Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281190/19/Py/Hu

Linz, 15.06.2010

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. Dezember 2009, GZ: Ge96-2413-2009, wegen Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19. März 2010 zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 Abs.1  VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. Dezember 2009, GZ: Ge96-2413-2009, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs.1 Z16 ASchG iVm § 21 Abs.1 AM-VO eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 100 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als Inhaber einer Gewerbeberechtigung für Elektroinstallation der Unterstufe (§ 167 GewO 1973)' am Standort x, nicht dafür Sorge getragen, dass die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) iVm der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) eingehalten wurden.

 

Anlässlich einer am 12.11.2008 um 15.00 Uhr vom Arbeitsinspektor x auf der Baustelle x in x, durchgeführten Erhebung wurde Folgendes festgestellt:

 

Die Firma x, war in x, für Herrn x in einer neu errichteten Lagerhalle der Firma x mit Reparaturarbeiten an einem Heizlüfter, welcher an der Hallendecke in einer Höhe von ca. 10 m montiert ist, beauftragt.

 

Am 12.11.2008 war der Arbeitnehmer x, geb. x, für die Firma x damit beschäftigt, den Arbeitnehmer x, geb. x, der bei Ihnen beschäftigt ist, mittels Hubstapler (Marke Linde, Type E20PL) der Firma x hochzuheben. Der Arbeitnehmer x stand dabei in einer ca. 1,20 x 0,80 x 0,90 m großen Gitterbox, welche vom Hersteller nicht zum Heben von Personen, sondern ausschließlich für Lagerungen vorgesehen war. Beim Hochheben verrutschte die Gitterbox von den Gabeln des Staplers und fiel um ca. 13.30 Uhr aus einer Höhe von 7 m herab. Der sich in der Box befindliche Arbeitnehmer erlitt schwere Verletzungen.

 

Gemäß § 21 Abs.1 AM-VO dürfen für das Heben von ArbeitnehmerInnen nur dafür geeignete Arbeitsmittel benutzt werden. Dazu gehören insbesondere Hubarbeitsbühnen, Mastkletterbühnen, Fassadenbefahrgeräte, Hängebühnen, Hebeeinrichtungen von Bühnen und vergleichbare Arbeitsmittel. Auf Arbeitsmitteln, die zum Heben von Lasten bestimmt sind, dürfen ArbeitnehmerInnen nur befördert werden, wenn sie über gesicherte Einrichtungen zur Personenbeförderung verfügen, insbesondere Arbeitskörbe. Dem wurde insofern nicht entsprochen, als Ihr Arbeitnehmer x in einer Gitterbox mittels Hubstapler hochgehoben wurde, obwohl diese vom Hersteller ausschließlich für Lagerungen, keinesfalls jedoch für den Transport von Personen vorgesehen war."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe der Rechtsgrundlagen und des Verfahrensganges aus, dass die dem Bw angelasteten Verwaltungsübertretungen von ihm in keiner Weise bestritten wurden. Seine anlässlich seiner Vorsprache am 18. Februar 2009 gemachten Angaben seien nicht geeignet, ihn von seiner verwaltungsrechtlichen Verantwortung zu befreien.

 

Zur Strafbemessung wird ausgeführt, dass angesichts der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer durch den angeführten Unfall zu Tode gekommen ist, die verhängten Geldstrafen angemessen erscheinen. Als strafmildernd werde die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw gewertet, straferschwerend sei der Umstand, dass durch Beachtung der geltenden gesetzlichen Vorschriften der Tod des Arbeitnehmers x, der zum Unfallzeitpunkt gerade 21 Jahre alt war, hätte vermieden werden können.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 16. Februar 2009. In dieser führt der Bw aus, dass er den Arbeitnehmer x zum gegenständlichen Zeitpunkt für eine Woche im Wege eines Leiharbeitsvertrages als Leiharbeiter der Firma x zur Verfügung gestellt habe. x nahm seine Tätigkeit bei der Firma x auf der Liegenschaft der Firma x ca. 2 bis 3 Tage vor dem gegenständlichen Vorfall auf, sodass dieser zum Vorfallszeitpunkt unter ausschließlicher Aufsicht des x stand. Der Bw war daher zu diesem Zeitpunkt nicht für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich, sondern traf diese Verantwortung vielmehr x.

