Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240740/2/SR/Ba

Linz, 28.05.2010

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, x vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 22. April 2010, SanRB96-23-1-2009, wegen Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetzes - LMSVG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 VStG eingestellt.

 

Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.  

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 45 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 22. April 2010, SanRB96-23-1-2009, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie sind der gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte für die Feinkostabteilung der Filiale der x in x und haben am 10.08.2009 als Verantwortlicher eines Lebensmittelunternehmens in x, die auf einer Produktions- Verarbeitungs- und Vertriebstufe von Lebensmitteln tätig ist, die der Primärproduktion nachgeordnet ist, folgende Hygienevorschrift gemäß Anhang II der Verordnung (EG) 852/2004 nicht erfüllt:

 

`Lebensmittel sind auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontamination zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten ist.´

 

Am 10.08.2009 wurden ca. 1,1 kg Spare Ribs aus dem Kühlraum genommen, aufgetaut, portioniert, eingewürzt und für Verkaufszwecke in der Feinkostabteilung bereitgehalten und somit in Verkehr gebracht, obwohl diese eine Kontamination mit mesophilen aeroben Gesamtkeimen (760 000 000 KBE/g) und Pseudomonaden (620 000 000 KBE/g) aufgewiesen haben. Diese bakterielle Kontamination deutet auf eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Ware hin, welche insbesondere durch die Verwendung von hygienisch einwandfreien Rohmaterialien (Zutaten z.B. Gewürze), Temperaturkontrolle und entsprechender Reinigung bzw. Desinfektion von Arbeitsgeräten, etc. zu vermeiden gewesen wäre.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

Art. 4 Abs. 2 Anhang II, Kapitel IX Z. 3 der Verordnung (EG) 825/2004 i.V.m.    § 90 Abs. 3 Ziff. 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes -LMSVG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Euro   Falls diese                                  Gemäß  

                               uneinbringlich ist,             § 90 Abs. 3 des Lebensmittelsicherheits-

                              Ersatzfreiheitsstrafe von               und Verbraucherschutzgesetzes - LMSVG

      100 Euro           16 Stunden

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe

 

Weitere Verfügung:

Gemäß § 71 Abs. 3 LMSVG haben Sie die in diesem Verwaltungsstrafverfahren angefallenen Barauslagen, nämlich die Untersuchungskosten der x, x, im Betrag von 186,25 Euro zu ersetzen.

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher 296,25 Euro."

 

1.2. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass dem Bw die Verwaltungsübertretung aufgrund des Gutachtens der x und der darauf beruhenden Anzeige des Amtes der Oö. Landesregierung zur Last gelegt worden sei. Entgegen den Ausführungen des Bw seien die beanstandeten Spare Ribs ein Erzeugnis der Feinkostabteilung des Unimarktes x. In der Feinkostabteilung seien die Ripperl aufgetaut, portioniert und eingewürzt worden. Bei diesem Vorgang sei eine Kontamination möglich gewesen.

 

Nach Bezugnahme auf die wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass der strafbare Tatbestand aufgrund des Gutachtens der x und der Stellungnahme des Aufsichtsorgans erwiesen sei. Infolge der vorgenommenen Bearbeitung in der Feinkostabteilung hätten sich die Rechtfertigungsangaben nicht als stichhaltig erwiesen.

 

Als Verantwortlicher der Feinkostabteilung sei der Bw seiner Überwachungstätigkeit nicht hinreichend nachgekommen und da sich der Bw lediglich auf das Bestreiten der strafbaren Tat beschränkt und keine Entlastungsbeweise vorgebracht habe, sei von einem schuldhaften Verhalten des Bw auszugehen. Da das Verschulden nicht als geringfügig angesehen werden könne, sei die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG nicht in Frage gekommen.  

