Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240746/2/Sr/Wb/Ba

Linz, 01.06.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, x, gegen das Straferkenntnis des Bezirks­hauptmanns von Kirchdorf an der Krems, vom 15. April 2010, GZ.: VetR96-22-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Tierseuchengesetz, zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz, noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unab­hängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 1 Abs. 2, 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Kirchdorf a. d. Krems vom 15. April 2010, GZ.: VetR96-22-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 15 Stunden) verhängt, weil er es im Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. März 2009 in seinem Betrieb in der x, unterlassen habe, innerhalb der erklärten Impfzone (Landesgebiet Oberösterreich) als Tierhalter, die mit den angeführten Ohrmarkennummern aus der amtlichen Betriebsliste der Agrarmarkt Austria (AMA) bzw. amtlichen Veterinärinformationssystem (VIS) bezeichneten Rinder der amtlichen Bluetongue-Schutzimpfung zu stellen.

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 63 Abs. 1 lit d des Tierseuchengesetzes, RGBl. Nr. 177/1909, idgF BGBl. I Nr. 36/2008 iVm. §§ 8 Abs. 1 und 7 Abs. 1 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über Maßnahmen zur Bekämpfung der Blauzungenkrankheit (Bluetongue-Bekämpfungsverordnung), BGBl. II Nr. 148/2008 idF. BGBl. II Nr. 4/2009, genannt.

 

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen geht die belangte Behörde sowohl vom Vorliegen der objektiven als auch der subjektiven Tatseite aus.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bw fristgerecht Berufung mit Schriftsatz vom 3. Mai 2010.

 

Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Bestrafung unzulässig sei, da im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die hier maß­gebliche Bluetongue-Bekämpfungsverordnung inzwischen bereits aufgeho­ben bzw. geändert worden sei.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte die "Berufung" samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vor.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Nachdem sich bereits daraus ergab, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, hatte gemäß § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu entfallen.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 63 Abs. 1 lit d des Tierseuchengesetzes, RGBl. 177/1909 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 36/2008, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 4360 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 3 Wochen zu bestrafen, wer den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Anordnungen über Schutzimpfungen zuwider handelt.

 

Auf Basis der §§ 1 Abs. 6, 2c, 12, 23a Abs. 2 und 25a Abs. 3 des Tierseuchengesetzes erging die Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über Maßnahmen zur Bekämpfung der Blauzungenkrankheit (Bluetongue-Bekämpfungsverordnung) BGBl. II Nr. 148/2008.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 der Bluetongue-Bekämpfungsverordnung in der im vorgeworfenen Tatzeitraum geltenden Fassung BGBl. II Nr. 4/2009, sind im Impfgebiet die Tierhalter verpflichtet, alle Rinder, Schafe und Ziegen gemäß § 7 Abs. 1 der amtlichen Schutzimpfung zu stellen. Weiters dürfen auch Rinder, die zum Zeitpunkt der Impfung über ein Monat alt sind, sowie Besamungsstiere der amtlichen Schutzimpfung gestellt werden. Die Halter von anderen Tieren einschließlich Zootieren empfänglicher Arten in diesen Gebieten können bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Einbeziehung in die Schutzimpfung auf eigene Kosten und eigenes Risiko beantragen. Rinder sind zwischen erster und zweiter Teilimpfung im Bestand zu belassen; ist dies aus besonderen Gründen nicht möglich (z.B. Alpung, Behandlung etc.) oder werden die Rinder zur Schlachtung verbracht, ist der zuständige Amtstierarzt hievon in Kenntnis zu setzen. 

 

Gemäß § 7 leg cit werden die Gebiete gemäß Anhang C ab dem dort genannten Datum zur Impfzone erklärt. In diesen Gebieten sind zur Verhinderung der Verbreitung der Bluetongue im Inland jedenfalls alle Rinder, die zum Zeitpunkt der Impfung über drei Monate alt sind, sowie alle Schafe und Ziegen, die zum Zeitpunkt der Impfung über ein Monat alt sind, innerhalb dem im Anhang C genannten Zeitraum einer amtlichen Schutzimpfung gemäß § 25a Tierseuchengesetz gegen Bluetongue zu unterziehen. Ausgenommen hievon sind:

 

1. Zootiere;

2. Sentineltiere;

3. Besamungsstiere (das sind: Besamungsstiere in Besamungsstationen, Stiere in Wartestallungen und Teststier-Aspiranten in Zuchtbetrieben; und

4. Maststiere und Mastochsen in Boxenhaltung.

 

Gemäß dem Anhang C dieser Verordnung sind die amtlichen Schutzimpfungen gemäß § 7 lec cit in Oberösterreich ab dem 19. November 2008 bis zum 31. März 2009 vorzunehmen.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 der Bluetongue-Bekämpfungsverordnung, in der Fassung BGBl. II Nr. 240/2009 vom 24. Juli 2009 werden die Gebiete gemäß Anhang C ab dem dort genannten Datum zur Impfzone erklärt. In diesen Gebieten dürfen Rinder, Schafe, Ziegen und andere empfängliche Tiere – ausgenommen Sentineltiere – gemäß den Herstellerangaben einer Schutzimpfung gegen Bluetongue unterzogen werden, wenn folgende Bestimmungen eingehalten werden:

1. die Impfung ist dem Amtstierarzt gemäß § 12 Abs. 2 TSG anzuzeigen;

2. der Impfstoff muss in Österreich zugelassen sein oder gemäß § 12 Abs. 1 in Anhang C dieser Verordnung für die entsprechende Tierart zur Anwendung genehmigt sein;

3. die Durchführung der Impfung ist vom Tierarzt gemäß § 12 Abs. 3 TSG der Bezirksverwaltungsbehörde zu melden.

