Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400740/60/Gf/Mu

Linz, 11.06.2010

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des x, vertreten durch RA x, wegen menschenunwürdiger Behandlung seines Bruders während dessen Anhaltung in Schubhaft durch den Polizeidirektor von Linz vom 12. September 2005 bis zum 4. Oktober 2005 nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 13. Februar 2006 zu Recht erkannt:

 

I. Der sich zuvor bereits in einem wochenlangen Hungerstreik befunden habende Bruder des Beschwerdeführers wurde durch die Unterlassung von zweckgerichteten und effektiven Maßnahmen zur Entdeckung und Behandlung seiner Krankheit während seiner Anhaltung in Schubhaft in seinem nach Art. 3 EMRK verfassungsmäßig unbeschränkt geschützten Recht auf eine menschenwürdige Behandlung verletzt.

 

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) hat dem Beschwerdeführer Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.499,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der am 2. März 1987 geborene – und demnach zum Vorfallszeitpunkt ca. 182/Jahre alte, d.h. sowohl im Hinblick auf § 9 AVG i.V.m. § 21 Abs. 2 ABGB als auch gemäß § 95 i.V.m. § 66 Abs. 1 bzw. § 68 Abs. 2 und 3 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. 75/1997, in der hier, nämlich aus der Sicht einer ex post durchzuführenden Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. z.B. VwGH v. 21. Dezember 1994, Zl. 94/03/0268) maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 151/2004 (im Folgenden: FrG), voll rechts- und handlungsfähige – Bruder des Beschwerdeführers, ein Staatsangehöriger von Gambia, ist am 11. März 2004 ohne gültige Reisedokumente von Italien aus kommend mit dem Zug in das Bundesgebiet eingereist und hat am nächsten Tag beim Bundesasylamt (Außenstelle Wien) einen Asylantrag gestellt. Am 15. März 2004 wurde er als Asylwerber in die Bundesbetreuung aufgenommen.

1.2. Mit Urteil des LG Wien vom 4. April 2005, Zl. 162 HV 45/05 h, wurde er wegen zwei Übertretungen des Suchtmittelgesetzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten verurteilt und zu deren Verbüßung zunächst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wien-Josefstadt angehalten. Am 2. Mai 2005 wurde er in die JVA Linz verlegt.

1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (Außenstelle Wien) vom 6. Juni 2005, Zl. 404243, wurde die Ausweisung des Bruders des Rechtsmittelwerbers verfügt; dieser Ausweisungsbescheid ist am 5. Juli 2005 in Rechtskraft erwachsen.

1.4. Mit Beschluss des LG Linz vom 6. September 2005, Zl. 20 BE 384/05 z, wurde er per 12. September 2005 bedingt aus der Strafhaft entlassen (Probezeit: 3 Jahre).

1.5. Mit Bescheid der BPD Linz vom 8. September 2005, Zl. 1051899/FRB, wurde über ihn jedoch zur zwangsweisen Durchsetzung der Ausweisung im Wege der Abschiebung in seinen Heimatstaat die Schubhaft verhängt und diese durch unmittelbare Überstellung von der JVA Linz in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Linz am 12. September 2005 vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass angenommen werden müsse, dass sich der Bruder des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der beabsichtigten Abschiebung nicht freiwillig zur Verfügung der Fremdenpolizeibehörde halten werde. Darüber hinaus verfüge er weder über einen ordentlichen Wohnsitz noch über die erforderlichen Reisedokumente, sodass bei der Vertretungsbehörde seines Heimatstaates ein Heimreisezertifikat urgiert und dessen Eintreffen abgewartet werden müsse.

1.6. Mit Schriftsatz vom 12. September 2005, Zl. 1051899/FRB, hat die BPD Linz bei der Botschaft der Republik Gambia in Wien um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht.

1.7. Wie aus der "Meldung" des Stadtpolizeikommandos (PAZ) Linz vom 4. Oktober 2005 (ohne Aktenzahl) hervorgeht, ist der Schubhäftling am 28. September 2005 "ohne Angabe von Gründen" in den Hungerstreik getreten. Darauf hin seien ihm Merkblätter über die Folgen eines Hungerstreiks in seiner Muttersprache ausgefolgt worden und hätten Vertreterinnen des Vereines "Menschenrechte Österreich" mehrere Betreuungsgespräche mit ihm geführt.

Im "Hungerstreik-Formular" des Stadtpolizeikommandos Linz ist dem gegenüber als Grund für den Hungerstreik angeführt, dass der Bruder des Rechtsmittelwerbers "unbedingt wieder in die Schlafzelle 36" – aus der er infolge von dort mit anderen Mithäftlingen getätigten Fluchtvorbereitungsmaßnahmen verwiesen worden war – "zurückverlegt werden" wollte. In diesem Formular fehlt zwar eine Angabe über die Körpergröße des Schubhäftlings – sie lag laut Aufnahmeuntersuchung am 12. September 2005 bei 1,70 m und sein damaliges Gewicht bei 76,5 kg –, doch wurden darin als Körpergewicht am ersten Tag des Hungerstreiks (28. September 2005) ein Wert von 67 kg und als "Individuelles kritisches Gewicht" ein Wert von 54 kg festgehalten, der am 4. Oktober 2005 (59 kg nach einem kontinuierlichem Gewichtsverlust von insgesamt 17,2 kg über die 22 Tage dauernde Schubhaft hinweg) jedoch noch nicht erreicht war. Weiters finden sich Anmerkungen darüber, dass die Zunge des Häftlings (mit Ausnahme am 2. Oktober 2005) stets feucht, aber (am 3. Oktober 2005) seine "Lippen borckig" (gemeint wohl: borkig) waren bzw. dass er Widerstand geleistet oder simuliert habe ("spielt hinfällig", "verweigert die Untersuchung", "muss von anderen Häftlingen getragen werden", "läuft von Waage zum Sessel", "kippt demonstrativ vom Sessel").

Am 4. Oktober 2005 sei er daher nach der vorangeführten "Meldung" des Stadtpolizeikommandos über Veranlassung eines Polizeiarztes zwecks Abklärung seines Allgemeinzustandes ("Gibt sich hinfällig, muss von 2 Personen gestützt werden, Gewichtskontrolle daher nicht genau möglich. Zunge trocken, Lippen bor[c]kig. Ambulante fachärztliche Begutachtung erb. Event. Blutkontrolle, Jonogramm erb.") und der Frage der weiteren Haftfähigkeit aus fachärztlicher Sicht um 9.30 Uhr ambulant in das AKH Linz überstellt worden.

Da er sich dieser Untersuchung habe widersetzen wollen und u.a. mit den Füßen gegen eine Krankenschwester getreten habe, hätten ihm Hand- und Fußfesseln angelegt werden müssen. Laut Untersuchungsbefund der Ambulanz des AKH Linz (INT II-A vom 4. Oktober 2005) sei die "Flüssigkeitszufuhr nicht eruierbar" und die "Kommunikation schwierig" gewesen, weil der Patient nicht Deutsch gesprochen habe. Außerdem habe er "trockene Lippen" und die "Augen stets geschlossen" gehalten gehabt. Insgesamt habe sich der "Patient unkooperativ" erwiesen, doch "mit Führung" scheine ein "Gehen möglich". "Bei Verschlechterung des Allgemeinzustandes" sei jedoch eine "Zwangsernährung (Psychiatrie !)" erforderlich, denn der "Patient schlägt zeitweise um sich", weshalb die schließlich doch durchgeführte "Blutabnahme schwierig bzw. riskant" gewesen sei.

Auf Grund dieses Befundes und Verhaltens bzw. auch deshalb, weil sich in seiner Zelle ein weiterer hungerstreikender Schubhäftling befand, habe er nach seiner Rückkehr in das PAZ um 11.00 Uhr (nicht in der Schlafzelle, sondern) in der "Sicherungszelle Nr. 1" untergebracht werden müssen, wobei ihm zuvor die Fesseln abgenommen worden seien. Dort sei er in Abständen zwischen 15 und 30 Minuten kontrolliert worden. Bei der Kontrolle um 12.30 Uhr habe er jedenfalls auf das Öffnen der Zellentür noch reagiert.

Um 12.50 Uhr sei jedoch festgestellt worden, dass der Schubhäftling nicht mehr geatmet habe und auch kein Puls mehr wahrnehmbar gewesen sei. Die verständigte Notärztin und die hinzu gekommenen Polizeiärzte hätten um 13.10 Uhr nur mehr dessen Tod feststellen können.

