Linz, 15.07.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Frau Mag. Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 27. Jänner 2010, Zl. VerkR96-18181-2009, zu Recht:
I. Die im Punkt 1.) gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Im Punkt 2.) wird der Berufung Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Punkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber im Punkt 1.) € 260,-- (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1 u. § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 50/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:
2. Dagegen wendete sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin erhobenen Berufung – im Punkt I. nur gegen das Strafausmaß gerichtet - mit folgenden Ausführungen:
2.1. Mit dem Vorbringen zu Punkt II. ist der Berufungswerber im Recht!
3. Die Behörde erster Instanz hat irrtümlich den Verfahrensakt zur Berufungsentscheidung erst mit 14. Juli 2010 vorgelegt, wobei der Akt bereits mit Schreiben vom 22. Februar 2010 zur Versendung an die Berufungsbehörde vorbereitet wurde. Laut Rückfrage soll der Akt irrtümlich bei der Behörde erster Instanz wieder abgelegt worden sein.
Die Berufungsbehörde ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte angesichts der außer Streit stehenden Tatsachen und mangels eines gesonderten Antrages unterbleiben (§51 Abs.1 Z1 u. Abs.3 Z3).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Dieser beinhaltet die Anzeige der Polizeiinspektion Vöcklabruck vom 10.3.2010 und wegen des Führerscheinentzuges den Bericht der Polizeiinspektion Schörfling vom 7. März 2010, GZ: B5/5714/2009-May.
Dem Akt angeschlossen befindet sich ferner das Urteil des LG Wels vom 26.8.2009, 13 Hv 139/09h. Über den Inhalt kann in Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Berufungsausführungen verwiesen werden.
Ebenfalls findet sich ein im Rahmen des Gerichtsverfahrens eingeholtes ärztliches SV-Gutachten im Akt.
Ebenfalls findet sich dem Verfahrensakt das h. Erkeknntnis vom 23.12.2009, VwSen-522464/4/Br/Th über den Entzug der Lenkberechtigung angeschlossen. Zum letztgenannten Verfahrensakt waren Vormerkungsanfragen der Bundespolizeidirektion Wien, der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, sowie ein Auszug aus dem Führerscheinregister angeschlossen.
3.2. Aus der sogenannten VStG-Anzeige ergibt sich der hohe Alkoholsierungsgrad des Berufungswerbers im Zuge seines Agressionsdeliktes, von einem Unfallereignis ist aus diesem Anzeigetext jedoch nichts zu entnehmen. Zum Tatort hatte sich der Berufungswerber mit dem Pkw begeben. Aus dem Endbericht der Polizeiinspektion Schörfling wird ebenfalls das Gewaltdelikt bzw. die beim Versuch bleibenden massiven Aggressionshandlungen dargestellt und die Festnahmegründe beschrieben. Von einer im Zusammenhang mit dem Fahrzeug herbeigeführten Beschädigung findet sich auch darin kein Hinweis. Eine diesbezügliche konkrete Anlastung fehlt auch in der Aufforderung zu Rechtfertigung vom 1.4.2009.
Insgesamt kann dem gesamten Verfahren nicht nachvollziehbar entnommen werden inwiefern sich der Berufungswerber einer unterlassenen Meldepflicht schuldig gemacht hätte.
Alleine schon aus der Aktenlage heraus vermag sohin den Berufungsausführungen im Punkt 2.) gefolgt werden. Abgesehen von der Tatsache der auf Grund der hohen Alkoholsierung eingeschränkten Deliktsfähigkeit, insbesondere aber der im Zusammenhang mit der Festnahme objektiv fehlenden Möglichkeit einer Meldepflicht überhaupt nachkommen zu können, wäre von einer schuldhaften Pflichtverletzung im Verlauf der Ereignisse nicht erweislich ausgegangen worden. Abgesehen davon, dass sowohl die Anzeige, die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 1.4.2009 und zuletzt auch nicht das Straferkenntnis eine Schadensbeschreibung zum Inhalt hat, enbehrt der Tatvorwurf jedenfalls auch eines subjektiven Tatschuldbeweises. Dahingestellt kann auch bleiben, inwieweit der angeblich beim Haus Hehenfeldstraße Nr. 13 angeblich verursachte Schaden nicht bereits im Schuld- u. Unwertgehalt von der gerichtlichen Verurteilung umfasst zu sehen wäre.
Da der Berufungswerber als Schädiger gegenüber dem auch von seiner Straftat betroffenen Geschädigten mit seiner Identität wohl ebenfalls nie in Frage gestanden sein dürfte, würde der Tatvorwurf der unterbliebenen Unfallmeldung letztlich auch am gesetzlich intendierten Schutzziel des § 4 Abs.5 StVO vorbeigehen und dem Prinzip der Vermeidung unnötiger Verwaltungsabläufe zu wider laufen.
