Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210552/14/BMa/Th

Linz, 28.06.2010

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der X, vertreten durch DDr. X, Rechtsanwalt in X, vom 6. April 2010, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 23. März 2010, BauR96-4-2007, wegen Übertretungen der Oö. Bauordnung zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis in seinem Spruchpunkt 2 aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt wird; im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

  II.      Der Kostenbeitrag zum Verfahren der belangten Behörde ermäßigt sich hinsichtlich der angefochtenen Spruchpunkte auf insgesamt 290 Euro; für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat hat die Berufungswerberin einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Faktum 1 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds. insgesamt 580 Euro, zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51c Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 VStG

 

 


 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben es als Bauherrin verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass im Zuge der Errichtung einer Apotheke mit Dienstwohnung und Arztpraxis (Ordination) auf Grundstück Nr. X, .X, KG X, Gemeinde X,

1.       in der Zeit vom 03.07.2007 (Bauanzeige über Abweichungen vom baubehördlich bewilligten Ausmaß) bis 30.08.2007 (Entscheidung der Baubehörde über diese Bauanzeige) die EG-Fassade im Südwesten des Gebäudes bzw. die Terrassenbrüstung nicht mehr in Nurglas, sondern als hinterlüftete broncefarbene Alu-Fassade ausgeführt wurde,

2.       nach der Zustellung des Bescheides der Baurechtsabteilung des Amtes der Oö. Landesregierung (=Behebung des Bescheides des Gemeinderates der Marktgemeinde Altmünster vom 06.03.2007, Zl. III-131/8/47/2006 Kg/Schi), also seit 01.10.2007 bis 29.10.2007 (Fertigstellungsanzeige) Baumaßnahmen vorgenommen wurden, dh. selbstständig benützbare Teile des Gesamtvorhabens (Apotheke und Dienstwohnung, Installationsarbeiten, Außengestaltung wie Pflanzmaßnahmen und Anbringung eines Stöckelpflasters samt entsprechender Betoneinfassungen vor dem Gebäude etc.) ausgeführt, und

3.       in der Zeit vom 12.10.2007 (ordnungsgemäße Zustellung der bescheidmäßigen Untersagung der Fortsetzung der Bauausführung durch die Baubehörde vom 02.10.2007) bis 29.10.2007 (Fertigstellungsanzeige, siehe oben) trotz Baueinstellung durch die Baubehörde die Bauausführung (=Fertigstellung der Apotheke und Dienstwohnung, Installationsarbeiten, Außengestaltung wie Pflanzmaßnahmen, Anbringung eines Stöckelpflasters samt entsprechender Betoneinfassungen etc. vor dem Gebäude (fortgesetzt wurde.

 

Sie sind dadurch im unter Punkt 1. angeführten Zeitraum als Bauherrin vom bewilligten Bauvorhaben entgegen den Vorschriften des § 39 Abs.2 bis 4 Oö. BauO abgewichen.

 

Weiters haben Sie dadurch als Bauherrin auf Grund der Behebung des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde X durch die Baurechtsabteilung des Amtes der Oö. Landesregierung im unter Punkt 1. angeführte Zeitraum ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausgeführt.

 

Darüber hinaus haben Sie dadurch im unter Punkt 2. angeführten Zeitraum als Bauherrin nach einer Untersagung gemäß § 41 Abs. 3 Oö. BauO 1992 ohne Behebung des Mangels die Bauausführung fortgesetzt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Verwaltungsübertretung zu

1.       nach § 57 Abs.1 Z2 Oö. Bauordnung 1994, BGBl. Nr. 66/1994 (Oö. Bauordnung 1994).

2.       nach § 57 Abs.1 Z2 Oö. Bauordnung 1994.

3.       nach § 57 Abs.1 Z7 Oö. Bauordnung 1994

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von           falls diese uneinbringlich ist,          Gemäß

                                   Ersatzfreiheitsstrafe von

zu 1.: 1.450 Euro  101 Stunden                       zu 1 – 3:

zu 2.: 1.450 Euro  101 Stunden                       § 57 Abs.2 Oö. Bauordnung 1994

zu 3.: 1.450 Euro  101 Stunden                      

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:   435 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
4.785 Euro."