1.8. Aus dem "Obduktionsprotokoll" der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz GmbH vom 5. Oktober 2005, Zl. L-051264/Ha/Lei, geht hervor, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild des Verstorbenen keine "wesentliche akute Unterernährung" vorliege und prima vista auch keine Anzeichen einer "klassischen Austrocknung" feststellbar seien (Äußerer Befund, S. 4, und Gutachten, S. 9). Weiters ergibt sich aus dem diesem angeschlossenen – tatsächlich aber wohl erst nach diesem Datum erstellten, weil auch spätere Befunde einbeziehenden – "Ärztlichen Sachverständigengutachten" vom 5. Oktober 2005, Zl. L-051264/Ha/Lei, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild und den klinischen Befunden bis zum 4. Oktober 2005 eine lebensbedrohliche Situation nicht zwingend erkennbar gewesen sei. Nachdem Gewalteinwirkung, Alkohol oder Drogen als Todesursache mangels irgendwelcher diesbezüglicher Indizien von vornherein ausgeschlossen werden könnten, habe sich die letztlich zum Tod führende Entgleisung im Elektrolytsystem nämlich nicht schlagartig entwickeln können, sondern es müsse sich um eine über mehrere Tage fortschreitende diesbezügliche Störung gehandelt haben, die rein funktionell noch lange Zeit habe kompensiert werden können. Letztlich sei es jedoch plötzlich – vermutlich auf Grund einer akuten Herzrhythmusstörung – zum Herztod gekommen, wobei dieses Geschehen nur dann hätte verhindert werden können, wenn schon frühzeitig eine Laboruntersuchung vorgenommen worden wäre. Dazu habe es zwar in (bloßer) Kenntnis des "Hungerstreikprotokolls" keine zwingende Veranlassung gegeben, doch hätte der im AKH Linz erhobene Laborbefund – der u.a. erhöhte Kaliumwerte auswies und damit eine Verschiebung im Elektrolytsystem habe vermuten lassen – offenkundig einer entsprechenden Überprüfung bedurft, wozu es jedoch auf Grund des plötzlichen letalen Geschehens nicht mehr gekommen sei (S. 6). Eine dem entsprechend postmortal durchgeführte klinische Laboruntersuchung habe eine erblich determinierte Störung im blutbildenden System (sog. "Sichelzellenanämie") ergeben, die zu Lebzeiten des Verstorbenen jedoch – wie häufig bei Personen schwarzer Hautfarbe – nur latent vorhanden gewesen sei (sog. "Sichelzellenanlage"). Diese hätte ex ante nur im Wege eines Sichelzellentests (Hämoglobin-Elektrophorese-Untersuchung) entdeckt werden können und habe bei Hinzutreten schädigender Ereignisse (wie z.B. Sauerstoff- oder Flüssigkeitsmangel o.ä.; Exsikkation) Symptome entwickeln können, die fallweise auch tödliche Folgen nach sich ziehen (S 7 ff). Infolge der durch den Hungerstreik eingeschränkten Nahrungs-, insbesondere der verminderten Flüssigkeitszufuhr sei es unter diesen Voraussetzungen zu einer Konglomeration der roten Blutzellen und zu Durchblutungsstörungen in den verschiedenen Organsystemen sowie zu einem Blutzellzerfall gekommen. Das Zusammenwirken von Sichelzellenanlage und Flüssigkeitsmangel habe sohin eine permanent fortschreitende Störung im Elektrolythaushalt zur Folge gehabt, die zwar vorerst auf Grund der an sich guten körperlichen Konstitution des Schubhäftlings noch habe kompensiert werden können, letztlich jedoch zum Todeseintritt durch akutes Herzversagen geführt habe (S. 10 ff).

1.9. Am 15. November 2005 – und damit rechtzeitig i.S.d. § 73 Abs. 2 i.V.m. § 67c Abs. 1 AVG – hat u.a. auch der Bruder des Verstorbenen beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax einen einerseits als "Schubhaftbeschwerde", anderseits als "Maßnahmenbeschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf eingebracht, in dem der Sache nach sowohl die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft an sich als auch die Art und Weise von deren Vollzug bestritten wurde.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass der Schubhäftling im Asylverfahren als Minderjähriger durch den Magistrat Wien als zuständige Jugendwohlfahrtsbehörde vertreten und diesem jedenfalls seine Identität in vollem Umfang bekannt gewesen sei, sodass insoweit kein tauglicher Schubhaftgrund vorgelegen sei. Zudem hätten gelindere Mittel wie z.B. die Verpflichtung zur Unterkunftsnahme in von der Behörde bestimmten Räumen hingereicht. Darüber hinaus sei auch nicht nachvollziehbar gewesen, inwieweit realistischer Weise zu erwarten gewesen sei, dass der Bruder des Rechtsmittelwerbers innerhalb der gesetzlichen Maximaldauer der Schubhaft von sechs Monaten tatsächlich in seinen Heimatstaat hätte abgeschoben werden können. Im Übrigen hätte er auch deshalb nicht in Schubhaft angehalten werden dürfen, weil seine Haftfähigkeit nicht zweifelsfrei festgestanden sei. Außerdem sei die Anhaltung nicht in der durch die Anhalteordnung vorgesehenen Weise – im Besonderen unter Verletzung von deren § 3 Abs. 2 (fehlende medizinische Betreuung), § 5 (grundlose Anhaltung in einer Sicherungszelle), § 7 (Nichtaufhebung der Haft trotz Haftunfähigkeit) und § 10 Abs. 4 (Nichtanhaltung in einer Krankenzelle) – erfolgt.

Aus allen diesen Gründen wurde die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung beantragt.

1.10. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt zu Zl. 1051899/FRB vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bruder des Beschwerdeführers über keinen aufrechten Wohnsitz verfügt habe, weshalb insbesondere auch anhand der durch die Übertretungen des Suchtmittelgesetzes erwiesenen kriminellen Energie habe geschlossen werden können, dass er sich zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht den Behörden zur Verfügung halten würde.

Außerdem wurde vorweg bestritten, dass es sich beim Beschwerdeführer tatsächlich um einen leiblichen Verwandten des verstorbenen Schubhäftlings handelt und der einschreitende Rechtsanwalt über eine aufrechte Prozessvollmacht verfügt.

Daher wurde die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.

1.11. Die Staatsanwaltschaft Linz hat am 9. Februar 2005 den do. Akt zu Zl. 31 UT 15/05p sowie den Akt des LG Linz u Zl. 29 Ur 261/05m übermittelt.

Das bisher Dargestellte ergänzend ergibt sich zunächst aus der darin enthaltenen Aussage des den Schubhäftling im Rahmen seiner Vorführung ins AKH Linz – und damit wenige Stunden vor dessen Tode – behandelnden Arztes, dass der Puls, die Atmung, der Herzschlag und die Haut des Patienten jeweils ohne Auffälligkeiten gewesen seien; insbesondere sei der Hautturgor erhalten gewesen und hätten sich keine stehenden Hautfalten gezeigt. Abgesehen von trockenen Lippen habe er auch keine Austrocknungserscheinungen aufgewiesen. Er habe sich jedoch bei der Untersuchung äußerst unkooperativ und sogar aggressiv verhalten, insbesondere zeitweise um sich geschlagen, was auch von den assistierenden Krankenschwestern bestätigt worden sei In einem Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Linz vom 12. Oktober 2005, Zl. 31 UT 17/05p, findet sich hierzu der Hinweis, dass diese außergewöhnliche, einem delirischen Zustand vergleichbare Aggressivität nach Meinung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen durch die infolge Flüssigkeitsmangel bereits so weit fortgeschrittene Krankheit, dass es zum Zerfall von Blutzellen gekommen war, bedingt gewesen sei. Aus dem (undatierten) Ambulanzbericht des AKH Linz, Zl. 2005154796, geht in diesem Zusammenhang überdies hervor, dass die Lippen und Zunge des Patienten zwar trocken gewirkt hätten, es aber keinen Hinweis für eine sich entwickelnde lebensbedrohliche Situation gegeben habe. Der nachträglich eingelangte Laborbefund zeige Hinweise auf einen durch den Hungerstreik bedingten Flüssigkeitsmangel sowie erhöhte Kreatinin- und Natriumwerte, während der erhöhte Kaliumwert auf Grund der bei der Probe eingetretenen Hämolyse nicht habe verwertet werden können.

