Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252475/2/Sr/Fu/Sta

Linz, 24.06.2010

 

Erkenntnis

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geb. am x, x, vertreten durch die Rechtsanwälte x, x, vom 30. April 2010 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13. April 2009, GZ 0007977/2008, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26. Mai 2009 nicht bewilligt wurde, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm §§ 66 Abs 4, 71 und 72 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG).

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13. April 2010, GZ 0007977/2008, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bw) vom 26. Mai 2009 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20. November 2008,         GZ 007977/2008, nicht stattgegeben.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der am 17. April 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, erhob der Bw das Rechtsmittel der Berufung, das am 30. April 2010 – somit rechtzeitig – zur Post gegeben wurde. Die Berufung wurde bei der belangten Behörde eingebracht.

In der Berufung bekämpft der Bw den Bescheid in vollem Umfang. Begründend führt der Bw aus, dass er am 12. Mai 2009 im Rahmen einer Akteneinsicht beim Bezirksverwaltungsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz festgestellt habe, dass ein Straferkenntnis vom 20. November 2008, GZ 0007977/2008, und eine Vollstreckungsverfügung vom 16. Jänner 2009, GZ 0007977/2008, existieren. Vor dieser Akteneinsichtnahme sei dem Bw die Existenz eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen ihn nicht bekannt gewesen. Weder die Aufforderung zur Rechtfertigung, noch das Straferkenntnis und die Vollstreckungsverfügung seien dem Bw zugestellt worden.

Auch sei dem Bw nicht bekannt, dass ein erster und/oder zweiter Zustellversuch bzw. eine Hinterlegung stattgefunden haben soll. Der Bw habe sich in der Zeit, in der üblicherweise Zustellungen erfolgen, praktisch immer in der Betriebsstätte seines Unternehmens in x, aufgehalten. Jedoch habe sich an der Zustelladresse die Ehefrau des Bw aufgehalten, die zu keiner Zeit eine Verständigung über Zustellversuche und/oder die Hinterlegung von Schriftstücken im betreffenden Verwaltungsstrafverfahren vorgefunden habe.

Sowohl das Straferkenntnis als auch die Vollstreckungsverfügung seien dem Bw nicht wirksam zugestellt worden, da weder ein erster, noch ein zweiter Zustellversuch erfolgt sei und der Bw auch die Verständigungen über die Hinterlegungen nie bekommen habe.

Der Bw habe daher primär den Antrag gestellt, die Verwaltungsstrafbehörde
I. Instanz möge dem Bw das Straferkenntnis vom 20. November 2008,            GZ 0007977/2008, sowie die Vollstreckungsverfügung vom 16. Jänner 2009,    GZ 0007977/2008, neuerlich zustellen.

Eine Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz über den primär gestellten Antrag auf neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses sei dem Bw bis dato nicht zugestellt worden. Da über den primär gestellten Antrag bisher nicht entschieden worden sei, habe keine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde I. Instanz zur Entscheidung über den ausdrücklich als Eventualantrag formulierten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestanden.

Selbst wenn die Gattin des Bw von einer Vollstreckungsverfügung Kenntnis erlangt haben sollte, wäre diese Kenntnis dem Bw nicht zuzurechnen. Der Bw habe vor der Akteneinsicht vom Schriftstück keine Kenntnis erlangt. Darüber hinaus wäre die Behörde verpflichtet gewesen, eine Zustellung nur zu eigenen Handen des Bw zu verfügen.

Der Bw habe zum Beweis seines Vorbringens mehrfach die Einvernahme seiner Gattin beantragt. In der Einvernahme sei sie aber nicht zum Vorbringen des Bw befragt worden. Damit habe die belangte Behörde ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens nicht entsprochen.

Weiters bringt der Bw vor, dass selbst wenn entgegen seinem Vorbringen von einer wirksamen Zustellung des Straferkenntnisses auszugehen sein sollte, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vorliegen würden.

