Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720267/3/WEI/Ba

Linz, 09.06.2010

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, türkischer Staatsangehöriger, geb. X, wh. X, X, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Ried im Innkreis vom 9. Dezember 2009, Zl. Sich 40-9327, betreffend Ausweisung aus dem Bundesgebiet zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 9 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit Art 2 des BGBl I Nr. 135/2009).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bezirkshauptmanns von Ried im Innkreis vom 9. Dezember 2009, Zl. Sich 40-9327, wurde der Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf der Grundlage der §§ 54 Abs 1 Z 1, 56 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

Nach Darlegung des weitgehend unbestrittenen Sachverhalts und der maßgeblichen Rechtsvorschriften nimmt die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Begründung auf die letzte Verurteilung des Bw durch das Landesgericht X (LG X) vom 7. Jänner 2009, Zl. X, wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 2 Jahren Bezug. Die unbedingte Freiheitsstrafe wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Linz mit Urteil vom 21. April 2009, Zl. X, in eine teilbedingte Strafe umgewandelt, wobei der unbedingte Teil mit 8 Monaten der Rest mit 16 Monaten bedingt auf drei Jahre bemessen wurde. Auf zwei Verurteilungen des Bw zu bedingten Geldstrafen wegen Körperverletzungsdelikten aus den Jahren 2002 (BG X 18.03.2002, Zl. X: §§ 83 Abs 1, 91 Abs 2 StGB, 60 TS à 13 Euro) und 2005 (BG X, 10.03.2005, Zl X: §§ 83 Abs 1, 88 Abs 1 und 4 1. Fall StGB, 120 TS à 15 Euro) durch Bezirksgerichte verweist die belangte Behörde als Aggressionsdelikte.

 

Die belangte Behörde führt weiter aus, dass der Bw mit der Verurteilung des LG X wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch seine Aufenthaltsverfestigung als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" im Sinne des § 56 FPG verloren habe. Sein weiterer Aufenthalt stelle daher eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 56 Abs. 1 FPG dar.

 

Aus dem planmäßigen Vorgehen, dass der Bw bei Begehung der ihm zur Last gelegten Eigentumsdelikte an den Tag gelegt habe, manifestiere sich, dass er eine ausgeprägte kriminelle Neigung habe und nicht gewillt sei, das Eigentum anderer und die in Österreich geschützten Werte zu respektieren. Zu bemerken sei in diesem Zusammenhang, dass das LG X bei der letzten Verurteilung die Wiederholung der strafbaren Handlungen sowie deren mehrfache Qualifikation als erschwerend beurteilte. Laut Urteil des OLG Linz habe der Bw zwischen 26. Juni und 5. September 2008 33 einbruchsqualifzierte Angriffe zu verantworten, von denen 8 beim Versuch geblieben waren. Dabei habe der Bw Diebsgut im Wert von etwa 16.000 Euro erbeutet.

 

Trotz des reumütigen Geständnisses, der teilweisen objektiven Schadensgutmachung und des Umstandes, dass 8 Einbruchsdiebstähle beim Versuch geblieben sind, habe das OLG Linz im Urteil vom 21. April 2009 aus spezialpräventiven Gründen nicht die Möglichkeit einer vollständigen bedingten Strafnachsicht gesehen. Hiezu sei gekommen, dass der Bw weder aus den Verurteilungen durch das BG X und das BG X, noch aus der Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen am 22. November 2005 Lehren gezogen habe. Vielmehr habe er sein strafbares Verhalten fortgesetzt, ja sogar gesteigert.

 

Die Erstbehörde zog aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts den Schluss, dass aufgrund der vorliegenden teilbedingten Verurteilung nachträglich der Versagungsgrund des § 11 Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 NAG eingetreten sei, weil der Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachhaltig und maßgeblich gefährde. Dieser Versagungsgrund wäre der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden, weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Abs 1 Z 1 FPG vorlägen.

 

Das persönliche Gesamtfehlverhalten des Bw lasse keine günstige Zukunftsprognose zu und stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dabei erinnert die belangte Behörde an den hohen sozialen Störwert fortgesetzter Einbruchskriminalität, welche das Sicherungsbedürfnis der Bevölkerung merkbar beeinträchtige. Auch aus dem Strafmaß lasse sich die Schwere der strafbaren Handlungen ableiten. Konsequenter Weise seien dem Bw die Rechte aus dem ARB 1/80 mit der vorliegenden Ausweisung abzusprechen, weil sein persönliches Verhalten auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hindeute.

 

Da sich der Bw jedoch seit 1992 durchgehend legal mit Hauptwohnsitz in Österreich befinde, er langjährig rechtmäßig niedergelassen sei, sich auch seine engsten Familienangehörigen in Österreich befinden, er seit 11. November 2009 mit einer türkischen Staatsbürgerin im Bundesgebiet verheiratet sei und er in Österreich nach der Pflichtschule auch unselbständig erwerbstätig gewesen sei, befinde sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen jedenfalls in Österreich und greife die Ausweisung daher ohne jeden Zweifel in sein Privat- und Familienleben ein. § 55 Abs 4 FPG finde aber keine Anwendung, weil der Bw nicht als "von klein auf im Inland aufgewachsen" angesehen werden könne.

 

Bei Betrachtung des Gesamtfehlverhaltens wögen die öffentlichen Interessen an der Außerlandesschaffung des Bw schwerer als seine privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet, bestehe doch an der Verhinderung qualifizierter Eigentumskriminalität ein Grundinteresse der Gesellschaft. Selbst wenn man das Fehlverhalten des Bw als Strafunmündiger im Jahr 1997 außer Acht lasse, sei er zumindest ab 1999 immer wieder negativ in Erscheinung getreten. Bis zu seiner Festnahme am 14. September 2008 in Österreich zweimal wegen Delikte gegen Leib und Leben sowie zuletzt wegen wiederholter und teils mehrfach qualifizierter Diebstahlsdelikte rechtskräftig verurteilt. Es falle auf, dass der Bw sowohl Aggressionsdelikte als auch gravierende Eigentumsdelikte gesetzt habe. Dies unterstreiche seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich geschützten Werten und der geltenden Rechtsordnung. Dazu komme die Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung mit arbeitsteiligem Vorgehen. Die Vorstrafen und die systematische und gut geplante Vorgangsweise bei den Einbruchsdiebstählen würden keine positive Zukunftsprognose zulassen.

 

Berücksichtigend, dass der Bw kein Vermögen und keine abgeschlossene Berufsausbildung habe und seine Arbeitsverhältnisse immer nur von kurzer Dauer waren, so sei die Rückfallsgefahr als noch größer einzustufen. Nach seiner Haftentlassung am 14.5.2009 sei er insgesamt nur acht Tage einer Beschäftigung nachgegangen. Zuletzt habe er Arbeitslosengeld bezogen. Auch seien keine Bemühungen einer beruflichen und sozialen Integration erkennbar. Die soziale Integration werde dadurch und durch die begangenen Delikte erheblich geschmälert.