 

Bei der Strafbemessung sei auf § 19 VStG und die geschätzten Vermögensverhältnisse Bedacht genommen worden. Mildernd seien die bisherige Unbescholtenheit und der fehlende Hinweis auf eine nachteilige Beeinflussung der Gesundheit der Kunden gewertet worden. Erschwerungsgründe seien nicht hervorgekommen.

 

Gemäß § 71 Abs. 3 LMSVG sei der Ersatz der Untersuchungskosten der x vorzuschreiben gewesen.

 

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 23. April 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 3. Mai 2010 und somit rechtzeitig bei der Behörde eingebrachte Berufung.

 

Darin führte der Bw aus, dass das Verwaltungsstrafverfahren wesentliche Verfahrensfehlern aufweise (Vorenthalten der Stellungnahme des Aufsichtsorgans, fehlende Rechtfertigungsmöglichkeit, Nichteinholung eines beantragten Sachverständigengutachtens) und im Ermittlungsverfahren eine Kontaminierung während der Produktion nicht mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt sondern ein solche lediglich für "möglich" erachtet worden sei. Hätte die belangte Behörde die beantragten Ermittlungen gepflogen, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass die Kontaminierung des Fleisches auch schon bei der Anlieferung vorliegen hätte können. Selbst wenn man von den bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen ausgehe und der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses folge, sei eine Verantwortung des Bw tatsächlich nicht erkennbar. Entsprechende Feststellungen lasse das Straferkenntnis nämlich vermissen. Dieses stütze sich vielmehr auf Mutmaßungen und Spekulationen und gehe von einer "möglichen" Kontamination bei den genannten Produktionsschritten aus.

Neben weitergehenden Anträgen wird ausdrücklich die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt

 

3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 4. Mai 2010 den Verwaltungsstrafakt samt Berufungsschrift vor.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Vorlageakt.  

 

Aufgrund der Aktenlage steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

 

3.1.1. Am 10. August 2009 führte eine Aufsichtsorgan gemäß § 24 LMSVG im Betrieb x, x eine Kontrolle gemäß § 35 LMSVG durch und entnahm um 12.35 Uhr dem Verkaufskühlpult der Fleischabteilung 62dag Spare Ribs (offene Ware), um die Probe von der x untersuchen zu lassen.

 

Im Probenbegleitschreiben wurde die Lagertemperatur im Verkaufskühlpult mit 2,9° C festgestellt. Nach der Entnahme wurde die Probe im Dienstwagen mit Kühleinrichtung "überbracht". Ein Abgabe- und Temperaturvermerk fehlt im Probebegleitschreiben. Dem beiliegenden Preisbon ist zu entnehmen, dass die Ware seit dem 10. August 2009, 11.22 Uhr, im Verkaufskühlpult gelagert und zum Verkauf bereitgehalten wurde.

 

3.1.2. Im Prüfbericht/Befund der x vom 9. September 2009, Probenummer 09073662-001, wurde der Eingang der Probe mit 11. August 2009, 06.00 Uhr, die Eingangstemperatur mit 0.00°C und die Untersuchungsdauer mit 11. August 2009 bis 2. September 2009 festgehalten.

 

Aus dem Kommentar, der dem Prüfbericht angeschlossen ist, geht hervor, dass beim Einlangen der Probe eine Sinnenprüfung vorgenommen worden ist. Diese hat keine Beanstandung ergeben.

 

Nach den weitern Kommentaren (2 bis 7) wurden mikrobiologische Untersuchungen bei Temperaturen bis 44°C vorgenommen, die teilweise 72 Stunden angedauert haben. Welche Untersuchungen bis 2. September 2009 vorgenommen wurden, lässt sich dem Prüfbericht/Befund nicht entnehmen.