Nach den Aussagen der Mitarbeiterinnen des Vereines "Menschenrechte Österreich", die den Verstorbenen während seiner Anhaltung in Schubhaft mehrmals besucht hatten, habe dieser auch nach einer Woche des Hungerstreiks noch "das gleiche, runde Gesicht" gehabt und nie Folter- oder Misshandlungsvorwürfe erhoben. Auch die in der Folge seitens mancher Medien erhobenen Vorwürfe einer bewussten Überheizung der Sicherungszellen seien für sie nicht nachvollziehbar.

Nach der Aussage jenes Schubhäftlings, der gemeinsam mit dem Verstorbenen in den Hungerstreik getreten ist und mit ihm bis zu dessen Vorführung in das AKH in derselben Haftzelle aufhältig war, habe der Verstorbene während des 12-tägigen Hungerstreiks keinerlei Nahrung oder Flüssigkeit zu sich genommen, sondern diese stets entweder dem dritten noch in dieser Zelle befindlichen Mithäftling übergeben oder dem Wachpersonal zurückgestellt.

Zusammenfassend habe jedoch die Einvernahme sämtlicher Personen, mit denen der Bruder des Beschwerdeführers bis zu seinem Ableben in Kontakt stand, ergeben, dass dieser weder krank noch schwach, sondern im Gegenteil sogar noch am 4. Oktober 2005 athletisch und kräftig wirkte, was sich auch anhand der unmittelbar nach dem Todeseintritt angefertigten Lichtbilder erweise.

In der "Sicherungszelle Nr. 1", in der der Bruder des Rechtsmittelwerbers nach seiner Rückkehr aus dem AKH Linz bis zu seinem Tod – also für ca. 2 Stunden – untergebracht war, befand sich – im Gegensatz zu den Schlafzellen – keine für die Entnahme von Wasser bestimmte Vorrichtung; theoretisch hätte jedoch im Falle eines zwingenden Bedürfnisses der dort befindlichen WC-Anlage Wasser entnommen werden können, ganz abgesehen davon, dass jeder Häftling über entsprechendes Verlangen (das jederzeit über die Klingelanlage geltend gemacht werden kann) vom Wachpersonal eine 11/2-Liter-PET-Wasserflasche ausgehändigt bekommt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat zunächst Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz zu Zl. 1051899/FRB und den Akt des LG Linz zu Zl. 31 UT 17/05 p, aus denen der unter Pkt. 1 dargestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt festgestellt werden konnte.

2.2. Ergänzend wurde am 13. Februar 2006 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt, zu der als Parteien der Beschwerdeführer und dessen Vertreter x sowie x  und x als Vertreter der BPD Linz und die Zeugen x (Mithäftling), Polizeiarzt x, x, x, x und x erschienen sind.

Diese glaubwürdigen und im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen haben den anhand des Akteninhalts festgestellten Sachverhalt bestätigt.

Entscheidungsrelevante Abweichungen ergaben sich nur

2.2.1. hinsichtlich der Frage des Verwandtschaftsverhältnisses des Beschwerdeführers zu dem verstorbenen Schubhäftling:

Diesbezüglich befindet sich im Akt der BPD Linz die Kopie eines Reisepasses, dessen Echtheit von der belangten Behörde bestätigt wurde. Das darin enthaltene Lichtbild zeigt unstrittig den zur Verhandlung erschienenen Beschwerdeführer und die Personaldaten stimmen mit den Daten seiner von ihm in der Verhandlung im Original vorgelegten Geburtsurkunde überein. Abgesehen von der Namensgleichheit spricht auch der Umstand dafür, dass er nunmehr schon zum wiederholten Mal die weite Reise von seinem Wohnsitz in Hamburg und die nicht unbeträchtlichen finanziellen Aufwendungen auf sich genommen hat, um die Angelegenheiten des Verstorbenen zu regeln, sodass kein Motiv oder gar Interesse erkennbar ist, warum sich der Beschwerdeführer bloß mutwillig als ein Verwandter ausgeben sollte. Dem gegenüber konnte den beiden einzigen Bedenken der belangten Behörde dahin, dass der Verstorbene im Zuge seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt keinen Bruder mit dem Vornamen des Beschwerdeführers (sondern nur einen anderen, und zwar als einzigen) erwähnt hat und der Rechtsmittelwerber anlässlich eines Telefonats das Geburtsjahr seines Bruders anstatt mit "1987" unrichtigerweise mit "1981" angegeben haben soll, schon deshalb kein besonderes Gewicht beigemessen werden, weil in beiden Fällen offenkundig nicht unerhebliche Sprachschwierigkeiten bestanden und im Falle einer bloß behelfsmäßigen Beherrschung der englischen Sprache insbesondere die Bedeutung der Ziffern "1" und "7" sehr leicht verwechselt werden kann.

Der Oö. Verwaltungssenat hat es daher als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer der Bruder des verstorbenen Schubhäftlings ist.

2.2.2. hinsichtlich der Frage der Dauer des Flüssigkeitsentzugs beim verstorbenen Schubhäftling:

Diesbezüglich versicherte der als Zeuge befragte Mithäftling zwar mehrfach, dass der Bruder des Beschwerdeführers während des gesamten zwölftägigen Hungerstreiks keinerlei Flüssigkeit oder Nahrung zu sich genommen hätte. Dem widersprechen jedoch die Aussagen sämtlicher Ärzte, die den Verstorbenen medizinisch behandelten und keine Anzeichen für einen derart massiven Flüssigkeitsverlust feststellen konnten. Auch die Feststellungen im ärztlichen Sachverständigengutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz GmbH vom 5. Oktober 2005, wonach u.a. "Stuhlknollen ..... bis zum Enddarm feststellbar" waren, lassen sich damit nicht in Einklang bringen.

Unter dem Aspekt, dass der Zeuge den Verstorbenen nicht über zwölf Tage lang lückenlos beobachten konnte – insbesondere jedenfalls nicht während jener Zeit, in der er selbst schlief –, nimmt der Oö. Verwaltungssenat daher vielmehr als erwiesen an, dass der Bruder des Beschwerdeführers zumindest gelegentlich etwas Flüssigkeit und wohl auch etwas Nahrung zu sich genommen hat.

2.2.3. Von der diesbezüglichen Unglaubwürdigkeit der Zeugenaussage des Mithäftlings ausgehend sowie auch auf Grund des Umstandes, dass es sich insoweit schon von vornherein nicht um ein Entgegentreten auf gleicher fachlicher Ebene – wie dies vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur gefordert wird – handelt, war sohin auch die essentiell auf der Annahme, "dass Flüssigkeits- und Kalorienzufuhr länger als die behauptete Zeit ab 27. bzw. 28.9. vollständig eingestellt gewesen sein muss", fußende, vom Vertreter des Beschwerdeführers in der öffentlichen Verhandlung vorgelegte Stellungnahme eines Arztes für Allgemeinmedizin und Ernährungsmedizin nicht in dem Sinne zu berücksichtigen, dass diese geeignet wäre, das ärztliche Sachverständigengutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz GmbH vom 5. Oktober 2005, Zl. L-051264/Ha/Lei, in Frage zu stellen.

3. Mit Erkenntnis vom 13. Februar 2006, GZ VwSen-400740/38/Gf/Mu/Ga u.a., hat der Oö. Verwaltungssenat der Beschwerde insoweit stattgegeben, als die Anhaltung des Bruders des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft als dem Grunde nach rechtswidrig festgestellt und dieser dadurch in seinem gemäß Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz vor unmenschlicher Behandlung verletzt wurde.

Begründend wurde dazu bereits wörtlich ausgeführt,

"dass Art. 1 der in Österreich im Verfassungsrang (vgl. Art. II Z. 7 des BVG, BGBl.Nr. 59/1964) stehenden (Europäischen) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl.Nr. 210/1958, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. III 179/2002 (im Folgenden: EMRK), zunächst allgemein fest(legt), dass die Vertragsstaaten die in den Art. 2 bis 18 normierten Rechte und Freiheiten allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen zugestehen.

In Art. 3 EMRK wird im Wege einer schrankenlosen - d.h. schon durch den nationalen Gesetzgeber nicht mehr näher determinierbaren, damit aber auch auf allen Ebenen des Rechtsvollzuges unmittelbar und jeweils in vollem Umfang maßgeblichen - Gewährleistung u.a. angeordnet, dass niemand einer unmenschlichen Behandlung unterworfen werden darf.

Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK normiert sodann im Besonderen, dass einem Menschen die Freiheit u.a. auch dann auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf, wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder angehalten wird, weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungsverfahren betroffen ist. In diesem Fall hat der Betroffene jedoch nach Art. 5 Abs. 4 EMRK das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird.

Diese auch (und sogar vornehmlich) völkerrechtlich verbindliche Rechtsquelle (bloß) ergänzend, legt das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im Folgenden: PersFrSchG), in Art. 2 Abs. 1 Z. 7 fest, dass einem Menschen die persönliche Freiheit nur dann und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Auslieferung zu sichern. Nach Art. 6 PersFrSchG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird, wobei diese Entscheidung – sofern die Anhaltung nicht vorher endete – binnen einer Woche zu ergehen hat.

Als Zwischenergebnis ist somit zu konstatieren, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Anhaltung, die nur zu dem Zweck erfolgt, die beabsichtigte Abschiebung eines Fremden zu sichern, – sofern dieser nicht gleichzeitig auch straffällig geworden ist – nicht als eine "Haft" im klassischen Sinn (nämlich: Unrechtsfolge einer strafbaren Handlung), sondern vielmehr als eine "Bewegungsbeschränkung" im Sinne einer (bloßen) Begrenzung der körperlichen Mobilität mit dem Ziel, zu einem bestimmten Zeitpunkt die zwangsweise Verbringung eines Fremden ins Ausland auch faktisch, und zwar – unter Bedachtnahme darauf, dass die Abschiebung von Fremden in außereuropäische Staaten in der Regel im Wege der antizipatorisch-verbindlichen Buchung eines Tickets bei einem privaten Flugunternehmen erfolgt – mit einem kostenmäßig wie organisatorisch vertretbaren Verwaltungsaufwand bewerkstelligen zu können, zu qualifizieren ist.

Ungeachtet dieses essentiellen Unterschiedes hat der Gesetzgeber in Ausführung der verfassungsmäßigen Ermächtigungen des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK bzw. des Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG (arg. "auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise") die eine beabsichtigte Abschiebung sichernden bewegungseinschränkenden Maßnahmen im Fremdengesetz dezidiert als Schub"haft" deklariert (vgl. § 61 und §§ 67 ff FrG) und diese durch undifferenzierte Einbeziehung in die Anhalteordnung (im gegenständlichen Fall maßgeblich in der Stammfassung BGBl.Nr. II 128/1999, im Folgenden: AnhO) der Anhaltung von Untersuchungs-(Verwahrungs-) und Verwaltungsstrafhäftlingen gleichgestellt (vgl. § 4 Abs. 3 AnhO sowie den Erlass des BMI vom 23. April 1999, Zl. 64610/154-II/20/99, abgedr. bei A. Hauer - R. Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz-Kommentar, 3. Aufl., Wien 2005, S. 1028).

Davon ausgehend konnten Fremde gemäß § 61 Abs. 1 FrG u.a. festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig war, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder – wie hier – einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um deren Abschiebung zu sichern. Nach § 66 Abs. 1 und 2 FrG konnte die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hatte, dass deren Zweck auch durch gelindere Mittel erreicht werden kann, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere die Anordnung in Betracht kam, in gewissen von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen. Gemäß § 72 Abs. 1 FrG hatte ein Fremder, der unter Berufung auf das FrG angehalten wurde, u.a. das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit dieser Anhaltung anzurufen. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte – wenn die Anhaltung nicht schon früher endete – nach § 73 Abs. 2 Z. 2 FrG über eine derartige Beschwerde binnen einer Woche zu entscheiden.

Gemäß der nach § 68 Abs. 1 FrG für den Vollzug der Schubhaft maßgeblichen Bestimmung des § 51c Abs. 1 bis 5 VStG und der auf Grund des § 68 Abs. 4 FrG erlassenen AnhO war eine Sonderbehandlung von Schubhäftlingen – im Sinne einer deutlichen Trennung von Verwahrungs-(Untersuchungs-) und Verwaltungsstrafhäftlingen – (von unmaßgeblichen Ausnahmen abgesehen) nicht institutionalisiert. Insbesondere sahen aber § 7 AnhO generell eine ärztliche Untersuchung der Haftfähigkeit und § 10 AnhO ein Recht aller Häftlinge auf die notwendige ärztliche Betreuung vor. Nach § 10 Abs. 4 AnhO waren Häftlinge, die in Hungerstreik traten, ohne unnötigen Aufschub dem Arzt vorzuführen. Dieser hatte das medizinisch Gebotene festzustellen und die Häftlinge darüber in Kenntnis zu setzen, wobei insbesondere zu entscheiden war, ob der Häftling für die Dauer des Hungerstreiks in einer Krankenzelle in Einzelhaft anzuhalten ist.

Nach § 88 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, i.d.F. BGBl.Nr. I 151/2004 (im Folgenden: SPG), entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung – wozu nach § 2 Abs. 2 SPG auch die fremdenpolizeilichen Verfahren zählen – s in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

Ergänzend zu der in § 73 FrG geregelten Schubhaftbeschwerde, der eine Beschwerdemöglichkeit dem Grunde nach – nämlich hinsichtlich Zulässigkeit und Dauer – normiert, sieht sohin § 88 Abs. 2 SPG insbesondere für Schubhäftlinge eine Rechtsmittelbefugnis hinsichtlich der Art und Weise ihrer Anhaltung (sog. "Polizeibeschwerde") vor. Schließlich könnte der Angehaltene – gesondert oder in Kombination mit den beiden vorgenannten Rechtsbehelfen – unter Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität auch noch eine auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 88 Abs. 1 SPG gestützte Beschwerde erheben, wenn er sich durch die Ausübung von physischer Gewalt in seinen Rechten verletzt erachtet (sog. "Maßnahmenbeschwerde").

Wenn es davon ausgehend ein Staat unternimmt, seine Organe und Organwalter dazu zu ermächtigen, die Freiheit von Personen in einer Art und Weise zu beschränken, dass diese nicht mehr in vollem Umfang aus eigenem für sich selbst sorgen können, dann übernimmt er damit, sofern es sich um einen liberalen und sozialen, rechtlich den Garantien der EMRK verpflichteten Rechtsstaat handelt, grundsätzlich – vergleichbar der strafrechtlichen Rechtsfigur der Garantenstellung bei Unterlassungsdelikten – unter einem auch die Pflicht, diesen Menschen jene Bedürfnisse zu erfüllen, die nicht in einem unmittelbaren Widerspruch zum Zweck der Freiheitseinschränkung stehen. Unmittelbarer Ausfluss dieses Gedankens ist Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG, wonach die persönliche Freiheit jeweils nur entzogen werden darf, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

Im Besondern folgt daraus, dass der Staat z.B. dazu verpflichtet ist, jedenfalls solchen Menschen, die nur deshalb angehalten werden, um unter unmittelbarer behördlicher Aufsicht darauf zu warten, dass sie (wenn auch gegen ihren Willen) in ihren Heimatstaat verbracht werden – die sich also nicht wegen eines gerichtlich oder behördlich strafbaren Tatbestandes in Haft befinden –, eine solche medizinische Betreuung zukommen zu lassen, wie sie üblicherweise dem Standard seines Wohlfahrtssystems entspricht. Andernfalls läge nämlich eine "unmenschliche Behandlung" und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK vor.

In welcher Weise nun für eine effektive Realisierung dieses Anspruches Sorge getragen wird – nämlich: ob im vollen Umfang schon auf der Ebene des Gesetzes, der Rechtsverordnung, verwaltungsinterner Erlässe oder Dienstanweisungen, etc. entsprechende Anordnungen getroffen werden oder ob dies durch ein wechselseitiges Zusammenspiel aller oder einzelner dieser Teilbereiche, allenfalls auch in Verbindung mit einem effektiven systemimmanenten Kontrollsystem, bewerkstelligt wird –, liegt im Ermessen der jeweils zuständigen und handelnden staatlichen Organe. Fest steht jedoch, dass ein der EMRK verpflichteter Staat jeweils in verschiedener Form rechtlich dafür einzustehen hat, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass die der Freiheitsbeschränkung korrelierende Fürsorgepflicht im Ergebnis nicht in ausreichendem Ausmaß realisiert wurde, und zwar einerlei, ob auf Grund eines kollektiven oder individuell vorwerfbaren Fehlverhaltens.

