Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401067/4/BP/Gr

Linz, 16.06.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree aus Anlass der Beschwerde des X, StA von X, derzeit angehalten im PAZ X, vertreten X, X, Verein X, Hochwassergasse X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 11. Juni 2010 durch den Bezirkshauptmann von Steyr-Land, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Steyr-Land) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 10. Juni 2010, GZ.: Sich41-17-2006, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2a Z. 5 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgF –unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft in der JA X am 11. Juni 2010 zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet und ab 11. Juni im X Steyr vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bf – ein Staatsangehöriger von X – am 26. September 2000 illegal über unbekannt nach Österreich eingereist sei und noch am selben Tag beim Bundesasylamt Innsbruck einen Asylantrag gestellt habe. Am 4. Jänner 2001 sei der Asylantrag in I. Instanz vom Bundesasylamt Innsbruck gemäß § 7 abgewiesen worden. Dagegen habe der Bf am 18. Jänner 2001 Berufung erhoben.

Das Landesgericht Graz habe den Bf mit Urteil vom 8. Juli 2001) gemäß § 27 Abs. 2 und 3 erster Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Aufgrund dessen sei gegen den Bf mit Bescheid vom 4. September 2001 von der Bundespolizeidirektion Graz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, welches rechtskräftig und durchsetzbar geworden sei. Aufgrund des nicht abgeschlossenen Asylverfahrens sei der Bf am 5. Juli 2002 bedingt aus der Strafhaft entlassen worden.

 

Aufgrund neuerlicher Vergehen habe das Landesgericht Graz (Urteil vom 16. Mai 2003) den Bf gemäß § 28 Abs. 2 SMG und § 28 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 3 Monaten und 18 Tagen verurteilt.

 

Der Bescheid des Bundesasylsenates gemäß § 7 AsylG sei mit 22. August 2005 in Rechtskraft erwachsen – wie auch die Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung nach X gemäß § 8 AsylG ebenfalls mit 22. August 2005.

 

Aufgrund weiterer Vergehen habe das Landesgericht Graz (Urteil vom
3. November 2005) den Bf gemäß § 28 Abs. 2 4. Fall, Abs. 3 1. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 5 1/2 Jahren verurteilt.

 

Mit Bescheid vom 2. November 2005 sei gegen den Bf, nach Entlassung aus der Gerichtshaft, zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet worden.

Am 10. November 2005 sei vom VwGH die aufschiebende Wirkung aberkannt worden.

 

Mit Schreiben des Bundesasylamtes Erstaufnahme West sei dem Bf Ihnen die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG über die beabsichtigte Zurückweisung Ihres Antrages auf internationalen Schutz mitgeteilt worden. Dagegen habe er am
19. Dezember 2007 beim Unabhängigen Bundesasylsenat Berufung erhoben. Diese sei am 22. Jänner 2008 abgewiesen worden. Der negative Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates sei gemäß § 68 AVG am 25. Jänner 2008 in Rechtskraft erwachsen.

 

Weiters sei am 27. März 2008 eine Beschwerde beim VwGH eingebracht worden und von diesem die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Erkenntnis vom
7. Jänner 2010 sei die Beschwerde vom VwGH abgelehnt worden, die Rechtskraft des negativen Bescheides sei somit am 05. Jänner 2010 wieder gegeben gewesen.

 

Seit 14. Februar 2006 verbüße der Bf die restliche Strafe in der Justizanstalt Garsten. Nunmehr habe er am 20. Mai 2010 gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG einen neuerlichen Asylfolgeantrag gestellt.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 AsylG gelte das Ausweisungsverfahren mit 28. Mai 2010 ex lege als eingeleitet. Im Rahmen der mündlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 2. Juni 2010 sei dem Bf gemäß §12a AsylG der Bescheid bezüglich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mündlich verkündet worden. Am 10. Juni 2010 habe der Asylgerichtshof mit Beschluss Zl. A9 220.763-3/2010/2E, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bestätigt.