 

Gemäß Anhang C leg cit wird ab 15. Juli 2009 das gesamte Bundesgebiet zum Gebiet erklärt, in dem die Bluetongue-Impfung grundsätzlich zulässig ist.

 

Gemäß § 11 Abs. 4 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über Maßnahmen zur Bekämpfung der Blauzungenkrankheit (Bluetongue-Bekämpfungsverordnung) treten die Aufhebung des § 8 sowie die §§ 6 Abs. 2 und 7 sowie die Anhänge A bis C in der Fassung des BGBl. II Nr. 240/2009 mit 15. Juli 2009 in Kraft.

 

3.2. Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

 

In § 1 Abs. 2 leg cit wird ausdrücklich nur bestimmt, dass im Falle einer Änderung der Rechtslage zwischen Tat und Straferkenntnis erster Instanz in Ansehung eines zu beiden Zeitpunkten strafbaren Verhaltens das für den Täter günstigere Recht anzuwenden ist. Dies gilt auch für die sogenannten Zeitgesetze (das sind von vornherein nur mit einer bestimmten Geltungsdauer erlassene Gesetze).

 

Zeigt die spätere Gesetzgebung, dass das Unwerturteil über das zur Zeit der Begehung strafbare Verhalten nachträglich milder geworden ist, so ist das günstigere Recht anzuwenden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 1988, 88/03/0083). Wenn auch eine ausdrückliche Regelung für den Fall fehlt, dass ein Verhalten, das zur Tatzeit strafbar war, im Zeitpunkt der Fällung der Entscheidung erster Instanz überhaupt nicht mehr strafbar ist (nicht bloß eine mildere Norm), so kann nach der Judikatur der Täter nicht mehr bestraft werden (vgl. VwGH verst Sen vom 12. Februar 1957, Slg. 4275 A, oder VfGH vom 15. Juni 1959, Slg. 3562).

 

Hält jedoch der Gesetzgeber das strafrechtliche Unwerturteil über die Nichtbefolgung der in Betracht kommenden Verpflichtung unverändert aufrecht, so besteht trotz der aus der Bestimmung des § 1 Abs. 2 VStG hervorleuchtenden Grundsätze keine Handhabe, dass zum Zeitpunkt der Tat strafbar gewesene Verhalten anders zu beurteilen, als es zu beurteilen gewesen wäre, wenn das Straferkenntnis erster Instanz noch vor In-Kraft-Treten der Änderung erlassen worden wäre (vgl. VwGH vom 19. Oktober 1988, 88/03/0083).

 

3.3. Wie sich aus den oben zitierten Verordnungsnormen ergibt, bestand gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 Bluetongue-Bekämpfungsverordnung BGBl.II Nr. 148/2008 idF. BGBl.II Nr. 4/2009 die grundsätzliche Pflicht für Tierhalter ihre Tiere der amtlichen Blauzungenschutzimpfung zu stellen; dies gemäß Anhang C von 19. November 2008 bis 31. März 2009. Wie sich weiter aus den zitierten Normen ergibt, wurde diese Pflicht mit der Novelle BGBl. II Nr. 240/2009 dahingehend beseitigt, dass § 8 Abs. 1 gänzlich aufgehoben wurde und die Pflicht gemäß § 7 iVm Anhang C ab 15. Juli 2009 zu einer bloß zulässigen Maßnahme mutierte.

 

Im Lichte der oben dargestellten Judikatur ist zunächst festzuhalten, dass im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, das mit 15. April 2010 datiert ist, nicht nur ein milderes Strafausmaß anzusetzen wäre, sondern überhaupt keine Strafbarkeit für die Nichtvornahme der Impfung bestand.

 

Es ist der Normsetzung keinesfalls zu entnehmen, dass das strafrechtliche Unwerturteil über die Nichtbefolgung der in Betracht kommenden Verpflichtung unverändert aufrecht erhalten werden solle; ganz im Gegenteil, die Pflicht zur Stellung der Tiere zur Blauzungenschutzimpfung fiel mit Wirkung 15. Juli 2009 weg. Damit ist aber zweifelsfrei ab diesem Zeitpunkt die Rechtslage für Beschuldigte günstiger geworden, weshalb im vorliegenden Fall § 1 Abs. 2 VStG zur Anwendung zu bringen ist.

 

3.4. Es war somit der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw nach § 66 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Christian Stierschneider

 

 

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