Mit besonderem Blick auf die im gegenständlichen Fall relevante Frage der unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK ausreichenden medizinischen Versorgung darf daher schon grundsätzlich bezweifelt werden, ob allein die Festlegung des § 10 Abs. 4 AnhO – also nicht einmal eine gesetzliche Vorschrift, sondern eine Norm bloß auf Verordnungsebene – eine hinreichende Gewähr dafür bieten konnte, im Falle eines Hungerstreiks den damit in der Regel verbundenen negativen Konsequenzen auch effektiv vorzubeugen.

Wie sich im vorliegenden Zusammenhang aus dem vorangeführten ärztlichen Sachverständigengutachten (vgl. oben, 1.8.) zweifelsfrei ergibt, litt der Bruder des Rechtsmittelwerbers an einer bis zu seinem Tod unerkannt geblieben, latenten Sichelzellenanämie, die sich ex ante – nur, immerhin aber doch – im Wege prophylaktischer Tests hätte feststellen lassen können. Derartige Vorsorgeuntersuchungen unter gleichzeitiger Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht durchzuführen (nämlich: in Form eines Suchtests auf Grund eines Blutabstriches [sog. Hämoglobin-Elektrophorese]), ist aber in Bezug auf Schubhäftlinge weder durch generelle noch durch individuelle Rechtsvorschriften geboten oder vorgesehen, obwohl diese ebenso wie AIDS-Tests nicht besonders kostenintensiv sind – diesbezügliche Erhebungen des Oö. Verwaltungssenates in den Laborabteilungen der Linzer Krankenhäuser haben ergeben, dass die Kosten für eine Hämoglobin-Elektrophorese derzeit bei ca. 40 Euro und für einen AIDS-Test bei ca. 25 Euro liegen – und es jedenfalls unter für den speziell mit Gesundheitsfragen befassten Stellen seit geraumer zum Allgemeingut gehört bzw. gehören müsste, dass die Sichelzellenanämie eine nahezu ausschließlich bei Schwarzafrikanern (und dort wiederum in einem nicht zu vernachlässigenden Ausmaß) vorkommende Erbkrankheit ist, sodass also Schubhäftlinge aus diesen Gebieten ebenso wie im Hinblick auf AIDS eine spezifische Risikogruppe bilden. Dies gilt in Bezug auf eine Sichelzellenanämie insbesondere dann, wenn eine auf Grund eines Hungerstreiks drohende Exsikkose als zusätzlicher Risikofaktor hinzutritt.

Wenn daher als Sukkus des vorerwähnten amtsärztlichen Sachverständigengutachtens resultiert, dass der Tod des Bruders des Beschwerdeführers nur derart – dann aber jedenfalls (!) – hätte verhindert werden können, dass – davon ausgehend, dass der Angehaltene um seine Krankheit selbst nicht wusste oder diese im Nichtwissen um die gravierenden Folgen im Falle eines Hungerstreiks verschwiegen hat – jemand (d.h. ein Organ[-walter] des garantenpflichtigen Staates) auf die Idee einer Sichelzellenerkrankung gekommen wäre und in der Folge rechtzeitig, d.h. spätestens zu Beginn des Hungerstreiks, zumindest einen Suchttest bzw. eine Hämoglobin-Elektrophorese und in der Folge eine Zwangsernährung angeordnet (bzw. im Weigerungsfall den Betroffenen wenigstens entsprechend aufgeklärt) hätte, um den Blutzellenzerfall zu vermeiden etc., dies aber effektiv nicht geschehen ist, dann spiegelt dies nicht allein den verwaltungswissenschaftlich aus mannigfaltigen, teilweise sich wechselseitig notwendig bedingenden Gründen gegenwärtig eher kaum als optimal zu klassifizierenden Zustand des Staatsapparates (und zwar sowohl im Bereich der Gesetzgebung als auch im Bereich der dieser nachgeordneten Vollziehung, insbesondere soweit es die Fachkompetenz der Träger von Schlüsselpositionen betrifft) wider:

Aus rechtlicher Sicht wurde der Bruder des Beschwerdeführers gerade dadurch in seinem verfassungsmäßig unbeschränkt geschützten Recht auf eine menschenwürdige Behandlung verletzt.

Dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 88 Abs. 2 SPG – denn als eine solche Polizeibeschwerde ist der gegenständliche Rechtsbehelf inhaltlich (ungeachtet seiner unzutreffenden Bezeichnung als "Maßnahmenbeschwerde" [denn eine dafür notwendige Gewaltanwendung bringt der Rechtsmittelwerber selbst gar nicht vor]) zu deuten – i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

Dass die prozessuale Geltendmachung einer derartigen Rechtsverletzung in dem Fall, dass der Betroffene – wie hier – vor Verfahrensbeginn verstorben ist, durch dessen nahe Verwandte, also insbesondere durch seinen Bruder, erfolgen kann, ist zwischenzeitlich durch den Verfassungsgerichtshof durch Übernahme der entsprechenden Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte klargestellt (vgl. z.B. VfGH v. 6. März 2001, B 159/00 = VfSlg 16109/2001).

Ausdrücklich ist an diesem Punkt darauf hinzuweisen, dass das gegenständliche Verfahren nicht dafür konzipiert ist, über eine persönliche Zurechenbarkeit oder einen individuellen Schuldvorwurf abzusprechen; denn eine strafrechtliche Verantwortlichkeit oder eine zivilrechtliche Haftung festzustellen, fällt vielmehr ausschließlich in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Dem Wesen der hier vorliegenden Polizeibeschwerde entsprechend ist vielmehr ausschließlich zu konstatieren, ob das Ergebnis eines verwaltungsbehördlichen Handelns – und nicht: primär das Handeln eines spezifischen Organwalters; dem Wesen des österreichischen Rechtsschutzsystems entspricht es zudem, dass die Organe der Gesetzgebung für ein Fehlverhalten schon von vornherein prozessual überhaupt nicht belangt werden können, obwohl die Vollziehung nach Art. 18 Abs. 1 B-VG einerseits in vollem Umfang an die Gesetze gebunden ist und andererseits ohne eine derartige Grundlage nicht handeln kann – der Rechtsordnung entspricht oder nicht. Insoweit bildet das Ergebnis des gegenständlichen Verfahrens auch weder eine Vorfrage für ein allfälliges nachfolgendes Gerichtsverfahren noch entfaltet es diesbezüglich in irgendeiner Form eine Bindungswirkung, weshalb auch alle jene Beweisanträge, die nicht dem unmittelbaren Zweck der Feststellung des für das hiesige Verfahren entscheidungswesentlichen Sachverhaltes dienten, als unzulässig zurückzuweisen waren.

Weiters ist nochmals mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Prüfung der Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns zu einem bereits mehrere Monate zurück liegenden Zeitpunkt geht, noch die frühere Rechtslage maßgeblich war. Im Besonderen konnten daher – ohne dies in irgendeiner Richtung werten zu wollen – weder die Neuerungen der am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Novelle zur AnhO, BGBl.Nr. II 439/2005, noch die Modifikationen des durch das Fremdenrechtspaket, BGBl.Nr. I 100/2005, neu erlassenen, nach längerer Legisvakanz ebenfalls erst mit Jahresbeginn wirksam gewordenen Fremdenpolizeigesetzes berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall ist zwar allseits unbestritten, dass der Bruder des Beschwerdeführers mit Wirksamkeit vom 5. Juli 2005 rechtskräftig ausgewiesen wurde (s.o., 1.3.) und somit zum Verlassen des Bundesgebietes verhalten war bzw. er im Weigerungsfall zwangsweise aus diesem abgeschoben werden durfte.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass er zu diesem Zweck jedenfalls auch in Schubhaft hätte genommen werden dürfen. Denn die Verhängung der Schubhaft erweist sich insbesondere dann als rechtswidrig, wenn an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel i.S.d. § 66 Abs. 1 FrG hätten angewendet werden können.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgeführt, dass allein der Umstand eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung die Behörde noch nicht zur Schubhaftverhängung berechtigt; vielmehr ist stets eine materielle Prüfung dahin, ob – z.B. wegen mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung des Fremden im Inland – ein konkreter Sicherungsbedarf besteht, durchzuführen (vgl. VwGH v. 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301).