 

Der objektive Sachverhalt der im Straferkenntnis angeführten Verwaltungsübertretung wurde in der Berufung nicht bestritten, jedoch führt der Bw ergänzend aus, dass Herr x vom Bw zu keiner Zeit beauftragt war, derartige Reparaturarbeiten an einem Heizlüfter an der Decke einer Lagerhalle durchzuführen. Der Bw hatte weder Kenntnis davon, dass x eine derartige Tätigkeit verrichtet, noch davon, unter welchen Arbeitsbedingungen derartige Reparaturen bewerkstelligt werden sollten. Es werde weiters ausdrücklich bestritten, dass im Arbeitsauftrag des Bw beinhaltet gewesen wäre, den Heizlüfter an der Decke einer Lagerhalle zu reparieren. Die Nachschau an diesem Heizlüfter stand vielmehr in keinerlei Zusammenhang mit den in Auftrag gegebenen Elektroinstallationsarbeiten.

 

Der Sachverhalt sei vielmehr so gewesen, dass gleichzeitig mit den Elektroinstallationsarbeiten der Firma x bei der Firma x am Betriebsgelände auch Heizungsinstallationsarbeiten an einer Lagerhalle durch die Firma x durchgeführt wurden. Als Mitarbeiter der Firma x bemerkten, dass der Heizlüfter an der Decke der Montagehalle defekt sein dürfte, baten sie die zufällig in der Nähe befindlichen Mitarbeiter der Firma x, die Ursache für den Heizlüfterdefekt festzustellen. Die auftragsgemäßen Arbeiten der Firma x erfolgten an einem völlig anderen Bauwerk auf der Liegenschaft, nämlich bei einem neu errichteten Wohngebäude. Die gegenständliche Lagerhalle ist räumlich davon völlig getrennt und war damals bereits längst fertig gestellt.

 

Weder der Bw noch der Betriebsinhaber der Firma x könne seine Dienstnehmer ständig kontrollieren, ob sie nicht abseits ihres eigentlichen Einsatzauftrages Tätigkeiten verrichten, die allenfalls unerlaubt sind und den Arbeitnehmerschutzvorschriften widersprechen. Für eine strafrechtliche oder gar verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Bw fehle daher jegliche Rechtsgrundlage.

 

3. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 legte die belangte Behörde die Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht, Einsicht in das im Verfahren x angefertigte Protokoll über die beim Landesgericht Salzburg am 25. März 2009 in der Strafsache gegen x angefertigte Verhandlungsschrift, Einholung von Stellungnahmen der Parteien sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19. März 2010, die aufgrund des den Verfahren zugrunde liegenden sachlichen Zusammenhangs gemäß § 51e Abs7 VStG gemeinsam mit der im Verfahren zu VwSen-281190 angeordneten Berufungsverhandlung betreffend den Berufungswerber x durchgeführt wurde. An der Berufungsverhandlung nahmen der Rechtsvertreter der Bw, der Berufungswerber x sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Salzburg als Parteien teil. Der Bw musste sich wegen eines Auslandsaufenthaltes entschuldigen. Als Zeuge wurde Herr x einvernommen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw betreibt am Standort x, ein Elektroinstallationsunternehmen.

 

In der KW 46 2008 überließ der Bw den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer x, geb. am x, an die Elektrofirma x. Herr x arbeitete in dieser Zeit unter ausschließlicher Kontrolle und auf Anordnung des Herrn x.

Am 12. November 2008 sollte Herr x im Auftrag der Firma x gemeinsam mit einem weiteren von der Firma x an die Firma x überlassenen Arbeiter sowie dem bei der Firma x beschäftigten, auf der Baustelle als Vorarbeiter fungierenden Arbeitnehmer x Elektroinstallationsarbeiten in einer Wohnhausanlage in x durchführen.