 

Im Gutachten führt die x aus, dass die vorliegende (sensorisch würzige) Probe "Spare Ribs" eine Kontamination mit mesophilen aeroben Gesamtkeimen (760 000 000 KBE/g) und Pseudomonaden (620 000 000 KME/g) aufweise und kommt anschließend zu folgendem Ergebnis:

"Die bakterielle Kontamination der vorliegenden Probe deutet auf eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Ware hin, welche insbesondere durch die Verwendung von hygienisch einwandfreien Rohmaterialien (Zutaten zB. Gewürze), Temperaturkontrolle und entsprechende Reinigung und Desinfektion von Arbeitsgeräten etc. zu vermeiden wäre.

 

Der verantwortliche Lebensmittelunternehmer hat nicht in ausreichendem Maße für den Schutz an Kontamination der vorliegenden Probe gesorgt.

 

Es liegt somit ein Verstoß gegen die zitierte Verordnung vor, welche gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006 im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen ist."

 

In der Kostenmitteilung 09-017930 wurde ein Gesamtbetrag von 186,25 Euro ausgewiesen.   

 

3.1.3. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009, SanLA1402/0033-2009/KNEC, erstattete das Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Soziales und Gesundheit Ernährungssicherheit und Veterinärwesen/Lebensmittelaufsicht Anzeige an die belangte Behörde.

 

3.1.4. Über Ersuchen der belangten Behörde wurde der Bw als verantwortlicher Beauftragter bekanntgegeben und die zugrunde liegende Bestellungsurkunde übermittelt.

3.1.5. Gegen die Strafverfügung vom 3. Dezember 2009, SanRB96-23-2009, zugestellt am 7. Dezember 2009, erhob der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Bw Einspruch.

 

Einleitend hielt der Rechtsvertreter fest, dass der Bw der verantwortliche Beauftragte der angeführten Filiale sei, jedoch kein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt habe.

 

Die Kontamination sei bereits im angelieferten Fleisch enthalten gewesen, dieses sei in der Feinkostabteilung weder hergestellt noch bearbeitet sondern lediglich aufgetaut und sodann zum Verkauf angeboten worden.

 

Neben weitergehenden Ausführungen wurde u.a. die Abhaltung eines Ortsaugenscheins, die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Hygienebereich bzw. Fleischhauereigewerbe und die Parteieneinvernahme beantragt.

 

3.1.6. Entsprechend dem Ersuchen legte der Bw dem Schreiben vom 27. Jänner 2010 den Lieferschein bei und brachte ergänzend vor, dass die Spare Ribs am 21. Juli 2009 geliefert und von der Feinkostabteilung weder hergestellt noch bearbeitet worden seien.

 

3.1.7. Aufgrund der Verantwortung des Bw wurde das Aufsichtsorgan um Abgabe einer Stellungnahme ersucht.

 

Im Schreiben vom 19. April 2010 teilte das Aufsichtsorgan mit, dass die beanstandete Probe sehr wohl ein Erzeugnis der Feinkostabteilung (Auftauen, Portionieren und Einwürzen) sei und er dies bereits im Probenbegleitschreiben vermerkt habe. Eine Kontamination mit Keimen sei "bei diesen Produktionsschritten jedenfalls möglich". Das Würzen der Ripperl sei mit einem Flüssigwürzmittel der Firma x erfolgt. Bei der Erhebung und schriftlichen Maßnahmensetzung gemäß § 39 LMSVG sei mit dem Bw auch die Möglichkeit einer eventuellen Verkeimung durch das Würzmittel besprochen worden.

 

Der Stellungnahme legte das Aufsichtsorgan die schriftliche Anordnung der Maßnahme gemäß § 39 LMSVG und das Kontrollblatt (beide vom 24. September 2009) bei.

 

 

 

Auszug aus dem Kontrollblatt:

"Rev. und Erhebung wegen beanstandeter Probe Spare Ribs – eventuell eine Verkeimung des flüssigen Würzmittels, mit Hr. x verschiedene Verbesserungen durchgegangen und eine Maßnahme gem. § 39 gesetzt und schriftlich hinterlassen"

 

Im "hinterlassenen Schreiben" legte das Aufsichtsorgan gegenüber der "x" folgende Maßnahmen fest und setzte gleichzeitig eine Frist bis 15. Oktober 2009:

"Sie werden hiermit § 39 Abs. 1 Z. 12 LMSVG (Durchführung betrieblicher Verbesserungen, insbesondere bei der Herstellung, Lagerung, Verwendung, Dokumentation und Eigenkontrolle) aufgefordert die Mängel zu beheben."