Dass ein derart konkretes, nunmehr von der Behörde zu belegendes Sicherungsbedürfnis bestand, sodass insbesondere die bloße Verpflichtung zur Unterkunftsnahme an einem bestimmten Ort verbunden mit dem Auftrag zur täglichen Meldung bei der Behörde nicht iS einer gelinderen Maßnahme hingereicht hätte – auch eine bloße Zurückschiebung nach Italien, von wo aus der Bruder des Beschwerdeführers ins Bundesgebiet eingereist ist, wurde offenkundig nie erwogen –, geht aber weder aus den von ihr vorgelegten Akten noch aus deren Gegenschrift hervor, was aber schon deshalb naheliegend ist, weil ihr diese höchstgerichtliche Entscheidung zum Vorfallszeitpunkt offenkundig noch gar nicht bekannt war. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie rechtlich dennoch an diese gebunden gewesen wäre.

Im Ergebnis erweist sich damit aber auch die auf das FrG gegründete Anhaltung des Bruders des Beschwerdeführers (Schubhaft) als rechtswidrig, was der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 73 Abs. 2 FrG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG festzustellen hatte."

4. Gegen diese Entscheidung hat die Bundesministerin für Inneres eine Amtsbeschwerde erhoben, der der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0054, insoweit stattgegeben hat, als die bescheidmäßige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Bruders des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft und die Feststellung der dadurch erfolgten Verletzung in dessen Recht auf Schutz vor unmenschlicher Behandlung aufgehoben wurde.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass nach der Judikatur des EGMR aus Art. 5 Abs. 4 EMRK kein Recht von Familienangehörigen auf Erhebung einer Schubhaftbeschwerde ableitbar sei. Daher habe der Oö. Verwaltungssenat insoweit, nämlich hinsichtlich der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Bruders des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zugekommen sei.

Außerdem sei der belangten Behörde keine Möglichkeit zur Stellungnahme dazu, dass es nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates "jedenfalls unter den speziell mit Gesundheitsfragen befassten Stellen seit geraumer Zeit zum Allgemeingut gehöre bzw. gehören müsste, dass die Sichelzellenanämie eine nahezu ausschließlich bei Schwarzafrikanern (und dort wiederum in einem nicht zu vernachlässigendem Ausmaß) vorkommende Erbkrankheit sei, sodass Schubhäftlinge aus diesen Gebieten ebenso wie im Hinblick auf AIDS eine spezifische Risikogruppe bildeten", sodass "bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt spätestens zu Beginn des Hungerstreiks zumindest ein Suchtest bzw. eine Hämoglobin-Elektrophorese und in der Folge eine Zwangsernährung hätte angeordnet werden müssen, um den Blutzellenzerfall zu vermeiden", eingeräumt worden.

Schließlich würde das weitere Verfahren auch ausreichend Gelegenheit dazu bieten, entsprechende Beweisanträge zur Klärung der Angehörigeneigenschaft des Rechtsmittelwerbers zu stellen.

5.1. Davon ausgehend hat der Oö. Verwaltungssenat der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2007, GZ VwSen-400740/50/Gf/Mu, die Möglichkeit eingeräumt, in Wahrung des Parteiengehörs bis zum 14. November 2007 eine entsprechende Stellungnahme abzugeben bzw. Anträge zu stellen.

5.2. Mit Schreiben vom 13. November 2007, GZ P-143, hat der Polizeidirektor von Linz im Wesentlichen ausgeführt, dass jene aus der Anhalteordnung resultierende Garantenstellung nicht einer solchen gleichgestellt werden könne, wie sie bei Krankenanstalten gegeben ist. Und sogar in Krankenanstalten würde selbst bei einem Schwarzafrikaner eine Untersuchung auf Sichelzellenanämie – insbesondere eine Hämoglobin-Elektrophorese – keineswegs obligatorisch, sondern nur bei Vorliegen entsprechend konkreter Verdachtsmomente durchgeführt.

Daher könne die Fremdenpolizeibehörde eine dementsprechende Verpflichtung erst recht nicht treffen; vielmehr beschränke sich deren medizinische Versorgungspflicht auf jenen Standard, wie er einer hausärztlichen Betreuung entspricht.

Außerdem würde eine gegen den Willen des Angehaltenen durchgeführte, mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbundene Untersuchung (wie eben eine Blutabnahme zwecks Hämoglobin-Elektrophorese) ihrerseits gegen Art. 3 EMRK verstoßen.

Zuletzt sei darauf hinzuweisen, dass zum damaligen Zeitpunkt auch (noch) keine entsprechende gesetzliche Grundlage, und zwar weder für das Anbieten noch für die Durchführung einer derartigen Untersuchung, bestanden habe.

Beweisanträge zur Klärung der Angehörigeneigenschaft des Rechtsmittelwerbers wurden seitens der belangten Behörde hingegen nicht gestellt.

5.3. Der Beschwerdeführer hat diesen Ausführungen in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2007 entgegen gehalten, dass bei der Durchführung einer derartigen Untersuchung von einer Verletzung des Art. 3 EMRK nicht die Rede sein könne. Außerdem hätte spätestens nach Beginn des Hungerstreiks eine solche Untersuchung vorgenommen werden müssen, da einem geschulten Amtsarzt hätte bewusst sein müssen, dass die Kombination zwischen Hungerstreik und dem damit verbundenen Flüssigkeitsentzug einerseits und einer möglichen Sichelzellenanämie andererseits ein besonderes Risiko für das Leben und die Gesundheit eines Hungerstreikenden darstellt.

Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, dass er gegen das Erkenntnis des VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0054, fristgerecht eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einbringen wird (was am 1. April 2008 auch tatsächlich geschehen ist).

6.1. Mit Beschluss vom 29. Jänner 2008, GZ VwSen-400740/55/Gf/Ga, hat daher der Oö. Verwaltungssenat das ho. anhängige Beschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung des § 38 AVG ausgesetzt.

6.2. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2010 hat der Rechtsmittelwerber mitgeteilt, dass der EGMR seine Beschwerde mit Beschluss vom 21. Mai 2010, Zl. 17208/08, für unzulässig erklärt hat, weil der Gerichtshof festgestellt habe, dass der innerstaatliche Rechtsweg noch nicht erschöpft ist, da das innerstaatliche Verfahren gegenwärtig noch anhängig sei.

Unter einem hat der Beschwerdeführer die Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens beantragt und dabei auch auf die mittlerweile ergangene Entscheidung des EGMR vom 22. Dezember 2009, Zl. Zl. 27900/04 (Palushi gegen Österreich), verwiesen.

7. Davon ausgehend hat der Oö. Verwaltungssenat in Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens und unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 VwGG im vorliegenden Fall erwogen:

7.1. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0054, ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass das fortzuführende Verfahren der BPD Linz ausreichend Gelegenheit dafür bieten wird, Beweisanträge zur Klärung der Angehörigeneigenschaft des Rechtsmittelwerbers zu stellen, hat die belangte Behörde in ihrer vorangeführten Äußerung vom 13. November 2007 keinen, insbesondere keinen konkreten derartigen Beweisantrag gestellt.

Der Oö. Verwaltungssenat konnte daher davon ausgehen, dass die belangte Behörde den h., in der Entscheidung vom 13. Februar 2006, GZ VwSen-400740/38/Gf/Mu/Ga auch entsprechend begründeten Standpunkt, dass der Beschwerdeführer der Bruder des verstorbenen Schubhäftlings ist (vgl. oben, 2.2.1.), nicht weiter in Zweifel zieht.

7.2. Aber auch in inhaltlicher Hinsicht vermag der Oö. Verwaltungssenat der vom Polizeidirektor von Linz in seiner Stellungnahme vertretenen Auffassung im Ergebnis nicht zu folgen.

7.2.1. Zwar ist zuzugestehen, dass jene aus der AnhO erfließende Garantenstellung grundsätzlich nicht einer solchen gleichgestellt werden kann, wie sie bei Krankenanstalten gegeben ist, weil sich dies schon aus der unterschiedlichen Zielsetzungen dieser beiden Einrichtungen ergibt.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass – diesen beiden Aspekten gleichsam "übergeordnet" – den Staat dann eine besondere, überdurchschnittliche Fürsorgepflicht trifft, wenn er im Wege einer Inhaftierung einen Menschen daran hindert, selbst für die Bedürfnisse des täglichen Lebens zu sorgen und der Primärzweck dieser Anhaltung nicht in einer Sanktion für ein gravierend rechtswidriges Verhalten, sondern nur darin besteht, eine geplante Außerlandesschaffung effektiv zu sichern. Die mit dieser qualifizierten Fürsorgepflicht einhergehende Wachsamkeit für die nötige Obsorge ist dabei selbstredend umso größer, je offensichtlicher jeweils ein entsprechender Bedarf des Betroffenen besteht. Ob die entsprechenden Hilfeleistungen dann unmittelbar durch das Haftvollzugspersonal oder extern – z.B. durch Verbringung in eine Krankenanstalt – oder im Wege einer dementsprechenden Kombination beider Möglichkeiten erbracht werden, ist dabei zweitrangig; entscheidend ist lediglich, dass sie im günstigsten Fall im Ergebnis erfolgreich waren bzw. im ungünstigsten Fall zumindest das den konkreten Umständen entsprechende Menschenmögliche getan wurde, um den Eintritt eines derartigen Erfolges objektiv als sehr wahrscheinlich prognostizieren zu lassen.

