Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401074/5/Gf/Mu

Linz, 02.07.2010

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des X, dzt. Polizeianhaltezentrum Steyr, vertreten durch die RAe X, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding seit dem 25. Juni 2010 zu Recht erkannt:

 

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft wird als rechtswidrig festgestellt.

 

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Schärding) hat dem Beschwerdeführer Kosten in einer Höhe von insgesamt 750,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 25. Juni 2010, GZ Sich41-125-2010, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Steyr sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 9. Dezember 2010 widerrechtlich in das Bundesgebiet eingereist sei und am 13. Dezember 2005 einen Asylantrag gestellt habe. Da er sich in der Folge dem Asylverfahren entzogen habe, sei das Verfahren am 14. Februar 2006 eingestellt worden.

In der Folge habe er sich nach Deutschland begeben, von wo aus er am 29. September 2009 gemäß der sog. Dublin-II-Verordnung nach Österreich rücküberstellt worden sei; zudem sei über ihn eine unbefristete Ausweisung verhängt worden (ZAB Darmstadt vom 2. Oktober 2009, II-227AB-163-186914-2). In Österreich habe er am 30. September 2009 neuerlich einen Asylantrag gestellt. Darauf hin sei ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden.

Am 19. Juni 2010 sei er ohne gültige Dokumente mit dem Zug in die BRD gereist. In der Folge sei er nach seiner Festnahme wiederum – und zwar am 25. Juni 2010 – nach Österreich rücküberstellt worden.

Da er in Österreich in keiner Weise sozial integriert, sondern vielmehr ernsthaft zu befürchten sei, dass er sich seiner Abschiebung neuerlich durch ein Untertauchen in der Anonymität oder durch eine illegale Ausreise nach Deutschland  entziehen wird, habe kein gelinderes Mittel angeordnet werden können; als effektivste Sicherungsmaßnahme sei unmittelbar die Schubhaft zu verhängen gewesen.

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am
1. Juli 2010 per Telefax beim Oö. Verwaltungssenat eingegangene Beschwerde.

Darin wird vorgebracht, dass er am 16. Dezember 2009 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet habe und diese am 19. Juni 2010 in ihrer Heimat besuchen wollte.

Mit dem ihm am 23. Juni 2010 zugestellten Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Juni 2010, GZ 911954-BAT, sei sein Asylantrag explizit abgewiesen – und nicht zurückgewiesen – und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde nicht ausgeschlossen worden. Seiner am 30. Juni 2010 erhobenen Beschwerde an den Asylgerichtshof komme daher gemäß § 36 Abs. 2 des Asylgesetzes aufschiebende Wirkung zu.

Nach der inhaltlichen Zulassung des Asylverfahrens könne aber die Anordnung der Schubhaft zufolge der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr auf die Bestimmungen des § 76 Abs. 2 Z. 2 bis 4 FPG gestützt werden; da auch für eine Heranziehung des § 76 Abs. 2 Z. 1 oder Abs. 2a FPG jeglicher Anknüpfungspunkt fehle, erweise sich diese sohin als rechtswidrig.

Außerdem fehle es an einem Sicherungsbedarf, weil der Beschwerdeführer so lange zum zeitlich unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, bis über seinen Asylantrag endgültig entschieden ist; daher könne allein eine kurzfristige Ausreise zwecks Besuches seiner Ehegattin allenfalls eine Verwaltungsübertretung darstellen, nicht aber die Annahme rechtfertigen, dass er sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen versuchen werde.

Schließlich sei der Schubhaftbescheid den Vertretern des Rechtsmittelwerbers erst am 28. Juni 2010, also drei Tage nach der Inhaftierung, zugestellt worden, sodass sich dessen Anhaltung für diesen Zeitraum auch insoweit als rechtswidrig erweise.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung beantragt.

1.3. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Darin wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der Asylantrag des Rechtsmittelwerbers am 22. Juni 2010 abgewiesen und gleichzeitig eine Ausweisung ausgesprochen worden sei.

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Schärding zu GZ Sich41-125-2010 sowie in den Akt der BH Gmünd zu GZ GDS3-F-21246; da sich bereits aus diesen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

Nach § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG kann die Fremdenpolizeibehörde gegen einen Asylwerber u.a. dann zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß 10 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: AsylG), oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft zu verhängen, wenn gegen ihn ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde; ein Ausweisungsverfahren gilt nach § 27 Abs. 1 AsylG ex lege als eingeleitet, wenn im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe dahin erfolgt, dass beabsichtigt ist, den Asylantrag zurückzuweisen oder abzuweisen (§ 29 Abs. 3 Z. 4 und 5 AsylG).

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in
diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei einem bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

4021 Linz, Fabrikstraße 32

 

3.2. Im gegenständlichen Verfahren hat die belangte Behörde die Schubhaftverhängung auf § 76 Abs. 2 Z. 2 und 3 FPG gestützt. Dies setzt voraus, dass gegen den Beschwerdeführer entweder ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde oder eine durchsetzbare Ausweisung verhängt worden ist.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Juni 2010, GZ 911954-BAT, wurde sowohl der Asylantrag des Rechtsmittelwerbers (gemäß § 3 Abs. 1 AsylG) als auch der Antrag auf Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (gemäß § 8 Abs. 1 AsylG) abgewiesen und gleichzeitig nach § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG die Ausweisung in dessen Heimatstaat Türkei angeordnet.

Aus dem Zusammenhalt von § 36 Abs. 1 und 2 AsylG ergibt sich, dass einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesasylamtes, mit der ein Asylantrag nicht bloß zurück-, sondern (inhaltlich) abgewiesen wird, dann schon unmittelbar auf Grund des Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt, wenn diese nicht aberkannt wurde; aus § 36 Abs. 4 AsylG folgt (e contrario) weiters, dass eine Ausweisung nicht durchsetzbar ist, wenn dieser aufschiebende Wirkung zukommt.

Da das Bundesasylamt im gegenständlichen Fall der Beschwerde des Rechtsmittelwerbers vom 30. Juni 2010 gegen den negativen Asylbescheid weder mit dem vorangeführten Bescheid vom 14. Juni 2010, GZ 911954-BAT, selbst – also gleichsam präventiv – noch im Zuge des derzeit anhängigen Verfahrens vor dem Asylgerichtshof gemäß § 38 Abs. 1 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt hat, liegt sohin aber im Ergebnis (zumindest derzeit) keine durchsetzbare Ausweisung i.S.d. § 76 Abs. 2 Z. 3 AsylG vor.

Da sich weder aus den vorgelegten Akten gegenteilige Hinweise ergeben noch auch von der belangten Behörde derartige Einwände erhoben wurden, fehlt es hier somit schon an einer essentiellen formalen Voraussetzung für die Schubhaftverhängung.

3.3. Der gegenständlichen Beschwerde war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Schärding) dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, dazu zu verpflichten, Kosten in Höhe von insgesamt 750,80 Euro (Gebühren: 13,20 Euro; Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 31,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 


 

Rechtssatz:

 

VwSen-401074/5/Gf/Mu vom 2. Juli 2010

 

§ 76 Abs. 2 Z. 2 und 3 FPG; § 36 AsylG; § 38 AsylG

 

Schubhaftverhängung unzulässig, wenn sich ergibt, dass die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages weder präventiv noch ex post aberkannt wurde.

 

 

 

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