 

Der Bw sei der türkischen Sprache mächtig und habe auch noch seine Großeltern und andere Verwandte in der Türkei. Er sei zwischen 2000 und 2003 mit einer türkischen Staatsbürgerin, welche in der Türkei lebe, verheiratet gewesen. Dass der Bw in der Türkei überhaupt keine Anknüpfungspunkte habe, entspreche nicht den Tatsachen, weshalb auch seine Ausweisung keine gänzliche Entwurzelung zur Folge habe. Es sei anzunehmen, dass er bei den Großeltern Aufnahme fände und er seine Deutschkenntnisse für sein berufliches Fortkommen in der Türkei nützen könne. Auch sei ihm eine Vertrautheit mit der türkischen Kultur und Sprache zuzusprechen, zumal er nicht von klein auf in Österreich lebe, sondern erst im Alter von neun Jahren nach Österreich gekommen sei. Das Verhältnis zu den Eltern relativiere sich durch die Volljährigkeit und Eheschließung. Außerdem könnten private Beziehungen zur Familie in Österreich auch anlässlich von Urlaubsaufenthalten in der Türkei gepflegt werden.

 

Ebenso verliere die am 11. November 2009 in X mit der türkischen Staatsangehörigen X X (geborene X) geschlossene Ehe gegenüber öffentlichen Interessen an Gewicht, da diese Ehe im Bewusstsein des anhängigen Verfahrens um die Ausweisung geschlossen worden sei. Diese Heirat führe daher zu keiner maßgeblichen Verfestigung in Österreich. Die Gattin sei selbst türkische Staatsangehörige, weshalb ein gemeinsames Familienleben in der Türkei auch für sie nicht unzumutbar erscheine.

 

Als Ergebnis der Interessenabwägung reiche das Ausmaß der Integration des Bw in Österreich nicht an das Gewicht der beschriebenen öffentlichen Interessen an seiner Ausweisung heran. Zusammenfassend ziehe die Behörde den Schluss, dass die Ausweisung zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zum Schutz der Rechte anderer sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, dringend geboten sei.

 

Das im § 54 FPG eingeräumte Ermessen sei zu Ungunsten des Bw auszulegen, da nachträglich wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein Versagungsgrund eingetreten sei, der Bw die Aufenthaltsverfestigung verloren habe, die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung im Sinne von § 66 FPG überwiegen würden und die Ausweisung letztlich mit Art 14 des Assoziationsratsbeschlusses im Einklang stehe.

 

2. Gegen den am 10. Dezember 2009 zugestellten Ausweisungsbescheid der belangten Behörde richtet sich die rechtzeitig am 23. Dezember 2009 zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, die am 28. Dezember 2009 bei der belangten Behörde einlangte und mit der in der Hauptsache die ersatzlose Aufhebung des Ausweisungsbescheides angestrebt wird. Der Berufung wurden insgesamt 19 Unterstützungserklärungen aus dem Kreis der Bekannten und Verwandten des Bw angeschlossen.

 

Begründend führt die Berufung aus, dass sich der Bw seit 1992 in Österreich befinde und über einen unbefristeten Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt Familienangehöriger" verfüge. Gemäß § 56 FPG dürften Fremde, die auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt EG" oder "Daueraufenthalt Familienangehöriger" verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Es sei definiert, was als schwere Gefahr zu gelten habe und erfülle der Bw weder den Tatbestand des Abs 2 Z 1, noch den Tatbestand des Abs 2 Z 2. Eine Ausweisung hätte daher keinesfalls erlassen werden dürfen. Auch aufgrund der Anwendbarkeit des Assoziationsabkommens EWG/Türkei vom 19. September 1980, Nr. 1/80, hätte eine Ausweisung nicht ausgesprochen werden dürfen.

 

Aber auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 66 FPG hätte eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen. Demnach dürfe eine Ausweisung, durch die in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur dann erlassen werden, wenn dies zur Erreichung der in Art 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Gemäß Abs 2 des genannten Paragraphen seien bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes, die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit sowie Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Art 8 Abs 2 erfordere eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes und somit eine Abwägung der betroffenen Rechtsmittel und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne hätte eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkung auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

 

Der Bw ersucht dabei zu berücksichtigen, dass er sich bereits seit November 1992, sohin seit mehr als 17 Jahren, in Österreich aufhalte und auch über eine Niederlassungsbewilligung verfüge. Sämtliche seiner Familienangehörigen würden in Österreich leben und über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen. Es sei zwar richtig, dass seine Großeltern noch in der Türkei leben, doch habe er zu diesen keinerlei Kontakt und könne auch nicht in sein Heimatdorf zurück, zumal ihn die Brüder seiner Ex-Gattin in der Türkei aufgrund der Scheidung verfolgen würden. Er habe in der Türkei keinerlei soziales Netzwerk, auf das er zurückgreifen könnte, sodass von einer vollständigen Entwurzelung auszugehen sei.

 

Weiters sei zu berücksichtigen, dass er mit der türkischen Staatsangehörigen X X seit November 2009 verheiratet sei und mit ihr ein gemeinsames Familienleben führe. Wenn die Behörde anführt, dass der Bw im Bewusstsein des gegenständlichen Verfahrens die Ehe geschlossen habe, so sei darauf hinzuweisen, dass er bereits vor Anhängigkeit dieses Verfahrens mit seiner Gattin zusammen gewesen sei.

 

Der Bw absolviere derzeit über das AMS eine modulare Metallausbildung, welche mit einer Lehrabschlussprüfung abgeschlossen werde. Der Bw verweist diesbezüglich auf ein beiliegendes Schreiben des BFI vom 14. Dezember 2009.

 

Vor dem Hintergrund der abgeschlossenen Berufsausbildung und der verbüßten Strafhaft sei gewährleistet, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werde, sodass auch von einer günstigen Zukunftsprognose ausgegangen werden könne. Der Bw ersucht zu berücksichtigen, dass er die gesamte Schulbildung in Österreich absolviert habe und entsprechend seiner Aufenthaltsdauer auch sozial in Österreich integriert sei.

 

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass er bereits aus dem türkischen Staatsverbund entlassen worden sei, sohin staatenlos wäre, sodass auch aus diesem Grund eine Ausweisung in die Türkei nicht möglich sei.

 

3. Aus dem angefochtenen Bescheid und der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

3.1. Der am 10. März 1983 in X/Türkei geborene Bw, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im November 1992 zusammen mit seiner Mutter X X und seinen drei Schwestern X, X und X im Rahmen eines Familiennachzugs mit einem am 24. November 1992 ausgestellten und bis 20. August 1993 befristeten Sichtvermerk der österreichischen Botschaft in Ankara ins Bundesgebiet ein. Am 30. November 1992 wurde der Bw an der Adresse seines Vaters X X in X, X, angemeldet. Sein Vater hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ca. 1,5 Jahre in Österreich gelebt und gearbeitet. Seit November 1992 ist der Bw in Österreich rechtmäßig niedergelassen. Mit Wirksamkeit vom 20. Juni 1996 stellte ihm die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" aus. Am 15. November 2005 stellte die belangte Behörde einen Niederlassungsnachweis aus. Der Bw war seit 1992 an neun verschiedenen Wohnsitzen gemeldet, welche von der belangten Behörde angeführt werden. Seit 15. November 2005 verfügt der Bw über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung.

