Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522547/4/Zo/Jo

Linz, 27.05.2010

 

                                                                                                                                                        

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des X, vom 30.03.2010, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 22.03.2010, Zl. VerkR21-86-2009, wegen Entziehung der Lenkberechtigung sowie Erteilung eines Lenkverbotes für sonstige Fahrzeuge nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 17.05.2010 durch sofortige Verkündung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und die Führerscheinentzugsdauer auf 3 Monate, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, herabgesetzt.

 

Hinsichtlich Punkt II. (Mopedfahrverbot) wird der Berufung stattgegeben und dieser Spruchpunkt aufgehoben.

 

Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 iVm 67a Abs.1 und 67d AVG sowie

§ 7 Abs.1 Z1, Abs.3 Z4 und Abs.4, § 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.3 und 32 Abs.1 Z1 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat dem Berufungswerber mit dem angefochtenen Bescheid die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von 6 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides (das war der 28.03.2010) entzogen. Weiters wurde ihm das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen für denselben Zeitraum verboten und es wurde ihm das Recht aberkannt, während der Dauer der Entziehung von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass er wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung gemäß § 80 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs.1 StGB rechtskräftig zu einer allerdings äußerst milden bedingten Strafe verurteilt wurde. Er hatte sich auch reumütig geständig verantwortet. Dieses Urteil rechtfertige die Entziehung der Lenkberechtigung rund 9 Monate nach dem Unfall nicht mehr.

 

Der Berufungswerber habe keine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 FSG begangen. Eine Entziehung aus anderen als den im Gesetz ausdrücklich aufgezählten Gründen sei nur möglich, wenn diese an Bedeutung und Gewicht den bestimmten Tatsachen gleichkommen würden. Das sei hier nicht der Fall, weil es sich bei ihm nur um eine Fahrlässigkeitstat handle. Er habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht um mehr als 50 km/h überschritten und sich auch nicht besonders rücksichtslos verhalten oder besonders gefährliche Verhältnisse geschaffen.

 

Der Unfall sei durch einen Aufmerksamkeitsfehler verursacht worden, welcher durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zum Tod der Beifahrerin des zweitbeteiligten Fahrzeuges geführt habe. Es handle sich um einen Auffahrunfall auf der Westautobahn, bei welchem er von hinten auf das vor ihm fahrende Fahrzeug auffuhr, wobei der Anstoß so unglücklich ausfiel, dass dieses Fahrzeug ins Schleudern geriet und sich überschlug. Diese tragischen Unfallfolgen würden aber nichts daran ändern, dass sein Fehlverhalten nur eine geringe Verwerflichkeit hat, weshalb eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht gerechtfertigt sei. Das Strafgericht habe nur eine ausgesprochen milde Strafe verhängt und diese auch zur Gänze bedingt nachgesehen, weil beim Berufungswerber ausschließlich Milderungsgründe vorliegen würden.

 

Seit dem Unfall seien bereits 9 Monate vergangen und in dieser Zeit habe er sich als Lenker eines Kraftfahrzeuges wohl verhalten. Auch aus diesem Grund hätte die Lenkberechtigung nicht entzogen werden dürfen. Der Berufungswerber habe nach dem Unfall auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen.

 

Weiters habe die Behörde lediglich den Wortlaut des Strafurteils übernommen, ohne eigene Überlegungen anzustellen bzw. sich einen persönlichen Eindruck vom Berufungswerber zu verschaffen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie in das Gerichtsurteil des BG Traun zu Zl. 4U94/09K-21 und das diesem Urteil (bzw. dem gegenständlichen Unfall) zugrunde liegende Sachverständigengutachten. Am 17.05.2010 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, bei welcher der Berufungswerber vernommen wurde. Sein Vertreter sowie ein Vertreter der Erstinstanz waren anwesend.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 21.06.2009 in Alhaming auf der A 1 den PKW seines Vaters mit dem Kennzeichen X in Richtung Linz. Die Autobahn weist in diesem Bereich drei Fahrstreifen auf, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit beträgt 130 km/h. Zur Unfallszeit herrschte Tageslicht und das Fahrzeug der Zweitbeteiligten war aus mindestes 200 m sichtbar. Die Fahrbahn war trocken.

 

Der Berufungswerber hielt unmittelbar vor der Kollision eine Geschwindigkeit von ca. 150 km/h ein, die Geschwindigkeit des zweitbeteiligten Fahrzeuges betrug ca. 110 km/h. Der Berufungswerber prallte also mit einem Geschwindigkeitsunterschied von ca. 40 km/h auf das vor ihm fahrende Fahrzeug, wobei der Zusammenstoß rechts hinten erfolgte. Das zweitbeteiligte Fahrzeug kam dadurch ins Schleudern und überschlug sich, wobei die Beifahrerin tödliche Verletzungen erlitt. Nach dem Gutachten des Sachverständigen ist der Unfall auf eine überhöhte Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerbers, aber auch auf eine vollkommene Unachtsamkeit bzw. einen Beobachtungsfehler oder auch möglichen Sekundenschlaf zurückzuführen.