7.2.2. Im gegenständlichen Fall ist der belangten Behörde zwar auch zuzugestehen, dass gleichsam "unter normalen Umständen" nicht an das Vorliegen einer Sichelzellenanämie beim Bruder des Beschwerdeführers zu denken gewesen wäre und sohin "standardmäßig" auch keine spezifisch darauf gerichteten Untersuchungen hätten durchgeführt werden müssen.

Der Oö. Verwaltungssenat hat jedoch bereits in seiner o.a. Entscheidung vom 13. Februar 2006, GZ VwSen-400740/38/Gf/Mu/Ga, darauf hingewiesen (vgl. oben, 3.), dass es im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht um die Beurteilung eines allfälligen schuldhaften, d.h. persönlich vorwerfbaren Verhaltens, sondern darum geht, einen objektiven, gleichsam "systembedingten" Fehler aufzuzeigen, der im Ergebnis auch zu einer Rechtswidrigkeit führt (den die belangte Behörde hier nur deshalb prozessual zu "vertreten" hat, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt eben in deren Wirkungsbereich ereignet hat): Die Garantenpflicht für Inhaftierte hätte nämlich bedingt, schon auf der Ebene der generellen Rechtsvorschriften (Gesetz, Verordnung, Erlass) eine entsprechend wirksame Vorsorge dafür zu treffen, dass beim Vorliegen besonderer Umstände stets auch dementsprechend effektive Hilfsmaßnahmen zum Tragen kommen.

Im gegenständlichen Fall, wo sich der Bruder des Beschwerdeführers schon wochenlang im Hungerstreik befand, was auch zu einer entsprechenden Gewichtsabnahme und Austrocknungserscheinungen geführt hatte, und er zudem aus einem Risikogebiet stammte, konnte offenkundig – wie die belangte Behörde meint – mit einer medizinischer Versorgungspflicht bloß auf jenem Standard, wie er einer hausärztlichen Betreuung entspricht, nicht das Auslangen gefunden werden, resultiert diese dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechende, im Vergleich zum "normalen" Strafvollzug vergleichsweise qualifiziertere Fürsorgepflicht doch schon daraus, dass die Freiheitsentziehung hier nicht aus Anlass (des Verdachtes) der Begehung einer ins Gewicht fallenden strafbaren Handlung, sondern nur auf Grund eines wertungsmäßig schon a priori wesentlich weniger gerechtfertigten Ausnahmetatbestandes (vgl. Art. 2 Abs. 1 Z. 1 bis Z. 3 PersFrSchG gegenüber Art. 2 Abs. 1 Z. 4 bis Z. 7 PersFrSchG andererseits) erfolgen durfte (nämlich: Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG).

Gerade dadurch, dass aber selbst für solche Extremfälle allgemeinverbindliche Anordnungen für eine zweckentsprechende behördliche Vorgangsweise fehlten, sodass den Vollzugsorganen ein unmittelbar auf eine spezifische gesetzliche oder sonstige generelle Grundlage gestütztes grundrechtskonformes Handeln nicht möglich war – vielmehr hätte dieses unmittelbar auf die Verfassung gegründet werden müssen –, wurde der Bruder des Beschwerdeführers hier im Ergebnis in seinem gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Recht auf Schutz vor einer unmenschlichen Behandlung verletzt (vgl. in diesem Sinne jüngst auch EGMR vom 6. September 2007, Zl. 2570/04; vom 25. Oktober 2007, Zl. 15825/06; und vom 22. Dezember 2009, Zl. 27900/04).

7.2.3. Schließlich ist der belangten Behörde auch entgegen zu halten, dass eine mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbundene Untersuchung (wie eine Blutabnahme zwecks Hämoglobin-Elektrophorese) auch nur dann gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde, wenn diese gegen den – explizit in dieser Weise geäußerten – gegenteiligen Willen des Angehaltenen durchgeführt würde; eine dementsprechende Aufklärung oder ein bloßes Anbieten einer derartigen Behandlung geriete hingegen mit Art. 3 EMRK keinesfalls in Widerspruch.

7.3. Aus allen diesen Gründen hatte der Oö. Verwaltungssenat daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, dass der sich bereits zuvor in einem wochenlangen Hungerstreik befunden habende Bruder des Beschwerdeführers durch die Unterlassung von zweckgerichteten und effektiven Maßnahmen zur Entdeckung und Behandlung seiner Krankheit (Sichelzellenanämie) während seiner Anhaltung in Schubhaft in seinem nach Art. 3 EMRK verfassungsmäßig unbeschränkt geschützten Recht auf eine menschenwürdige Behandlung verletzt wurde.

8. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 334/2003, dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.499,80 Euro (Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro; Verhandlungsaufwand: 826,00 Euro; Stempelgebühren; 13,00 Euro) zu ersetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-400740/60/Gf/Mu vom 11. Juni 2010

 

Art. 3 EMRK; Art 5 EMRK; Art. 1 PersFrSchG; Art. 2 PersFrSchG

 

* In Art. 3 EMRK wird im Wege einer schrankenlosen - d.h. schon durch den nationalen Gesetzgeber nicht mehr näher determinierbaren, damit aber auch auf allen Ebenen des Rechtsvollzuges unmittelbar und jeweils in vollem Umfang maßgeblichen - Gewährleistung u.a. angeordnet, dass niemand einer unmenschlichen Behandlung unterworfen werden darf. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist darüber hinaus eine Anhaltung, die nur zu dem Zweck erfolgt, die beabsichtigte Abschiebung eines Fremden zu sichern, – sofern dieser nicht gleichzeitig auch straffällig geworden ist – nicht als eine "Haft" im klassischen Sinn (nämlich: Unrechtsfolge einer strafbaren Handlung), sondern vielmehr als eine "Bewegungsbeschränkung" im Sinne einer (bloßen) Begrenzung der körperlichen Mobilität mit dem Ziel, zu einem bestimmten Zeitpunkt die zwangsweise Verbringung eines Fremden ins Ausland auch faktisch, und zwar – unter Bedachtnahme darauf, dass die Abschiebung von Fremden in außereuropäische Staaten in der Regel im Wege der antizipatorisch-verbindlichen Buchung eines Tickets bei einem privaten Flugunternehmen erfolgt – mit einem kostenmäßig wie organisatorisch vertretbaren Verwaltungsaufwand bewerkstelligen zu können, zu qualifizieren.

* Wenn es davon ausgehend ein Staat unternimmt, seine Organe und Organwalter dazu zu ermächtigen, die Freiheit von Personen in einer Art und Weise zu beschränken, dass diese nicht mehr in vollem Umfang aus eigenem für sich selbst sorgen können, dann übernimmt er damit, sofern es sich um einen liberalen und sozialen, rechtlich den Garantien der EMRK verpflichteten Rechtsstaat handelt, grundsätzlich – vergleichbar der strafrechtlichen Rechtsfigur der Garantenstellung bei Unterlassungsdelikten – unter einem auch die Pflicht, diesen Menschen jene Bedürfnisse zu erfüllen, die nicht in einem unmittelbaren Widerspruch zum Zweck der Freiheitseinschränkung stehen. Unmittelbarer Ausfluss dieses Gedankens ist Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG, wonach die persönliche Freiheit jeweils nur entzogen werden darf, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Im Besondern folgt daraus, dass der Staat z.B. dazu verpflichtet ist, jedenfalls solchen Menschen, die nur deshalb angehalten werden, um unter unmittelbarer behördlicher Aufsicht darauf zu warten, dass sie (wenn auch gegen ihren Willen) in ihren Heimatstaat verbracht werden – die sich also nicht wegen eines gerichtlich oder behördlich strafbaren Tatbestandes in Haft befinden –, eine solche medizinische Betreuung zukommen zu lassen, wie sie üblicherweise dem Standard seines Wohlfahrtssystems entspricht. Andernfalls liegt nämlich eine "unmenschliche Behandlung" und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK vor.