 

Der Bw besuchte bis zur Übersiedelung nach Österreich eine Volksschule in der Türkei. In weiterer Folge besuchte er noch die Volksschule und Hauptschule in X, danach die Hauptschulen in X und in X. Nach der Pflichtschule begann er eine Lehre als Maler und Anstreicher, die er jedoch nicht abschloss. Seither arbeitete er in verschiedenen Berufen.

 

3.2. Seit dem Jahr 1997 trat der Bw immer wieder nachteilig in Erscheinung:

 

3.2.1. Erstmals erfolgte am 22. April 1997 durch den Gendarmerieposten X eine Anzeige zu Zl. X wegen Verdachts des gewerbsmäßigen Zeitungskassendiebstahls nach § 130 StGB erstattet worden. Dabei wurde der Bw verdächtigt, gemeinsam mit seinen Freunden X X und X X in der Zeit von September 1996 bis 2. März 1997 ca. 55 Zeitungskassendiebstähle in X begangen zu haben. Das LG X stellte am 13. Mai 1997 das Verfahren gegen den Bw zu Zl 12 Vr 353/97 gemäß § 90 Abs 1 StPO (wegen Strafunmündigkeit) ein.

 

Nach Anzeige gegen den Bw durch den GP X vom 14.3.2000, Zl. GZ P-4400/99-Hö, wegen Verdachts des Raufhandels nach § 91 Abs. 2 StGB sei das Verfahren am 25.4.2000 gemäß § 90 f StPO unter Setzung einer vorläufigen Probezeit von zwei Jahren eingestellt worden.

 

3.2.2. Mit Urteil des BG X vom 18. März 2002, Zl. 1 U 7/02g (rechtskräftig seit 22.3.2002), wurde der Bw  wie folgt schuldig befunden:

 

"X X ist schuldig, er hat

1.)         am 28.09.2001 in X X X durch Versetzen eines Faustschlages gegen das Jochbein, der ein Hämatom zur Folge hatte, am Körper verletzt;

2.)         am 23.12.1999 in X tätlich an einem Angriff mehrerer teilgenommen, wodurch X X, X und X X verletzt wurden."

 

Wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu 1.) und des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 2 StGB zu 2.) verurteilte ihn das Gericht zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen á 13 Euro, im Nichteinbringungsfall zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, wobei die Geldstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

 

Mit Urteil des BG Vöcklabruck vom 10. März 2005, Zl. 4 U 465/03g( rechtskräftig seit 15. März 2005), wurde der Bw für schuldig befunden:

 

"X X ist schuldig, er hat

1.)         am 20.08.2008 in X, Fa. X, Herrn X X durch Versetzen von zwei oder drei Faustschlägen in das Gesicht, wodurch dieser eine Kopfprellung erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt, (ON 5 vom 06.11.2003), und

2.)         am 10.09.2003 in X, Firmengelände der Fa. X X, während X X mit einem Fuß auf dem Waggon und einem Fuß auf der vom Stapler hochgehobenen Palette stand, den Stapler rückwärts gefahren, wodurch X X aus einer Höhe von 4 m zu Boden stürzte und dabei eine Gehirnerschütterung, eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Prellung der Lendenwirbelsäule, des Brustkorbes, des rechten Ellbogens und des rechten Beckens erlitt, X X dadurch fahrlässig am Körper verletzt, wobei die Dauer der Gesundheitsschädigung 24 Tage überschritt (ON 4 in ON 8 vom 22.01.2004)."

 

Wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu 1.) und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 1. Fall StGB zu 2.) wurde der Bw zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen á 15 Euro, im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen, verurteilt, wobei der Vollzug der verhängten Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 494a Abs. 1 Z 2 StPO wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht im Urteil des Bezirksgerichts X (Zahl 1 U 7/02g) vom 18. März 2002 abgesehen und gemäß § 494a Abs 6 StPO die Probezeit von drei auf fünf Jahre verlängert worden.

 

3.2.3. Am 22. November 2005 wurde der Bw bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis unter Vorhalt des seinerzeit aktenkundigen Fehlverhaltens niederschriftlich belehrt, dass weitere strafbare Handlungen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach sich ziehen können.

 

Eine Anzeige der Polizeiinspektion X vom 18. Dezember 2005 zu Zl. X wegen des Verdachtes gemäß § 27 Abs 1 SMG wurde von der Staatsanwaltschaft X (Mitteilung vom 22.03.2006, Zl. X gemäß § 35 SMG vorläufig zurückgelegt.

 

3.3. Am 14. September 2008 wurde der Bw von Beamten der PI X wegen des Verdachtes des Einbruchsdiebstahls festgenommen und in weiterer Folge in die Justizanstalt X in Untersuchungshaft überstellt.

 

Das Landesgericht X verurteilte den Bw in diesem Zusammenhang unter Zl. X am 7.1.2009 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 (2. Fall) und 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren. Das OLG Linz gab mit Urteil vom 21. April 2009, Zl. X, der Berufung des Bw insofern Folge, als die unbedingte Freiheitsstrafe auf 8 Monate herabgesetzt und der Strafteil im Ausmaß von 16 Monaten mit dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

 

Mit dem Urteil wurde der Bw schuldig gesprochen, gemeinsam mit Komplizen  verschiedenen Personen fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern sowie in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, und zwar

 

        "I)    X X, X X, X X und X X in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken

 

1)  in der Zeit vom 22.7.2008 bis 31.1.2008 in X unbekanntem Geschädigten ein Montier- und Brecheisen in unbekanntem Wert durch Aufbrechen eines Baucontainers (Fakten 10 und 57),

2)  in der Nacht vom 13.8.2009 in X Verfügungsberechtigten der X GesmbH ein Navigationsgerät im Wert von € 400,-- durch Einbruch in das Firmengebäude (Faktum 18),

3)  in der Nacht vom 13.8.2009 in X Verfügungsberechtigten des X durch Einbruch in das Sportlokal und Aufbrechen der Tür zum Abstellraum der Stockschützen, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 19),

4)  in der Nacht zum 13.8.2009 in X X und X X ein Sparschwein mit Bargeld von €15,-- und 1 Kappe in Wert von € 30,-- durch Einbruch in das Firmengebäude und Aufbrechen des Kastens (Faktum 20),

5)  zwischen 16.8. und 18.8.2008 in X Verfügungsberechtigten der X GesmbH einen Standtresor im Wert von € 300,-, eine Bohrmaschine im wert von € 120,--, einen Euromünzensammler im Wert von € 300,--, eine Videokassette im Wert von € 3,-- und 2 Armbanduhren im Wert von € 100,-- durch Einbruch in das Firmengebäude (Faktum 30),

6)  am 17.8.2008 in X X X durch Einbruch in dessen Cafe "X", wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 3),

7)  am 17.8.2008 in X X X durch Einbruch in deren Kosmetikstudio, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 32),

8)  in der Nacht zum 18.8.2008 Verfügungsberechtigten der X GmbH & Co KG eine Handkassa mit Bargeld von € 368,-- durch Einbruch in das Bürogebäude (Faktum 34),

 

        II)    X X, X X und X X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit

 

1)     in der Nacht zum 6.7.2008 in X Verfügungsberechtigten der Marktgemeinde X eine Handkassa mit Bargeld von € 422,-- durch Einbruch in den Kassenraum der Naturbadeanlage X (Faktum 3),