 

3.2. Aus der Aktenlage ist eindeutig abzuleiten, dass die Probe eine Kontamination mit aeroben mesophilen Gesamtkeimen in der Höhe von          760 000 000 KBE/g und Pseudomonaden in der Höhe von 620 000 000 KME/g erst nach der tagelangen Wärmbebehandlung aufgewiesen hat. Die Höhe der Kontamination der Spare Ribs zum Zeitpunkt der Kontrolle und Probenziehung lässt sich dem Vorlageakt nicht entnehmen. Aufgrund der unzulänglichen Ermittlungen kann nicht festgestellt werden, dass die bakterielle Kontamination durch Missachtung von Hygienevorschriften im Verantwortungsbereich des Bw zu Stande gekommen ist. 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Die einschlägigen Bestimmungen lauten:

 

§ 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG: 

Wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15 zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

 

 

§ 4 Abs. 1 LMSVG:

Die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft sind samt Änderungsverordnungen und Durchführungsvorschriften im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.

 

Im Teil 2 der Anlage zum LMSVG wird die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004) genannt.

 

Art. 4 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 852/2004:

Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen gemäß Abs.1 nachgeordnet sind, haben die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu erfüllen.

 

Anhang II Kapitel IX Z. 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004:

Lebensmittel sind auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verkehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.

 

§ 71 Abs. 3 LMSVG:

Im Verwaltungsstrafverfahren ist im Straferkenntnis der zum Kostenersatz verpflichteten Partei der Ersatz der Kosten an die Agentur oder an die jeweilige Untersuchungsanstalt der Länder vorzuschreiben.

 

4.2.1. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist; ........

 

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw.

 

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Seite 1521).

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z. 1 der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z. 2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falls zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwenigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (vgl dazu näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1522 mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601).

 

Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl. etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z. 2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt, der zwar denkmöglich ein strafwürdiges Verhalten des Bw erkennen lässt, das dem Bw jedoch nicht einmal ansatzweise angelastet worden ist, wird der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses den Erfordernissen des § 44a VStG nicht gerecht. Der Spruch erschöpft sich in der Wiedergabe des Normentextes und der Schilderung eines Sachverhaltes. Ein konkreter Tatvorwurf wird dem Bw jedoch nicht gemacht.

 

4.2.2. Abgesehen davon ist den Ausführungen des Bw zu folgen, wonach aus dem von der belangten Behörde "festgestellten Sachverhalt" keinesfalls mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit ein tatbestandsmäßiges und schuldhaftes Verhalten des Bw abzuleiten ist.

 

Ungeachtet dessen, dass die beprobte Ware – entgegen den Spruchausführungen – zum Zeitpunkt der Probenentnahme nicht eine Kontamination mit mesophilen aeroben Gesamtkeimen (760 000 000 KBE/g) und Pseudomonaden (620 000 000 KBE/g) aufgewiesen hat, lässt sich dem "ermittelten Sachverhalt" eine vom Bw zu verantwortende Kontamination nicht entnehmen.  