 

Der Bf sei Staatsangehöriger der Republik X und somit Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Laut zentralem österreichischen Melderegister scheine bezüglich der Person  des Bf als Hauptwohnsitz seit dem 14. Februar 2006  der derzeitige Anhalteort X hier im österreichischen Bundesgebiet auf. Er besitze für das österreichische Bundesgebiet keinen gültigen Aufenthaltstitel. Am 11. Juni 2010 werde der Bf aus der Justizanstalt X entlassen.

 

Am Dienstag, den 8. Juni 2010, sei der Bf vom "X" vertreten durch X, nach Rücksprache mit der hiesigen Behörde informiert worden, dass beabsichtigt sei, ihn  gemäß § 76 FPG im Anschluss an die Haft in der Justizanstalt X in Schubhaft zu nehmen, um die Abschiebung zu sichern.

 

Die belangte Behörde erwog, dass aufgrund des oben angeführten Sachverhalts feststehe, dass sich der Bf nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalte.

 

Aufgrund der ersten Verurteilung sei gegen den Bf mit Bescheid vom
4. September 2001 von der Bundespolizeidirektion Graz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, welches rechtskräftig und durchsetzbar geworden sei.

 

Im Interesse der Aufrechterhaltung der Öffentlichen Ordnung sowie zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dieses Landes erscheine es auf Grund der Einstellung des Bf zur österreichischen Rechtsordnung sowie der daraus resultierenden gerichtlichen Verurteilungen und seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Gebiet der Republik Österreich gerechtfertigt, die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung anzuordnen. Der Bf habe durch sein Gesamtverhalten eindeutig dokumentiert, an der Einhaltung der österreichischen Rechts- und Werteordnung kein Interesse zu haben.

 

Er verfüge in Österreich über kein regelmäßiges Einkommen, keine Wohnung und darüber hinaus keine familiären Bindungen. Weiters habe während seines Aufenthaltes keine Integration stattgefunden. In Anbetracht der strafbaren Handlungen sei ihm die für die Integration wesentlich notwendige soziale Komponente völlig abzusprechen. Die vorhergehenden Verurteilungen nach dem SMG hätten ihn nicht davon abgehalten, dazu beizutragen, dass die Bevölkerung jenes Landes, von dem er sich Asylgewährung erwarte, hier insbesondere Jugendliche, durch den Missbrauch von Suchtmitteln jeglicher gesundheitlicher und sozialer Lebensgrundlage beraubt würden. Nachdem er in der Folge während seines laufenden Asylverfahrens weitere strafbare Handlungen gesetzt habe, könne von Seiten der belangten Behörde kein Integrationswille gesehen werden.

 

Die Summe dieser Gründe spreche nicht dafür, dass der Bf gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Auch liege ihm nicht viel daran, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, da er während seines Aufenthaltes in Österreich zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden sei.

 

Trotz des am 20. Mai 2010 gestellten Asylfolgeantrages ist es gemäß § 76 Abs. 2a Z 5 FPG zulässig, die Schubhaft zu verhängen, da der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 am 10. Juni 2010 durch den AsylGH aufgehoben wurde.

 

Der Zweck der Schubhaft – im Fall des Bf zur Sicherung und Durchführung der Abschiebung nach Abschluss des Asylverfahrens - könne unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit durch Anwendung eines gelinderen Mittels nicht erreicht werden, weil einerseits keinerlei familiäre Bindung im Sinne des § 8 EMRK gegeben sei und weil auf Grund des dargestellten Sachverhaltes zu befürchten sei, dass der Bf die geplanten weiteren aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verhindern bzw. zumindest zu erschweren versuchen werde.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf mit Telefax vom
14. Juni 2010 durch seine ausgewiesene Vertreterin Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat.