2)     in der Nacht zum 6.7.2008 in X X X ein Handy im Wert von € 100,-- und Süßigkeiten in unbekanntem Wert durch Einbruch in den Verkaufskiosk des Freibades X (Faktum 4),

3)     in der Nacht zum 6.7.2008 in X X X Bargeld in der Höhe von ca. € 200,-- und 50 bis 60 Packungen Zigaretten verschiedener Marken im Wert von ca. € 200,-- durch Einbruch in das Buffet am Badesee in X (Faktum 5),

4)     in der Nacht zum 14.8.2008 in X Verfügungsberechtigten des X und der X, Sektion Schießen, Bargeld in Höhe von € 15,- und € 200,-- sowie Zigaretten im Wert von € 75,-- durch Einbruch in das Sportbuffet und Aufbrechen einer Innentür (Faktum 22),

5)     in der Nacht zum 14.8.2008 in X X X 30 Packungen Zigaretten im Wert von € 120,-- durch Einbruch in den Imbissstand "X" (Faktum 26),

6)     in der Nacht zum 14.8.2008 in X X X eine Brieftasche mit Bargeld in der Höhe von € 140,-- und 2 Stangen Zigaretten im Wert von € 80,-- durch Einbruch in den Kassenraum des Freibades X (Faktum 27),

7)     in der Nacht zum 14.8.2008 in X X X 48 Packungen Zigaretten im Wert von € 181,80, 4 Stangen Zigaretten im Wert von € 136,--, Bargeld in Höhe von € 527,-- und Süßwaren im Wert von € 80,-- durch Einbruch in das Sportplatzbuffet (Faktum 28),

8)     in der Nacht zum 14.8.2008 in X Verfügungsberechtigten der Gemeinde X Bargeld von € 50,-- durch Einbruch in das Gebäude der Sportanlage (Faktum 29),

9)     zwischen 1.6. und 1.9.2008 in X Verfügungsberechtigten der Gemeinde X durch Einbruch in das Freibad, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 58),

 

III)             X X, X X und X X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert Verfolgten X X am 26.7.2008 in X Verfügungsberechtigten der X GesmbH Bargeld von € 500,-- durch Einbruch in das Wettbüro X (Faktum 12),

 

IV)             X X, X X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert Verfolgten X X in der Nacht zum 2.8.2008 in X Verfügungsberechtigten der X X GmbH & Co KG durch Einbruch in das Firmengebäude, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 14),

 

V)                 X X, X X und X X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert Verfolgten X X

 

1)     am 3.8.2008 in X X X Bargeld in Höhe von € 2.996,70 durch Einbruch in das Lokal "X" (Faktum 16),

2)     in der Nacht zum 0.8.2008 in X Verfügungsberechtigten der Fa. X Bargeld von € 60,-- durch Einbruch in das Firmengebäude der Fa. X und Aufbrechen eines Kaffeeautomaten (Faktum 17),

 

VI)             X X, X X, X X und X X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert Verfolgten X X in der Nacht zum 13.8.2008 in X Verfügungsberechtigten der Marktgemeinde X 10 Laptops im Wert von € 6.621,-- durch Einbruch in die Hauptschule X (Faktum 21)

 

VII)            X X, X X und X X

 

1)     am 17.8.2008 in X X X durch Einbruch in den Container des Tabakfachgeschäftes, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 33),

2)     in der Nacht zum 5.9.2008 in X Verfügungsberechtigten der X GmbH Bargeld in Höhe von € 40,- durch Einbruch in das Bürogebäude (Faktum 43),

3)     am 5.9.2008 in X Verfügungsberechtigten der Fa. X X durch Einbruch in das Bürogebäude, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 48),

4)      in der Nacht zum 4.9.2008 in X X X Bargeld von € 138,39 durch Einbruch in des Gebäude der X und X X GmbH X (Faktum 40),

 

VIII)         X X, X X und X X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert Verfolgten X X ...

 

IX)              X X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert Verfolgten X X und X X ...

 

X)                 X X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert Verfolgten X X ...

 

XI)              X X und X X

 

1)     in der Nacht zum 25.6.2008 in X Verfügungsberechtigten der X X GmbH durch Einbruch in daS Firmengebäude, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 2),

2)     in der Nacht zum 22.7.2008 in X Verfügungsberechtigten des Sportvereines X Bargeld von € 200,-- und ein Sparschwein im Wert von € 5,-durch Einbruch in das Vereinsgebäude (Faktum 9),

3)     in der Nacht zum 14.8.2008 in X Verfügungsberechtigten des X Bargeld in Höhe von € 60,--, 5 Packungen Zigaretten im Wert von € 20,-- und Bier im Wert von € 24,-- durch Einbruch in die Vereinskantine (Faktum 23),

4)     in der Nacht zum 14.8.2008 in X Verfügungsberechtigten der X X und der Union X X X 20 Packungen Zigaretten im Wert von € 80,-- und eine Digitalkamera im Wert von € 150,-- durch Einbruch in die Clubheime, wobei es teilweise beim Versuch geblieben ist (Faktum 24),

5)     in der Nacht zum 14.8.2008 in X Verfügungsberechtigten der Gemeinde X mehrere Packungen Zigaretten in unbekanntem Wert durch Einbruch in den Clubraum der Sportarena X (Faktum 25),

6)     am 25.6.2008 in X Verfügungsberechtigten der X X X durch Einbruch in das Bürogebäude, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 56),

7)     zwischen 21. und 23.7.2008 in X Verfügungsberechtigten der X durch Einbruch in das Vereinsgebäude, wobei es beim Versuch geblieben ist (Faktum 6),

8)     in der Nacht zum 22.7.2008 in X Verfügungsberechtigten der X 20 Stangen Zigaretten verschiedener Marken im Wert von € 699,-- durch Einbruch in das Vereinsgebäude und Aufbrechen von Laden (Faktum 7),

9)     zwischen 20. und 22.7.2008 in X Verfügungsberechtigten des X X 3 Stangen Zigaretten im Wert von € 120,-- und Bargeld von € 250,-- durch Einbruch in das Vereinsgebäude und Aufbrechen von Schubladen (Faktum 8).

 

     ..."

 

3.4. Der Urteilsausfertigung des LG X ist weiters zu entnehmen, dass der Bw zuletzt 13.000 Euro Schulden und als Hilfsarbeiter netto ca. 1.700 Euro verdient hatte. Auf Grund ständiger Geldschwierigkeiten hatte er beschlossen, sich durch gemeinsame Einbruchdiebstähle mit den Mitangeklagten ein regelmäßiges Einkommen zu verschaffen. In dieser Absicht beging er mit seinen Komplizen in wechselseitiger Beteiligung Einbruchdiebstähle, wobei die Taten teilweise beim Versuch blieben.

 

Erschwerend wertete das LG X die Wiederholung der strafbaren Handlungen und deren mehrfache Qualifikation, mildernd waren das reumütige Geständnis, der Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind sowie die teilweise erfolgte objektive Schadensgutmachung.

