Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231126/2/BP/Rt

Linz, 23.08.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, vertreten durch X, X, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 7. Juli 2010, Zl.: S-39.722/09-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Versammlungsgesetz, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis   aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des          Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen    Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö.       Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungs­verfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II.: § 65f. VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 7. Juli 2010, Zl.: S-39.722/09-2,  wurden über  den  Berufungswerber  (im Folgenden: Bw)  gemäß § 11 Abs. 1 bzw. 2 iVm. § 19 Versammlungsgesetz je eine Geldstrafe in Höhe von 110 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: je 72 Stunden) verhängt, weil er

1. wie am 1. Mai 2009 um ca. 11 Uhr in X, X, X, festgestellt worden sei, als verantwortlicher Leiter der durchgeführten Versammlung des X nicht für die Wahrung des Gesetzes und die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Versammlung gesorgt habe, da an der Versammlung Personen teilgenommen hätten, die ihre Gesichtszüge durch Kapuzen, Sonnenbrillen und Staubmasken verhüllt hätten, um ihre Wiedererkennung zu verhindern.

2. Er habe – wie am 1. Mai 2009 um X, festgestellt worden sei - als verantwortlicher Leiter der durchgeführten Versammlung des X die Versammlung nicht aufgelöst, nachdem seiner Anordnung an die Versammlungsteilnehmer, die Gesichtszüge nicht zu verhüllen, keine Folge geleistet worden sei.

 

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen bejaht die belangte Behörde das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Tatseite. Die verhängten Geldstrafen seien tat- und schuldangemessen.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2010 erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertretung Berufung gegen den oa. Bescheid, der dem Bw durch Hinterlegung am 13. Juli 2010 zugestellt worden war.

 

Darin führt er aus, dass der in Rede stehende Bescheid seinem ganzen Umfang nach unter Geltendmachung unrichtiger Sachverhaltsfeststellung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten wird. Es wird der Berufungsantrag gestellt, der unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich möge nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung den angefochtenen Bescheid aufheben und das gegen den Bw geführte Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Die belangte Behörde unterlasse es, im angefochtenen Bescheid eine erkennbare Differenzierung zwischen Parteienvorbringen, von ihr getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und deren rechtlichen Beurteilung vorzunehmen. Die den Bw belastenden Sachverhaltselemente würden sich ausschließlich auf die Feststellungen des Meldungslegers vom 30. Juli 2009 gründen, würden sich jedoch nicht mit dem objektivierbaren Ablauf des Geschehens decken. Selbst wenn, was bestritten werde, ursprünglich "vermummte" Personen an der Versammlung teilgenommen hätten, hätten diese Personen ihre Vermummung zu einem späteren Zeitpunkt abgelegt, sodass zum Zeitpunkt des Eintreffens des Behördenvertreters jedenfalls keine vermummten Personen mehr anwesend gewesen seien. Das polizeiliche Einschreiten habe nicht darauf gezielt, dass alle Vermummungen abgelegt würden, sondern dass alle vorher vermummten Personen einer Identitätsfeststellung unterzogen würden. Dabei indiziere die Verwendung der Wortfolge "zuvor Vermummten", dass selbst nach der Wahrnehmung des Anzeigers die von ihm für vermummt gehaltenen Personen ihre Vermummungen abgelegt hätten.

 

Weiters wird bestritten, dass im in Rede stehenden Fall überhaupt Vermummung im Sinne des § 9 Versammlungsgesetz vorgelegen habe, der darauf abziele, dass die Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung gewährleistet sein müsse. Es sei kein Sachverhalt vorgelegen, der den Veranstaltungsleiter im Sinne des § 11 Abs. 2 Versammlungsgesetz 1953 veranlassen hätte müssen, die Versammlung aufzulösen. § 11 Abs. 2 Versammlungsgesetz 1953 sei darüber hinaus im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 leg.cit. zu verstehen. Diese Norm berechtige die Behörde zur Auflösung einer bereits in Gang befindlichen, gegen Vorschriften des Versammlungsgesetzes verstoßenden Versammlung nur "nach Umständen". Das inkriminierte Verhalten der Versammlungsteilnehmer habe die durchgängig anwesende Behörde über Stunden nicht bestimmt, von der ihr nach § 13 Abs. 2 VersG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid habe der Bw die anwesenden Personen aufgefordert, ihre Gesichtszüge nicht durch Kleidung oder andere Gegenstände zu verhüllen. Damit habe er seiner Verpflichtung als Leiter der Versammlung entsprochen.