 

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Darlegung der Rechtsgrundlagen aus, die Bw habe durch ihr Verhalten die Tatbestände gemäß § 57 Abs.1 Z2 und 7 des Landesgesetzes vom 5. Mai 1994, mit dem eine Bauordnung für Oberösterreich erlassen wird – Oö. BauO 1994, LGBl.Nr. 66/1994 idgF, erfüllt. Sie habe trotz Kenntnis der Rechtslage vorsätzlich gegen das Baurecht verstoßen.

 

Zur Strafbemessung wurde ausgeführt, es sei von einem geschätzten monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.500 Euro ausgegangen worden, als Milderungsgrund sei die absolute Unbescholtenheit der Bw gewertet worden.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Rechtsvertretung der Berufungswerberin am 24. März 2010 zugestellt wurde, richtet sich die am
6. April 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung vom selben Tag.

 

1.4. Die Berufung ficht das Straferkenntnis in seinem vollen Umfang an. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, der bekämpfte Bescheid vermisse jegliche nachvollziehbare Bescheidbegründung. Es würden einerseits die Feststellungen zum relevanten Sachverhalt aber auch die Begründung fehlen, wie die Behörde zu diesen Feststellungen gekommen sei.

Der bekämpfte Bescheid sei auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet:

 

Zu Spruchpunkt 1 wird ausgeführt, der Tatvorwurf sei unberechtigt, weil schon laut den Angaben über die Bauausführung in Punkt 5.h) der Baubeschreibung vom 9. Juni 2006 alternativ eine Glas- Holzlamellen- oder Großtafelverkleidung vorgesehen gewesen sei. Diese alternative Baubeschreibung sei im Wege der Erteilung der Baubewilligung auch Bestandteil des Projekts.

Die Gemeinde habe in einem Schreiben an eine Anrainerin bestätigt, dass von der Bw keine bewilligungspflichtigen Änderungen vorgenommen worden seien. Dies schließe ein Verschulden der Bw aus.

Selbst wenn der Tatvorwurf stimmen würde, hätte die Berufungswerberin nicht den Tatbestand des § 57 Abs.1 Z2 Oö. BauO verwirklicht, weil sich dieser nur auf die konsenslose Ausführung bewilligungspflichtiger Bauvorhaben beziehe. Es habe sich bei der Änderung aber allenfalls um ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 25 Abs.1 Z1 Oö. BauO gehandelt. Dies sei der Bw aber innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht vorgeworfen worden.

Die Begründung im vorletzten Absatz auf Seite 1 des bekämpften Bescheides, wonach dargestellt worden sei, dass in dem unter Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Tatzeitraum ein Bewilligungsbauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausgeführt worden sei, sei unzutreffend, weil die Behebung des Baubewilligungsbescheides am 1. Oktober 2007 und damit erst nachträglich, weit nach dem Ende des zu Punkt 1 vorgehaltenen Tatzeitraumes erfolgt sei.

 

Zu Spruchpunkt 2 führt die Berufung im Wesentlichen aus, die im vorgeworfenen Tatzeitraum vorgenommenen Bauarbeiten (Arbeiten an der Fassade und Innenausbau) bedürfen keiner Bewilligung nach § 24 Oö. BauO. Selbst wenn der Tatvorwurf zutreffen würde, sei Verfolgungsverjährung eingetreten, weil der Vorwurf fehle, bewilligungspflichtige Baumaßnahmen vorgenommen zu haben. Die der Beschuldigten vorgehaltenen Baumaßnahmen seien nicht in einer Weise konkretisiert, dass auf ihre Bewilligungspflicht geschlossen werden könne. Die Arbeiten an der Fassade seien auf Grund der Anzeige des Architekten vom

3. Juli 2007 vorgenommen worden. Eine Bestrafung der Berufungswerberin könne auch deshalb nicht geschehen, weil diese, soweit es um den Innenausbau gehe, gar nicht Bauherrin sei. Dies sei nämlich Frau Mag. X, die Mieterin des Apothekengeschäftslokales.

