Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164851/2/Fra/Bb/Gr

Linz, 27.07.2010

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X X, geb. 1964, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X X, vom 23. Februar 2010  gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 3. Februar 2010, GZ VerkR96, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), zu Recht erkannt:

 

 

 

 

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

 

 

II.           Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z2 Verwaltungsstrafgesetz – VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat Herrn X X (dem Berufungswerber) mit Straferkenntnis vom 3. Februar 2010, GZ VerkR96, wie folgt für schuldig befunden:

 

"Sie haben im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 45 km/h überschritten habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde Seewalchen am Attersee, Autobahn A 1, Baustelle Seewalchen bei km 234,144, in Fahrtrichtung Wien.

Tatzeit: 14.08.2009, 01.20 Uhr."

 

Der Berufungswerber habe dadurch § 52 lit.a Z10a StVO verletzt.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 120 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden, verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages erster Instanz in Höhe von 12 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen das Straferkenntnis, das am 10. Februar 2010 dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende Berufung, die am 23. Februar 2010 – somit rechtzeitig – mittels Telefax erhoben wurde. Die Berufung wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingebracht.

 

In der Berufung bekämpft der Berufungswerber das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt und Umfang nach. Als Berufungsgründe werden Mangelhaftigkeit sowie Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

 

Das Verfahren sei mangelhaft, da den gestellten Beweisanträgen nicht entsprochen worden sei. Die Verwaltungsübertretung werde ausdrücklich bestritten. Zum angelasteten Tatzeitpunkt sei er mit seiner Familie auf dem Weg in den Urlaub gewesen. Es habe stark geregnet und er könne sich auch noch an die Baustellen auf der Autobahn erinnern. Gänzlich unglaubwürdig sei, dort mit 100 km/h gefahren zu sein. Es müsse sohin eine Fehlmessung vorliegen.

 

Darüber hinaus bringt der Berufungswerber vor, dass ihm nicht bekannt sei, ob eine gemäß § 15 Z3 MEG entsprechende Nacheichung des verwendeten Radargerätes erfolgt und ob dieses überhaupt im Einvernehmen mit dem Eich- und Vermessungsamt aufgestellt worden sei. Das Messergebnis lasse den Schluss zu, dass dies nicht geschehen ist. Er rügt auch, dass jeglicher Beweis für die auf Grund der Verwendungsbestimmungen des Radarmessgeräts einzuhaltenden Erfordernisse, unterblieben sei.

Schließlich stellt der Berufungswerber eine Reihe von Beweisanträgen und erachtet auch die verhängte Geldstrafe als überhöht.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat die Berufung und den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und in den Verordnungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu GZ VerkR01-1900-2008.

 

Die Durchführung der vom Berufungswerber beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das in Berufung gezogene Straferkenntnis aufzuheben ist. 

 

4.1. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat ergibt sich folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 14. August 2009 um 01.29 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen X auf der A 1 Westautobahn in Fahrtrichtung Wien. Eine Radarmessung mit dem stationären, geeichten Messgerät der Type MUVR 6FA 1975 ergab bei km 234,144 nach Abzug der in Betracht kommenden Messtoleranz eine tatsächliche Fahrgeschwindigkeit von 105 km/h. Für diese Straßenstelle war entsprechend den vor Ort aufgestellten Verkehrszeichen eine Geschwindigkeit von lediglich 60 km/h erlaubt.

