Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100508/5/Fra/Ka

Linz, 15.06.1992

VwSen - 100508/5/Fra/Ka Linz, am 15. Juni 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung von Frau A L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 27. März 1992, AZ. VU/S/4969/91W, betreffend Übertretung des § 4 Abs.5 StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 51e Abs.1 VStG.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Strafkostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 27. März 1992, A.Z.VU/S/4969/91W, über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 StVO 1960 eine Strafe verhängt, weil sie es am 20. September 1991 um 7.30 Uhr in L, Kreuzung E als Lenker des PKW unterlassen hat, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift mit dem Unfallbeteiligten (Unfallgeschädigten) unterblieben ist.

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig berufen. Eine Berufungsvorentscheidung wurde seitens der Strafbehörde nicht erlassen. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.1 VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Dem angefochtenen Straferkenntnis ist eine Strafverfügung vom 13. Dezember 1991 vorausgegangen. Mit dieser Strafverfügung wurde der Beschuldigten derselbe Tatbestand wie in dem nunmehr bekämpften Straferkenntnis zur Last gelegt. Die Beschuldigte hat gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig Einspruch erhoben und diesen Einspruch ausführlich begründet. Insbesondere stellt sie das objektive Tatbestandsmerkmal des "Sachschadens" sowie den Kausalzusammenhang in Abrede. Gleichzeitig bietet die Beschuldigte in ihrem Einspruch verschiedene Beweismittel an. Obwohl dieser Einspruch rechtzeitig eingebracht wurde und - wie erwähnt - ausreichend begründet sowie mit entsprechenden Beweisanträgen versehen ist und im übrigen auch plausibel erscheint, hat die Erstbehörde entgegen der zwingenden Vorschrift des § 49 Abs.2 VStG kein Verfahren eingeleitet, sondern ohne jede weitere Ermittlungstätigkeit ein Straferkenntnis gefällt. Wenn die Erstbehörde lapidar vermeint, daß die Beschuldigte nicht ausschließe, eine Berührung mit dem anderen KFZ gehabt zu haben, desweiteren nicht bestreitet, am anderen KFZ einen Sachschaden festgestellt zu haben, so kann darin kein einen Schuldspruch stützendes Beweisergebnis erblickt werden. Im Grunde wird damit lediglich eine Vermutung ausgesprochen, ohne daß die Strafbehörde auf das ausführliche Vorbringen im Einspruch der Beschuldigten im Einzelnen eingeht und - anhand von Ermittlungsergebnissen - widerlegt. Es ist im konkreten Fall auch zu berücksichtigen, daß der zweitbeteiligte Lenker selbst lt. Anzeige angegeben hat, daß sich an der Berührungsstelle bereits ein alter, anders gearteter Schaden befunden hat.

Die Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit verbunden mit dem Nichteingehen der belangten Behörde auf die von der Beschuldigten vorgebrachten Argumente hat die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses zur Folge. Dem Beschuldigten wird durch eine solche Vorgangsweise de facto der Instanzenzug verkürzt. Der unabhängige Verwaltungssenat als ein vom Bundesverfassungsgesetzgeber eingerichtetes Organ der Rechtsmäßigkeitskontrolle sieht sich nach ständiger Rechtsprechung nicht dazu veranlaßt, im Berufungsverfahren gleichsam das nicht stattgefundene erstinstanzliche Ermittlungsverfahren zu substituieren.

Durch das materielle Übergehen der Erstinstanz wird der Beschuldigte nicht nur in seinem Verteidigungsrechte verkürzt, sondern darüber hinaus auch in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis ohne Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen aufzuheben. Ob und inwieweit das Strafverfahren von der Erstbehörde weitergeführt wird, ist von dieser aus eigenem zu beurteilen. zu II. Die Entscheidung über den Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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