Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231112/2/SR/Sta

Linz, 02.08.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x geboren am x, Staatsangehöriger von Nigeria, x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 1. Juni 2010, Zl.: S – 48.028/09-2, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.  Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde einen Beitrag zu den Kosten des  Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in Höhe von 16 Euro (das sind 20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

Zu II.: § 64. VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 1. Juni 2010, Zl.: S–48.028/09-2, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 80,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er, wie am 25. September 2009 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt worden sei, Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes sei und sich seit 6. Juni 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufhalte, da er weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei, er nicht im Besitz eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei, ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukomme und er nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sei.

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 Z. 2-4 und 6 FPG genannt.

 

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges sowie nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen sieht die belangte Behörde sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben an.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 9. Juni 2010 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende rechtzeitig erhobene Berufung vom 17. Juni 2010.

 

Darin stellt der Bw zunächst den Antrag auf Aufhebung des in Rede stehenden Straferkenntnisses sowie auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens. 

 

Die Bezugnahme auf die höchstgerichtliche Judikatur sei nicht nachvollziehbar und auf ihn nicht zutreffend. Richtig sei, dass der Einhaltung der fremdenrechtlichen Vorschriften ein hohes allgemeines Interesse zukomme. Die belangte Behörde hätte aber bei richtiger Beurteilung zum Ergebnis gelangen müssen, dass selbst bei Annahme eines weiterhin unrechtmäßigen Aufenthaltes mangels Aufenthaltstitels die Folgen der Übertretung bei Berücksichtigung seiner konkreten und individuellen Umstände unbedeutend seien. Zum inkriminierten Zeitpunkt habe es zwar eine rechtskräftige negative Asylentscheidung gegeben, eine rechtskräftige Ausweisungsentscheidung sei jedoch nicht vorgelegen. Über die Zulässigkeit der Ausweisung sei noch nicht entschieden. Zur beabsichtigten Ausweisung werde auf die beiliegende Stellungnahme verweisen. Eine Ausweisung sei aufgrund dessen verfassungswidrig und nicht zulässig, da das Asylverfahren sowohl der Lebensgefährtin als auch der gemeinsamen Kindern noch nicht abgeschlossen sei. Hätte die belangte Behörde diese Umstände richtig gewürdigt und rechtlich beurteilt, so hätte sie trotz der angenommenen Verletzung der fremdenpolizeilichen Vorschriften von unbedeutenden Folgen ausgehen müssen. Da das Verschulden so geringfügig ist, hätte die belangte Behörde von einer Bestrafung absehen müssen  

 

2.1. Mit Schreiben vom 1. Juli 2010 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt. Da im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, lediglich Rechtsfragen zu klären waren, der Sachverhalt unwidersprochen klar auf der Hand liegt, konnte gemäß § 51e Abs. 3 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von folgendem Sachverhalt und Verfahrensablauf aus:

Der Bw, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 28. November 2003 illegal nach Österreich ein. Der von ihm am 28. November 2003 unter der Zl. AI 03 36.642 gestellte Asylantrag wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. Juni 2009, GZ A14 248.851-0/2008/5E, als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria festgestellt. Innerhalb offener Frist hat der Bw dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde nach Aktenlage nicht zugesprochen.

Im Anschluss an die Ausweiskontrolle des Bw in x, auf Höhe des Hauses x, bei der festgestellt wurde, dass das Asylverfahren des Bw seit dem 5. Juni 2009 rechtskräftig abgeschlossen ist und sich der Bw seit diesem Zeitpunkt nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufhält, erstattete die PI Ottensheim Anzeige an die BH Urfahr-Umgebung. Diese trat gemäß § 29a VStG das Strafverfahren an die belangte Behörde ab. 

Der Polizeidirektor von Linz erließ am 28. Dezember 2009 gegen den Bw eine Strafverfügung, in der ihm vorgeworfen wurde, sich seit 6. Juni 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet aufzuhalten, und verhängte über den Bw eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden).

Gegen diese Strafverfügung, die dem Bw am 12. Jänner 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, erhob der Bw mit Schreiben vom 19. Jänner 2010 Einspruch. Im Wesentlichen decken sich die Ausführungen mit jenen in der Berufung.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2010 wurde der Bw von der Bundespolizeidirektion Linz geladen und aufgefordert, sich zu dem ihm zur Last gelegten Vorwurf der Übertretung des § 120 FPG zu rechtfertigen. Innerhalb offener Frist sprach der Bw vor, teilte mit, dass über die Ausweisung noch nicht entschieden und ihm von den einschreitenden Beamten die Aufenthaltsberechtigungskarte abgenommen worden sei. Im Übrigen verweise er auf seine bisherigen Angaben.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Im vorliegenden Fall wurde die Erfüllung der objektiven Tatseite auch vom Bw selbst in keinster Weise in Abrede gestellt. Der Bw hat die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts in Österreich eingestanden, jedoch vermeint, dass er aufgrund der fehlenden Ausweisungsentscheidung nicht mit einer Geldstrafe belegt werden hätte dürfen. Der im angefochtenen Bescheid vorgeworfene Tatzeitraum beginnt mit 6. Juni 2009. Das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 1. Juni 2010 wurde dem Bw am 9. Juni 2010 zugestellt. Fraglich ist - angesichts der in diesem Zeitraum erfolgten Novellierungen des Fremdenpolizeigesetzes – welche Fassung der einschlägigen Rechtsgrundlagen heranzuziehen ist.