 

2.1. Die belangte Behörde übermittelte die "Berufung" samt dem bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 16. August 2010.  

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie in die Akten VwSen-420590, VwSen-420593, VwSen-420594, VwSen-420595 und VwSen-420597 und das in diesen Verfahren beim Oö. Verwaltungssenat erhobene Beweismaterial. Nachdem sich bereits daraus ergibt, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, entfiel die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 VStG.

 

2.3. Bei seiner Entscheidung geht der Oö. Verwaltungssenat von folgendem  entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

 Der Bw war Anmelder der Versammlung des X und fungierte als Verantwortlicher dieser Versammlung am X. Während des – ansonsten in rechtlicher Sicht unauffällig verlaufenden – Sammelns ab ca. 10:45 Uhr für den angemeldeten Marsch der Demonstrationsteilnehmerinnen und –teilnehmer vom X bis zum X wurde von den Sicherheitskräften festgestellt, dass auch eine Gruppe von – mit schwarzen Kapuzensweatern, großen schwarzen Sonnenbrillen Halstüchern bzw. Staubmasken bekleideten – Personen im Begriff war, an diesem Marsch teilzunehmen. Nachdem der Bw über diesen Umstand informiert wurde, versuchte er in weiterer Folge mittels Megafon um kurz nach 11 Uhr auf diese Gruppe einzuwirken, einerseits die die Gesichtszüge verhüllenden (Bekleidungs)gegenstände zu entfernen, andererseits an der von der Polizei beabsichtigten Identitätsfeststellung mitzuwirken. Diese Aufforderung ist auf einem – von der Polizei erstellten - Video aufgezeichnet. Die angesprochenen Demonstrantinnen und Demonstranten folgten der Aufforderung insofern, als sie – wie auf dem Video weiters ersichtlich ist – die zur Verhüllung geeigneten Gegenstände in der Weise abnahmen, sodass danach bei keiner im umfangreichen Beweismaterial aufgezeichneten Person eine Kombination aus schwarzer Kapuze, Sonnenbrille und (hochgezogenem) Halstuch mehr vorlag. Ebenfalls ist im relevanten Zeitraum keine Person abgebildet, die durch eine Staubmaske ihr Gesicht verhüllte.

 

Die Versammlung wurde weder vom Bw noch von Seiten der Exekutive aufgelöst.

 

2.4. Die im Sachverhalt getroffenen Feststellungen gründen insbesondere auf das von der Polizei zum Verfahren VwSen-420597 beigebrachte Video. Daraus ergeben sich im Grunde auch keine Widersprüche zu dem im in Rede stehenden Strafverfahren von der belangten Behörde erhobenen Sachverhalt, zumal der Meldungsleger die Tatsache der Vermummung auf den Beginn der Versammlung gründet, der nach den Erhebungen des Oö. Verwaltungssenates im Verfahren VwSen-420593 bzw. VwSen-420594 mit ca. 10:45 Uhr anzusetzen ist.

 

2.5. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. 58/1954 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 127/2002 dürfen an einer Versammlung keine Personen teilnehmen, die ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllen oder verbergen, um ihre Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 Versammlungsgesetz haben für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen

 

Gemäß § 11 Abs. 2 Versammlungsgesetz haben sie gesetzwidrigen Handlungen sofort entgegenzutreten und wenn ihren Anordnungen keine Folge geleistet wird, ist die Versammlung durch deren Leiter aufzulösen.

 

Gemäß § 19 Versammlungsgesetz sind Übertretungen dieses Gesetzes, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu 6 Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden.

 

3.2. Hinsichtlich der im § 9 Abs. 1 VersG angesprochenen Vermummung ist für den vorliegenden Fall zunächst festzustellen, dass das Tragen einer Kapuze, das Tragen einer schwarzen Sonnenbrille oder das Tragen eines nicht über die Kinnpartie hinaufgezogenen Halstuches per se nicht geeignet ist, den Tatbestand dieser Norm zu erfüllen. Anders wird es sich wohl beim Tragen von Gesichtsmasken jeglicher Art verhalten. Zur Verhüllung der Gesichtszüge ist jedoch sehr wohl geeignet, wenn man von einer Kombination aus in die Stirn gezogener Kapuze, großflächiger Sonnenbrille und über die Kinnpartie gezogenem Halstuch ausgeht. Wie im Verfahren zu VwSen-420593 festgestellt, trat die eben beschriebene Kombination im Zeitpunkt des Sammelns bei einigen Personen zu Tage, weshalb die Exekutive zum einen den Bw als verantwortlichen Versammlungsleiter aufforderte, diese Gesetzesverletzungen abzustellen, zum anderen wegen des Verdachts derartiger Verwaltungsübertretungen eine Identitätsfeststellung    bei   betreffenden   Demonstrationsteilnehmerinnen   und

-teilnehmern durchführte.