 

Zu Punkt 3 wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Spruch des Baueinstellungsbescheides sei nicht ersichtlich, auf welches konkrete Bauvorhaben sich die Baueinstellung beziehe. Nur ein Verstoß gegen hinreichend bestimmte bescheidmäßige Verpflichtungen dürfe verwaltungsstrafrechtlich geahndet werden. Die gleichzeitige Bestrafung nach Spruchpunkt 2 und Spruchpunkt 3 des bekämpften Bescheides würde eine nach Art. 47. ZPMRK verfassungswidrige Doppelbestrafung darstellen.

 

Zur Strafhöhe wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von § 21 bzw. 20 VStG erfüllt seien.

 

Abschließend wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, auf ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu auf Ausspruch einer Ermahnung anstelle der verhängten Geldstrafe gestellt und in eventu beantragt, von der Möglichkeit des § 20 VStG Gebrauch zu machen.

 

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorgelegten Verwaltungsakt BauR96-4-2007 Einsicht genommen und am 7. Juni 2010 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Rechtsvertreters der Berufungswerberin, DDr. X, und des Vertreters der belangten Behörde, Mag. X, durchgeführt. Als bautechnischer Sachverständige fungierte TOAR Ing. X.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgende Feststellungen werden getroffen:

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde X vom 28.12.2008, Zl.: III-131/8/47-2006 Kg/Schi, wurde X die Baubewilligung zum Bauvorhaben Neubau einer Apotheke mit Dienstwohnung und Arztpraxis auf dem Grundstück Nr. .X und X, KG X unter Bedingungen und Auflagen entsprechend dem bei der mündlichen Bauverhandlung aufgelegenen und als solchen gekennzeichneten Bauplan des Architekten DI X vom 9. Juni 2006 erteilt. Aufgrund der dagegen eingebrachten Berufungen erging der Bescheid des Gemeinderates vom 6. März 2007, mit dem diesen nicht Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde X vom 28. Dezember 2006 bestätigt wurde. Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 21. September 2007, BauR-013860/7-2007-Ba/Le, Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde X zurückverwiesen.

X ist Bauherrin des Bauvorhabens Neubau einer Apotheke mit Dienstwohnung und Arztpraxis auf dem Grundstück Nr. X und X, KG X.

 

Vom 3. Juli 2007 bis 30. August 2007 wurde die EG-Fassade im Südwesten des Gebäudes bzw. die Terrassenbrüstung, die in Nurglas genehmigt wurde, als hinterlüftete broncefarbene Alu-Fassade ausgeführt.

 

Das Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde X vom

22. 08.2007 an Mag. X ist der Bw am 29. August 2007 zur Kenntnis gelangt.

 

Wer die nach dem 1. Oktober 2007 bis 29. Oktober 2007 vorgenommenen Baumaßnahmen, nach Zustellung des den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde X vom 6. März 2007 behebenden Bescheid durchgeführt hat, kann nicht festgestellt werden.

 

Die Zustellung des die Fortsetzung der Bauausführung untersagenden Bescheides der Baubehörde vom 2. Oktober 2007 erfolgte am 12. Oktober 2007. Ob die Berufungswerberin, die zu dieser Zeit an der Montan-Universität studiert hat, wesentlich an der weiteren Bauausführung involviert war, kann nicht festgestellt werden.

 

Die Ausführung der EG-Fassade im Südwesten des Gebäudes bzw. der Terrassenbrüstung als Alu-Fassade war vom Genehmigungsbescheid vom 29. Dezember 2006 III-131/8/47-2006 Abstand KG/Schi nicht umfasst.