 

Zu dieser Geschwindigkeitsbeschränkung ist Folgendes festzuhalten:

Es handelte sich insgesamt um eine umfangreiche und lang dauernde Baustelle auf der Westautobahn, welche von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Bescheid vom 2. September 2008 bewilligt wurde. In Auflagenpunkt 35 dieses Bescheides ist auch ein Zeitplan enthalten, wonach zum Zeitpunkt der dem Berufungswerber vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung die Bauphase 5 in Kraft war.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Verordnung vom 2. September 2008, GZ VerkR01-1900-2-2008, jene Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und –verbote für die Zeiträume, die aus dem Bescheid vom 2. September 2008, hervorgehen, verordnet, die sich aus den Plänen für die Bauphasen 1 bis 6 ergeben. Für den gegenständlichen Bereich wurde damit ein Geschwindigkeitstrichter angeordnet, wobei die 100 km/h-Beschränkung bei km 234,808, die 80 km/h-Beschränkung bei km 234,558 und die 60 km/h-Beschränkung bei km 234,358 begann. Dieser Geschwindigkeitstrichter wurde erstmals in der Bauphase 2 eingerichtet und durch das Aufstellen der Verkehrszeichen zwischen 23. und 26. September 2008 in Kraft gesetzt.

Die Geschwindigkeitsbeschränkungen waren in dieser Form auch während der Bauphase 3 gültig, allerdings hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Verordnung vom 3. März 2009, GZ VerkR01-1900-16-2008, die ursprüngliche Verordnung für die Bauphase 3 wie folgt geändert:

"Die 60 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Richtungsfahrbahn Wien beginnt anstatt bei km 234,358 erst bei km 234,108. Dadurch wird die vorher bestehende 80 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung bis km 234,108 verlängert." Diese abgeänderte Verordnung wurde durch das Entfernen der entgegenstehenden 60 km/h-Tafeln durch die Autobahnmeisterei Seewalchen am 3. März 2009 kundgemacht.

 

In weiterer Folge trat Bauphase 4 in Kraft, wobei es sich dabei lediglich um einen kurzen Bauabschnitt zur Änderung der Verkehrsführung handelte. Ob bzw. wie die Verkehrszeichen betreffend den gegenständlichen Geschwindigkeitstrichter während dieser kurzen Bauphase 4 aufgestellt waren, ergibt sich nicht aus dem Verordnungsakt. Auch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck konnte dazu keine Angaben machen. Vermutlich reichte die 80 km/h-Beschränkung auch während dieser Bauphase 4 bis km 234,108.

 

Die Verkehrszeichen für die Bauphase 5 wurden in der Zeit vom 26. bis 28. Mai 2009 entsprechend dem am 2. September 2008 verordneten Plan aufgestellt, sodass die Verkehrszeichen betreffend die 60 km/h-Beschränkung bereits bei km 234,358 angebracht wurden. Diese Aufstellung entsprach der ursprünglichen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 2. September 2008. Allerdings hatte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck diese Verordnung bereits vor dem Aufstellen der gegenständlichen Verkehrszeichen durch die Verordnung vom 19. Mai 2009 abgeändert. Durch diese Abänderungsverordnung wurde für die Bauphase 5 angeordnet, dass die 80 km/h-Beschränkung bis km 233,908 verlängert wurde und die 60 km/h-Beschränkung erst bei km 233,908 beginnt. Bei der Aufstellung der Verkehrszeichen, welche ca. 1 Woche nach Erlassen dieser Verordnung erfolgte, wurde diese Abänderung jedoch aus nicht feststellbaren Gründen nicht beachtet. In weiterer Folge wurden von der Exekutive Radarmessungen durchgeführt, welche auf Grundlage der ursprünglichen Verordnung und der tatsächlich aufgestellten Verkehrszeichen innerhalb der 60 km/h-Beschränkung erfolgten.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 52a Z10a StVO 1960 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometer im Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten.

 

Die Prüfung ordnungsgemäß kundgemachter Verordnungen steht dem Unabhängigen Verwaltungssenat gemäß Art. 129 Abs.3 B-VG nicht zu. Sofern der Unabhängige Verwaltungssenat Zweifel an der sachlichen Richtigkeit einer ordnungsgemäß kundgemachten Verordnung hat, hat er die Möglichkeit, die inhaltliche Richtigkeit der Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen. Ist eine Verordnung hingegen nicht gehörig kundgemacht, so hat sie der Unabhängige Verwaltungssenat nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht anzuwenden. Dies bedeutet, dass der Unabhängige Verwaltungssenat die Frage der Kundmachung der konkret anzuwendenden Verordnung zu prüfen hat.

