Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522603/2/Sch/Th

Linz, 29.06.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn X, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. X und Mag. X, X, vom 2. Juni 2010, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 27. Mai 2010, Zl. VerkR21-373-2009, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit Bescheid vom 27. Mai 2010, Zl. VerkR21-373-2009, die Herrn X von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt am 29. September 2006 unter Zl. 06388194 für die Klassen AV, A und B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß § 24 Abs.1 Führerscheingesetz (FSG) für die Dauer von 3 Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen.

Außerdem wurde ihm für dieselbe Dauer das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges ausdrücklich verboten.

Weiters wurde für die Dauer der Entziehung das Recht, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt.

Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 67d Abs.2ff AVG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Der Berufungswerber ist mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. Dezember 2009, AZ 34 HV 133/09a rechtskräftig wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt worden.

 

Gemäß § 43 Abs.1 StGB wurde ihm die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen.

 

Laut Urteilsbegründung hat der Berufungswerber im Zeitraum Frühsommer/Sommer 2008 in U in zumindest vier Einzelangriffen außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, indem er die am x geborene S H von hinten umfasste, sie an sich drückte und ihr über der Bekleidung auf die Brüste griff.

 

Bei den Strafbemessungsgründen finden sich im Urteil als mildernd die Unbescholtenheit des Berufungswerbers, als erschwerend die Begehung mehrerer Verbrechen.

 

Dieses Urteil ist der Erstbehörde im Februar 2010 zugegangen, hierauf wurde nach Wahrung des Rechtes auf Parteiengehör der nunmehr verfahrensgegenständliche Bescheid, datiert mit 27. Mai 2010, erlassen.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z8 FSG gilt als bestimmte Tatsache die Begehung einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB, die im Verein mit ihrer Wertung gemäß § 7 Abs.4 leg.cit die Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person ausschließt.

 

Ohne Zweifel findet sich sohin das vom Berufungswerber begangene Verbrechen im Deliktskatalog des § 7 Abs.3 FSG.

 

Die Frage der Verkehrszuverlässigkeit darf allerdings nicht nur alleine an diesem Deliktskatalog gemessen werden, vielmehr muss noch eine Wertung im Sinne des § 7 Abs.4 FSG dazukommen.

 

Für die Wertung der bestimmten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Zum Zeitfaktor ist gegenständlich zu bemerken, dass, wie der Berufungswerber zutreffend ausführt, seit Deliktsbegehung, das war laut Gerichtsurteil im Frühsommer/Sommer 2008, bis zu Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides ein Zeitraum von rund zwei Jahren verstrichen ist. Ausgehend davon, dass der Berufungswerber mit Setzung der Delikte seine Verkehrszuverlässigkeit zwar zweifellos zumindest in Frage gestellt hat, muss ihm aber naturgemäß zugebilligt werden, dass er sich seither – gegenteiliges ist nicht aktenkundig – wohlverhalten hat. Es müsste sohin gegenständlich schlüssig und dezidiert begründbar sein, weshalb es nach Ablauf einer Zeitspanne von immerhin etwa zwei Jahren noch aus dem Blickwinkel der Verkehrssicherheit erforderlich ist, den Berufungswerber weitere drei Monate von der Teilnahme am Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahrzeuges auszuschließen. Dies würde dann bedeuten, dass man beim Berufungswerber eine Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer von weit mehr als zwei Jahren annehmen müsste.

 

Hervorzuheben ist auch noch, dass dem Berufungswerber die verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze bedingt nachgesehen wurde. Die bedingte Strafnachsicht führt für sich allein noch nicht zwingend dazu, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen ist, da sich die bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht zur Gänze mit jenen decken, die für das Gericht bei der Entscheidung betreffend die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs.1 StGB von Bedeutung sind. Nach dieser Gesetzesstelle sind die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen. Dabei kann es sich im Einzelfall jedoch auch durchwegs um Umstände handeln, die für die in § 7 Abs.4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können (VwGH 23.04.2002, ZVR 2004/97).

 

Dem Berufungswerber wurde vom Gericht im Hinblick auf die Strafbemessung – und somit im weiteren Sinne auch als Zukunftsprognose – zugute gehalten seine Unbescholtenheit und der Umstand, dass der Tatunwert im Spektrum des Tatbestandes des § 207 StGB im unteren Bereich gelegen war, wobei zudem allgemein auf den sozialen Störwert sexueller Übergriffe auf Unmündige Bedacht genommen wurde.

 

Die Berufungsbehörde verkennt keinesfalls, dass die vom Berufungswerber gesetzten Taten nicht bagatellisiert werden dürfen. Insbesondere, wo gerade eine Sensibilisierung in diesem Bereich allgemein festzustellen ist. Andererseits muss aber stets der Einzelfall in Betracht gezogen werden. Vorliegend ist es nach Ansicht der Berufungsbehörde ein solcher, der die Annahme einer weitergehenden Verkehrsunzuverlässigkeit beim Berufungswerber zum nunmehrigen Zeitpunkt, also jenem der Berufungsentscheidung, nicht mehr rechtfertigt. Die Entziehung der Lenkberechtigung soll ja keinesfalls eine zusätzliche Strafe sein, sondern im Interesse der Verkehrssicherheit im unabdingbar notwendigen Ausmaß über die betreffende Person verfügt werden. Ist eine solche Notwendigkeit nicht (mehr) schlüssig begründbar, dann liegt der Umstand der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person nicht weiterhin vor.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

S c h ö n

 

 

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