 

In einer an diese Wohnhausanlage angrenzenden Lagerhalle der Firma x in x, in der von der Firma x einige Monate davor ein Heizlüfter installiert wurde, sollte an diesem Tag von der Firma x die Heizung in Betrieb genommen werden. Als sich bei der Inbetriebnahme der Heizung herausstellte, dass der von der Firma x in der Lagerhalle montierte Heizlüfter nicht funktioniert, wandte sich ein Vertreter der Firma x an den in der angrenzenden Wohnhausanlage tätigen Arbeitnehmer des Bw, Herrn x, mit der Bitte, sich das Problem bei Gelegenheit anzuschauen. Nachdem Herr x während der Mittagspause nochmals vom Vertreter der Firma x auf diesen Wunsch angesprochen wurde, ging er mit Herrn x in die Lagerhalle, um den Heizlüfter zu reparieren, da er davon ausging, dass es sich nur um eine Kleinigkeit handelt.

 

Um zu dem in ca. 8 m Höhe montierten Heizlüfter zu gelangen, hob Herr x Herrn x mit einem Hubstapler in einer ca. 1,2 x 0,80 x 0,90 m großen Gitterbox, welche vom Hersteller nicht zum Heben von Personen, sondern ausschließlich für Lagerungen vorgesehen war, nach oben. Beim Hochheben verrutsche die Gitterbox von den Gabeln des Staplers und fiel aus einer Höhe von ca. 7 m zu Boden. Herr x erlitt dabei schwere Verletzungen und verstarb wenige Tage nach dem Arbeitsunfall.

 

Herr x verfügte über keine entsprechenden, durch ein Zeugnis nachgewiesenen Fachkenntnisse zum Führen von Hubstaplern. Die von ihm zum Heben des Herrn x benützte Gitterbox war vom Hersteller ausschließlich für Lagerungen, jedoch nicht für den Transport von Personen vorgesehen.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, den Stellungnahmen der Parteien, dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 19. März 2010 und ist in dieser Form unbestritten.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 21 Abs.1 Arbeitsmittelverordnung dürfen für das Heben von ArbeitnehmerInnen nur dafür geeignete Arbeitsmittel benutzt werden. Dazu gehören insbesondere Hubarbeitsbühnen, Mastkletterbühnen, Fassadenbefahr­geräte, Hängebühnen, Hebeeinrichtungen von Bühnen und vergleichbare Arbeitsmittel. Auf Arbeitsmitteln, die zum Heben von Lasten bestimmt sind, dürfen ArbeitnehmerInnen nur befördert werden, wenn sie über gesicherte Einrichtungen zur Personenbeförderung verfügen, insbesondere Arbeitskörbe.

 

Gemäß § 9 Abs.1 ASchG liegt Überlassung im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für die unter deren Kontrolle zu arbeiten. Überlasser ist, wer als Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung an Dritte verpflichtet. Beschäftiger ist, wer diese Arbeitnehmer zur Arbeitleistung einsetzt.

 

Gemäß § 9 Abs.2 leg.cit. gelten die Beschäftiger für die Dauer der Überlassung als Arbeitgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes.

 

5.2. Definitionsgemäß liegt nach § 9 Abs.1 erster Satz ASchG eine Überlassung im Sinn dieses Bundesgesetzes vor, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für sie und unter deren Kontrolle zu arbeiten. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse steht unzweifelhaft fest, dass am 12. November 2008 eine Überlassung des Arbeitnehmers x an die Firma x im Sinn des § 9 Abs.1 ASchG stattgefunden hat. Dies wird auch von der Organpartei nicht bestritten, sondern führt sie in ihrer Stellungnahme vom 27. Jänner 2010 aus, dass "Überlasser" verpflichtet sind, ihre Arbeitnehmer vor einer Überlassung über die Gefahren, denen sie auf dem zu besetzenden Arbeitsplatz ausgesetzt sein können, zu informieren.

 

Diese Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen wurde dem Bw jedoch nicht innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen. Der Bw hat die ihm angelastete Tat somit nicht begangen, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen gemäß § 66 Abs.1 VStG jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Andrea Panny

 

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