Linz, 25.08.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 6. Juli 2010, Zl. S-24639/10-1, nach der am 25.8.2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 135/2009 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 135/2009 – VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates wurde damit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war hier zwingend durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).
3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesen des erstinstanzlichen Aktes. Der an der Berufungsverhandlung persönlich ohne seinen Rechtsvertreter teilnehmende Berufungswerber wurde als Beschuldigter zum Sachverhalt befragt. Zeugenschaftlich einvernommen wurde RI X. Ebenfalls als Zeugin einvernommen wurde Frau X.
Es wurde insbesondere auch die Aufschaltmöglichkeit des Radios ohne Einschalten der Zündung auf Startposition durch Einschau in das Betriebshandbuch erhoben.
Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.
4. Sachverhalt:
Wie aus der Meldung bzw. Anzeige hervorgeht wurde der Meldungsleger im Rahmen einer Fußstreife auf den auf Höhe X absgestellten Pkw aufmerksam, weil von diesem lautstarke Musik ausging. Im Pkw wurden folglich angeblich vier Personen, drei Männer und eine Frau festgestellt.
Der Berufungswerber befand sich auf dem Fahrersitz dieses Fahrzeuges, dessen Zulassungsbesitzer der Vater des Berufungswerbers ist. Als der Berufungswerber vom Meldungsleger aufgefordert wurde die Musik leiser zu stellen, schaltete er das Radio durch Drehen des Zündschlüssels ab.
Dem Berufungswerber wurde folglich die Bezahlung eines Organmandates anheim gestellt. Dessen Bezahlung verweigerte er jedoch mit dem Hinweis, dass er vor 22:00 Uhr das Radio so laut aufdrehen dürfe wie er wolle. Da schließlich beim Berufungswerber auch Alkoholgeruch festgestellt wurde, erfolgte die aufforderung zur Atemluftuntersuchung. Diese verlief mit dem oben angeführten Ergebnis.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung erklärte der Berufungswerber diese Sachlage im Ergebnis inhaltsgleich, wobei jedoch nur zwei Männer und ein Frau im Auto waren. Er ist mit zwei weiteren Personen zum Stadtfest nach Linz gefahren. Vorweg bestand die Absicht X im Auto zu übernachten und am nächsten Tag wieder nach Tirol zurück zu fahren.
Das entsprechende Schlafzeug befand sich im Auto. Nach dem FM4-Konzert hat er sich mit seinen Begleitern zum Fahrzeug begeben um die Zeit bis zur nächsten Veranstaltung um 22:00 Uhr zu verbringen. Dort wurde eine Flasche Wein geöffnet und man befand sich teilweise im und auch außerhalb des Fahrzeuges. Als ihn zwei Polizisten vorerst beanstandeten, die Musik leiser zu machen oder das Radio auszuschalten tat er dies durch Zurückdrehen des Zündschlüssels. Der Berufungswerber beteuerte, dass zu keinem Zeitpunkt die Absicht bestanden hat mit dem Fahrzeug wegzufahren.
Aus dem vom Berufungswerber vorgelegten Betriebshandbuch aber auch den Zeugenaussagen konnte nachvollzogen werden, dass die Inbetriebnahme des Radios offenbar erst bei der entriegelten Lenkradsperre möglich ist, wobei in dieser Stellung des Zündschlüssels die Zündung noch nicht eingeschaltet zu sein scheint. Dies bestätigten auch die Angaben der Zeugen, weil sie kein Licht am Armaturenbrett wahrgenommen haben.
Der Zeuge RI X erklärte dies im Rahmen seiner Zeugenaussage im Ergebnis inhaltsgleich, wobei er offenbar die bloße Betätigung des Zündschlüssels vom Fahrersitz aus als Inbetriebnahmehandlung qualifizierte. Er meinte durch das von ihm wahrgenommene Drehen des Zündschlüssels nach links um das Radio auszuschalten müsste logisch ein Drehen in die „Ein“ – Stellung voraus gegangen sein. Das von ihm wahrgenommene Betätigen des Zündschlüssels qualifizierte offenbar nicht einmal der Meldungsleger selbst als Handlung einer Inbetriebnahme oder eines diesbezüglichen Versuches.
Auf Grund der bestehenden Alkoholbeeinträchtigung wurde jedenfalls eine Aufforderung zur Atemluftuntersuchung ausgesprochen und durchgeführt.
Auch die Begleiterin des Berufungswerbers, Frau X, schilderte den Ablauf über den Grund und die Umstände des Aufenthaltes im Auto inhaltsgleich.
4.1. Vor diesem Hintergrund gelangte die Berufungsbehörde zur Überzeugung, dass im Verhalten des Berufungswerbers weder eine Inbetriebnahmehandlung, noch je eine Absicht dazu bestanden hat. Selbst die Wahrnehmung des Meldungslegers, deren rechtliche Einschätzung offenbar eine andere war, lässt in der Substanz auf keine der Fahrzeuginbetriebnahme vorausgehende Vorbereitungshandlung schließen. Dem Berufungswerber wurde daher in seiner Verantwortung gefolgt.
Zu bemerken ist abschließend, dass offenbar die Führerscheinbehörde das Entzugsverfahren noch vor rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren im Rahmen der Vorfragebeurteilung ebenfalls nicht als Alkodelikt qualifizierte.
