Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164900/4/Zo/Sta

Linz, 17.08.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der X, vertreten  durch X, vom 18.2.2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 29.1.2010, Zl. VerkR96-62643-2009, wegen zwei Übertretungen der StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z2 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat der Berufungswerberin im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass sie am 9.11.2009 um 16.15 Uhr in Attnang-Puchheim bei der Kreuzung der B1 mit dem Europaplatz als Lenkerin des Sattelzugfahrzeuges X mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten habe. Weiters habe sie bei diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt. Sie habe daher zu 1.) eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.1 lit.a und zu 2.) eine solche nach § 4 Abs.5 StVO begangen, weshalb über sie Geldstrafen in Höhe von 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 84 Stunden bzw. von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt wurden. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 25 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Berufungswerberin aus, dass sie von der Polizei angehalten worden sei. Danach sei ihr mitgeteilt worden, dass es angeblich in Attnang auf der B1 bei der Kreuzung mit dem Europaplatz zu einem Unfall gekommen sei, wobei ein blauer Ford an ihr hinteres linkes Stoßstangeneck gefahren sei.

 

Sie sei in Attnang etwa die erlaubten 60 km/h gefahren und habe vor der Ampel wegen Rotlicht anhalten müssen. Wegen der dort befindlichen unebenen Kanaldeckel befahre sie diese Straßenstelle immer in der Straßenmitte und nach dem Anfahren habe sie wieder auf den rechten Fahrstreifen wechseln wollen.

 

Wenn sie mit ihrem ca. 40 t schweren Lkw fahre bzw. stehe und von hinten fahre ein Pkw mit so niedriger Geschwindigkeit in ihre Stoßstange, dass bei ihr keinerlei Beschädigung zu sehen sei, so könne sie einen derartigen Anstoß unmöglich spüren. Es liege daher keineswegs Fahrerflucht vor. Der Polizei gegenüber habe sie ihre Daten ohnedies bekannt gegeben, weshalb ihre Identität auch festgestellt worden sei.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung einer Stellungnahme eines Sachverständigen zur Frage, ob die Berufungswerberin den gegenständlichen Verkehrsunfall wahrnehmen konnte. Bereits daraus ergibt sich, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die Berufungswerberin lenkte zur Vorfallszeit das Sattelkraftfahrzeug mit dem Kennzeichen X und X in Attnang-Puchheim auf der B1. Im Bereich der Kreuzung mit dem Europaplatz musste sie vor einer roten Ampel anhalten. Beim Wegfahren verschaltete sie sich vorerst, konnte aber dann den richtigen Gang einlegen und weiterfahren. In diesem Zusammenhang fuhr die Zweitbeteiligte mit ihrem Pkw mit dem Kennzeichen X hinten auf das Sattelzugfahrzeug auf, wobei sie mit dem rechten vorderen Fahrzeugeck das linke hintere Fahrzeugeck des Sattelauflegers berührte. Dabei entstand sowohl beim Sattelaufleger als auch beim Pkw Sachschaden. Ob dieser Verkehrsunfall durch einen Aufmerksamkeitsfehler der nachfahrenden Pkw-Lenker oder eine abrupte Geschwindigkeitsverringerung (durch das von der Berufungswerberin geschilderte Verschalten) des Sattelzugfahrzeuges verursacht wurde, ist für die Beurteilung des Fahrerfluchtvorwurfes im Verwaltungsstrafverfahren nicht von wesentlicher Bedeutung.

 

Die Berufungswerberin setzte ihre Fahrt fort, ohne das Fahrzeug anzuhalten, weshalb die Zweitbeteiligte ihr nachfuhr und auch mehrmals die Lichthupe betätigte. In weiterer Folge verständigte die Zweitbeteiligte die Polizei und von dieser wurde die Berufungswerberin angehalten.

 

Zur Frage, ob die Berufungswerberin diesen Verkehrsunfall wahrnehmen konnte, führte der Sachverständige aus, dass eine Wahrnehmbarkeit als Anstoßgeräusch oder Anfahrruck nicht nachweisbar sei. Allerdings sei der Zusammenstoß über den linken Außenspiegel für die Lenkerin des Sattelkraftfahrzeuges gut wahrnehmbar gewesen, weil der Pkw seitlich versetzt war. Sofern die Berufungswerberin zum Zeitpunkt der Fahrzeugberührung in den linken Außenspiegel geschaut hat, hätte sie die Kollision daher optisch wahrnehmen müssen. Aus den Aktenunterlagen ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Berufungswerberin aus fahrtechnischen Gründen zum Zeitpunkt der Kollision in den Außenspiegel hätte schauen müssen.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfalls­ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 die an diesem Unfall ursächlich beteiligten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die angeführten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Übertretungen des § 4 StVO nicht nur vorsätzlich sondern auch fahrlässig begangen werden. Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn dem Beschuldigten Umstände bewusst werden oder bei gehöriger Aufmerksam hätten bewusst werden müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls zu erkennen vermochte (siehe zB VwGH vom 17.4.1991, 90/02/0209 sowie vom 23.5.2002, 2001/03/0417).

 

Im gegenständlichen Fall hätte die Berufungswerberin den Verkehrsunfall allenfalls optisch durch den linken Außenspiegel wahrnehmen können. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Berufungswerberin gerade bei einer Ampel weggefahren ist und wieder zur Gänze auf den rechten Fahrstreifen wechseln wollte. Sie hatte daher keinen Anlass, in den linken Außenspiegel zu blicken, allenfalls hätte sie auf Grund des Fahrstreifenwechsels den rechten Außenspiegel beachten müssen. Ihr Schaltfehler mag allenfalls eine kurzfristige abrupte Geschwindigkeitsreduktion bewirkt haben, nachdem diese aber mit keinerlei Spuränderung des Fahrzeuges verbunden war, bestand auch deshalb kein Anlass für die Berufungswerberin, den linken Außenspiegel besonders zu beachten.

 

Die Berufungswerberin hätte den gegenständlichen Verkehrsunfall daher theoretisch über den linken Außenspiegel wahrnehmen können, sie war aber in der gegenständlichen Verkehrssituation keineswegs verpflichtet, in diesen zu blicken. Ihre Behauptung, dass sie den Unfall nicht bemerkt hat, kann daher nicht widerlegt werden und es ist ihr auch kein Aufmerksamkeitsfehler vorzuwerfen, weil sie eben nicht verpflichtet war, den linken Außenspiegel zu beachten. Es trifft sie daher an den ihr vorgeworfenen Übertretungen kein Verschulden, weshalb der Berufung stattzugeben und das Straferkenntnis aufzuheben war. Anzuführen ist, dass die Berufungswerberin sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht geäußert hat, weshalb die Frage der Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalls von der Bezirkshauptmannschaft nicht geprüft wurde.

 

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

 

 

 

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