 

5.2. Verkehrsbeschränkungen werden gemäß § 44 Abs.1 StVO durch das Anbringen der entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundgemacht. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar nicht auf das völlig exakte Aufstellen der Verkehrszeichen an, wenn der Aufstellungsort des Verkehrszeichens aber wesentlich von jener Stelle abweicht, die in der Verordnung vorgegeben wurde, ist die Verordnung nicht gehörig kundgemacht (vgl. z.B. VwGH 25. Jänner 2002, 99/02/0014). Im gegenständlichen Fall ist die Geschwindigkeitsbeschränkung für die Bauphase 5 durch das Aufstellen der Verkehrszeichen zwischen 26. und 28. Mai 2009 in Kraft gesetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Behörde ihre ursprüngliche Verordnung vom September 2008 durch die Verordnung vom 19. Mai 2009 abgeändert, sodass der abgeänderte Verordnungstext hätte kundgemacht werden müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen, sodass das Verkehrszeichen, welches den Beginn der 60 km/h-Beschränkung anzeigte, bei km 234,358 anstatt richtig bei km 233,908 aufgestellt wurde. Die Geschwindigkeitsbeschränkung für die Bauphase 5 wurde daher nicht ordnungsgemäß kundgemacht.

 

Anzuführen ist, dass sich diese Konsequenz lediglich aufgrund des zeitlichen Ablaufes betreffend Änderung der ursprünglichen Verordnung und Aufstellung der Verkehrszeichen ergibt. Wären die Verkehrszeichen entsprechend der ursprünglichen Verordnung bereits vor der Änderungsverordnung vom 19. Mai 2009 aufgestellt worden, so hätte das unterlassene Anbringen der Verkehrszeichen entsprechend der Änderungsverordnung lediglich bewirkt, dass diese Änderung nicht in Kraft getreten wäre. Für diesen Fall wäre eben die Änderungsverordnung nie in Kraft gesetzt und die Geschwindigkeitsbeschränkung für die Bauphase 5 entsprechend der ursprünglichen Verordnung rechtmäßig kundgemacht worden. Da jedoch die Änderungsverordnung bereits vor dem Aufstellen der Verkehrszeichen erlassen wurde, bilden die ursprüngliche Verordnung und die Änderungsverordnung eine Einheit, welche den behördlichen Willen darstellen. Die Änderungsverordnung hätte daher bei der Aufstellung der Verkehrszeichen berücksichtigt und die Verkehrszeichen entsprechend der geänderten Verordnung aufgestellt werden müssen. Zum Zeitpunkt des Anbringens der Verkehrszeichen am 28. Mai 2009 hatte die Behörde am "Tatort" eine 80-km/h-Beschränkung verordnet, es wurde jedoch ein Verkehrszeichen lautend auf 60-km/h angebracht.

 

Im Ergebnis wurde jene 60 km/h-Beschränkung, deren Missachtung dem Berufungswerber vorgeworfen wird, nicht ordnungsgemäß kundgemacht, sodass sie vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht angewendet werden darf. Es war daher der Berufung stattzugeben und das Straferkenntnis aufzuheben. Auch das Überschreiten der von der Behörde eigentlich beabsichtigten 80 km/h-Beschränkung kann dem Berufungswerber nicht vorgeworfen werden, weil innerhalb des beabsichtigten Geltungsbereiches der 80 km/h-Beschränkung eine Beschränkung auf 60 km/h aufgestellt war und daher auch die 80 km/h-Beschränkung nicht ordnungsgemäß kundgemacht war.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigte es sich, auf die konkreten Sachvorbringen des Berufungswerbers in Bezug auf durchgeführte Geschwindigkeitsmessung und das verwendete Radarmessgerät einzugehen. Es war folglich spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Johann  F r a g n e r

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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