 

Teile der entnommenen Proben haben erst nach mehreren Tagen Lagerung und nachdem sie Temperaturen bis 44° C (siehe Kommentar [4] des Gutachtens vom 9. September 2009) ausgesetzt waren eine Kontamination mit mesophilen aeroben Gesamtkeimen in der Höhe von 760 000 000 KBE/g und Pseudomonaden in der Höhe von 620 000 000 KBE/g aufgewiesen. Wie hoch die Gesamtkeimbelastung zum Zeitpunkt der Probenentnahme betragen hat wurde weder festgestellt noch berechnet. Der Oö. Verwaltungssenat verkennt nicht, dass bereits unmittelbar vor der Probenentnahme eine Belastung mit mesophilen aeroben Gesamtkeimen und Pseudomonaden bestanden haben muss, um das vorliegende Untersuchungsergebnis zu bewirken. Eine vom Bw zu verantwortenden Kontaminierung lässt sich alleine daraus nicht ableiten. Das gegenständliche Gutachten bietet für sich alleine keine taugliche Grundlage für das geführte Strafverfahren. So führt die Gutachterin aus, dass die bakterielle Kontamination auf eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Ware "hindeutet", welche "insbesondere durch die Verwendung von hygienisch einwandfreien Rohmaterialien (Zutaten z.B. Gewürze), Temperaturkontrolle und entsprechende Reinigung und Desinfektion von Arbeitsgeräten etc. zu vermeiden wäre". Weder dem Befund noch dem Gutachten kann nachvollziehbar entnommen werden, dass gerade der Bw nicht in ausreichendem Maße für den Schutz an Kontamination der untersuchten Spare Ribs gesorgt hat. Die Verwendung von "insbesondere" zeigt auf, dass die Kontamination auch außerhalb des Verantwortungsbereiches des Bw stattfinden hätte können und möglicherweise auch stattgefunden hat.

 

Umstände, die zu einer Kontamination mit aeroben mesophilen Keimen von Lebensmitteln führen können:

 

Kantonale Labor Zürich (KLZH M2 Mikrobiologische Untersuchungen 090213 Bm):

"Die aerobe Keimzahl ist ein Maß für den allgemeinen mikrobiellen Zustand eines Lebensmittels. Keimzahlen, die über das normale Maß (Toleranzwert, Richtwert) hinausgehen, weisen auf schlechte Ausgangsprodukte, unsaubere Produktion oder unsachgemäße Lagerung (zu lange Lagerung und / oder Lagerung bei zu hoher Temperatur) hin. Eine hohe Zahl dieser Keime bedeutet eine verminderte Haltbarkeit des Lebensmittels."

 

x Gesundheitsamt, Abteilung Lebensmittelkontrolle, in x (Aussendung März 2009)

Aerobe mesophile Keime (Gesamtkeime, AMK):

"Bedeutung:                   die Zahl von aeroben mesophilen Keimen (AMK) ist ein Maß

                             für die allgemeine mikrobielle Belastung bzw. Verunreinigung in einem Produkt. Aerobe mesophile Keime repräsentieren Bakterien, Hefekeime und Schimmelpilze.

Beurteilung:           Wird der Toleranzwert der Gesamtkeimzahl in einem Produkt überschritten, so ist die Ware als verunreinigt oder als im Werte vermindert zu beurteilen.

Übertragung:         Durch unsaubere oder ungenügend desinfizierte Gerätschaften/Kochutensilien und/oder verunreinigte (kontaminierte) Zutaten. Eine ungenügende oder unterbrochene Kühlung, sowie eine Überlagerung (im Datum verfallene Ware), führen zu einer starken Vermehrung der Gesamtkeimzahl im Produkt.

Maßnahmen:         Rasches Abkühlen, das Einhalten der Kühlkette und der Haltbarkeitsfristen und ein hygienisch einwandfreier Umgang mit der Ware sind Maßnahmen, die dazu geeignet sind, dass die Gesamtkeimzahl in einem Produkt möglichst klein gehalten werden kann."

 

x Lebensmittelbuch zur Gesamtkeimzahl:

"Definition:

Die Gesamtkeimzahl GKZ (aerobe, mesophile Gesamtkeime) gibt an, wie viele aerobe (sauerstoffliebende), mesophile (wärmeliebende) Mikroorganismen­kolonien (Bakterien, Hefen und Schimmelpilze) sich auf einem für eine mikrobiologische Untersuchung normierten Agrar-Nährboden im Verlauf von 72 h bei einer geregelten Bebrütungstemperatur von 30 °C bilden.