 

Mit Eingabe vom 3. Juli 2007 wurde von X eine Anzeige des Bauvorhabens gemäß § 25 Abs.1 Z3 bis 14 Oö. BauO 1994 unter Anschluss der letztgültigen Pläne am 4. Juli 2007 bei der Marktgemeinde X eingebracht. Die eingetretenen Änderungen wurden mit Schreiben des Architekten DI X vom 30. Juli 2007 im Detail umschrieben. Dieses Schreiben erfasst auch die geänderte Ausführung der EG-Fassade bzw. der Terrassenbrüstung nicht mehr in Nurglas sondern als hinterlüftete broncefarbene Alu-Fassade.

 

Die nach Wegfall des Genehmigungsbescheides bzw. Fortsetzung der Arbeiten nach der Baueinstellung vorgenommenen Arbeiten sind vom Gesamtprojekt umfasst.

 

3.2. Der festgestellte Sachverhalt wurde aus dem Akteninhalt und den Aussagen des Vertreters der Berufungswerberin sowie den des bautechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung abgeleitet.

 

Die Bauherreneigenschaft der Berufungswerberin für das Bauvorhaben Neubau einer Apotheke mit Dienstwohnung und Arztpraxis auf dem Grundstück Nr. X und Nr. X KG X ist unbestritten.

 

Den Ausführungen der Berufung und den Angaben des Vertreters der Berufungswerberin in der mündlichen Verhandlung, wonach nicht mehr nachvollzogen werden könne, wer die nach dem 1. Oktober 2007 bis 29. Oktober 2007 vorgenommenen Baumaßnahmen durchgeführt hat, wurden von der belangten Behörde weder im Vorlageschreiben noch in der mündlichen Verhandlung entsprechende Beweise entgegengetreten.

Es war daher diesbezüglich im Zweifel den Ausführungen der Bw zu folgen.

 

Dass die Fassadenverkleidung der EG-Fassade im Südwesten des Gebäudes bzw. der Terrassenbrüstung als hinterlüftete broncefarbene Alu-Fassade ausgeführt wurde, ergibt sich aus den Angaben des Sachverständigen auf Seite 2 und 3 des Tonbandprotokolls vom 7. Juni 2010, wonach eine Betrachtung der Baubeschreibung in Zusammenschau mit dem Bauplan klar ergibt, welche Materialien in welchem Bereich zum Einsatz kommen sollen. Dem steht auch das Vorbringen des Vertreters der Berufungswerberin nicht entgegen, wonach der Bauplan keine Legende enthält, mit der festgelegt wäre, welche Materialien zum Einsatz kommen. Denn zutreffend hat der Vertreter der belangten Behörde auf Seite 3 des Tonbandprotokolls vom 7. Juni 2010 darauf hingewiesen, dass insbesondere aufgrund des Ortsbildgutachtens vom 18. August 2006 klargestellt war, dass die Ausführung im Bereich der Terrasse (Parapet) aus Glasflächen bestehen hätte sollen.

 

Die unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde zur Strafhöhe werden auch diesem Erkenntnis zugrunde gelegt.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 57 Abs.1 Z2 Oö. BauO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Bauherr oder Bauherrin oder Bauführer oder Bauführerin ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausführt oder vom bewilligten Bauvorhaben entgegen den Vorschriften des § 39 Abs.2 bis 4 abweicht.

 

Vom bewilligten Bauvorhaben darf gemäß § 39 Abs.2 Oö. BauO – sofern nicht Abs.3 oder 4 zur Anwendung kommt – nur mit Bewilligung der Baubehörde abgewichen werden. § 34 gilt sinngemäß.

 

Gemäß Abs.3 leg.cit darf ohne Bewilligung der Baubehörde von bewilligten Bauvorhaben abgewichen werden, wenn

1.       die Abweichung solche Änderungen betrifft, zu deren Vornahme auch bei bestehenden baulichen Anlagen eine Bewilligung nicht erforderlich ist, sowie

2.       Auflagen und Bedingungen des Baubewilligungsbescheides hievon nicht berührt werden.

 

Gemäß Abs.4 leg.cit. darf vom bewilligten Bauvorhaben nur nach Maßgabe des

§ 25a Abs.2 Oö. BauO abgewichen werden, wenn Abweichungen der im Abs.3 Z1 genannten Art anzeigepflichtig gemäß § 25 Abs.1 Z3 sind.  