 

Im Urteil des OLG Linz wurde festgehalten, dass der Bw in der Zeit vom 26. Juni bis 5. September 2008 in 33 (einbruchsqualifizierten) Angriffen Diebsgut im Wert von insgesamt etwa 16.000 Euro erbeutete, wobei es in 8 Fällen beim Versuch blieb. Der Berufung auf das Fehlen einschlägiger Vorstrafen hielt das OLG entgegen, dass der Erschwerungsgrund des § 33 Z 2 StGB ohnehin nicht angenommen wurde. Die Vordelinquenz hinderte aber die Annahme des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB. Dem Umstand, dass der Bw oftmals lediglich als Fahrzeuglenker fungierte, konnte beim gegebenen arbeitsteiligen Tatmodus der Durchführung von Serieneinbrüchen mit der Notwendigkeit, die Beute zu verbringen und die Mittäter von einem Tatort zum nächsten zu transportieren und in der Zwischenzeit Aufpasserdienste zu leisten, keine mildernde Wirkung zuerkannt werden.

 

Die zweijährige Freiheitsstrafe, die ein Fünftel der Höchststrafe ausmacht, erachtete das OLG Linz der Höhe nach als tat- und schuldadäquat. Die Gewährung gänzlich bedingter Strafnachsicht sei angesichts der von vielfacher Tatwiederholung gekennzeichneten Delinquenz schon an spezialpräventiven Hindernissen. Auch Aspekte der Generalprävention hätten den Vollzug zumindest eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe erfordert, denn das innerhalb der Eigentumskriminalität auffällige Vorgehen durch nächtliches "Abgrasen" mehrerer Tatorte sei geeignet gewesen, das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit merkbar zu stören.

 

3.5. Die belangte Behörde führt ferner in ihrem Ausweisungsbescheid eine Auflistung von insgesamt 13 rechtskräftigen Verwaltungsvorstrafen des Bw an, hauptsächlich aus dem Bereich des Verkehrs- und Kraftfahrrechts mit Geldstrafen in der Höhe von 30 bis 70 Euro und eine nach dem § 108 Abs 1 Z 4 Fremdengesetz 1997 (Nichtbekanntgabe der Änderung des Aufenthaltszweckes wegen unselbständiger Erwerbstätigkeit) mit Geldstrafe von 80 Euro. Die Letztere aus dem Jahr 2005 ergibt sich nach der Aktenlage offenbar nur daraus, dass der Bw eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" und nicht auch für Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit hatte und keinen Änderungsantrag gestellt hatte (vgl Schreiben der belangten Behörde vom 7.11.2005, Zl. Sich40-9327).

 

Vom 14. September 2008 bis 21. April 2009 (Urteil des OLG) befand sich der Bw in Verwahrungs- und Untersuchungshaft und danach noch bis zum 14. Mai 2009 in Strafhaft in der Justizanstalt X.

 

In der Justizanstalt X wurde dem Bw anlässlich der fremdenpolizeilichen Einvernahme vom 12. Mai 2009 zur Kenntnis gebracht, dass die belangte Behörde auf Grund seines Fehlverhaltens die Erlassung seiner Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich beabsichtige. Er wurde gemäß § 51 FPG auch über die Möglichkeit eines Antrags auf Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat belehrt.

 

Der Bw gab dazu an, dass er in der Türkei weder eine Wohnung, noch ein Grundstück, noch sonstige Anknüpfungspunkte hätte. Da er seit dem 9. Lebensjahr in Österreich sei, befinden sich alle seine Freunde und Bekannten in Österreich. Er hätte bereits Kontakt mit der Leasingfirma X und könnte bereits am 18. Mai 2009 bei der X in X zu arbeiten beginnen. Er ersuche daher von der Verhängung aufenthaltsbeendender Maßnahmen abzusehen.

 

Die belangte Behörde stellt dazu fest, dass der Bw nach seiner Entlassung aus der Strafhaft vom 2. Juli bis 4. Juli 2009, vom 8. Juli 2009 bis 10. Juli 2009 und vom 20. Juli 2009 bis 21. Juli 2009 bei der X X GmbH. gearbeitet habe. Zuletzt habe er Arbeitslosengeld vom 21. November bis 30. November 2009 bezogen.

 

Nach dem aktenkundigen Versicherungsdatenauszug zum 7. Dezember 2009 war er ab Jänner 2004 meist mit Unterbrechungen durch Arbeitslosenbezug als Arbeiter bei diversen Arbeitgebern, zuletzt bei der "X" X Ges.m.b.H. bis 21. Juli 2009 beschäftigt. Seither bezog er bis 30. November 2009 Arbeitslosengeld oder Krankengeld (Sonderfall).

 

3.6. Den Angaben des Bw bei der Einvernahme vom 12. Mai 2009 zufolge war er seit seiner Niederlassung im November 1992 in Österreich nie längere Zeit in der Türkei. Seither besuchte der Bw die Türkei alle 2 bis 3 Jahre im Rahmen von zwei- bis dreiwöchigen Urlaubsaufenthalten, wobei sein letzter Urlaub im Jahr 2005 war. Im Jahr 2000 heiratete der Bw in der Türkei eine türkische Staatsangehörige. Diese Ehe wäre jedoch bereits 2002 geschieden worden.

 

Die vier Geschwister des Bw, drei Schwestern und ein Bruder, leben in X. In der Türkei lebten nur seine Großeltern und weitere Verwandte, mit denen der Bw aber keinen Kontakt hätte. Zum Zeitpunkt der Niederschrift gab er Schulden von 13.000 Euro an.

 

Zu seinen Verhältnissen führt die belangte Behörde darüber hinaus an, dass der Bw am 11. November 2009 in X die türkische Staatsangehörige X X (geb. 18.2.1990 in X, Türkei, nunmehriger Familienname X) geheiratet habe. Dabei handle es sich um seine zweite Eheschließung. Zuvor war der Bw in der Zeit von 27. Juli 2000 bis 4. Dezember 2003 (Rechtskraft des Scheidungsurteils des Zivilgerichts X/X vom 29.09.2003, Zl. 2003/242) mit der in der Türkei lebenden türkischen Staatsangehörigen X X, geb. X, verheiratet gewesen. Den Eltern des Bw X und X X sowie seinem Bruder X X, mit welchen Personen der Bw im gemeinsamen Haushalt lebe, sei am 24. Februar 2002 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden.

 

Der angefochtene Ausweisungsbescheid wurde dem Bw über Ersuchen der belangten Behörde durch Beamte der PI X unter der Meldeadresse in X, X, am 10. Dezember 2009 zugestellt. Dem polizeilichen Bericht ist zu entnehmen, dass der Bw angab, seine Frau X standesamtlich am 11. November 2009 geheiratet zu haben, damit vor der Hochzeit nach türkischem Brauch alles fertig sei. Die türkische Hochzeit sei erst am 16. Jänner 2010 im Gasthof X in X geplant. Seine Frau wohne noch in X, weil es nach türkischem Brauch nicht erlaubt sei, vor der (türkischen) Hochzeit gemeinsam zu wohnen.

 

Der Bw gab weiter an, dass er beim AMS gemeldet sei und über das BFI einen Schweißer-Kurs in X mache. Mit dem vom Rechtsvertreter des Bw vorgelegten Schreiben des BFI vom 14. Dezember 2009 wird bestätigt, dass der Bw derzeit die Bildungsveranstaltung "Modulare Metallausbildung" besucht.