Der Tatvorwurf der Fahrerflucht entbehrt insgesamt jeglicher inhaltlichen Nachvollziehbarkeit.
3.3. Der Berufungswerber wurde gemäß dem obzitierten Urteil wegen des Verbrechens der schweren Nötigung (§ 105 u. § 106, § 107, § 109 StGB), und der Vergehen des Hausfriedensbruches, der gefährlichen Drohung, sowie der absichtlich schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, wobei die gesamte Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Seine bisherige Unbescholtenheit und die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit wurden bei der Strafbemessung mildernd bewertet. Das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend.
3.3.1 Wie bereits im Führerscheinentzugsverfahren festgestellt, wurde dem 37-jährigen Berufungswerber, wie bereits im Arztbrief 1998 unter Hinweis auf eine Entzugsbehandlung 1997 eine Alkohoabhängigkeit vom sogenannten Typ II nach Lesch attestiert. Es wurde ihm eine strikte Alkoholabstinenz emfohlen.
Ebenso geht dies aus den Arztbriefen vom 3.1.2006, vom 13.6.2008 und der Amamnese des KH Vöcklabruck, wo der Berufungswerber offenbar nach diesem Vorfall in Behandlung war und abermals der Entlastungsdiagnose hervor. Ebenso finden sich als diangnostische Feststellungen beim Berufungswerber Anpassungsstörungen mit längeren depressiven Reaktionen, sowie die Neigung zu aggressiven Verhalten mit geringer sozialer Orientierung, selbstbezogener und unsolidarischer Selbsteinschätzung mit einer sehr hohen Bereitschaft zur Durchsetzung seiner sozialen Interessen. Er leidet jedoch an dieser dadurch bedingten sozialen Isolierung (Arztbrief 2006).
Aus dem im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Vorfall eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten der Gerichtsmedizin Linz vom 10.3.2009, GZ: 10 St 50/09w, ergibt sich zusammenfassend eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung seiner Diskretions- u. Dispositionsfähigkeit zum Tatzeitpunkt.
3.4. Da sich ein Fahrerfluchtsdelikt weder in der Substanz (was wurde mit dem vom Berufungswerber zum Tatort gelenkten KFZ konrekt beschädigt) noch auf der Schuldebene erwiesen gelten kann war den Berufungsausführungen in diesem Punkt zu folgen und das Verwaltungsstrafverfahren im Punkt 2.) nach § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.
5. Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Demgemäß ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß der Mitteilung der Rechtsvertreterin vom 24.9.2009 belaufen sich diese auf täglich 27,60 Euro Arbeitslosenunterstützung, wobei dem 350 Euro an Verbindlichkeiten als Sogepflichten für zwei Kinder gegenüber stehen.
Die Berufungsbehörde weist in diesem Zusammenhang auf die verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hin, wonach eine Geldstrafe selbst dann zu verhängen ist, wenn der Bestrafte kein Einkommen bezieht und ihre Bezahlung aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse unwahrscheinlich ist (VwGH 21.3.1975, 770/74; 15.10.2002, 2001/21/0087).
Die Tat hinsichtlich Spruchpunkt I. schädigte angesichts eines Alkoholsierungsgrades von deutlich über drei Promille im größten Maß die Interessen der Verkehrssicherheit. Alkoholdelikte zählen insgesamt zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften (VwGH 11.7.2000, 2000/11/0011).
Die Verwirklichung eines solchen zeigt insbesondere die mangelhafte Verbundenheit mit dem Schutzgut „Sicherheit im Straßenverkehr“, bringt doch die Teilnahme am Straßenverkehr im alkoholisierten Zustand immer wieder mit sich, dass andere Verkehrsteilnehmer oft schwerst zu Schaden kommen (VwGH 20.3.2001, 2000/11/0089).
Mit Inkraftreten der 12. FSG-Novelle wurden mit BGBl. I Nr. 93/2009 auch die Strafsätze für Alkoholdelikte geändert. Ab 1.9.2009 gilt für eine Alkofahrt mit über 1,6 Promille ein Mindesstrafsatz von 1.600 Euro.
Vor diesem Hintergrund vermag die mit 1.300 Euro (Mindeststrafe 1.162 Euro) und knapp mehr als zwei Tage über der Mindestersatzfreiheitsstrafe festgesetzte Strafe als überdurchschnittlich milde und keinesfalls überhöht erachtet werden. Dies insbesondere unter Bedachtnahme den diesen (höchsten) Strafsatz auslösenden doppelten Alkoholisierungsgrad.
Selbst im Falle der behaupteten ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, der bestehenden Sorgepflichten, die im Übrigen nicht näher ausgeführt wurden und der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit, kann hier daher eine Herabsetzung des Strafausmaßes nicht in Betracht kommen.
Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r