5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Es ist sohin rechtlich zu beurteilen, ob alleine das Drehen des Zündschlüssels –das hier nur dem Zweck des An- bzw. Abstellen des Radios diente - auch als Inbetriebnahme oder versuchte Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges im Sinne des § 5 Abs.1 StVO 1960 zu qualifizieren ist.
Ein Fahrzeug gilt der ständigen Rechtsprechung zur Folge etwa dann als in Betrieb genommen, wenn eine Handlung gesetzt wird, die auf ein Ingangsetzen des Fahrzeuges und auf den sich daran anschließenden Betrieb gerichtet ist (Pürstl-Sommereder, Straßenverkehrsordnung, 11. Aufl. S.106 Rz 5).
Ebenso ist auf § 99 Abs.5 StVO zu verweisen, wonach wohl auch der Versuch der Inbetriebnahme eines KFZ strafbar ist.
Wer aber in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versucht, ein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen, wird jedoch nicht bestraft, wenn er aus freien Stücken oder von wem immer auf seinen Zustand aufmerksam gemacht, die Ausführung aufgibt.
Obwohl hier für den Versuch einer Inbetriebnahme keinerlei harte Fakten vorliegen, würde die Situation, in welcher der Berufungswerber im Fahrzeug angetroffen wurde, jedenfalls auch für eine Abstandnahme eines Inbetriebnahmeversuches sprechen und die Straffreiheit schon vor diesem Hintergrund indizieren.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 16. März 1994, Zl. 93/03/0204) wohl bereits das in Gang setzen des Motors eine vollendete Inbetriebnahme des Fahrzeuges darstellen würde, und zwar auch dann, wenn das Fahren mit dem (= Lenken des) Fahrzeug[es] an sich unmöglich wäre. Umgekehrt ist auch das Lenken ohne Anwendung von Maschinenkraft möglich (VwGH 30.4.2007 2006/02/0305 mit Hinweis zB auf VwGH 28.2.2003, Zlen. 2002/02/0192, 0193).
Im Sinne der gesicherten Rechtsprechung stellt das in Gang setzen des Motors eine vollendete Inbetriebnahme des Fahrzeuges dar (VwGH 27.2.2004, 2001/02/0147 mit Hinweis auf VwGH 15.11.2000, Zl. 2000/03/0237).
Nicht jedoch vermag auch eine offenkundig bloß auf die Ingangsetzung – oder hier Abschaltung - des Radios ziehlende Handlung oder etwa das Drehen am Zündschloss zwecks Bedienung des Fensterhebers als Solche begriffen werden, wenngleich es dafür einer entsprechenden Positionierung des Zündschlüssel durch Drehen bis zur ersten oder zweiten Raste des Schlosses bedarf, als eine auf das Ingangsetzen des Fahrzeuges gerichteten Handlung gleichgesetzt gelten (s. auch Pürstl/Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 1009, Rz. 4).
Eine tatsächliche "Inbetriebnahmeabsicht" hat sich im Rahmen der Berufungsverhandlung nicht erweisen lassen, wenngleich losgelöst von den Begleitumständen die Handlung vom Meldungsleger in verfehlter Rechtsauffassung sich so dargestellt haben mag.
Das Lenken und die in Betriebnahme muss einen empirischen Bezug zum gesetzlich intendierten Schutzzweck der Norm erkennen lassen. So indiziert etwa auch im Falle des bloßen Schieben eines Fahrrades oder ein Aufgreifen auf einer nicht öffentlichen Verkehrsfläche noch keine Grundlage für eine Aufforderung zur Atemluftuntersuchung (vgl. etwa UVS-Tirol, v. 12.12.2006 2006/13/2293-2, sowie UVS-Steiermark v. 21.06.2004, Zl. 303.16-1/2003 und h. Erk. vom 26.1.2009, VwSen-163729/12/Br/RSt).
Laut gesicherter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - wie bereits im Hinweis auf S 106 Rz. 5 in Pürstl-Sommereder - ist ferner unter "in Betrieb nehmen" (nur) eine dem Lenken vorausgehende Willenshaltung zu begreifen. Dazu zählen primär erforderliche Vorbereitungshandlungen zur Aktivierung der Antriebkräfte eines Kraftfahrzeuges zur Fortbewegung. Inbetriebnahme ist somit eine Tätigkeit, die auf das in Gang setzen des Fahrzeuges und dem anschließenden Betrieb gerichtet ist. Das in Gang setzen (Starten) des Motors wird durch die Judikatur als eine solche Inbetriebnahme gesehen, selbst wenn sie einen anderen Zweck verfolgen sollte (wie etwa den Betrieb der Heizung). Nicht jedoch das bloße "in Gang setzen" des Radios oder des Fensterhebers durch Einschalten der Zündung.
Es darf auch nicht der Intention des Gesetzgebers zugesonnen werden in einer derartigen von jeglichem Lenken losgelösten Nebenhandlung als eine von der Strafbarkeit umfasste Verletzung des Normzwecks begreifen zu wollen (VwGH 13.6.1999, 99/03/0188).
Der Schuldspruch war hier auf Grund der Faktenlage zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220,00 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r