 

§ 25a Oö. BauO regelt das Anzeigeverfahren gemäß der Oö. Bauordnung. Nach

§ 25a Abs.2 Oö. BauO darf mit der Bauausführung begonnen werden, wenn innerhalb der im Abs.1 genannten Frist (8 Wochen) die Ausführung des Bauvorhabens nicht untersagt wird oder die Baubehörde dem Anzeigenden schon vorher schriftlich mitteilt, dass eine Untersagung der Bauausführung nicht beabsichtigt ist.  

 

Gemäß § 57 Abs.7 Oö. BauO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Bauherr oder Bauführer nach einer Untersagung gemäß § 41 Abs.3 ohne Behebung des Mangels die Bauausführung fortsetzt.

 

3.3.2.  Zu Spruchpunkt 1.:

Die Berufungswerberin als Bauherrin ist dafür verantwortlich, dass von dem mit Bescheid vom 28. Dezember 2006 bewilligten Bauvorhaben durch Errichtung einer hinterlüfteten Alu-Fassade anstatt einer Nurglasfassade im Erdgeschoß im Südwesten des Gebäudes bzw. im Bereich der Terrassenbrüstung abgewichen wurde, ohne dass diese Abweichung rechtzeitig vor deren Ausführung einer Bewilligung durch Anzeige bei der Baubehörde zugeführt worden wäre.

 

Weil das  Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde X vom

22. 08.2007 an Mag. X der Bw am 29. August 2007, also erst am Ende des vorgeworfenen Tatzeitraums, zur Kenntnis gelangt ist, kann es – entgegen dem Berufungsvorbringen schon apriori nicht schuldausschließend sein.

 

Die nachträgliche Genehmigung der von der Bewilligung abweichenden Ausführung der Fassade wurde gemäß den Bestimmungen der Oö. BauO in Form eines Anzeigeverfahrens abgewickelt. Diesbezüglich wird auf die oben zitierten Rechtsvorschriften der §§ 57 Abs.1 Z2 iVm  39 Abs.4 und  25a Abs.2 Oö. BauO verwiesen. Der Tatvorwurf gem. § 57 Abs. 1 Z2 Oö. BauO erfolgte somit zu Recht. Auch diesbezüglich ist den Ausführungen der Berufung nicht zufolgen.

Die Rechtsmittelwerberin hat das Tatbild der ihr in Spruchpunk 1 vorgeworfenen Bestimmung erfüllt.

 

3.3.3.  Zu Spruchpunkt 2.:

 

Mit Behebung des Baugenehmigungsbescheides durch die Oö. Landesregierung ist auch die Eigenschaft der Bw als Bauherrin nicht mehr gegeben. So war sie vorübergehend nicht mehr Bauwerberin.

Die Weiterführung der Baumaßnahmen kann ihr damit nicht zugerechnet werden. Weil – wie sich aus den Feststellungen ergibt – nicht mehr nachvollzogen werden kann, wer die Baumaßnahmen nach Aufhebung des Baubewilligungsbescheides weitergeführt hat, war zu Gunsten der Berufungswerberin davon auszugehen, dass diese nicht von ihr weitergeführt wurden. Sie hat daher – in dubio – das Tatbild des ihr vorgeworfenen zweiten Spruchpunktes des angefochtenen Bescheides nicht erfüllt.

 

3.3.4. Zu Spruchpunkt 3.:

 

Die Berufung bestreitet nicht, dass nach Erlassung der Baueinstellung die Baumaßnahmen fortgeführt wurden. Weil mit dem an die Bw als Bauwerberin gerichteten Bescheids des Bürgermeisters der Marktgemeinde X vom 2. Oktober 2007, mit dem die Fortsetzung der Bauausführung untersagt wurde, gleichzeitig die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen wurde, war der Bescheid sofort vollstreckbar. Ausführungen zu einer allfälligen Rechtswidrigkeit dieses Bescheides sind im nunmehrigen Strafverfahren nicht zu prüfen, hatte die Berufungswerberin doch die Möglichkeit, gegen diesen Rechtsmittel zu erheben.

