Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222393/2/Bm/Sta

Linz, 27.07.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt  Linz vom 11.3.2010, GZ. 0056478/2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) zu Recht erkannt:

 

I.             Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.         Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 11.3.2010, GZ. 0056478/2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 200 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 62 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 1 Abs.3 Oö. Sperrzeitenverordnung iVm § 113 Abs.7 und § 368 GewO 1994 verhängt.

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x, welche das Lokal "x" im Standort x, zum Zeitpunkt der Übertretung in der Betriebsart einer Bar betrieben hat und somit als nach § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher folgende Verwaltungsü­bertretung zu vertreten:

Im Zuge einer Kontrolle durch die Bundespolizeidirektion Linz, PI Landhaus, am 20.12.2009 um 05:00 Uhr wurde festgestellt, dass da oa. Lokal noch betrieben wurde, indem sich noch mehrere Gäste im voll beleuchteten Lokal befanden, die Eingangstüre nicht versperrt war und Hintergrundmusik dargeboten wurde.

Diesen Gästen wurde um 05:00 Uhr das Verweilen im Lokal gestattet, obwohl für das genannte Lokal in der Oö. Sperrzeitenverordnung 2002 die Sperrstunde mit 04:00 Uhr festgelegt ist."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der anwaltliche Vertreter des Bw innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und diese im Wesentlichen damit begründet, dass es richtig sei, dass x handelsrechtlicher Gesellschafter der x sei. Die x betreibe seit August 2009 am Standort x, das Lokal "x". Es sei richtig, dass kein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt worden sei und keine Ausnahmebewilligung zur Sperrzeitenverordnung vorliege.

Der Bw habe die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen, weil zum einen nicht erwiesen sei, dass sich zu den in den Bescheiden angeführten Zeitpunkten tatsächlich Gäste im Lokal befunden haben und zum anderen er schuldlos gehandelt habe, weil er auf die Wirksamkeit des Feststellungsbescheides gemäß § 359b Abs.1 Z2 GewO des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30.7.2001, GZ. 501/W011024E, mit dem die Betriebszeiten von 02.00 Uhr bis 06.00 Uhr verlängert worden seien, vertrauen habe können. Für die Strafbarkeit fehle das Verschulden.

Der Bw sei ungarischer Staatsbürger und mit den österreichischen Gesetzen soweit vertraut, dass er auf die Rechtswirksamkeit dieses Bescheides vertrauen habe können. Ein objektiv sorgfältiger ungarischer Gastronomiebetreiber ausgestattet mit dem Wissen des Beschuldigten hätte, da er nicht rechtskundig sei, auch darauf vertraut, dass die Sperrstunde auf 06.00 Uhr verlängert worden sei. Für einen ungarischen Gastronomiebetreiber sei der Unterschied in der rechtlichen Qualifizierung zwischen einem Betriebsanlagenbescheid und einer Verlängerungs-(Ausnahme)-Bescheid zur Sperrzeitenverordnung nicht erkennbar. Bei der Auslegung von Bescheiden sei nach der Wortinterpretation vorzugehen.

Im Bescheid vom 30.7.2001 finde sich im Spruch die Formulierung:

"Art und Umfang Verlängerung der Betriebszeit von 02.00 Uhr auf 06.00 Uhr".

Für einen juristisch (im Gewerberecht) Gebildeten lasse sich daraus vielleicht entnehmen, dass es sich dabei nur um die Anlagenbewilligung handle, für einen durchschnittlichen Gastronomen, der aber als Maßfigur heranzuziehen sei, sicherlich nicht.

Vor Übernahme des Lokals habe sich der Bw mehrmals bei der Wirtschaftskammer für Oö. nach den einschlägigen Bestimmungen erkundigt. Ihm sei dort unter Vorlage des Bescheides die Auskunft erteilt worden, dass für das Lokal eine Bewilligung bis 06.00 Uhr vorliege. Er habe berechtigter Weise darauf vertrauen können, dass durch den Feststellungsbescheid die Öffnungszeiten bis 06.00 Uhr verlängert worden seien. Sollte sich daher am 18.12.2009 tatsächlich ein Gast im Lokal befunden haben und ein Verstoß gegen die Sperrzeitenverordnung vorliegen, so habe sich der Bw in einem Rechtsirrtum befunden, weshalb er nicht fahrlässig gehandelt habe und deshalb nicht zu bestrafen sei. Die Strafe sei aber auch überhöht und weder tat- noch schuldangemessen. Zu bedenken sei, dass sich die drei Vorfälle in einem Zeitraum von nur 8 Tagen ereignet hätten; diese Überschreitungen hätten auch in einem Straferkenntnis zusammengefasst werden können. Nach der Konzentrationsmaxime wäre ein Strafverfahren und das Verhängen einer Strafe wohl ausreichend gewesen.

