hätte. Die auf den Fotos zu sehen­den Fahr- und Fußspuren sind zeitlich in keiner Weise zuzuordnen; der Pkw war kalt.      

 

Auf dieser Grundlage war die Berufung erfolgreich, zumal in rechtlicher Hinsicht gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG eine bestimmte Tatsache nur dann vorliegt, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Auch wenn der Bw die Durchführung einer begründet verlangten Atemalkohol­untersuchung verweigert hat, reicht der Verdacht des Lenkens für die Rechts­folgen gemäß §§ 24 Abs.1 iVm 26 Abs.2 FSG nicht aus. Dafür dass er ein Kraft­fahrzeug im von RI X vermuteten Zustand einer Alkoholbeeinträchtigung gelenkt oder in Betrieb genommen hätte, besteht kein Anhaltspunkt. Damit war der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben, zumal bei Nichtvorliegen von  Verkehrsunzuverlässigkeit außer dem Lenkverbot auch die im § 24 Abs.3 FSG vorgesehenen Maßnahmen zu entfallen haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 


Beschlagwortung:

beim Anhaltspunkt für Lenken oder Inbetriebnehmen des PKW trotz Verweigerung des Alkotests -> Aufhebung.

 

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