Bestimmung:

Das Untersuchungsgut wird in definierten Mengen in Petrischalen mit flüssigem Nährmedium vermischt und in einem Brutschrank bei 30 °C aufbewahrt (Inkubation). Nach drei Tagen werden die in und auf dem Medium entwickelten Kolonien ausgezählt und die Anzahl aerober, mesophiler Keime pro g oder ml Untersuchungsgut berechnet. Das Resultat wird in KbE/g oder KbE/ml angegeben (koloniebildende Einheit).

Anwendung in der Praxis:

In der Gesamtkeimzahl oder Keimzahl sind neben den unerwünschten, krankheitserregenden (pathogenen) Keimen auch die erwünschten Mikroorganismen enthalten, z.B Milchsäurebakterien in fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt oder Käse. Bei diesen Lebensmitteln kann deshalb mit Hilfe der aeroben, mesophilen Keime (Kontaminationskeime) der Hygienestatus bestimmt werden.

Eine hohe Gesamtkeimzahl weist grundsätzlich auf eine schlechte mikrobielle Qualität eines nicht fermentierten Lebensmittels hin. Für eine genaue Aussage sind aber weitere spezielle Untersuchungen notwendig.

Der Umkehrschluss allerdings ist nicht möglich, eine tiefe Gesamtkeimzahl bedeutet nicht unbedingt, dass ein Lebensmittel einwandfrei ist; dazu müssen weitere Indikatorkeime bestimmt werden."

 

Die vorgenommene Auflistung zeigt, dass eine Kontamination des Ausgangsproduktes sehr wohl auch bereits vor der Lieferung und der vorliegenden Bearbeitung durch ein schlechtes Ausgangsprodukt, unsaubere Produktion, ungenügende oder unterbrochene Kühlung und zu langsamem Abkühlen stattgefunden haben kann. Erhebungen bzw. Ermittlungen in diese Richtung sind gänzlich unterblieben, obwohl sich nicht einmal das Aufsichtsorgan "sicher" war, wie die Kontaminierung zustande gekommen ist ("eine Kontaminierung mit Keimen ist bei diesen Produktionsschritten jedenfalls möglich"). Deutlicher zeigt sich dies darin, dass das Aufsichtsorgan eine Verkeimung durch die Verwendung des Flüssigwürzmittels der Firma x in Erwägung gezogen hat und somit eine mangelnde Hygiene bei der Bearbeitung ausgeschlossen haben dürfte. In dem Zusammenhang sind auch "die gemäß § 39 Abs. 1 Z. 12 LMSVG festgelegten und angeordneten Maßnahmen" aussagekräftig. Diese erschöpfen sich nämlich in der Wiedergabe des Gesetzestextes und lassen festgestellte Mängel nicht einmal ansatzweise erkennen. Selbst die "Feststellungen" im Kontrollblatt vom 24. September 2009 tragen nicht zur Aufklärung bei ("verschiedene Verbesserungen durchgegangen und eine Maßnahme gemäß § 39 gesetzt und schriftlich hinterlassen" – "eventuell eine Verkeimung des flüssigen Würzmittels"). 

 

4.2.3. Da der Bw einerseits "die ihm vorgeworfene Tat" (Anlastung der Höhe der Verkeimung, die erst nach der tagelangen Wärmbehandlung entstanden ist) nicht begangen hat und andererseits diese nicht erwiesen werden kann, war der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und 2 VStG einzustellen.

5.1. Bei diesem Ergebnis waren dem Bw gemäß § 65 VStG keine Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die Kosten des Verfahrens vor der Behörde erster Instanz haben gemäß § 66 VStG zu entfallen (Spruchpunkt II).

5.2. Im Hinblick auf § 71 Abs. 3 LMSVG war dem Bw auch nicht der Ersatz der Kosten der x vorzuschreiben. 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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