 

3.7. Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 31. August 2009, Zl. IKD(Stb)-417.543/32-Pri, wurde der Antrag des Bw vom 14. Mai 2002 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 Abs 1 Z 2, 20 Abs 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (BGBl Nr. 311/1985 idF BGBl I Nr. 4/2008) abgewiesen, nachdem ihm zuvor schon mit Bescheid vom 3. April 2008 die Verleihung zugesichert worden war, wenn er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband nachweist und er im Zeitpunkt des Nachweises weiterhin alle Voraussetzungen erfüllt. Danach gelangte der Staatsbürgerschaftsbehörde das Verleihungshindernis in Form der Verurteilung des Bw durch das Landesgericht X als Schöffengericht vom 7. Jänner 2009, Zl. 20 Hv 66/08a, wegen des gewerbsmäßigen, schweren Einbruchsdienstahls zu einer Freiheitsstrafe zur Kenntnis.

 

Über Anfrage der belangten Behörde vom 14. Mai 2009 teilte das Arbeitsmarktservice Oberösterreich mit Schreiben vom 15. Mai 2009, Zl. LGSOÖ/Abt 1/08113/020/2009, zur Anwendung des Assoziationsabkommens mit der Türkei im Fall des Bw folgende Antwort mit:

 

"Herr X X kann nach Ansicht des AMS Rechte nach Art 7 zweiter Unterabsatz des Assoziationsratsbeschlusses (ARB) 1/1980 geltend machen.

 

Begründung:

 

Artikel 7 zweiter Gedankenstrich lautet:

Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung zum Nachzug erhalten haben, haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie in Ö. seit mindestens 5 Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

 

Gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG können türkische Arbeitnehmern von Amts wegen ein Befreiungsschein erhalten, die die Voraussetzungen nach Artikel 7 zweiter Unterabsatz erfüllen.

 

Herr X X hat im Rahmen der Familienzusammenführung die Genehmigung erhalten, zu seinem Vater (X X) nachzuziehen. Er hat sich am 30.11.1992 polizeilich an der Adresse seines Vaters angemeldet und gilt bis dato als rechtmäßig niedergelassen.

Mit Beendigung der allgemeinen Schulpflicht im Juli 1998 hat er die Voraussetzungen des mindestens 5jährigen ordnungsgemäßen Wohnsitzes erfüllt.

 

Herr X X (Vater) gilt ebenfalls als rechtmäßig niedergelassen und ist in dem für die Beurteilung relevanten Zeitraum vom Juli 1993 bis Juli 1998 bi der Fa. X mit saisonalen Unterbrechungen, in denen er arbeitsuchend vorgemerkt war, mit Arbeitserlaubnis bzw. Befreiungsschein beschäftigt.

 

Herr X X erfüllt daher die Voraussetzungen des regulären Arbeitsmarktes.

 

Sachverhalte außerhalb des für die Beurteilung nach ARB 1/1980 erforderlichen Zeitraumes wurden mangels rechtlicher Relevanz keiner Überprüfung unterzogen."

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in der Sache erwogen:

 

4.1. Die belangte Behörde hat in ihrer rechtlichen Beurteilung zunächst rechtsirrig auch auf § 54 FPG und damit zusammenhängend auf das Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 Aufenthalts- und Niederlassungsgesetz (NAG) abgestellt. Diese Bestimmungen hält der erkennende Verwaltungssenat im vorliegenden Fall auf Grund der spezielleren Norm des § 56 FPG, die gerade für Fälle mit Aufenthaltsverfestigung geschaffen wurde (vgl auch RV 952 BlgNR 22. GP, Seite 98 "Zu § 56"), von vornherein für nicht einschlägig. Deshalb erübrigen sich dazu weitere Ausführung.

 

Nach § 56 Abs 1 FPG dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder "Daueraufenthalt-Familienangehöriger" verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Nach dem § 56 Abs 2 FPG. hat als schwere Gefahr im Sinn des Absatz 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht

 

1.     wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption, wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder

 

2.      wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihm begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

 

rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

In diesem Zusammenhang wird im Hinblick auf § 55 Abs 3 FPG auch auf die Bestimmungen des § 55 Abs 4 und 5 FPG Bedacht zu nehmen sein. Nach dem § 55 Abs 4 FPG dürfen Fremde, die von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sind, unbeschadet des § 61 Z 4 FPG nicht ausgewiesen werden. Fremde sind jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn sie die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sind.

 

4.2. Beim Bw handelt es sich um einen türkischen Staatsangehörigen, der seit Ende November 1992 und damit seit seinem neunten Lebensjahr in Österreich auf Dauer rechtmäßig niedergelassen ist. Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass der Bw nicht "von klein auf im Inland aufgewachsen ist", weil er erst im neunten Lebensjahr nach Österreich kam, weshalb das Ausweisungsverbot des § 55 Abs 4 FPG auf ihn nicht anwendbar ist. Es trifft aber entgegen der belangten Behörde nicht zu, dass der Bw durch seine letzte Verurteilung wegen schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls seine Aufenthaltsverfestigung als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" verloren hätte. Vielmehr sind zunächst die bei der gegebenen Aufenthaltsverfestigung vorgesehenen strengeren Voraussetzungen des § 56 FPG für eine Ausweisung zu prüfen.

 

Entgegen der Berufung könnte der Bw auf Basis der Bestimmung des § 56 FPG ausgewiesen werden, weil sein bisheriges Fehlverhalten ausreicht, um im Sinne dieser Bestimmung davon sprechen zu können, dass sein weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Der Bw wurde nämlich wegen des Verbrechens des teils versuchten und teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 und 130 2. Fall StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB (Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahre) verurteilt und erfüllt damit bereits die Definition "schwere Gefahr" im § 56 Abs 2 Z 1 1. Fall FPG, wonach die bloße Verurteilung wegen eines Verbrechens (dazu § 17 Abs 1 StGB: Verbrechen sind Straftaten, die "mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe" bedroht sind) genügt.

 

4.3. Die Berufung ist aber im Recht, soweit sie entgegnet, dass einer Ausweisung das Assoziationsrecht EWG/Türkei entgegensteht. Wie schon aus der Stellungnahme des AMS Oberösterreich (vgl unter Punkt 3.7.) hervorgeht und von der belangten Behörde auch nicht grundsätzlich bezweifelt wurde, kann sich der langjährig in Österreich niedergelassene Bw auf Rechte nach Art 7 Abs 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 berufen und aus dieser Rechtsposition auch ein entsprechendes Aufenthaltsrecht ableiten. Sinngemäß geht es dabei im vorliegenden Fall um die Geltendmachung des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, das nach h. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entgegenstehende innerstaatliche Normen verdrängt. Im Folgenden ist daher auf die einschlägigen Bestimmungen im Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (ARB Nr. 1/80) und auf die dazu ergangene jüngere Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) näher einzugehen:

 

Art 7 ARB Nr. 1/80

 

(1) Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben zu ihm zu ziehen,

 

-               haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

 

-               haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

 

(2) Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedsstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedsstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.

 

Art 14 ARB Nr. 1/80

 

(1) Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich des Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.

 

(2) ...

