Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720270/4/BMa/Th

Linz, 30.06.2010

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des serbischen Staatsangehörigen X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 13. Dezember 2007, Sich40-24778-2006, wegen Erlassung einer Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz  1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 13. Dezember 2007, Sich40-24778-2006, wurde der Rechtsmittelwerber (im Folgenden: Bw) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

1.2. Begründend wurde hiezu im Wesentlichen ausgeführt, der Bw sei serbischer Staatsangehöriger und stamme aus der Provinz Kosovo. Er sei am 30. April 2002 illegal schlepperunterstützt – ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments oder Sichtvermerks zu sein – unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist.

 

Sein Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Salzburg, vom 5. August 2002 zu 02 11.404-BAS gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen und gleichzeitig sei festgestellt worden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Gegen diesen Bescheid hat der Bw berufen. Die Berufung sei vom Unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 12. November 2007, Zl. 230.475/0/8E-XI/33/02, rechtskräftig abgewiesen worden. Die ihm im Asylverfahren in Österreich zuerkannte vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz sei mit Wirkung vom 21. November 2007 widerrufen worden (wohl richtig: 12. November 2007). Auch seine Anträgen auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte oder Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels und die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" seien noch offen oder abschlägig behandelt worden. Weil der Bw nicht im Besitz einer aufenthaltsrechtlichen Bewilligung für Österreich sei, halte er sich seit Abschluss seines Asylverfahrens – also seit dem 12. November 2007 – nicht rechtmäßig im Bundesgebiet Österreich auf.

Nach Darlegung der Rechtsgrundlagen wurde ausgeführt, das Asylverfahren des Bw sei von österreichischen Asylbehörden in erster und zweiter Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen worden und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt worden.

Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, der Verteidigung der öffentlichen Ordnung sowie Moral (Artikel 8 Abs.2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dies werde auch immer wieder in der Rechtsprechung des VwGH betont. Dieses gewichtige Allgemeininteresse werde durch den rechtswidrigen Aufenthalt des Bw gravierend beeinträchtigt, weil ihm kein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Auch die bloße Inlandsantragstellung sei nicht geeignet, ein Aufenthalts- oder Bleiberecht zu begründen.

 

Darüber hinaus sei eine Inlandsantragstellung wegen seiner illegalen Einreise, der Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts durch seine Gattin als EWR-Bürgerin sowie mangels rechtmäßigen Aufenthalts nicht statthaft. Darüber hinaus sei mangels Ausnahmeregelung ein sichtvermerksfreier Aufenthalt nicht möglich.

 

Aufgrund unzureichender familiärer Bindungen (Eheschließung während seines Asylverfahrens nach illegaler Einreise mit einer volljährigen slowakischen Staatsangehörigen) seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die öffentlichen Interessen einer Ausweisung aus Österreich in den Hintergrund zu treten hätten.

 

2. Gegen diesen dem Rechtsvertreter des Bw am 14. Dezember 2007 zugestellten Bescheid richtet sich die am 28. Dezember 2007 – und damit rechtzeitig – vorab per Mail und danach postalisch am selben Tag abgesandte Berufung vom 28. Dezember 2007.

 

Nach Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wurde diese mit Verfügung vom 26. Jänner 2008 zuständigkeitshalber an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zurückgeleitet.

 

Mit Bescheid des Sicherheitsdirektors für Oberösterreich vom 20. März 2008, St3/08, wurde der Berufung vom 28. Dezember 2007 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Der Rechtsmittelwerber wurde am 29. April 2008 nach Pristina/Kosovo abgeschoben.

 

3. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2010, B1043/08-6, wurde der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. März 2008, St3/08, aufgehoben. Unter Verweis auf das (nach Erlassung des Bescheids des Sicherheitsdirektors) ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofes, EuGH 25.07.2008, Rs. C-127/08, Metock, Slg. 2008, I-06241, wurde dargelegt, dass das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid der Sicherheitsdirektion verletzt worden sei. Weiters wurde im Beschluss des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Dezember 2008, Rs. C-551/07, Sahin, präzisierend darauf hingewiesen, dass sich ein Drittstaatsangehöriger auf die Unionsbürger-RL berufen könne. Davon seien auch jene Familienangehörigen erfasst, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt seien. Es spiele keine Rolle, wenn die Angehörigeneigenschaft erst im Aufnahmemitgliedstaat erworben bzw. das Familienleben mit dem Unionsbürger erst dort begründet worden sei. Der drittstaatsangehörige Beschwerdeführer habe seine freizügigkeitsberechtigte Ehefrau, die sich in Österreich aufhalte und im Bundesgebiet erwerbstätig sei, in Österreich geheiratet. Damit würden für den Beschwerdeführer die Voraussetzungen für den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinn des § 2 Abs.4 Z11 FPG vorliegen. Die zuständige Behörde sei nach

§ 9 Abs.1 Z1 FPG daher der Unabhängige Verwaltungssenat.

 

Weil die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich den angefochtenen Bescheid am 30. März 2008 erlassen habe, habe sie eine Zuständigkeit angenommen, die ihr nach § 9 Abs.1 Z1 FPG nicht zugekommen sei und dadurch den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Daher sei der Bescheid aufzuheben gewesen.

 

4. Nachdem das Erkenntnis des VwGH mit dem bezughabenden Akt am 15. März 2010 dem Unabhängigen Verwaltungssenat wiederum vorgelegt worden war, hat der Unabhängige Verwaltungssenat Erhebungen getätigt und sich den Fremdenakt des Beschwerdeführers vorlegen lassen. Aus einem Schreiben des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 25. März 2010 an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit dem 17. Juli 2008 einen gültigen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" besitzt. Seinen Erstantrag habe er über die zuständige österreichische Botschaft eingebracht.

 

5. Gemäß der dem Ausweisungsbescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschrift des § 53 Abs.1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

 

Diese Bestimmung kann für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Berufungswerber nicht mehr herangezogen werden, weil sich zwischenzeitig die Sachlage dahingehend geändert hat, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr rechtmäßig in Österreich aufhält. Eine Ausweisung auf der Grundlage des § 53 FPG ist daher nicht mehr zulässig.

Als aufenthaltsberechtigter Familienangehöriger könnte der Bw allenfalls auf der Rechtsgrundlage des § 56 FPG ausgewiesen werden. 

§ 56 Abs. 1 FPG lautet: Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt - EG” oder “Daueraufenthalt-Familienangehöriger” verfügen, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausweisung gemäß § 56 FPG ist dem Fremdenakt nicht zu entnehmen, das erstinstanzliche Verfahren hat derartige Aspekte auch nicht beinhaltet. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 13. Dezember 2007, Sich40-24778-2006, war daher aufzuheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

 

 

Rechtssatz zu VwSen-720270/4/BMa/Th vom 30. Juni 2010:

 

§53 Abs.1 FPG; § 56 Abs.1 FPG:

 

§ 53 Abs.1 FPG kann für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Berufungswerber nicht mehr herangezogen werden, weil sich zwischenzeitig die Sachlage dahingehend geändert hat, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr rechtmäßig in Österreich aufhält. Eine Ausweisung auf der Grundlage des § 53 FPG ist daher nicht mehr zulässig.

Als aufenthaltsberechtigter Familienangehöriger könnte der Bw allenfalls auf der Rechtsgrundlage des § 56 FPG ausgewiesen werden. 

 

 

 

 

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