 

Begründend wird ausgeführt, dass die Verständigung im Rahmen der Verhängung der Schubhaft vorab so spät erfolgt sei, dass der Bf weder den Verein noch einen Anwalt um Hilfe oder wenigstens eine Reaktion habe bitten können. Dass sei aber ein verankertes Recht. Bevor der Bf bedingt aus der X entlassen worden sei, sei genauestens abgeklärt worden, wie er in Zukunft betreut werden könne. Zunächst sei einmal der ggst. Verein zu nennen, wie auch die Bewährungshilfe, die sich stets sehr engagiert für derartige Fälle einsetze. Wäre über dem Bf ein gelinderes Mittel verhängt worden, wäre er noch zusätzlich jeden Tag bei dem zuständigen Polizeiposten vorstellig geworden. Dies mache ein Absetzen oder Untertauchen geradezu unmöglich. Hinzu komme noch, dass der Bf Asylwerber sei. Eine Anhaltung in Schubhaft sei nicht erforderlich, weil das Ziel mit dem gelinderen Mittel ebenso erreicht werden könne, zumal eine Abschiebung nach Guinea-Bissau nicht erkennbar sei.

 

Es wird daher der Antrag gestellt, dass diesem Einspruch in vollem Umfang statt gegeben werde und, dass "Herr X" (gemeint wohl Herr X) aus der Schubhaft entlassen werde.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 1. Juni 2010 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat. In einer kurzen Gegenschrift wird ausgeführt, dass bereits mit 21. Mai 2010 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf bei der Botschaft von X beantragt worden sei. Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der in Rede stehenden Beschwerde beantragt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen vom Bf nicht in Abrede gestellten - unter den Punkten 1.1. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Steyr-Land vom 10. Juni 2010, GZ.: Sich41-17-2006, seit 11. Juni 2010 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß
§ 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht          zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 vorletzter Satz AsylG nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde,  

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegen stehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Hat der Fremde gemäß § 12a Abs.2 AsylG 2005 einen Folgeantrag gestellt und liegt kein Fall des Abs.1 vor, kann das Bundesasylamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben wenn,

 

1. gegen ihn aufrechte Ausweisung besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Ar. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

3.4. Im Gegensatz zu den Schubhafttatbeständen des § 76 Abs. 1 und 2, die ihrer Formulierung nach eine Ermessensentscheidung bedingen, legt Abs. 2a leg. cit., der mit der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 introduziert wurde, grundsätzlich eine obligatorische Verhängung der Schubhaft bei Vorliegen der hier normierten Tatbestandselemente fest. Den Materialien zu § 76 Abs. 2a FPG ist zu entnehmen, dass in den hier normierten 5 Fällen "grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein wird".

 

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z. 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z. 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen.

 

Weiters geben die Materialien an, dass der von den Höchstgerichten geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den letzten Satz Rechnung getragen wird und gehen diesbezüglich von einem Anwendungsbereich der besonderen in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände "insbesondere" von "Alter" und "Gesundheitszustand" aus. Eine Beschränkung allein auf derartige Umstände wird wohl unzureichend sein, da nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.891/2006 und 18.196/2007) schon bei den Absätzen 1 und 2 des § 76 FPG eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Eine nunmehrige Einschränkung auf lediglich rein in der Person gelegene Umstände wäre somit verfassungsrechtlich bedenklich und ist über verfassungskonforme Interpretation aufzulösen.

 

Es folgt also daraus, dass das Vorliegen einer oder mehrerer  Alternativen des
§ 76 Abs. 2a FPG als Indiz für das Vorliegen des Sicherungsbedarfs gewertet werden muss, eine derartige Prüfung aber nicht ersetzt. Weiters muss auch bei dieser Bestimmung die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – mit besonderer aber nicht ausschließlicher Blickrichtung auf persönliche Verhältnisse des Schubhäftlings – vorliegen. Ein Vergleich mit den Materialien zeigt zudem, dass durch diese Norm die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z. 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z. 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen, das Institut des gelinderen Mittels nach § 77 FPG unberührt bleibt und somit in die Erörterung miteinzubeziehen ist.

 

3.5. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf am 20. Mai 2010 einen weiteren Asylfolgeantrag gemäß § 2 Abs.1 Z.23 AsylG 2005 gestellt hat sowie, dass der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs.2 AsylG 2005 zunächst  mit mündlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Juni 2010 in der Folge mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 10. Juni 2010 (Zl: A9 220.763-3/2010/2E) aberkannt wurde. Es sind somit grundsätzlich – auch vom Bf in keinster Weise in Abrede gestellt - die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2a Z.5 gegeben.

