Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222422/2/Bm/Sta

Linz, 06.08.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 16.6.2010, Ge96-15-2010, wegen Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,  zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben; dem Antrag vom 10.6.2010 wird stattgegeben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 iVm § 67a Abs.1, 67d und § 71 und § 72 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid vom 16.6.2010 hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden den Antrag des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 3.2.2010, Ge96-15-2010, abgewiesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Bw durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter innerhalb offener Frist Berufung erhoben und diese im Wesentlichen damit begründet, dass die Behörde mit ihrer Entscheidung einem gravierenden Rechtsirrtum über den Zusammenhang des Zustellgesetzes einerseits und den Bestimmungen über die Wiedereinsetzung andererseits unterliege. Die Behörde verweise darauf, dass die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt sei und dass eben aus diesem Grund ein Wiedereinsetzungsantrag nicht zu bewilligen sei. Genau darin liege eben der Irrtum: Ein Wiedereinsetzungsantrag ist dort angebracht, wo zwar eine rechtsmäßige Zustellung erfolgte, der Betroffene jedoch aus Gründen die er nicht grob verschuldet hat, gehindert war, auf die Zustellung ordnungsgemäß und fristgerecht zu reagieren. Wäre die Zustellung als solche rechtsunwirksam, so wäre nicht mit einem Wiedereinsetzungsantrag vorzugehen, vielmehr wäre unter Hinweis auf die Nichtigkeit eines Zustellvorgangs das Verfahren von Amts wegen neu aufzunehmen.

Im gegenständlichen Fall sei vom Bw glaubhaft darauf hingewiesen worden, dass er niemals eine Verständigung über eine Hinterlegung erhalten habe. Diese müsste somit offenkundig von einem Passanten weggenommen worden sein, zumal die Verständigung laut Angaben des Zustellers an der Eingangstüre zum Geschäftslokal angebracht und nicht in einem Briefkasten geworfen worden sei. Dieser Eingangsbereich befinde sich im Freien, jeder Passant habe die Möglichkeit diesen Zettel wegzunehmen und könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Zettel durch den Wind etc. weggefegt worden sei. Jedenfalls werde durch die Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung durch den Bw bescheinigt, dass er nie eine Verständigung bekommen habe.

Somit könne ihn an der Nichterstattung eines Einspruches überhaupt kein Verschulden treffen, weil er vom Strafverfahren keine Kenntnis gehabt habe. Die Behörde hätte daher dem Antrag auf Wiederreinsetzung in der vorigen Stand stattgeben müssen. Hingewiesen wird darauf, dass die Behörde in ihrer Begründung der Abweisung des Vorbringen des Bw, wonach er die Verständigung nicht gesehen habe, nicht widerlegt habe.

Es werde daher der Antrag gestellt,

- der Berufung Folge zu geben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung des Einspruchs gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 3.2.2010 stattzugeben.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat diese Berufung samt dem bezughabenden Verfahrensakt zu Entscheidung vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Mi Strafverfügung vom 3.2.2010, Ge96-15-2010, wurde über den Bw eine Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO verhängt. Als Zustelladresse wurde "x" verfügt. Nach dem aktenkundigen Rückschein wurde diese Strafverfügung nach einem erfolglosen Zustellversuch bei der angegebenen Adresse beim Zustellpostamt x hinterlegt. Die Verständigung über diese Hinterlegung wurde an der Eingangstüre des Objektes x, mit dem Vermerk des Beginns der Abholfrist mit 5.2.2010 angebracht.

Eine Behebung dieses Schriftstückes beim Zustellpostamt x ist nicht erfolgt und wurde das Kuvert mit dem Vermerk "nicht behoben" der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zurückgemittelt.

Nachdem mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 1.6.2010 über den Bw die Exekution über einen Beitrag von 200 Euro angedroht wurde, wurde vom Rechtsvertreter des Bw mit der Bezirkshauptmannschaft Gmunden Kontakt aufgenommen und wurde daraufhin von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden dem Rechtsvertreter des Bw am 8.6.2010 unter anderem die Strafverfügung per Mail übermittelt.

Mit Eingabe vom 10.6.2010 wurde daraufhin vom Bw der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt sowie Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 3.2.2010, Ge96-15-2010, erhoben.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 16.6.2010, Ge96-15-2010, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 17 Abs.1 Zustellgesetz ist, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in der selben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

 

Nach Abs.2 dieser Bestimmung ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder aber, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

 

Nach Abs.4 Zustellgesetz ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die in Abs.2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

 

Gemäß § 71 Abs.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

5.2. Vorweg ist festzuhalten, dass die Frage, ob die gegenständliche Strafverfügung ordnungsgemäß zugestellt wurde, vom Problem der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu unterscheiden ist.  

Könnte von einer ordnungsgemäßen Zustellung nicht ausgegangen werden, dann wäre die Wiedereinsetzung von vornherein nicht erforderlich, da in diesem Fall in Ermangelung der Zustellung der Strafverfügung vom 3.2.2010 diese noch gar nicht erlassen wäre. Die Behandlung des Wiedereinsetzungsantrages setzt somit die Klärung der Frage voraus, ob die Zustellung der Strafverfügung nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes ordnungsgemäß erfolgt ist. Bejahendenfalls ist erst dann die weitere Frage zu prüfen, ob der Bw durch ein von ihm rechtzeitig geltend gemachtes, unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis an der Wahrnehmung der mit dieser (ordnungsgemäßen) Zustellung ausgelösten Einspruchsfrist gehindert war (VwGH 6.5.1997, 97/08/0022).

Vorliegend ist dies der Fall; die Zustellung der Strafverfügung erfolgte mängelfrei.

 

Durch die sohin erfolgte Erlassung der Strafverfügung ist der Raum für einen allfälligen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand frei.

Die Unkenntnis der Zustellung der Strafverfügung kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens überschreitet.

Eine solche Unkenntnis wird vom Bw vorgebracht und angeführt, dass die Verständigung offenkundig von einem Passanten weggenommen worden sei, zumal die Verständigung an der Eingangstüre zum Geschäftslokal angebracht und nicht in einen Briefkasten geworfen wurde. Dieser Eingangsbereich befindet sich im Freien, jeder Passant hat die Möglichkeit diese Verständigung wegzunehmen, wobei auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verständigung durch den Wind etc. weggefegt wurde.

 

Nach § 71 Abs.1 Z1 AVG ist von der Partei der behauptete Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, wobei nach der Judikatur des VwGH die Glaubhaftmachung lediglich bezweckt, die Richtigkeit einer Tatsache bloß wahrscheinlich zu machen.

 

Eine solche Glaubhaftmachung der Unkenntnis der Zustellung der Strafverfügung ist dem Bw mit seinem Vorbringen, die Eingangstüre zum Geschäftslokal befinde sich im Freien, sei somit öffentlich zugänglich und könne damit nicht ausgeschlossen werden, dass ein Dritter die Verständigung entfernt habe, gelungen.

Für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates ist eine Entfernung der Verständigung durch Dritte – vor allem vor dem Hintergrund, dass die Verständigung, dadurch, dass das Gastlokal nur in den Abendstunden geöffnet ist, längere Zeit an der Eingangstüre, zu der jedermann Zugang hat, angebracht war - nicht unglaubwürdig und durchaus vorstellbar, weshalb in diesem Fall die Wiedereinsetzung zu bewilligen war.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 72 Abs.1 AVG damit das Verfahren in jene Lage zurücktritt, in der es sich vor der Versäumung der Einspruchsfrist befunden hat.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

 

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