 

Dauerdelikte sind bereits mit Setzung der Tathandlung vollendet, aber erst mit ihrem Aufhören beendet. "Der Lauf von Verjährungsfristen setzt erst mit der Beendigung der Tat ein; auch ist die gesamte Tat nach jener Rechtslage zu beurteilen, die in diesem Zeitpunkt gilt" (N. Raschauer, Wessely: Verwaltungsstrafrecht, Allgemeiner Teil, Graz 2005, S. 53).

 

Daraus ergibt sich, dass die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses anzuwenden ist, somit die im April 2010 geltende Fassung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, geändert mit BGBl. I Nr. 135/2009.

 

3.2. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

3.3. Im vorliegenden Fall ist – auch vom Bw - völlig unbestritten, dass er zumindest die Ziffern 2-4 und 6 des § 31 Abs. 1 FPG (wie im angefochtenen Erkenntnis vorgeworfen) nicht erfüllt, und dass somit der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts grundsätzlich erfüllt ist.

 

Die Einwendung, eine Bestrafung sei nicht zulässig, da gegen den Bw keine rechtskräftige Ausweisungsentscheidung vorliege, geht ins Leere, da durch diesen Umstand ein unrechtmäßiger Aufenthalt keinesfalls zu einem rechtmäßigen gewandelt werden kann und somit die Tatbestandsmäßigkeit fraglos erhalten bleibt. Auch die Frage der Integration im Bundesgebiet wäre nur insofern von Relevanz, als sie dokumentierbar Niederschlag in einer dementsprechenden Berechtigung finden müsste. Im vorliegenden Fall kann sich der Bw – schon mangels entsprechenden Antrags – nicht auf die §§ 44 ff NAG stützen.

 

Der objektive Tatbestand ist somit als gegeben anzusehen.

 

3.4. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist § 120 FPG als Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 VStG anzusehen, da zur Vollendung der Tat kein Erfolg eintreten muss. Im Sinne des § 5 VStG genügt fahrlässiges Verhalten des Bw für das Vorliegen der subjektiven Tatseite. Der Bw ist daher gehalten, glaubhaft zu machen, dass er nicht fahrlässig gehandelt hat.

 

Eindeutig ist hier von zumindest fahrlässigem Verhalten – eher aber sogar von Vorsatz auszugehen. Dem Bw war fraglos bewusst, dass er sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhielt und er nahm diesen Umstand auch in Kauf.

 

Vielmehr unterließ er – wie sich aus der Aktenlage offensichtlich ergibt – jegliche effektive Versuche seinen Aufenthalt zu legalisieren und vertraut darauf, dass eine Ausweisungsentscheidung nicht rechtskräftig ergehen werde. Dies stellt aber keinen Schuldentlastungsnachweis nach § 5 VStG dar.

 

Die subjektive Tatseite ist somit ebenfalls gegebenen. Rechtfertigungsgründe sind nicht hervorgekommen.

 

3.5. Hinsichtlich der Strafbemessung ist anzumerken, dass § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 zum Zeitpunkt der Tatvollendung keine Mindeststrafe vorgesehen hat. Im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Erkenntnisses, Fassung BGBl. I Nr. 135/2009, war jedoch eine Mindeststrafe von 1.000,- Euro vorsehen. Die Strafverfügung vom 28. Dezember 2009, zugestellt am 12. Jänner 2010 (Einspruch 19. Jänner 2010), bezog sich noch auf die vor dem 1. Jänner 2010 geltende Fassung und wies eine Geldstrafe von 80,- Euro auf.

 

Gemäß § 49 Abs. 2 letzter Satz VStG darf in dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis keine höhere Strafe verhängt werden, als in der Strafverfügung.

 

Dementsprechend hat die belangte Behörde im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Verfahrens die 1.000 Euro betragende Mindeststrafe nicht herangezogen, sondern im erstinstanzlichen Erkenntnis die in der Strafverfügung verhängte Geldstrafe beibehalten.

 

§ 21 VStG kann – entgegen dem Berufungsvorbringen – schon deshalb nicht in Anwendung gebracht werden, zumal das inkriminierte Verhalten keinesfalls den von dieser Gesetzesbestimmung geforderten geringfügigen Grad des Verschuldens aufweist. Auch können die Folgen der Tat aus derzeitiger Sicht  nicht als unbedeutend qualifiziert werden.

 

3.6. Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen, das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Ergebnis war der Bw gemäß den §§ 64 ff. VStG zusätzlich zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde, ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in Höhe von 16 Euro (das sind 20% der verhängten Geldstrafe) vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

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