 

Der EuGH hat in seiner bisherigen Judikatur betont, dass Art 6 und Art 7 des ARB Nr. 1/80 in den Mitgliedsstaaten unmittelbare Wirkung haben und dass sich die türkischen Staatsangehörigen, die die Voraussetzungen erfüllen, unmittelbar auf die ihnen dadurch verliehenen Rechte berufen können. Dabei geht es aber nicht nur um ein individuelles Recht auf Beschäftigung unmittelbar aus dem ARB Nr. 1/80, sondern auch um dessen praktische Wirksamkeit, die notwendig das Bestehen eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraussetzt.

 

Der Gerichtshof hat aus dem Wortlaut der Bestimmungen des ARB Nr. 1/80 abgeleitet, dass die nach Art 48 EGV geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer mit der Rechtsstellung des ARB Nr. 1/80 übertragen werden müssen und dass bezüglich des Umfangs der Ausnahme der öffentlichen Ordnung nach Art 14 Abs 1 ARB Nr. 1/80 darauf abzustellen sei, wie die gleiche Ausnahme im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Angehörige von Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft sind, ausgelegt wird. Der Art 14 Abs 1 ARB Nr. 1/80 setze den nationalen Behörden Grenzen, die denen entsprechen, die für einen gegenüber einem Angehörigen eines Mitgliedsstaates getroffenen Ausweisungsmaßnahmen gelten. Auch die Richtlinie 64/221/EWG betreffend die Freizügigkeit von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats sei daher auf türkische Arbeitnehmer nach dem ARB Nr. 1/80 übertragbar (vgl EuGH 02.06.2005, Rs. C-136/03 [Dörr und Ünal], RN 62 bis 65 mit zahlreichen Nachw aus der Vorjudikatur, EuGRZ 2005, 319 ff). In Anbetracht dieser Ausführungen des EuGH besteht für den Verwaltungsgerichtshof kein Zweifel, dass auch die nunmehr maßgebende Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 betreffend Aufenthaltsrecht und freie Bewegung der Unionsbürger im Hoheitsgebiet von Mitgliedsstaaten auch auf türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art 6 oder 7 ARB Nr. 1/80 zukommt, anzuwenden ist (vgl etwa VwGH 11.05.2009, Zl. 2007/18/0038).

 

4.4. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (dazu mwN die unten zitierte EuGH-Judikatur) kann es nur zwei Arten von Beschränkungen der Rechte aus dem ARB Nr. 1/80 geben: Entweder stellt die Anwesenheit des türkischen Arbeitnehmers im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedsstaats wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit iSv Art 14 Abs 1 ARB Nr. 1/80 dar, oder der Betroffenen hat das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen.

 

Im Urteil des EuGH vom 16. Februar 2006, Rs. C-502/04 (= WBl 2006, 171 ff), ging es unter Anderem um die vom Bundesverwaltungsgericht Deutschland zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage, ob ein volljähriges Kind eines viele Jahre ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmers sein Aufenthaltsrecht nach Art 7 ARB Nr. 1/80 verliert, wenn es wegen schweren Raubes und unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt wurde und diese auch verbüßt hat. Der Gerichtshof stellte dazu in Randnummer 26 seines Urteils fest, dass der türkische Staatsangehörige, dem Rechte nach Art 7 Abs 2 ARB Nr. 1/80 zuerkannt wurden, dieser Rechtsposition weder verlustig gehen könne, weil er wegen einer strafrechtlichen Verurteilung zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe keine Beschäftigung ausgeübt hat, noch dadurch, dass er sein Recht auf Beschäftigung und Aufenthalt nach Art 6 Abs 1 ARB Nr. 1/80 verloren hat. In den Randnummern 27 f betont der Gerichtshof, Art 7 Abs 2 ARB Nr. 1/80 gelte nicht nur für die Situation eines Minderjährigen, sondern auch für das volljährige Kind eines dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers. Auch Art 7 Abs 1 gelte für die Situation eines Volljährigen und nach dem System des ARB Nr. 1/80 könne Abs 2 nicht restriktiver ausgelegt werden als Abs 1.

 

In dem über Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Darmstadt ergangenen Urteil vom 18. Juli 2007, Rs. C-325/05 (= WBl 2007, 529 ff), hat der EuGH in Randnummer 56 ausgesprochen, dass ein türkischer Staatsangehöriger, dem die Rechtsposition nach Art 7 ARB Nr. 1/80 zukommt, seine Rechte weder deshalb verlieren könne, weil er wegen einer Verurteilung zu einer - auch mehrjährigen – unbedingten Freiheitsstrafe keine Beschäftigung ausgeübt hat, noch auf Grund der Tatsache, dass er zu keiner Zeit gemäß Art 6 Abs 1 Nr. 1/80 Rechte in Bezug auf Beschäftigung und Aufenthalt erworben hat. Denn die Rechtsstellung der in Art 7 genannten Familienangehörigen hänge nicht von der Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ab. Im Anlassfall ging es um einen mehrmals zu Geldstrafen verurteilten Vorbestraften, der zuletzt wegen Einschleusens von Ausländern zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als zweieinhalb Jahren verurteilt worden war. In Randnummer 74 resümiert der Gerichtshof unter Hinweis auf Vorjudikatur, das eine auf Art 14 Abs 1 ARB Nr. 1/80 gestützte Ausweisungsverfügung die Prüfung des persönlichen Verhaltens des Straftäters und der gegenwärtigen, tatsächlichen und hinreichend schweren Gefahr sowie die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraussetze. Sie könne nur dann beschlossen werden, wenn das individuelle Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr weiterer schwerer Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet. Eine Ausweisung könne nicht automatisch auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung zum Zwecke der Generalprävention angeordnet werden.

 

Für den vorliegenden Fall eines türkischen Staatsangehörigen mit der Rechtsposition nach Art 7 ARB Nr. 1/80 bedeutet diese Judikatur des EuGH, dass dessen Auslegung des unmittelbar anwendbaren Art 14 Abs 1 ARB Nr. 1/80 den Maßstab bildet und die widersprechenden Bestimmungen des § 56 Abs 1 und 2 FPG zur Frage der schweren Gefahr vom Gemeinschaftsrecht verdrängt werden. Denn nach der Judikatur des EuGH kann entgegen dem § 56 Abs 2 FPG eine schwere Gefahr nicht allein durch strafrechtliche Verurteilungen begründet werden.

 

4.5. Der Bw wurde nach den Feststellungen der belangten Behörde bisher drei Mal von Strafgerichten verurteilt. Die beiden bezirksgerichtlichen Verurteilungen aus den Jahren 2002 und 2005 betrafen bloß unbedeutende Körperverletzungsdelikte, die auch nur geringfügig mit bedingten Geldstrafen von 60 und 120 Tagessätzen geahndet wurden. Auch die von der belangten Behörde aufgelisteten 13 Verwaltungsübertretungen des Bw bewegten sich offenbar schon nach den verhängten Strafen zwischen 30 bis 80 Euro im Bagatellbereich (vgl oben unter Punkt 3.5.). Sie hätten auch nicht annähernd die Anforderungen des § 60 Abs 2 Z 2 FPG erfüllt.