 

Auf die Ausführung der Berufung, es würde sich bei einer gleichzeitigen Bestrafung nach Spruchpunkt 2 und 3 um eine nach Artikel 4 7. ZPMRK verfassungswidrige Doppelbestrafung handeln, ist nicht weiter einzugehen, ist doch eine Bestrafung nach Spruchpunkt 2 des bekämpften Bescheides, wie oben dargelegt, nunmehr hinfällig.

 

Die Berufungswerberin hat damit auch hinsichtlich Spruchpunkt 3 tatbildlich im Sinne des ihr vorgeworfenen Rechtsnormen gehandelt.

 

3.3.5. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Die Berufungswerberin als Bauherrin wäre verpflichtet gewesen, sich vor Baubeginn mit den entsprechenden rechtlichen Bestimmungen auseinander zu setzten, sodass sie die Änderungsbewilligung zur Ausführung der hinterlüfteten broncefarbenen Alu-Fassade durch Abwicklung des Anzeigeverfahrens rechtzeitig in die Wege leiten hätte können und die Änderungsbewilligung vor Ausführung erlangt hätte. Es ist ihr damit fahrlässiges Verhalten durch Unterlassen vorzuwerfen.

Hinsichtlich der Fortsetzung der Bauausführung nach bescheidmäßiger Untersagung dieser durch den Bürgermeister der Marktgemeinde X ist der Berufungswerberin als Bauherrin vorzuwerfen, dass sie es unterlassen hat, der behördlichen Verfügung Folge zu leisten. Als Verschuldensgrad ist in diesem Fall Vorsätzlichkeit anzunehmen, auch wenn die Berufungswerberin aufgrund ihres Studiums an der Montan-Universität sich nicht durchgehend beim Bauprojekt aufgehalten hat.

 

Ihre Strafbarkeit ist daher gegeben.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Auszugehen ist von den von der belangten Behörde festgestellten Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Diesen hat die Berufungswerberin nichts entgegengehalten. Die belangte Behörde hat bei einem Strafrahmen von 1.450 Euro bis 36.000 Euro (§ 52 Abs.2 Oö. BauO) lediglich die Mindeststrafe verhängt. Entgegen den Ausführungen der Berufung konnte § 21 VStG und § 20 VStG nicht zur Anwendung kommen, war doch das Verschulden der Berufungswerberin weder zu Spruchpunkt 1 noch zu Spruchpunkt 3 geringfügig, – beim Tatbestand zu Spruchpunkt 3 wurde sogar vorsätzliches Verhalten angenommen. Auch kann nicht von einem Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen ausgegangen werden. Denn strafmildernd wurde nur die absolute verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit festgestellt.

 

Die Verhängung der Mindeststrafe ist überdies aus general- und spezialpräventiven Gründen unabdingbar.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde auf insgesamt 290 Euro; für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat hat die Rechtsmittelwerberin einen Kostenbeitrag von 20 % der verhängten Strafe zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann

 

Beachte:


Der angefochtene Bescheid wurde, soweit die Beschwerdführerin als Bauherrin verwaltungsstrafrechtlich belangt wurde, dass sie im Zuge der Errichtung einer Apotheke mit Dienstwohnung und Arztpraxis (Ordination) auf den Grundstücken A und B, KG X, in der Zeit vom 3.7.2007 bis 30.8.2007 die Fassade im Südwesten des Gebäudes bzw. die Terrassenbrüstung nicht in Nurglas, sondern als hinterlüftete broncefarbene Alu-Fassade ausgeführt hat, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

VwGH vom 15.03.2011, Zl.: 2010/05/0161-5

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