Selbst wenn Hinterlegungsverständigungen in den Hausbriefkasten eingelegt worden sein sollten, so seien diese offenbar ohne Verschulden des Bw abhanden gekommen. Da im Haus zahlreiche Parteien wohnen würden, könne dies leicht vorkommen. Außerdem habe sich der Bw zu den Zeiten, zu denen Zustellungen üblicherweise erfolgen, in seiner Betriebsstätte aufgehalten. Die Ehegattin des Bw, die immer die Post vom Hausbriefkasten hole, habe keine Verständigungen über die Hinterlegung von Schriftstücken vorgefunden. Der Bw sei somit durch ein unvorhergesehenes und für ihn unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis verhindert worden.

Abschließend stellt der Bw die Anträge, die Berufungsbehörde möge

  1. eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen, sowie
  2. der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde I. Instanz dahingehend abändern, dass dem vom Bw mit Schriftsatz vom 26. Mai 2009 gestellten Antrag vollinhaltlich stattgegeben wird; in eventu
  3. der Berufung Folge geben, den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde I. Instanz aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Verwaltungsbehörde I. Instanz zurückverweisen.

2.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung – ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 3. Mai 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

2.2. Das Rechtsmittel ist – wie bereits im Punkt 1.2. dargestellt – rechtzeitig.

3.1. Die Erledigung von Berufungen gegen verfahrensrechtliche Bescheide, mit denen ein Wiedereinsetzungsantrag zurück- oder abgewiesen wird, fällt im Bereich des Unabhängigen Verwaltungssenats in die Zuständigkeit der Einzelmitglieder und nicht in jene der Kammern (VwGH 10. November 1997, 96/02/0352; VwGH 26. Juli 2002, 2001/02/0257). 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung.

Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG konnte die öffentliche mündliche Verhandlung entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.3. Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich folgender Sachverhalt:

Das Finanzamt Freistadt/Rohrbach/Urfahr erstattete am 15. Februar 2008 Anzeige an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz gegen den Bw wegen Verdachts der Übertretung des § 33 Abs 1 iVm § 111 ASVG.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008, zugestellt durch Hinterlegung am
21. Februar 2008, wurde dem Bw vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz vorgeworfen, er habe es als Gewerbeinhaber der Firma x, x zu verantworten, dass von dieser Firma als Arbeitgeber der tschechische Staatsbürger x, geboren am x, als Pizzazusteller von 13. November 2007 bis 31. Jänner 2008 beschäftigt wurde, obwohl dieser nicht zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden war. Der Bw wurde aufgefordert, sich zum Vorwurf zu rechtfertigen. Dieser Aufforderung ist der Bw nicht nachgekommen.

Daraufhin erkannte die belangte Behörde den Bw mit Straferkenntnis vom 20. November 2008, GZ 0007977/2008, zugestellt durch Hinterlegung am 3. Dezember 2008, schuldig, die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach   § 33 Abs 1 und 1a iVm § 111 ASVG begangen zu haben, und verhängte über ihn eine Geldstrafe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 112 Stunden).

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. Jänner 2009, GZ 0007977/2008, zugestellt durch Hinterlegung am 24. Jänner 2009, wurde gegen den Bw die Vollstreckung verfügt, da er seiner Zahlungsverpflichtung nicht fristgerecht nachgekommen sei.

Zwischen 27. und 30. April 2009 wurde der Bw vom "Vollstrecker" der belangten Behörde an seiner Abgabestelle aufgesucht. Da er nicht angetroffen werden konnte, hinterließ der "Vollstrecker" ein Schreiben, in dem der Bw auf seine offenen Forderungen hingewiesen und um Kontaktaufnahme ersucht wurde. Aufgrund der Verständigung erschien die Ehegattin des Bw am 6. Mai 2009 bei der belangten Behörde. Bei der Unterredung wurde diese auf die offenen Strafen des Bw hingewiesen und ihr der "diesbezügliche Vollstreckungsauftrag" übergeben.

Am 12. Mai 2009 erschien der Bw beim Bezirksverwaltungsamt der Landeshauptstadt Linz. Es wurde ihm der Akt GZ 0007977/2008 "persönlich ausgehändigt".