 

Der nach § 56 FPG maßgebliche Sachverhalt kann daher erst in der dritten Verurteilung des Bw durch das Landesgerichts X am 7. Jänner 2009 wegen eines Verbrechens gesehen werden. Der Bw wurde letztlich wegen teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 8 Monate unbedingt und 16 Monate bedingt auf drei Jahre Probezeit, verurteilt. Der Bw hatte dabei 33 einbruchsqualifizierte Angriffe zwischen 26. Juni und 5. September 2008 begangen und Diebesgut im Wert von etwa 16.000 Euro erbeutet. Wäre der Bw nicht in dieser Weise noch straffällig geworden, hätte er sogar die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten (vgl dazu Bescheid der Oö. Landesregierung vom 31.08.2009, Zl. IKD(Stb)-417.543/32-Pri).

 

Diese erstmalige erhebliche Eigentumsdelinquenz des Bw fällt zwar durchaus ins Gewicht, kann aber nicht mit schwerwiegenderen gewalt- oder drohungsbetonten Verbrechen wie Raub und Erpressung oder mit Verbrechen gegen die Volksgesundheit nach dem Suchtmittelgesetz verglichen werden. Das OLG Linz als Berufungsgericht hat dem Bw auch im Gegensatz zum Landesgericht X eine günstigere Prognose zugebilligt und mit dem Blickwinkel, dass der Bw bisher nach der Aktenlage fest in den Familienverband eingegliedert war, eine teilbedingte Freiheitsstrafe für möglich erachtet (vgl Urteil vom 21.04.2009, 8 Bs 84/09y, Seite 11). Allerdings war die gänzlich bedingte Strafnachsicht angesichts der vielfachen Tatwiederholung spezialpräventiv nicht mehr möglich und erforderten auch Aspekte der Generalprävention den Vollzug zumindest eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe. Dazu das Berufungsgericht in der Begründung: "Denn das innerhalb der Eigentumskriminalität auffällige Vorgehen des Angeklagten und seiner Mittäter durch nächtliches 'Abgrasen' mehrerer Tatorte war geeignet, das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit merkbar zu stören."

 

Der Bw wurde nach Verbüßung des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe von 8 Monaten am 14. Mai 2009 aus der Strafhaft entlassen und hat danach noch ganz kurz als Dienstnehmer der Fa. X X Ges.m.b.H. gearbeitet. Bis zum 30. November 2009 bezog er Arbeitslosengeld oder Krankengeld (Sonderfall). Wie aus dem aktenkundigen Versicherungsdatenauszug zum 7. Dezember 2009 auch hervorgeht, war der Bw seit Jänner 2004 bis zum 21. Juli 2009 meist mit Unterbrechungen durch Arbeitslosenbezug immer wieder als Arbeiter tätig, wobei er hauptsächlich von der X X Ges.m.b.H. beschäftigt wurde.

 

Wenn der Bw auch nicht durch ausreichend lange ununterbrochene Arbeit eine (zusätzliche) Rechtsstellung nach Art 6 ARB Nr. 1/80 erlangte, so ist er doch seit 2004 mit einer gewissen Regelmäßigkeit einer Arbeit nachgegangen, die insgesamt etwa dreieinhalb Jahre ausmachte. Entgegen der Würdigung der belangten Behörde kann der erkennende Verwaltungssenat daher nicht finden, dass von einer so kurzen Dauer der Arbeitsverhältnisse des Bw die Rede sein könnte, dass in Verbindung mit seiner nicht abgeschlossenen Berufsausbildung als Maler und Anstreicher nach Ende der Schulpflicht auf eine besondere Rückfallsgefahr geschlossen werden könnte.

 

Nach dem Polizeibericht vom 10. Dezember 2009 gab der Bw anlässlich der Zustellung des Ausweisungsbescheides an, am 11. November 2009 seine Frau X standesamtlich geheiratet zu haben, damit vor der Hochzeit nach türkischem Brauch alles fertig sei. Die türkische Hochzeit war erst für 16. Jänner 2010 im Gasthof X in X geplant. Er gab weiter an, dass er beim AMS gemeldet sei und über das BFI einen Schweißer-Kurs in X mache. Diese Mitteilung des Bw wurde durch das vom Rechtsvertreter des Bw vorgelegte Schreiben des BFI vom 14. Dezember 2009 glaubhaft gemacht. Danach besucht der Bw die Bildungsveranstaltung "Modulare Metallausbildung".

 

Angesichts der dargelegten Umstände ist nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats grundsätzlich davon auszugehen, dass der in Österreich langjährig niedergelassene Bw, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, sozial integriert ist und nunmehr auch bemüht sein wird, eine rechtschaffenes Leben zu führen. Dies gilt nach h. Ansicht auch dann, wenn der Bw im Bewusstsein des gegenständlichen Ausweisungsverfahrens die Ehe eingegangen sein sollte. Auch die vorgelegten Unterstützungserklärungen von Bekannten und Verwandten des Bw zeigen zumindest, dass er nach wie vor im Familien- und Freundeskreis in Österreich integriert ist. Durch die teilbedingte Verurteilung hat er erstmals das Haftübel verspürt und droht ihm bei wiederholter Eigentumsdelinquenz der Widerruf des bedingten Strafteils von 16 Monaten. Auch die Ablehnung seines Ansuchens um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und das gegenständliche Verfahren zu seiner Ausweisung werden ihm voraussichtlich eine hinreichende Lehre sein, um sich in Hinkunft wohl zu verhalten.

 

Der Oö. Verwaltungssenat teilt daher die Ansicht der belangten Behörde nicht, wonach beim Bw von einer negativen Prognose auszugehen sei und mit weiterer qualifizierter Eigentumskriminalität gerechnet werden müsse. Zur Begründung ihrer Einschätzung kann sich die belangte Behörde im Wesentlichen nur auf die letzte Verurteilung des Bw berufen. Nach der Judikatur des EuGH müsste aber das individuelle Verhalten des Bw auf die konkrete Gefahr weiterer schwerer Störungen der öffentlichen Ordnung hindeuten. Die strafrechtliche Verurteilung als solche genügt dafür ebenso wenig wie generalpräventive Überlegungen. Konkrete Anhaltspunkte, die eine solche Prognose rechtfertigen könnten, sind derzeit nicht zu erkennen.

 

5. Im Ergebnis kann die vom EuGH geforderte gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung iSd Art 14 Abs 1 ARB Nr. 1/80, die vom der weiteren Anwesenheit des Bw in Österreich ausgehen müsste, noch nicht festgestellt werden. Wie aus der unter Punkt 4.4. dargestellte Judikatur des EuGH abzuleiten ist, führen selbst (einmalige) Verurteilungen wegen Einschleusens von Ausländern oder schweren Raubes zu unbedingten Freiheitsstrafen von mehr als zweieinhalb oder mehr als drei Jahren noch nicht zum Verlust des gemäß dem Art 7 ARB Nr. 1/80 erworbenen Aufenthaltsrechts eines türkischen Staatsangehörigen. Auch deshalb kann dies im Fall der vorliegenden vergleichsweise weniger schweren strafgerichtlichen Verurteilung des Bw nicht angenommen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.    Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwal­tungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabengebühren in Höhe von 13,20 Euro für die Berufung und von 72,00 Euro für 20 Beilagen (diverse Unterstützungsschreiben), insgesamt daher von 85,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

 

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