Linz, 07.06.2010
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine I. Kammer (Vorsitzende: Maga. Bissenberger, Berichter: Dr. Bleier, Beisitzer: Dr. Keinberger) über die Berufung des Herrn X, gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 8. April 2010, Zl. VerkR96-3912-2009, nach der am 07.06.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z.1 u. § 51e Abs.1 Z1 VStG.
II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Strafkostenbeiträgen sowohl zum Verfahren erster Instanz als auch zum Berufungsver-fahren.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat im Punkt 1.) des oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.800 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit 24 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am
13.12.2009 um 23:55 Uhr im Gemeindegebiet von Hirschbach i.M, auf der B38, bei Strkm 113,200 aus Richtung Freistadt kommend in Richtung Bad Leonfelden, das Mfa mit dem ein nach dem Kennzeichen X gelenkt habe und sich am 13.12.2009 um 23.57 Uhr in Gutenbrunn nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er im Verdacht gestanden sei, zum angeführten Zeitpunkt – am angeführten Ort – das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben.
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
2. In der dagegen fristgerecht an die Behörde erster Instanz per FAX übermittelten und handschriflicht ausgeführten Berufung bringt der Berufungswerber sinngemäß zum Ausdruck, bloß auf Privatgrund – gemeint auf einem Bereich, für den die StVO nicht anzuwenden ist – gefahren zu sein.
3. Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige I. Kammer zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war angesichts der bestrittenen Tatsache der Lenkeigenschaft gemäß § 51e Abs.1 Z1 VStG erforderlich.
Hinsichtlich des Punktes 2.) des Straferkenntnisses wird in einer gesonderte Bescheidausfertigung durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitlied abgesprochen (VwSen-165079).
3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat im Vorfeld Beweis erhoben durch Beischaffung eines Luftbildes von der Tatörtlichkeit, welches dem Meldungsleger zwecks Illustration der Fahrstrecke übermittelt wurde; dies zur Ergänzung der mangelhaft ausgeführten VStV-Anzeige. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde der Verfahrensakt verlesen, sowie die vor Ort einschreitenden Polizeiorgane RI X u. BI X als Zeugen einvernommen.
Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter gehört. Das Verfahren des Einzelmitgliedes wurde dem Verfahren vor der I. Kammer einbezogen.
4. Unbestritten ist, dass der Berufungswerber am 13.12.2009 um etwa 23.55 Uhr ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Moped parallel zu dem etwa 100 m von seinem Wohnhaus entfernten Güterweg Klopf lenkte. Am Moped war ein Ersatzkennzeichen aus Pappe angebracht.
Aus der Anzeige ergibt sich zwar die Vermutung, dass dieses Moped auf der B38 aus Richtung Freistadt gelenkt worden sein könnte, eine tatsächliche Wahrnehmung dafür konnte jedoch auch im Rahmen der Berufungsverhandlung nicht erhärtet werden.
Vor der Kreuzung mit dem Güterweg ist laut den Zeugen das Fahrzeug von der Funkstreifenbesatzung (X u. X) nur in der Wiese fahrend gesichtet worden. Die angeblichen Spur, die vom Güterweg in die Wiese geführt haben soll und dem Moped zugeordnet wurde, ist nicht näher dokumentiert worden und konnte letztlich vom Zeugen Keplinger dezidiert nicht dem Fahrzeug des Berufungswerbers zugeordnet werden. Obwohl ein Atemluftmessgerät im Fahrzeug mitgeführt wurde, wäre laut Einschreiter für die Amtshandlung die etwa acht Kilometer entfernt gelegene Polizeiinspektion Freistadt zuständig gewesen, daher war die Aufforderung zur Durchführung der Atemluftuntersuchung auf der Polizeiinspektion Freistadt augesprochen worden.
Diese verweigerte der Berufungswerber mit dem Hinweis auf keiner Straße gefahren zu sein, wobei er offenbar auch den Weg zurück nach Hause nicht in Kauf zu nehmen geneigt gewesen sein mag.
4.1. Anlässlich des im Rahmen der Berufungsverhandlung gewonnenen Beweisergebnisses steht fest, dass der Berufungswerber zu keinem Zeitpunkt auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr fahrend wahrgenommen wurde.
Der Berufungswerber führt zum damaligen Vorfall ergänzend aus, dass im Rahmen eines Treffens des sogenannten Oldtimerclubs in Freistadt das Moped von einem Freund auf dessen Autoanhänger bis zum Güterweg Klopf transportiert worden sei.