 

Von der belangten Behörde wurde § 76 Abs.3 FPG folgerichtig dahingehend herangezogen, dass auf Grund der lang andauernden Strafhaft kein Mandatsbescheid im Sinne des § 57 AVG zu ergehen hatte, sondern ein Ermittlungsverfahren der Bescheiderlassung gemäß § 58 AVG durchgeführt wurde. Eine – offensichtlich in der Beschwerde indentierte – Verletzung des Parteiengehörs bzw. zu kurzfristige Anberaumung eines solchen kann vom erkennenden Mitglied des . Verwaltungssenates nicht konstatiert werden.  

 

3.6. Aus den unter 3.4. dieses Erkenntnisses dargestellten Überlegungen wird deutlich, dass auch im Falle des § 76 Abs. 2a FPG 2005 das Vorliegen eines Sicherungsbedarfs zu prüfen ist.

 

Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2a FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände wohl auch hier nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Im vorliegenden Fall muss zunächst festgestellt werden, dass der Bf während seines knapp zehnjährigen Aufenthalts in Österreich vielfach straffällig wurde und gegen die Bestimmungen - vor allem des Suchtmittelgesetzes - vehement und konstant verstieß. Davon konnten ihn weder die langjährigen Haftstrafen noch die Tatsache seines zumeist nicht legalen Aufenthalts und damit verbunden Ausweisungsentscheidungen abhalten. Durch Einbringung gezielter Asylfolgeanträge suchte er einer Abschiebung effektiv zu begegnen. Er ist in Österreich keinesfalls sozial integriert, mittellos, verfügt über keinen ordentlichen Wohnsitz und macht auch keinerlei familiäre Bindungen im Bundesgebiet geltend. Durch sein konstantes und offensichtlich gefestigtes kriminelles Verhalten macht er deutlich, dass er keinesfalls gewillt ist, die Rechtsordnung seines Gastlandes zu achten. Auch die Tatsache, dass er über Kontakte zum Suchtmittelmilieu verfügt, legt den Entschluss nahe, dass er Möglichkeiten zu einem effektiven Untertauchen finden würde. Aus seinem bisherigen Gesamtverhalten ist – entgegen der Beteuerung in der Beschwerde – unzweifelhaft abzuleiten und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich der Bf auf freiem Fuß belassen, dem Zugriff und den Maßnahmen der Behörden entziehen würde, weshalb in diesem konkreten Fall von einem äußerst hohen Sicherungsbedarf auszugehen ist.

 

Weder aus der Aktenlage noch aus dem Parteienvorbringen ergeben sich Hinweise  auf Umstände gemäß § 76 Abs. 2a FPG, die in der Person des Bf gelegen, die verhängte Maßnahme als unzulässig erscheinen lassen würden.

 

Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus, zumal eine tägliche Meldepflicht – wie in der Beschwerde gefordert – wohl keinesfalls - hinsichtlich der mangelnden Bereitschaft des Bf sich dem Verfahren zur Verfügung zu halten - geeignet wäre das angestrebte Ziel, die Abschiebung in das Heimatland, zu gewährleisten.

 

3.7. Im Verfahren machte der Bf keinerlei Umstände geltend, die auf die besonders in § 76 Abs. 2a FPG 2005 genannten Gründe abzielen könnten. Er ist weder aufgrund seines Alters noch aufgrund seiner Gesundheit hinsichtlich der Schubhaftverhängung besonders schutzwürdig und hat dies auch nicht vorgebracht. Allerdings ist – wie oben beschrieben – auch eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.

 

Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden.

 

3.8. § 80 Abs. 2 FPG normiert, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier eine zweimonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig erst seit fünf Tagen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte zweimonatige Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Abschiebung nach X, ist zum Entscheidungszeitpunkt durchaus zeitnah erreichbar, da keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung des Bf sprechen und ein Heimreisezertifikat bereits vor vier Wochen beantragt wurde.

 

3.9. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom
14. Juni 2010 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen ist, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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