Sinn und Zweck eines Verwaltungsstrafverfahrens soll es sein, den Beschuldigten von der neuerlichen Übertretung von Verwaltungsvorschriften abzuhalten. Das Verschulden des x sei als sehr gering anzusehen, durch die Übertretung der Sperrzeitenverordnung sei auch niemandem ein Schaden entstanden. Beim ersten Verstoß gegen die Sperrzeitenverordnung hätte auch ein Verweis ausgereicht, um ihn von der weiteren Begehung von Übertretungen abzuhalten.

 

Der Bw stellt die Anträge auf Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Einstellung der gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren mangels Verschulden, in eventu

auf Herabsetzung der gegen ihn verhängten Strafe.

 

 

3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 113 Abs.7 leg.cit. haben die Gastgewerbetreibenden die Betriebsräume und die allfälligen und sonstigen Betriebsflächen, ausgenommen die der Beherbergung dienenden, während der festgelegten Sperrzeiten geschlossen zu halten, während dieser Zeit dürfen sie Gästen weder den Zutritt zu diesen Räumen und zu diesen Flächen noch dort ein weiteres Verweilen gestatten und die Gäste auch nicht in anderen Räumen oder auf anderen sonstigen Flächen gegen Entgelt bewirten. Die Gastgewerbetreibenden haben die Gäste rechtzeitig auf den Eintritt der Sperrstunde aufmerksam zu machen; sie haben den Betrieb spätestens zur Sperrstunde zu verlassen.

 

Gemäß § 1 Abs.3 Oö. Sperrzeitenverordnung 2002 müssen Gastgewerbebetriebe in der Betriebsart Bar, Diskothek und Nachtclub spätestens um 04.00 Uhr geschlossen und dürfen frühestens um 18.00 Uhr geöffnet werden.

 

Gemäß § 368 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 1.090 Euro zu bestrafen ist, als die in §§ 366 und 367 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.

 

Gemäß § 22 Abs.1 VStG sind Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.

 

Eine Ausnahme von diesem in § 22 Abs.1 VStG enthaltenen Prinzip besteht bei einem fortgesetzten Delikt. Darunter ist eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Der Zusammenhang muss sich äußerlich durch zeitliche Verbundenheit objektivieren lassen (Hauer/Leukauf, Handbuch des Österr. Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1376 und 1383 mit Judikaturnachweisen).

Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit unbefugter Gewerbeausübung werden, sofern mehrere von einem einheitlichen Tatwillen umfasste Tathandlungen gegeben sind, nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur als

sogenanntes fortgesetztes Delikt gewertet. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates ist auch der vorliegende Sachverhalt der vorgeworfenen Sperrstundenüberschreitung nicht anders zu beurteilen und ist - sofern ein zeitlicher Zusammenhang vorliegt - auch bei der Sperrstundenüberschreitung von einem fortgesetzten Delikt auszugehen und daher nur die Verhängung einer einheitlichen Gesamtstrafe und Gesamtfreiheitsstrafe zulässig.

 

Aus dem Wesen dieser Straftat als fortgesetztes Delikt folgt aber, dass die Bestrafung für einen bestimmten Tatzeitraum auch die in diesem gelegenen, wenn auch erst später bekannt gewordenen Einzeltathandlungen erfasst. Dies bedeutet, dass ungeachtet einer im Spruch des Strafbescheides der Behörde I. Instanz angeführte Tatzeit, alle Einzeltathandlungen bis zu der mit seiner Zustellung erfolgten Fällung des Strafbescheides I. Instanz erfasst sind und daher wegen solcher Einzeltathandlungen nicht neuerlich gegen denselben Täter eine Strafe verhängt werden darf (Hauer/Leukauf, Seite 1383, Anmerkung 6 mit Judikaturnachweisen).

 

Vorliegend wurde mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 11.3.2010, GZ. 0005257/2010, der Bw hinsichtlich einer Sperrzeitenüberschreitung am 18.12.2009 bestraft. Nach dem Akteninhalt wurde dieses Straferkenntnis dem anwaltlichen Vertreter des Bw am 17.3.2010 zugestellt. Dies bedeutet, dass durch dieses Straferkenntnis, welches die erste Tathandlung bestraft, alle weiteren im Gesamtvorsatz des Beschuldigten und wie vorliegend im zeitlichen Zusammenhang gesetzten Einzeltathandlungen bis einschließlich 17.3.2010 von der Bestrafung mit umfasst sind, somit auch die vorliegend vorgeworfene Übertretung vom 20.12.2009.

Dass vorliegend vom Beschuldigten ein einheitlicher Willensentschluss zum Überschreiten der Sperrzeit vorgelegen ist, ergibt sich aus dem Berufungsvorbringen.

 

Das vorliegende Straferkenntnis war daher auf Grund des Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

 

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