Auch während der Vorbeifahrt des Polizeifahrzeuges wurde das Moped bereits in der Wiese wahrgenommen, was der Zeuge X als auffällig und als Grund für das Umdrehen und die nachfolgende Amtshandlung nannte. Eine Flucht in das Gelände, etwa nach Ansichtigwerden des Polizeifahrzeuges, ist demnach logisch besehen nicht anzunehmen.
Daher ist es durchaus glaubhaft, dass das Moped bis dorthin auf dem Anhänger transportiert und erst dort abgeladen wurde. Die Abladeörtlichkeit erklärt der Berufungswerber spontan auch dahingehend nachvollziehbar, dass er mit dieser Lärm verursachenden Manipulation seine Mutter nicht habe wecken wollen. Daher sei er letztlich die 200 m zu seinem Haus auf der verschneiten Wiese gefahren.
Der Berufungswerber sei sich seiner hohen Alkolisierung bewusst gewesen, was letztlich die Beförderung seines Mopeds auf dem Anhäger begründete. Seinen namentlich genannten Bekannten, der sich momentan auf Rehabilitation befinde, habe er vorest in die Sache nicht hineinziehen wollen. Aus diesem Grund habe er ungefragt auch nicht erwähnt, wie er mit dem Moped an die fragliche Örtlichkeit gelangt sei.
Dies steht mit der Wahrnehmung der Meldungsleger insofern in Einklang, als die Bezeichnung des Ortes des Einschreitens mit den Angaben des Berufungswerbers im Wesentlichen übereinstimmen.
Dem Berufungswerber kann in seiner Verantwortung auch insofern gefolgt werden, als es wohl keinen Sinn gemacht hätte, von Freistadt bis zum Güterweg auf der B38 und dann die restlichen 200 m in der Wiese zu fahren.
5.1. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 5 Abs.2 2.Satz StVO 1960 sind besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht (außerdem) berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigen Zustand ein Fahrzeug [im öffentlichen Verkehr] gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
Nach Abs.4 leg.cit. sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmeßgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens [auf Straßen mit öffentlichen Verkehr] befunden haben.
Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 begeht ua. eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.
Gemäß § 1 Abs.1 StVO 1960 gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können, vom Anwendungsbereich der StVO erfasst.
Gemäß § 2 Abs.1 Z1 gilt als Straße iSd Straßenverkehrsordnung eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen.
Der VwGH hat zum Begriff "Straße mit öffentlichem Verkehr" ausgesprochen, dass es wohl nicht auf die Eigentumsverhältnisse an der Straßengrundfläche ankommt, sondern eine Straße dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann, wenn sie dem äußeren Anschein nach zur allgemeinen Benützung freisteht.
Eine kurze Fahrt in einer Wiese kann demnach nicht als Lenken auf einer Verkehrsfläche im Geltungsbereich der StVO angenommen werden. Daher entbehrt schon vor diesem Hintergrund eine Bestrafung wegen der Verweigerung einer Atemluftuntersuchung einer rechtlichen Grundlage (vgl. dazu die Entscheidung des VwGH vom 27.2.2002, Zl.2001/03/0308 sowie viele andere).
Die qualifizierte Verdachtslage hat sich neben dem primären Aspekt des Lenkens unter Alkoholeinfluss auch auf den Aspekt des Geschehens auf einer öffentlichen Verkehrsfläche zu erstrecken. Dafür gab es aber – wie die Meldungsleger letztlich selbst angaben – keine schlüssige Verdachtslage, indem sich die Lenkeigenschaft in diesem konkreten Einzelfall zu keinem Zeitpunkt auf eine diesbezügliche Wahrnehmung stützte.
Daher entbehrte die Aufforderung sich diesbezüglich zur Polizeiinspektion Freistadt vorgeführen zu lassen, obwohl sich ein Atemluftmessgerät im Fahrzeug der Meldungsleger befand, auch unter diesem Aspekt der rechtlichen Grundlage.
Wohl schließt das Gesetz nicht aus, einen Probanden zu einer anderen Dienststelle zu bringen, wenn sich herausstellt, dass sich bei der Dienststelle, zu der er zunächst gebracht wurde, kein derartiges Gerät befindet; dies ist jedoch - unter dem Blickwinkel, dass die Einschränkung der persönlichen Freiheit des zu Untersuchenden möglichst gering gehalten werden soll - nur unter der Voraussetzung zulässig, dass dabei der Rahmen der Zumutbarkeit nicht überschritten wird (vgl. VwGH 30.6.1999, 99/03/0106 mit Hinweis auf VwGH v. 21. 1.1998, Zl. 97/03/0244).
Sohin war das Verfahren letztlich wegen der nicht begründeten Verdachtslage aber auch der fehlenden Voraussetzungen für eine Vorführung zu einem acht Kilometer entfert gelegenen Atemluftmessgerät nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Maga. Bissenberger