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des Landes Oberösterreich
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VwSen-100514/2/Fra/Ka

Linz, 25.08.1992

VwSen - 100514/2/Fra/Ka Linz, am 25. August 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der R L, D, K, W, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. E H und Dr. R L, L, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 28. Februar 1992, Zl. III-VU-2603/91/G, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

Rechtsgrundlage: §§ 66 Abs.4 und 71 AVG i.V.m. §§ 24 und 51 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit Strafverfügung vom 25. November 1991, Zl. III-VU-2603/91/G, über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und § 4 Abs.5 StVO 1960 eine Strafverfügung erlassen. Laut Zustellnachweis wurde diese Strafverfügung am 9. Dezember 1991 von der Berufungswerberin übernommen.

Mit Schriftsatz vom 2. Jänner 1992 wurde u.a. gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen die oben genannte Strafverfügung ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, wobei die Antragstellerin im wesentlichen ausgeführt hat, daß für sie bei der A Versicherungs AG eine aufrechte Rechtschutzversicherung bestehe, weshalb sie die genannte Strafverfügung bei der Geschäftsstelle dieser Versicherung in W, R, mit dem Auftrag übergeben habe, einen Rechtsanwalt mit der Erhebung eines Einspruches zu beauftragen. Der zuständige Sachbearbeiter habe die Strafverfügung zusammen mit der Schadensmeldung am 12. Dezember 1991 an die Landesdirektion der A Versicherungs AG in L, H, übermittelt, wo die Unterlagen am Freitag, den 13. Dezember 1991, eingelangt seien. Für die Weiterbearbeitung des Versicherungsfalles in Linz sei Herr R A zuständig gewesen. Herr A habe es infolge Arbeitsüberlastung übersehen, daß es sich bei der gegenständlichen Angelegenheit um eine Fristensache handelt, weshalb er es auch irrtümlich unterlassen habe, die Unterlagen unverzüglich an einen der Vertragsanwälte dieser Versicherung weiterzuleiten, damit dieser die Erhebung eines Einspruches veranlassen könne. Herr A habe sodann in der Folge selbst einen Urlaub in Anspruch genommen und erst am 30. Dezember 1991 bei der Aufarbeitung der Schadensakten bemerkt, daß im gegenständlichen Fall die fristgerechte Erhebung eines Einspruches unterblieben ist. Bei Herrn A handle es sich um einen äußerst verläßlichen Mitarbeiter der A Versicherung, der beinahe 20 Jahre bei dieser Gesellschaft beschäftigt ist und in diesem Zeitraum sämtliche Arbeiten äußerst gewissenhaft erledigt hat. Bei dem gegenständlichen Versäumnis handle es sich daher um eine entschuldbare Fehlleistung, welche bislang noch niemals vorgekommen sei.

Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde seitens der Bestraften Einspruch erhoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die Bundespolizeidirektion Wels den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs.1 lit.a AVG i.V.m. § 71 Abs.2 bis 4 AVG i.V.m. § 24 VStG 1991 als unbegründet abgewiesen und den gleichzeitig eingebrachten Einspruch gemäß § 68 Abs.1 AVG i.V.m. § 24 VStG i.V.m. § 49 Abs.1 VStG - da verspätet eingebracht zurückgewiesen. In ihrem Rechtsmittel gegen den oben angeführten Bescheid bringt die Berufungswerberin im wesentlichen vor, daß es der Erstbehörde offenbar entgangen sei, daß sich die Rechtslage durch die Neufassung des § 71 Abs.1 lit.a AVG, welche Bestimmung mit 1. Jänner 1991 in Kraft getreten ist, insoferne geändert hat, als nunmehr ein minderer Grad des Versehens die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht verhindere. Nachdem ihr selbst ein Verschulden bzw. ein Versehen nicht angelastet werden könne, sei daher lediglich zu prüfen, ob das Verhalten ihres Vertreters, nämlich des zuständigen Schadensreferenten R A als Verschulden zu werten sei, was möglicherweise der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegenstünde oder als minderer Grad des Versehens zu sehen sei, was wiederum der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegenstünde. Sie habe bereits im Wiedereinsetzungsantrag darauf hingewiesen, daß Herr A beinahe 20 Jahre Schadensreferent bei der A Versicherung, Landesdirektion für Oberösterreich in L, tätig sei und in diesem Zeitraum sämtliche Arbeiten äußerst gewissenhaft erledigt habe. Herrn Albrecht sei während des genannten Zeitraumes ein derartiger Fehler noch niemals unterlaufen, weshalb es sich um eine einmalige entschuldbare Fehlleistung gehandelt habe. Diese entschuldbare Fehlleistung sei als minderer Grad des Versehens im Sinne des § 71 Abs.1 lit.a AVG zu werten. Unbeschadet der Änderung der Gesetzeslage per 1. Jänner 1991 sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich. Der Verwaltungsgerichtshof habe u.a. auch die Auffassung vertreten, daß das Verschulden eines Konzipienten nicht einem Verschulden eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes gleichgesetzt werden könne, woraus folge, daß die Untätigkeit bzw. der Fehler eines Vertreters des Beschuldigten keineswegs grundsätzlich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verhindere. Die Erstbehörde hätte daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen müssen. Das Verfahren erster Instanz sei auch insofern mangelhaft geblieben, als die Erstbehörde auch die beantragte Einvernahme des Herrn R A nicht durchgeführt habe. Die Berufungswerberin stellt sohin den Antrag, ihrem Rechtsmittel Folge zu geben und den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abzuändern, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werde, in eventu den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Hinweis der Berufungswerberin, daß aufgrund der Novellierung des AVG seit 1. Jänner 1991 ein "minderer Grad des Versehens" die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindert, ist zutreffend.

§ 71 Abs.1 Z.1 AVG lautet wie folgt:

"Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft." Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.2.1986, Zl. 85/02/0258, ausgeführt hat, darf der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter nicht auffallend sorglos gehandelt haben, er darf die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben.

Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Vertreter der Berufungswerberin, Herr R A bereits seit 20 Jahren seine Arbeiten äußerst gewissenhaft erledigt, kann dennoch das Verhalten im gegenständlichen Fall nicht als minderer Grad des Versehens gewertet werden. Herrn A als Schadensreferent muß aufgrund seiner beruflichen Aufgabenstellung bekannt sein, welche Konsequenzen die Versäumung einer "Fristensache" nach sich zieht. Trotz vermehrter Arbeitsbelastung hätte es daher zu seiner Sorgfaltspflicht gehört, die entsprechenden bei ihm einlangenden Schriftstücke unter diesem Aspekt durchzusehen. Die bezügliche Strafverfügung wurde von der Berufungswerberin am 9. Dezember 1991 übernommen. Die Einspruchsfrist wäre daher am 23. Dezember 1991 abgelaufen. Wenn die Unterlagen am 13.12.1991, wie die Berufungswerberin behauptet, bei der A Versicherung in L eingelangt sind, so wären noch 10 Tage zur Erhebung eines Einspruches Zeit gewesen. Es ist sowohl zumutbar, in diesem Zeitraum die eingehende Post nach "Fristensachen" zu kontrollieren und sodann einen Einspruch, welcher nicht einmal begründet sein muß, und auch telegrafisch oder mündlich erhoben werden kann, gegen die genannte Strafverfügung zu erheben. Ein weiteres Indiz dafür, daß Herr A die im ggst. Zusammenhang gebotene Sorgfaltspflicht nicht eingehalten hat, ist der Umstand, daß er im Anschluß einen Urlaub in Anspruch genommen hat. Die Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen daher nicht vor. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Schadensreferent seine ihm auferlegten Arbeiten gewissenhaft erledigt, wovon der unabhängige Verwaltungssenat (und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte der Begründung des angefochtenen Bescheides wohl auch die Erstbehörde) ausgeht. Zweifellos ist daher das Versäumnis des Herrn Albrecht als Verschulden zu werten, welches den Grad eines minderen Versehens überschreitet.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im Sinne des § 51e Abs.2 VStG unterbleiben, zumal ohnehin von den Sachverhaltsangaben der Berufungswerberin ausgegangen wurde. Zusätzliche Sachverhaltselemente waren zur Beurteilung der Rechtsfrage nicht zu klären.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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