 

Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde der Berufungswerber rechtskräftig zu einer zur Gänze bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Monaten verurteilt. Anzuführen ist weiters, dass der Berufungswerber seit ca. 3,5 Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung ist und mit Ausnahme dieses Unfalles und auch seither völlig unauffällig am Straßenverkehr teilgenommen hat. Seine Arbeitsstelle ist von seinem Wohnhaus ca. 7 km entfernt und aufgrund der unregelmäßigen Arbeitszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln praktisch nicht erreichbar.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbei zu führen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen, sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs. 3 Z. 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.     die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.     die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen aufgrund des § 7 Abs.3 Z14 und 15.

 

Gemäß § 32 Abs.1 FSG hat die Behörde Personen, die nicht iSd § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, unter Anwendung der §§ 24 Abs.3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1.   ausdrücklich zu verbieten,

2.   nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Auflagen eingehalten werden oder

3. nur für eine bestimmte Zeit oder nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten.

 

5.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z3 FSG dann vor, wenn jemand ein Verhalten gesetzt hat, das objektiv gesehen geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Der Berufungswerber hat den konkreten Verkehrsunfall durch besondere Unaufmerksamkeit verursacht. Wenn man berücksichtigt, dass das Fahrzeug der Zweitbeteiligten auf mindestens 200 m sichtbar war und der Geschwindigkeitsunterschied zwischen den beiden Fahrzeugen ca. 40 km/h betragen hat (das entspricht ca. 11 m/sec), so ergibt sich, dass der Berufungswerber das Fahrzeug der Zweitbeteiligten über einen Zeitraum von mehr als 15 sec nicht beachtet und in den letzten Sekunden vor dem Unfall gar nicht wahrgenommen hat. Er hat dabei auch eine absolut überhöhte Geschwindigkeit von ca. 150 km/h eingehalten. Die Kombination dieser Umstände hat zum gegenständlichen Verkehrsunfall geführt und war daher geeignet, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Der Berufungswerber hat daher die bestimmte Tatsache des § 7 Abs.3 Z3 FSG zu verantworten.

 

Bei der Wertung dieser Tatsache ist zu berücksichtigen, dass der Berufungswerber bei einer sehr hohen Geschwindigkeit über einen längeren Zeitraum extrem unaufmerksam war. Dieses Verhalten ist nicht nur gefährlich sondern wegen der außergewöhnlichen Unaufmerksamkeit auch als verwerflich anzusehen. Von jedem Kraftfahrzeuglenker muss erwartet werden, dass er bei derart hohen Geschwindigkeiten seiner Umgebung – insbesondere dem Verkehrsaufkommen vor ihm – eine hohe Aufmerksamkeit schenkt, weil es ansonsten beinahe zwangsläufig zu gefährlichen Situationen kommen muss. Andererseits ist zugunsten des Berufungswerbers zu berücksichtigen, dass der Vorfall jetzt bereits ca. 11 Monate zurückliegt und er sich in dieser Zeit als Lenker von Kraftfahrzeugen wohl verhalten hat. Auch vor dem gegenständlichen Verkehrsunfall wies der Berufungswerber keine Vormerkungen wegen verkehrsrechtlicher Übertretungen auf. Unter Abwägung all dieser Umstände ist der Berufungswerber zwar momentan noch nicht verkehrszuverlässig, es ist aber anzunehmen, dass er seine Verkehrszuverlässigkeit bereits nach Ablauf einer dreimonatigen Führerscheinentzugsdauer – gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (28.03.2010) - wiedererlangen wird.

 

Festzuhalten ist, dass jenes Verhalten, welches die Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers begründet zwar auch als Lenker eines der in § 32 Abs.1 FSG angeführten Fahrzeuge möglich ist, in diesem Fall aber kaum zu gefährlichen Verhältnissen (zumindest nicht für andere Verkehrsteilnehmer) führen könnte. Eine wesentliche Überschreitung der erlaubten Geschwindigkeit erscheint mit diesen Fahrzeugen ohnedies ausgeschlossen. Im Hinblick darauf wirkt sich die Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers nicht auf die Fähigkeit zum Lenken der in § 32 Abs.1 FSG angeführten Fahrzeuge aus. Diesbezüglich konnte daher der Berufung stattgegeben und das "Mopedfahrverbot" aufgehoben werden.

 

Berufliche Nachteile bzw. persönliche Schwierigkeiten, welche mit einer Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, dürfen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Interesse der Verkehrssicherheit nicht berücksichtigt werden. Der Umstand, dass es für den Berufungswerber ausgesprochen schwierig ist, seinen Arbeitsplatz zu erreichen, konnte daher zu keiner anderen Beurteilung führen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

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