Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231053/2/BMa/Eg

Linz, 21.07.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X, vertreten durch Dr. X, Dr. X, Mag. X, Mag. X, Rechtsanwälte in X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 21. Juli 2009, Sich96-318-2009, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009


Begründung:

 

1.1. Aufgrund einer Anzeige der Polizeiinspektion Traun vom 19. Mai 2009 wurde vom Bezirkshauptmann von Linz-Land die Strafverfügung vom 15.6.2009 erlassen, wonach X (im Folgenden: Bw) eine Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes vorgeworfen wurde.

 

1.2. Diese Strafverfügung wurde ihm am 27. Juni 2009 durch Hinterlegung zugestellt. Mit Mail vom 14. Juli 2009 wurde vom rechtsfreundlich vertretenen Bw Einspruch erhoben und die Einleitung des ordentlichen Verfahrens beantragt.

 

1.3. Dieser Einspruch wurde mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 21. Juli 2009, Sich96-318-2009, als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, der Beschuldigte könne gegen eine Strafverfügung nur binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch bei der Behörde erheben, die die Strafverfügung erlassen habe. Aus dem Rückschein sei ersichtlich, dass die gegenständliche Strafverfügung im Wege der Hinterlegung beim Postamt X am 27. Juni 2009 rechtsgültig zugestellt gewesen sei. Die Rechtsmittelfrist sei ab diesem Zeitpunkt gelaufen und habe mit Ablauf des 13. Juli 2009 geendet. Der Einspruch sei aber erst am 14. Juli 2009 per E-Mail übermittelt worden und sei daher verspätet gewesen.

Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Bw am 24. Juli 2009 zugestellt.

 

1.4. Die dagegen am 5. August 2009 – und damit rechtzeitig – bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land eingebrachte Berufung wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 26. August 2009 vorgelegt.

 

1.5. Die Berufung führt an, der Einspruch sei vom Bw rechtzeitig erhoben worden. Der Bw habe sich nämlich in der Zeit vom 24. Juni 2009 bis zum 30. Juni 2009 nicht an der Abgabestelle in der X, aufgehalten, weil er sich zu dieser Zeit in Bosnien zur Regelung von Erbschaftsangelegenheiten befunden habe. Zum Beweis dafür wurde unter anderem eine notariell beglaubigte Bestätigung von X vorgelegt. Weiters wurde ausgeführt, der Bw sei am 1. Juli 2009 wieder zur Abgabestelle zurückgekehrt und habe dort die Verständigung der Hinterlegung vorgefunden und damit erstmals Kenntnis von dieser erlangt. Die Vierzehntagesfrist für den Einspruch habe erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, sohin am 1. Juli 2009, zu laufen begonnen.

Zudem sei dem Bw von der Behörde das ihm zustehende Parteiengehör nicht eingeräumt worden. Diesbezüglich liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Abschließend wurde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu diesen aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückzuverweisen, jedenfalls aber gemäß
§ 51e Abs. 2 AVG eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen.

 

Der Berufung angeschlossen ist die Aussage des X mit notarieller Beglaubigung und deren Übersetzung.

 

2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt Sich96-318-2009 der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen (§ 51e VStG).

 

Die Angelegenheit war durch ein Einzelmitglied zu entscheiden, weil mit dem angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (§ 51c VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

   

"Abgabestelle" i.S. des Zustellgesetzes ist u.a. die Wohnung oder sonstige Unterkunft des Empfängers (§ 2 leg.cit.).

 

X hat sich von 24. Juni 2009 bis 30. Juni 2009 nicht an seiner Wohnadresse und somit nicht an seiner Abgabestelle i.S. des Zustellgesetzes aufgehalten, weil er zur Regelung von Hinterlassenschaftsangelegenheiten im Ausland war.

Damit aber hat die Wohnung ihren Charakter als Abgabestelle für diesen Zeitraum verloren. Denn eine Ortsabwesenheit in der Dauer einer Woche hebt den Charakter einer Räumlichkeit als Wohnung im Sinne des Zustellgesetzes auf. Eine Hinterlegung gemäß § 17 Zustellgesetz darf unter einer solchen Adresse nicht erfolgen, weil es an einer Abgabestelle fehlt. Es liegt daher auch keine "hinterlegte Sendung" im Sinne des § 17 Abs.3 ZustellG vor (VwGH 5.11.1984,84/10/0176).

 

Die Berufung hat damit zurecht angeführt, die Zustellung sei nicht durch Hinterlegung erfolgt, sondern erst, als die Sendung dem Bw tatsächlich zugekommen ist.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte nur über die Frage der Verspätung zu entscheiden, denn "Sache", zu deren Entscheidung der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist, ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der erstinstanzlichen Behörde bildet.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann


Rechtssatz zu VwSen-231053/2/BMa/Eg vom 21. Juli 2010:

 

§ 17 Abs. 3 ZustellG:

Der Bw hat sich von 24. Juni 2009 bis 30. Juni 2009 nicht an seiner Wohnadresse und somit nicht an seiner Abgabestelle i.S. des Zustellgesetzes aufgehalten, weil er zur Regelung von Hinterlassenschaftsangelegenheiten im Ausland war.

Damit aber hat die Wohnung ihren Charakter als Abgabestelle für diesen Zeitraum verloren. Denn eine Ortsabwesenheit in der Dauer einer Woche hebt den Charakter einer Räumlichkeit als Wohnung im Sinne des Zustellgesetzes auf. Eine Hinterlegung gemäß § 17 Zustellgesetz darf unter einer solchen Adresse nicht erfolgen, weil es an einer Abgabestelle fehlt. Es liegt daher auch keine "hinterlegte Sendung" im Sinne des § 17 Abs.3 ZustellG vor (VwGH 5.11.1984,84/10/0176).

 

 

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