 

Wie im Sachverhalt ebenfalls festgestellt, wendete sich der Bw mittels Megafon an die Versammlungsteilnehmerinnen und –teilnehmer, um sie aufzufordern, jegliche die Gesichtszüge verhüllenden Bekleidungsstücke bzw. Gegenstände abzulegen. Dieser Umstand wird im übrigen auch nicht vom Meldungsleger bestritten. Fraglich ist nun, ob der Bw damit seiner Pflicht iSd § 11 Abs.1 VersG entsprochen hat.

 

3.3. Bei einer Größenordnung wie bei der in Rede stehenden Versammlung mit nicht exakt kalkulierbarem Teilnehmerkreis ist es für einen Veranstalter im Vorfeld der Versammlung nicht möglich, die Einhaltung etwa der Bestimmungen des § 9 VersG zu kontrollieren. Die in § 11 Abs. 1 genannte Sorgfaltspflicht kann also weitgehend reaktiv erfolgen. Nachdem naturgemäß für die Durchsetzung der Gesetzesmäßigkeit einem Veranstalter aufgrund des Gewaltmonopols der staatlichen Organe lediglich gelindere Mittel zur Verfügung stehen, ist der Sorgfaltspflicht zunächst genüge getan, wenn der Versammlungsleiter auf allenfalls rechtswidrig agierende Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Sinne der Herstellung der Rechtmäßigkeit einzuwirken sucht. Genau dies hat der Bw unbestrittener Maßen getan, indem er mittels Megafon zu den Demonstrantinnen und Demonstranten sprach, diese aufforderte jegliche zur Maskierung geeigneten Gegenstände abzulegen und an der Identitätsfeststellung mitzuwirken.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt I fehlt es also schon an der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Bw. Zu prüfen bleibt in der Folge, ob der Bw die Versammlung gemäß § 11 Abs. 2 VersG auflösen hätte müssen.

 

3.4. Es kann im vorliegenden Fall nicht als erwiesen angesehen werden, dass nach dem Einschreiten des Bw Personen an der Versammlung vermummt teilgenommen hätten. Im Gegenteil zeigt das hier einschlägige Video der Polizei zwar Personen, die teils Kapuzensweater, teils schwarze Sonnenbrillen, teils Halstücher (nicht aber über die Kinnpartie gezogen) trugen, jedoch nicht in der hinsichtlich einer allfälligen Vermummung geforderten kombinierten Weise. Der spruchgemäße Vorwurf, dass seinen Anordnungen, die Gesichtszüge nicht zu vermummen, keine Folge geleistet worden wäre, scheint unter diesem Hintergrund nicht angebracht, weshalb auch die von § 11 Abs. 2 VersG geforderte Rechtsfolge vom Bw zum inkriminierten Zeitpunkt ca. 11 Uhr nicht zu ergreifen war. Das Argument, dass auch von Seiten der Exekutive zu keinem Zeitpunkt eine Auflösung erfolgte, kann jedoch nur hilfsweise herangezogen werden, zumal § 11 Abs. 2 VersG unabhängig von § 13 leg.cit. zum Tragen kommt.

 

Unabhängig von den weiteren Vorkommnissen im Rahmen dieser Versammlung zu einem späteren Zeitpunkt, bestand um ca. 11 Uhr jedenfalls noch nicht die Pflicht für den Bw als Versammlungsleiter, die Demonstration aufzulösen. Nachdem sich aber der Spruch des angefochtenen Bescheides lediglich auf diesen Zeitpunkt und insbesondere auf den Umstand der Vermummung von Personen und nicht andere in der Folge ergriffene Verwaltungsübertretungen bezog, mussten diese außer Acht gelassen werden und auch in Spruchpunkt II kein Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit des Handelns des Bw konstatiert werden.

 

3.5. Da es jeweils schon am Vorliegen der objektiven Tatseite mangelt, war der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.  

 

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

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