Im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 gab der Rechtsvertreter des Bw seine Bevollmächtigung bekannt und stellte folgende Anträge:

"Anträge auf neuerliche Zustellung

in eventu

Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

samt Berufungen des Beschuldigten

und

Anträge auf Aufschub der Vollstreckung"

 

Begründend führte der Rechtsvertreter aus, dass der Bw erst im Rahmen seiner Akteneinsicht am 12. Mai 2009 bei der belangten Behörde Kenntnis vom Straferkenntnis und der Vollstreckungsverfügung erlangt habe. Eine Zustellung der Bescheide sei nicht erfolgt und Zustellversuche seien dem Bw nicht bekannt geworden bzw. hätten nicht stattgefunden. In der Zeit, in der üblicherweise Zustellungen vorgenommen würden, habe er sich praktisch immer in der Betriebsstätte seines Unternehmens aufgehalten. Da weder Ankündigungen über einen zweiten Zustellversuch noch Verständigungen über die Hinterlegung vorgenommen worden seien, liege keine wirksame Zustellung vor. Es werde daher die "neuerliche" Zustellung der bezeichneten Bescheide beantragt.

Für den Fall, dass dem (Primär-)Antrag des Bw nicht entsprochen werde, beantrage der Bw die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erhebe Berufungen gegen das Straferkenntnis und die Vollstreckungsverfügung.

Im folgenden Ermittlungsverfahren vernahm die belangte Behörde die Ehegattin des Bw als Zeugin und brachte dem Bw das Beweisergebnis zur Kenntnis.

In der Stellungnahme vom 11. September 2009 wiederholte der Bw sein bisheriges Vorbringen und beantragte die neuerliche Zeugenbefragung seiner Ehegattin.

Mit Schriftsatz vom 22. März 2010 teilte der Rechtsvertreter die Vollmachtsauflösung mit.

Im unter Punkt 1.1. dargestellten Bescheid hat die belangte Behörde lediglich über den Eventualantrag "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2008, GZ 0007977/2008" abgesprochen. Ein Abspruch über den Primärantrag ist unterblieben.

3.4. Der festgestellte Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig. Bestritten wird lediglich die rechtskonforme Zustellung. Laut dem im Vorlageakt aufliegenden Zustellnachweis, der als öffentliche Urkunde den vollen Beweis liefert (Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4 [2009] Rz 230), ist jedoch von einer rechtskonformen Zustellung des Straferkenntnisses auszugehen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat ist gehalten, die Unzuständigkeit der belangten Behörde von Amts wegen aufzugreifen.

4.2. Wie dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde nicht über den Primärantrag (Antrag auf Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung) abgesprochen. Auch wenn sie sich inhaltlich mit der Zustellproblematik auseinandergesetzt hat, hat sie lediglich eine Entscheidung über den Eventualantrag getroffen.  

Eventualanträge sind im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (VwGH 27. Februar 2007, 2005/21/0041; VwGH 22. Dezember 2009, 2008/21/0561).

Bereits einleitend wurde ausgeführt, dass eine solche Unzuständigkeit von der Berufungsbehörde von Amts wegen aufzugreifen und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben ist (VwGH 27. Februar 2007, 2005/21/0041).

Die erstinstanzliche Behörde hätte daher zunächst über den Antrag auf "neuerliche" Zustellung abzusprechen gehabt. Erst ab Abweisung des Primärantrags wäre die erstinstanzliche Behörde zuständig gewesen, über den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Im anhängigen Verfahren ist die belangte Behörde gehalten, über den Primärantrag abzusprechen. Weiters hat sie sich mit den gestellten Beweisanträgen auseinander zu setzen und im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages Erhebungen zu tätigen (Beischaffung des "Schreibens", das der "Vollstreckungsbeamte" an der Abgabestelle des Bw hinterlassen hat; Übergabe des Vollstreckungsauftrages an die Ehegattin des Bw), da die Aktenlage den Schluss zulässt, dass der Bw bereits vor dem 12. Mai 2009 Kenntnis von der Zustellung der angesprochenen Bescheide erlangt hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Christian Stierschneider

 

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