* Ausdrücklich ist an diesem Punkt darauf hinzuweisen, dass das gegenständliche Verfahren nicht dafür konzipiert ist, über eine persönliche Zurechenbarkeit oder einen individuellen Schuldvorwurf abzusprechen; denn eine strafrechtliche Verantwortlichkeit oder eine zivilrechtliche Haftung festzustellen, fällt vielmehr ausschließlich in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Dem Wesen der hier vorliegenden Polizeibeschwerde entsprechend ist vielmehr ausschließlich zu konstatieren, ob das Ergebnis eines verwaltungsbehördlichen Handelns – und nicht: primär das Handeln eines spezifischen Organwalters; dem Wesen des österreichischen Rechtsschutzsystems entspricht es zudem, dass die Organe der Gesetzgebung für ein Fehlverhalten schon von vornherein prozessual überhaupt nicht belangt werden können, obwohl die Vollziehung nach Art. 18 Abs. 1 B-VG einerseits in vollem Umfang an die Gesetze gebunden ist und andererseits ohne eine derartige Grundlage nicht handeln kann – der Rechtsordnung entspricht oder nicht. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Prüfung der Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns zu einem bereits mehrere Monate zurück liegenden Zeitpunkt geht, noch die frühere Rechtslage maßgeblich war. Im Besonderen konnten daher – ohne dies in irgendeiner Richtung werten zu wollen – weder die Neuerungen der am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Novelle zur AnhO, BGBl.Nr. II 439/2005, noch die Modifikationen des durch das Fremdenrechtspaket, BGBl.Nr. I 100/2005, neu erlassenen, nach längerer Legisvakanz ebenfalls erst mit Jahresbeginn wirksam gewordenen Fremdenpolizeigesetzes berücksichtigt werden.

* Obwohl der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0054, ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass das fortzuführende Verfahren der BPD Linz ausreichend Gelegenheit dafür bieten wird, Beweisanträge zur Klärung der Angehörigeneigenschaft des Rechtsmittelwerbers zu stellen, hat die belangte Behörde in ihrer vorangeführten Äußerung vom 13. November 2007 keinen, insbesondere keinen konkreten derartigen Beweisantrag gestellt. Der Oö. Verwaltungssenat konnte daher davon ausgehen, dass die belangte Behörde den h., in der Entscheidung vom 13. Februar 2006, GZ VwSen-400740/38/Gf/Mu/Ga auch entsprechend begründeten Standpunkt, dass der Beschwerdeführer der Bruder des verstorbenen Schubhäftlings ist, nicht weiter in Zweifel zieht.

* Aber auch in inhaltlicher Hinsicht vermag der Oö. Verwaltungssenat der vom Polizeidirektor von Linz in seiner Stellungnahme vertretenen Auffassung im Ergebnis nicht zu folgen:

Zwar ist zuzugestehen, dass jene aus der AnhO erfließende Garantenstellung grundsätzlich nicht einer solchen gleichgestellt werden kann, wie sie bei Krankenanstalten gegeben ist, weil sich dies schon aus der unterschiedlichen Zielsetzungen dieser beiden Einrichtungen ergibt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass – diesen beiden Aspekten gleichsam "übergeordnet" – den Staat dann eine besondere, überdurchschnittliche Fürsorgepflicht trifft, wenn er im Wege einer Inhaftierung einen Menschen daran hindert, selbst für die Bedürfnisse des täglichen Lebens zu sorgen und der Primärzweck dieser Anhaltung nicht in einer Sanktion für ein gravierend rechtswidriges Verhalten, sondern nur darin besteht, eine geplante Außerlandesschaffung effektiv zu sichern. Die mit dieser qualifizierten Fürsorgepflicht einhergehende Wachsamkeit für die nötige Obsorge ist dabei selbstredend umso größer, je offensichtlicher jeweils ein entsprechender Bedarf des Betroffenen besteht. Ob die entsprechenden Hilfeleistungen dann unmittelbar durch das Haftvollzugspersonal oder extern – z.B. durch Verbringung in eine Krankenanstalt – oder im Wege einer dementsprechenden Kombination beider Möglichkeiten erbracht werden, ist dabei zweitrangig; entscheidend ist lediglich, dass sie im günstigsten Fall im Ergebnis erfolgreich waren bzw. im ungünstigsten Fall zumindest das den konkreten Umständen entsprechende Menschenmögliche getan wurde, um den Eintritt eines derartigen Erfolges objektiv als sehr wahrscheinlich prognostizieren zu lassen.

* Im gegenständlichen Fall ist der belangten Behörde zwar zuzugestehen, dass gleichsam "unter normalen Umständen" nicht an das Vorliegen einer Sichelzellenanämie beim Bruder des Beschwerdeführers zu denken gewesen wäre und sohin "standardmäßig" auch keine spezifisch darauf gerichteten Untersuchungen hätten durchgeführt werden müssen.

Der Oö. Verwaltungssenat hat jedoch bereits in seiner o.a. Entscheidung vom 13. Februar 2006, GZ VwSen-400740/38/Gf/Mu/Ga, darauf hingewiesen (vgl. oben, 3.), dass es im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht um die Beurteilung eines allfälligen schuldhaften, d.h. persönlich vorwerfbaren Verhaltens, sondern darum geht, einen objektiven, gleichsam "systembedingten" Fehler aufzuzeigen, der im Ergebnis auch zu einer Rechtswidrigkeit führt (den die belangte Behörde hier nur deshalb prozessual zu "vertreten" hat, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt eben in deren Wirkungsbereich ereignet hat): Die Garantenpflicht für Inhaftierte hätte nämlich bedingt, schon auf der Ebene der generellen Rechtsvorschriften (Gesetz, Verordnung, Erlass) eine entsprechend wirksame Vorsorge dafür zu treffen, dass beim Vorliegen besonderer Umstände stets auch dementsprechend effektive Hilfsmaßnahmen zum Tragen kommen. Im gegenständlichen Fall, wo sich der Bruder des Beschwerdeführers schon wochenlang im Hungerstreik befand, was auch zu einer entsprechenden Gewichtsabnahme und Austrocknungserscheinungen geführt hatte, und er zudem aus einem Risikogebiet stammte, konnte offenkundig – wie die belangte Behörde meint – mit einer medizinischer Versorgungspflicht bloß auf jenem Standard, wie er einer hausärztlichen Betreuung entspricht, nicht das Auslangen gefunden werden, resultiert diese dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechende, im Vergleich zum "normalen" Strafvollzug vergleichsweise qualifiziertere Fürsorgepflicht doch schon daraus, dass die Freiheitsentziehung hier nicht aus Anlass (des Verdachtes) der Begehung einer ins Gewicht fallenden strafbaren Handlung, sondern nur auf Grund eines wertungsmäßig schon a priori wesentlich weniger gerechtfertigten Ausnahmetatbestandes (vgl. Art. 2 Abs. 1 Z. 1 bis Z. 3 PersFrSchG gegenüber Art. 2 Abs. 1 Z. 4 bis Z. 7 PersFrSchG andererseits) erfolgen durfte (nämlich: Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG).

Gerade dadurch, dass aber selbst für solche Extremfälle allgemeinverbindliche Anordnungen für eine zweckentsprechende behördliche Vorgangsweise fehlten, sodass den Vollzugsorganen ein unmittelbar auf eine spezifische gesetzliche oder sonstige generelle Grundlage gestütztes grundrechtskonformes Handeln nicht möglich war – vielmehr hätte dieses unmittelbar auf die Verfassung gegründet werden müssen –, wurde der Bruder des Beschwerdeführers hier im Ergebnis in seinem gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Recht auf Schutz vor einer unmenschlichen Behandlung verletzt (vgl. in diesem Sinne jüngst auch EGMR vom 6. September 2007, Zl. 2570/04; vom 25. Oktober 2007, Zl. 15825/06; und vom 22. Dezember 2009, Zl. 27900/04).

* Schließlich ist der belangten Behörde auch entgegen zu halten, dass eine mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbundene Untersuchung (wie eine Blutabnahme zwecks Hämoglobin-Elektrophorese) auch nur dann gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde, wenn diese gegen den – explizit in dieser Weise geäußerten – gegenteiligen Willen des Angehaltenen durchgeführt würde; eine dementsprechende Aufklärung oder ein bloßes Anbieten einer derartigen Behandlung geriete hingegen mit Art. 3 EMRK keinesfalls in Widerspruch.

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2010/21/0286-7

 

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